Mittwoch, 1. Juli 2020

Impudenz des Monats Juni 2020


Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Blickt man auf die deutschen Parteien des letzten Monats zurück, gibt es einer seits den üblichen Befund: Die Groko funktioniert, weil die SPD-Minister solide bis sehr gute Arbeit leisten, während die C-Leute des Kabinetts entweder vollständig untergetaucht sind (Merkel, Karliczek, Müller, Braun, Altmeier), fast untergetaucht sind (Seehofer – mit einer Peinlichkeitssitze bei der taz-Affäre; AKK mit einer Peinlichkeitsspitze bei der KSK) oder auf breiter Front mit Totalversagen auffielen wie Klöckner und Spahn.
Die Linken schweigen sich durch eine schwere Sinnkrise, die AfD zerlegt sich selbst und die FDP rückt im Bestreben zu einer AFDP zu werden – Thüringen lässt grüßen – immer weiter in den rechts-peinlichen Bereich.

Bleiben also die Grünen, die ich hiermit zur Impudenz des Monats Juni küre.

Grüne, kennt Ihr nicht?
Das war die Partei, die bis in den März 2020 durch Vagheit und Konzeptlosigkeit auffiel, sich strikt bemühte keine Wähler mit konkreten Forderungen zu verschrecken und so sehr vom Frust über die Groko parasitierte, daß sie sich anschickte stärkste Partei zu werden. Geschickt bespielten die beiden Parteichefs die Medien, saßen in jeder oberflächlichen ARD/ZDF-Quasselrunde und ließen es in den Bereich des Möglichen rücken, daß Habeck Kanzler werden könnte.

Mit der Pandemie wurde das Regieren allerdings sehr plötzlich zu einer sehr konkreten Angelegenheit. Kompletter globaler ökonomischer Stillstand, Einfrieren des öffentlichen Lebens, Massenarbeitslosigkeit, Megaverschuldung, bald eine halbe Million Corona-Tote.
Dazu fiel den lustigen Gut-Wetter-Grünen dann gar nichts ein und sie gingen medial unter – genau wie ihre Umfragewerte, die vor einem Jahr noch gleichauf mit CDU/CSU bei etwa 27% lagen und binnen weniger Wochen auf 14%, sogar hinter der SPD zusammenschnurrten.

Die Grünen Spitzenpolitiker wussten im Juni immer noch nicht, was sie politisch anzubieten hatten, schwiegen sich aus und warteten auf bessere Zeiten.

Die Grün-Wähler sahen dadurch weniger Habeck im TV und schenkten ihre Liebe nun einem anderen Alpha-Boy aus den Schlagzeilen:
Markus Söder heißt der neue Schwarm der grünen Basis.
Und zwar bedingungslos.

[….]  Grünenanhänger für Söder - oder keinen
Nirgends hat die Koalitionsoption Schwarz-Grün so viele Verfechter wie unter Sympathisanten der Grünen. [….]  Die Koalitionsvariante Schwarz-Grün verfügt seit Monaten über eine Mehrheit in den Umfragen. Nun zeigen sich insbesondere die Anhänger der Grünen als offen für diese Formation nach der nächsten Bundestagswahl.
Gut 60 Prozent der Grünenunterstützer wünschen sich eine Koalition mit CDU und CSU, nur knapp 25 Prozent sind dagegen. Bei der Union halten sich Gegner und Befürworter von Schwarz-Grün die Waage. Dies ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für den SPIEGEL. [….]  Wer könnte eine solche Regierung anführen? 39 Prozent der Deutschen können sich den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Markus Söder als Bundeskanzler vorstellen, die CDU-Rivalen Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen liegen abgeschlagen dahinter.
[….]  Interessant ist der Blick auf die Grünenanhänger. Hier sprechen sich rund 30 Prozent für Söder aus. [….] 

In dieser Umfrage manifestiert sich etwas, das sich schon seit Jahren abzeichnet. Die zunehmend konservativen  und immer Kirchen-affineren Grünen wünschen sich auch bundesweit eine Koalition mit den Schwarzen.
Am liebsten mit Söder – dem Mann, der seine gesamte Karriere darauf aufbaute gegen Flüchtlinge, Migranten und Dunkelhäutige zu hetzen, der sich als überzeugter Anti-Europäer gab, Viktor Orban auf CSU-Parteitagen hofierte, gegen LGBTI wetterte und in ganz Bayern verpflichtend Kreuze aufstellen ließ.
Söder ist so rechts, daß er sogar beim radikalsten Kämpfer wider Merkels Flüchtlingspolitik – Ex-Parteichef Seehofer – für seine xenophoben Äußerungen gerügt wurde.
Immer wenn es so richtig schwachsinnig, teuer, bürokratisch, xenophob, kontraproduktiv wird, steckt Söder dahinter: Anti-Ausländer-Maut, Bildungs-Fernhalteprämie, Hotelsteuerermäßigung oder Umstellung auf Sachleistungen bei Flüchtlingen.

(…..) In den letzten Tagen vermochte es Markus Söder, der Mann mit dem Gesicht, das nur eine Mutter lieben kann (Hildebrandt), noch eine Umdrehung hinzuzufügen.
In abscheulichster Matussek-Manier ging er auf die Opfer des IS los, die gerade noch ihre Haut vor dem Terror retten konnte und unterstellte ihnen auch Täter zu sein.
Ekeliger geht es kaum noch.
Man darf getrost davon ausgehen, daß diese widerlich-populistisch-xenophobe Sicht von den meisten CSU-Politikern geteilt wird und dadurch auch in die Bundesregierung getragen wird.
Das sind die Momente, in denen man an Max Liebermann und das „fressen“ und „kotzen“ denkt. (…..)

Hetzte gegen Flüchtlinge und Arme? Genau der Mann für die Grünen von 2020.
Die Grünen haben die wohlhabendste Wählerschaft und könnten als Mehrheitsbeschaffer von Kanzler Merz oder Kanzler Söder vermeiden ihrer reichen Wähler-Klientel Gemeinheiten wie höhere Spitzensteuersätze oder Vermögenssteuer aufzudrücken. Das würde nämlich in einer R2G-Koalition drohen.

(…..)  Es gibt nur eine Sache, die Orbans aktuelle Lieblingskurtisane Horst noch weniger leiden kann als Asylanten; und das ist Markus Söder.
Der gegenwärtige CDU-Chef hasst den mutmaßlich Kommenden so sehr, daß er sein eigenes Versprechen zum Ende der Legislatur abzudanken wohl kassieren wird.
Als Parteichef gewählt bis 2017 will Seehofer auf gar keinen Fall dem xenophoben Franken das CSU-Ruder überlassen, weil er dann bis zur bayerischen Landtagswahl 2018 seinen (Partei-)Chef an seinem Kabinettstisch sitzen hätte.
Laut SPIEGEL plant der Bayern-Diktator eine außerordentliche Neuwahl des CSU-Parteivorsitzenden noch dieses Jahr, so daß er bis 2018 Chef bliebe.

Söder, der mit fremdenfeindlichen Parolen sogar noch deutlich rechts von Seehofer in der CSU positioniert ist, drängt allerdings derart machtvoll an die CSU-Spitze, daß er womöglich nicht mehr aufzuhalten ist.
Der Finanzminister ist jünger, gesünder, fieser als der Ministerpräsident und bemüht sich seit Jahren um intensive Vernetzung und Verküngelung innerhalb der CSU zu seinen Gunsten. (…..)

Und so beeilen sich Grüne servil vor Markus Söder zu kriechen.
Diesem Markus Söder:

(…..) Unvergessen wie Söder nach den Attentaten von Paris unter Aufbringen eines Maximums an Unanständigkeit die Opfer nutzte, um sein rechtsradikales Süppchen zu kochen. Paris ändere alles – so argumentierte Söder, um mit den französischen durch den IS Getöteten, die anderen vor dem IS Fliehenden zu diffamieren. Perfider geht es nicht.

Nach den islamistischen Anschlägen von Paris zeichnet sich in Deutschland eine neue Debatte über einen härteren Umgang mit Flüchtlingen an den deutschen Grenzen ab. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralph Stegner hat vor einer Instrumentalisierung der Anschläge von Paris gewarnt. "Paris ändert nicht alles", sagte Stegner dem Tagesspiegel. Zuvor hatte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) eine Änderung der Flüchtlingspolitik gefordert und gesagt: "Paris ändert alles." SPD-Vize Stegner widersprach  dem, eine Änderung der Flüchtlingspolitik sei "nicht erforderlich" sagte er. "Die meisten Flüchtlinge laufen vor denen weg, die die Anschläge in Paris verübt haben". In der gegenwärtigen Situation sollte jeder vor einer parteipolitischen Instrumentalisierung absehen, forderte Stegner. [….]

Seehofer, selbst alles andere als zimperlich im Umgang mit den Kriegsflüchtlingen, nutzte die Gelegenheit, um Söder kräftig vor das Schienbein zu treten.
Stoppen konnte er Sudel-Söder freilich nicht.
Nach allen Umfragen liegt der weit vorn, wenn es um die Seehofer-Nachfolge geht. Herrmann und Aigner scheinen chancenlos.
Söders Braun-Kurs scheint ihm also in Bayern sogar zu helfen.
Folgerichtig blinkt er weiterhin rechtsextrem.
So drückt auch der mächtige SZ-Chefredakteur Horst Seehofer die Daumen.

[….] Der Ministerpräsident hält Söder für charakterlich ungeeignet. Nach Aussagen des bayerischen Finanzministers, die auch AfD-Sympathisanten gefallen werden, kann man das verstehen.
[….] Warum Seehofer das meint, wird gelegentlich an Söders nahezu skrupelloser Rhetorik deutlich. Zum Beispiel verknüpfte Söder nach den Anschlägen von Paris flugs Terrorismus und Flüchtlinge in dem Satzbeginn, nicht jeder Flüchtling sei ein Terrorist, aber... Einen ähnlichen Klops hat er sich jetzt wieder geleistet.
Weil die Betreuung unbegleiteter junger Flüchtlinge nicht billig ist und außerdem gerade über die Rente diskutiert wird, kocht Söder aus beidem einen Brei, der auch AfD-Sympathisanten schmecken wird. Es gehe nicht an, polemisiert Söder, dass ein deutscher Rentner weniger vom Staat bekomme, als ein jugendlicher Flüchtling den Staat koste. Die nicht sehr versteckte Botschaft lautet: Irgendwie nehmen die Ausländer den Rentnern das Geld weg. [….][….]

Das ist der Wunschpartner der Grünen.
Nicht etwa nur das Idol einiger Grünen-Spitzenfunktionäre, sondern Held der grünen Basis.
Cem Özdemir würde aber auch gleich mit dem multimillionenschweren Industrielobbyisten, Ökohasser und Verfechter radikaler Sozialkürzungen Friedrich Merz politisch kopulieren.

[….]  Der CDU-Politiker Friedrich Merz plädiert für ein schwarz-grünes Bündnis. Ex-Grünenchef Cem Özdemir freut sich offenbar darüber.
[….]  Friedrich Merz und die Grünen, das passt in etwa so gut zueinander wie Salz zum Kaffee. [….]  Merz, der als tiefschwarz und neoliberal gilt, und schon mal eine Debatte über das Grundrecht auf Asyl anzettelt, wenn es ihm opportun erscheint.
Ausgerechnet Merz hat nun in einem SPIEGEL-Interview für die Zusammenarbeit mit den Grünen plädiert, ihnen quasi ein Angebot gemacht. [….]  Die Grünenchefs Annalena Baerbock und Robert Habeck wollen darauf auf Anfrage nicht reagieren. [Wie immer, wenn es kniffelig wird, tauchen sie ab- T.]   Anders Cem Özdemir, der die Grünen von 2008 bis 2018 als Vorsitzender führte [….]  Das Angebot freute ihn offenbar: "Die Offerte von Friedrich Merz ist ein Kompliment für uns Grüne in Bund und Ländern", sagte er dem SPIEGEL[….]