Gestern
trat Merkel bei Anne Will auf und erklärte „Wir schaffen das!“
Wie das gehen soll, sagte
sie zwar nicht,
aber immerhin Spon-Kommentator Stefan Kuzmany liegt ihr nun zu Füßen, nennt sie zärtlich „meine
Kanzlerin“ und
bekundet das bisher Unvorstellbare sei für ihn nun wahr geworden – er werde
Merkel wählen! Andere Linke bejubeln ebenfalls die
Kanzlerin.
Unterdessen
schlagen sich die hochrangigen SPD-Politiker Gabriel, Oppermann und Dreyer auf
die Seite der CSU, machen Stimmungen gegen Flüchtlinge und setzen auf die
bisher eindrucksvoll gescheiterten Methoden Ausgrenzung, Abschottung und
Abschreckung.
Angeblich
gilt Merkel inzwischen als haushohe Favoritin für den morgigen Friedensnobelpreis; Heiner Geißler jubiliert schon
mal, die Kanzlerin habe ihn
wirklich verdient.
Dabei
„tut“ Merkel immer noch das offensichtlich Falsche:
Deutsche
Flüchtlingspolitik: Reine Schikane
Der Sommer der
Solidarität ist vorbei. Die Bundesregierung setzt in der Flüchtlingskrise
wieder auf Abschreckung und Abschottung. Dabei ist diese Strategie längst
gescheitert.
Auf
meiner Facebookseite hinterließ gestern jemand den Kommentar, Merkel übernehme
nun den SPD-Vorsitz, während TTIP-Gabriel zum CDU-Chef avanciere. So gäbe eine
einen Regierungswechsel ohne Wahlen und ohne neues Personal – welch ökonomische
Methode für eine Demokratie!
So
abwegig ist das übrigens gar nicht.
Silvio Berlusconi glaubt mit nunmehr 79 Jahren scheinbar selbst nicht mehr daran ein fünftes mal (nach 1994–1995,
2001–2005, 2005–2006 und 2008–2011) Regierungschef Italiens zu werden. Zu
seinem Unglück stellt sich auch Amtsinhaber Matteo Renzi erstaunlich gut an.
Der junge Mann könnte ganz untypisch für Italien länger regieren und einige
grundsätzliche Reformen bewirken. Das merken auch Berlusconis ehemalige Getreue
der Forza Italia.
In der
Partei werden sie nicht mehr an die Macht kommen und so wechseln sie einfach
die Partei, laufen zu denen über, die Oberwasser haben.
Bereits
nach der Hälfte der Legislaturperiode haben über 300 italienische
Parlamentarier beider Kammern die Partei gewechselt.
Die italienische
Abgeordnetenkammer hat 630 Abgeordnete, weitere 315 Volksvertreter sitzen
im Senat der Republik. Berlusconis Forza
Italia kehrten in zweieinhalb Jahren bereits 83 Mitglieder den Rücken.
Kein
Problem in Italien – man wendet sich den Fleischtöpfen zu – nachdem Il
Cavaliere offenbar keine Pöstchen mehr verschaffen kann.
[….]
Denis Verdini, 64 Jahre alt, gelernter
Metzger aus Florenz, später Bankdirektor und nun Senator der Republik, ist
plötzlich sehr mitteilungsbedürftig. [….] Verdini hat bereits zwölf Senatoren und elf Abgeordnete von Berlusconis
Partei Forza Italia überzeugen können, den jungen Premier aus dem anderen
politischen Lager beim Reformieren des Landes zu helfen. Mit ihren Stimmen im
Parlament. Bald sollen es noch mehr werden. Verdini lädt die Absprungwilligen
einzeln in sein Büro ein und sagt zu jedem: "Willst du an der Macht
bleiben? Ich bin das Taxi - ich bringe dich in zehn Minuten von Berlusconi zu
Renzi." Er sieht sich als Vehikel der Macht. Fahrer erscheint ihm als
Rolle wohl zu subaltern.
[….]
Viel deutet darauf hin, dass sich der
Aderlass fortsetzt. Verdinis Manöver aber, so hat es wenigstens den Anschein,
ist mehr als eine Anekdote: Es verändert die gegenwärtige Machtkonstellation. [….]
Stefano Folli, der politische Chefanalyst
der Zeitung La Repubblica, schreibt dazu: "Viele Bürgerliche sind reif für
den Renzismus." Sie sind es vor allem deshalb, weil ihr früherer Anführer,
Silvio Berlusconi, im Herbst seiner Karriere sie zu Heimatlosen macht: Er
scheint selber nicht mehr an sein Comeback zu glauben und schaut machtlos zu,
wie ihm die Leute davonlaufen. [….]
(Oliver
Meiler, SZ, 07.10.2015)
Italien
ist irgendwie ein seltsames Land. Endlich löst sich der politische Betrieb von
der Superkrake Berlusconi, weil er trotz seiner zahlreichen Schönheits-OPs als
alt und schwach wahrgenommen wird.
Gleichzeitig
wächst aber der ohnehin sagenhafte ökonomische Einfluß der Sippe kontinuierlich
weiter an.
[….]
In Italien gehört bald alles der Familie
Berlusconi: [….]
Neun Monate wurde
verhandelt, begleitet von Autorenprotesten, Gerüchten und Indiskretionen. Jetzt
aber ist es beschlossen: Der italienische Medienkonzern Mondadori kauft seinen unmittelbaren
Rivalen, die RCS Mediagroup (Rizzoli). Der Preis beträgt 127,5 Millionen Euro.
Damit entsteht ein Unternehmen, das etwa vierzig Prozent des italienischen
Marktes für Belletristik und Sachbücher beherrscht und etwa dreißig Prozent des
Marktes für Lehr- und Schulbücher. Ferner werden etliche Zeitungen - die
Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera zum Beispiel - und Zeitschriften zu
diesem Konzern gehören.
Weder in Amerika noch
in anderen europäischen Staaten gibt es ein Unternehmen, das eine solche Macht
auf dem jeweiligen Buchmarkt repräsentierte. [….] Die drohende
Übernahme der Gruppe RCS hatte im Frühjahr zu einem Protest von fast fünfzig
Autoren des zu RCS gehörenden Verlages Bompiani geführt, darunter Umberto Eco
und Susanna Tamaro, Mario Fortunato und Sandro Veronesi. [….]