Sahra Wagenknecht kann sich nicht über zu wenig Medienaufmerksamkeit beschweren. Keine Polit-Sendung, die sich nicht mit dem Schwarzer-Wagenknecht-Manifest befasst. Fast jeden Tag Talkshowauftritte. Die beiden Aluhütinnen finden reichlich Gehör, bekommen viel Redezeit und konnten bis heute 660.000 Unterschriften sammeln. Wie es sich für eine Demokratie gehört, gibt es viel Gegenrede. Die Argumente werden ausgetauscht, man bezieht Stellung – und zwar in diesem Fall nicht entlang der Parteilinien.
Fast der gesamte seriöse Journalismus stellt sich gegen die beiden Frauen. Die schärfte Kritik des politischen Lagers kommt von den Streithähnen Grün und Gelb, die sich in der Ukrainepolitik völlig einig sind. Auch CSU, SPD und CDU stellen sich gegen das Manifest. Die Linke zerreißt es in dieser Frage. Nur aus der putinesken AfD kommt einhellige Unterstützung.
Die Stimmung beim gemeinen Volk ist uneindeutig. Ganz grob betrachtet, sind ein Drittel der Deutschen für mehr Waffenlieferungen, ein Drittel dagegen und das letzte Drittel ist unentschieden.
Die deutsche Debattenkultur ist durch die Talkshowformate und Social-Media-Blasen ohnehin zerstört. Niemand nimmt sich die Argumente der Gegenseite zu Herzen. Mir fällt das zugegebenermaßen auch sehr schwer, weil ich die beiden Damen regelrecht verachte. In unzähligen Blogpostings habe ich Alice Schwarzer und noch viel mehr Wagenknecht in Grund und Boden verdammt.
Dennoch agieren die beiden Damen nicht bar aller Argumente.
Schwarzer nahm gestern beim Schwurbelsender „ServusTV“
(Talk im Hangar) Stellung zu Sahra Sarrazins inzwischen legendärer
Fehleinschätzung vom 20.02.2022, drei Tage vor Kriegsbeginn:
Sie selbst habe ganz unabhängig davon dieselbe Fehleinschätzung abgegeben und sich eben so grundlegend in Putin geirrt. Aber gerade aus diesem Irrtum heraus, wisse man jetzt, daß Putin zu sehr viel mehr irrationalem Handeln und mehr Grausamkeit fähig sei, als man sich vorstellen konnte. Daher sei es widersinnig, wenn diejenigen, die ihr den damaligen Irrtum vorwerfen, nun gleichzeitig sagten, ihre Angst vor atomarer Eskalation sei irrational, weil Putin das nicht täte.
Da hat Schwarzer tatsächlich einen Punkt. Man sollte sich nicht mehr auf Gewissheiten darüber ausruhen, was Putin NICHT tut, weil er dafür angeblich zu rational ist.
Wenig überraschend beziehe ich aber insgesamt klar Position gegen das Manifest. Das ist aber eine reine Vernunft-Entscheidung. Habituell liegt mir die russische Kultur näher als die Ukrainische. Ich verstehe die Einkreisungs-Phobie Moskaus, bin harter Kritiker der US-Geopolitik, habe keine Sympathie für Selenskyjs Oligarchen-Verbindungen und bin zudem grundsätzlich Pazifist, der sich gegen alle Waffenexporte sträubt.
All das ändert aber nichts an der Tatsache, daß in diesem Fall die Kriegsschuld eindeutig bei Putin liegt. Die Ukraine wurde angegriffen und nicht umgekehrt. Die Massaker finden an Ukrainischer Zivilbevölkerung statt, die Ukraine wird zerstört.
Drei Hauptargumente sprechen gegen das Manifest.
1. Es ärgert mich maßlos, wie Schwarzer und Wagenknecht der Ukraine Handlungsratschläge geben. Ergeben, verhandeln oder kämpfen, sind die drei Optionen, über die ganz allein die Ukrainer entscheiden muss und ganz offensichtlich votieren sie klar für maximalen militärischen Widerstand.
2. Die beiden Querfrontlerinnen nehmen für sich in Anspruch quasi allein für den Frieden zu votieren, unterstellen der Bundesregierung und insbesondere den Grünen gar „Kriegstreiberei“. Das ist infam. „Wir“, also die Bundesregierung, Sascha Lobo, Georg Restle, ich, Annalena Baerbock, wünschen uns genauso Frieden. Keiner schickt glückserfüllt Panzer und erfreut sich an einem Krieg.
Der Wagenknecht-Fanboy und rechtsextreme Hasskatholik Berger hetzt heute in seinem VT-Blog:
[….] Ein Jahr heiße Phase des Ukraine-Kriegs, das ist auch ein Jahr bislang unvorstellbarer Kriegsgeilheit in der veröffentlichten Meinung europaweit, ganz besonders aber in jenem Land, das bereits den Ersten und Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen hat. Gewissenlos hetzten deutsche Mainstreammedien seit dem über viele Jahre u.a. von den USA provozierten Einmarsch russischer Gruppen in die Ukraine die Deutschen in einer Weise auf, die man hier in Kriegsdingen zuletzt beim „Stürmer“ zu lesen bekam. Jeder, der auch nur ganz vorsichtig und mit der standardisierten Verurteilung der russischen Intervention auf die wahnwitzige Idee kommt, an Friedensverhandlungen zu denken, den baldigen Endsieg über den Russen und ein möglichst rasches Ende des Bluvergießens in der Ukraine zu fordern, wird sofort als gewissenloser Putinist beschimpft und – so er denn prominent ist – besonders von der Springerpresse öffentlich hingerichtet. Bestes Beispiel dafür derzeit die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Gleichsam die Krönung der Kriegshetze der Mainstreammedien bietet anlässlich des Einjährigen der „Spiegel“ mit einem Artikel von Sascha Lobo. Für alle, die mit dem Namen nichts anfangen können: dass ist der stark gealterte Mann mit einer Punkfrisur, die vermutlich ein alternatives Denken insinuieren soll. Aber ähnlich wie der Punk der „Toten Hosen“ doch zu einer Signatur des geistlosen Mitläufertums weißer Cis-Männer geworden ist, die ihre beste Zeiten längst hinter sich haben [….]
(PP, 25.02.2023)
3. Man macht nicht gemeinsame Sache mit Nazis und den Putin-Sockenpuppen der AfD!
Der letzte Punkt wurde heute auf der großen Berliner Manifest-Demo deutlich. Sahra Sarrazin und Schwarzer sprechen von 50.000 Teilnehmern, alle total friedlich und andächtig, keine Nazis.
Die Polizei zählte 13.000 Teilnehmer, ein paar kleine Tumulte und Putin-affine Nazis waren definitiv anwesend.
[….] Nach Polizeiangaben gab es am Rande der Demonstration einen kurzen Tumult: Teilnehmende der Kundgebung versuchten demnach eine Gruppe um Jürgen Elsässer, den Chefredakteur des rechten "Compact"-Magazins, aus der Veranstaltung zu drängen. [….] Die Spitze der Linkspartei hielt Distanz und kritisierte den Demonstrationsaufruf, weil dieser nicht mit der Partei abgesprochen worden sei. Führende AfD-Politiker unterzeichneten das Friedens-Manifest, das Wagenknecht und Schwarzer vor zwei Wochen veröffentlicht hatten. Nach Parteiangaben waren auch zahlreiche Mitglieder der AfD vor Ort, darunter der AfD-Landesvorsitzende aus Sachsen, Jörg Urban, schrieb die Bundespartei am Samstag auf Twitter. [….] Kritik an der Veranstaltung kam unter anderem von den Grünen: Wirtschaftsminister Habeck sagte am Freitagabend in der ARD, jeder, der bei Sinnen und Verstand sei, wünsche sich Frieden. Die Linken-Politikerin Wagenknecht und ihre Gefolgsleute wollten aber etwas als Frieden verkaufen, das ein "imperialistischer Diktator" Europa aufzwinge. Wagenknecht und ihre Unterstützer betrieben eine "Irreführung der Bevölkerung". [….]
Wagenknechts Distanzierungen von der völkisch-homophoben AfD sind schon lange nicht mehr ernst zu nehmen. Seit Jahren gibt sie im Wochentakt braune Propaganda von sich. Längst wurde sie zum Liebling der islamophoben, queerfeindlichen verschwörungstheoretischen Covidioten-Hetzblogs. Auch heute überschüttet sie der faschistoid-antisemitische VT-Ideologe Dr. Dr. David Berger mit Liebe – in seiner typischen mit Rechtschreibfehlern gespickten Diktion.
[…] Heute wurde in Berlin Geschichte geschrieben. Trotz nasskaltem Wetter und verlogener Stimmungsmache von Politikern sowie gleichgeschalteten Medien, setzten heute Tausende ein Zeichen gegen Kriegstreiberei, für Frieden und Freiheit. Was mit den Querdenken-Demos begann, hat sich heute endgültig etabliert: Der Beginn einer neuen Bürgerbewegung. „Was gerade am Brandenburger Tor in Berlin passiert, ist unglaublich. Es ist ein Ausrufezeichen gegen die Kriegstreiber & ihre Interessen. Friedensflaggen überall, mit einer Rede von Wagenknecht, die Gänsehaut auslöst. Wir sind mehr. Wir sind stark. Wir wollen Frieden.“ – so einer der Teilnehmer an der großen Friedensdemo am Brandenburger Tot, die gerade eben zuende gegangen ist. „Frieden schaffen ohne Waffen“ und „Baerbock weg“ sowie Fahnen mit Friedenssysmbolen bestimmten das Bild der Großdemonstration [….]
(PP, 25.02.2023)
Die nach wie vor auch existenten vernünftigen Kräfte unter den Linken, äußern sich ob dieses braun-dunkelroten Amalgams entsetzt.
[….] Wegen einer fehlenden Abgrenzung von rechts hatten aber schon im Vorfeld mehrere Spitzen-Politiker die Demonstration scharf kritisiert. Aus Hamburg waren sowohl von der Linken als auch von der AfD Abgeordnete anwesend.
Alice Schwarzer hat die von ihr und Sahra Wagenknecht initiierte Kundgebung am Samstag in Berlin als „gewaltigen Erfolg” gewertet. „Ich bin total glücklich”, sagte die Frauenrechtlerin am Abend. Es habe eine so friedliche und fröhliche Stimmung gegeben. „Keine parteigebundene Stimmung, keine Sektenstimmung. Da waren einfach Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die aus allen Ecken Deutschlands angereist waren, um ein Zeichen zu setzen.” [….] Unter den Hamburger Linken hatte es wenige Tage vor der Demo noch sehr unterschiedliche Meinungen zu einer möglichen Teilnahme gegeben. Letztendlich hatte sich die Partei gegen einen Aufruf zur Demo und für eine eigene Demo vor dem russischen Konsulat in Hamburg am Freitag entschieden. Der Grund war, dass Wagenknecht und Schwarzer ihre Demo nicht klar von rechts abgegrenzt hatten. Die Hamburger Linken-Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic, die schon länger als Wagenknecht-Anhängerin gilt, ging offensichtlich trotzdem hin.
Auf ihrem Instagram-Kanal postete sie mehrere ein Videos direkt vor und von der Bühne, auf der Schwarzer und Wagenknecht ihre Reden hielten. „Gleichzeitig war auch die Hamburger AfD-Bürgerschaftsabgeordnete Olga Petersen vor Ort. „Bei jedem Wetter für den Frieden. Heute kamen zig tausende Menschen zusammen um gemeinsam ein Zeichen für den Frieden zu setzen”, schrieb sie auf Twitter. [….] Das Manifest wurde unter anderem auch von AfD-Chef Tino Chupralla unterschrieben. Zu möglichen Demonstrationsteilnehmern aus dem rechten Spektrum hatte Wagenknecht dem „Spiegel“ vor der Demo gesagt: „Auf unserer Kundgebung ist jeder willkommen, der ehrlichen Herzens für Frieden und für Verhandlungen demonstrieren möchte. Rechtsextreme Flaggen oder Symbole dagegen haben auf ihr nichts zu suchen und werden nicht geduldet. Mehr ist dazu nicht zu sagen.“ [….]
Kurioserweise kam die einzige vernünftige und konstruktive Stellungnahme zum Thema heute von Thüringer Faschistenführer Bernd Höcke:
[…..] Höcke lädt Sahra Wagenknecht in die AfD ein. [….] »Ich bitte Sie, kommen Sie zu uns«, sagte er; in seiner Partei könne Wagenknecht die Politik machen, von der sie träume – anders als in der Linken: »Sie werden mit dieser Partei niemals ihre Vorstellungen von Friedenspolitik durchsetzen.« [….] Bereits in den vergangenen Wochen hatten AfD-Politiker und andere Rechte für eine Teilnahme geworben. In der Forderung nach umgehenden Friedensverhandlungen und einem Ende der westlichen Waffenlieferungen erkennen sie ihren eigenen Kurs wieder. Er sei »stolz und glücklich«, so Höcke bei seiner Einladung, dass Wagenknecht und Schwarzer den Protest gegen die Regierungspolitik »gegen viel Widerstand« organisierten. […..]
(SPON, 25.02.2025)
Bitte Wagenknecht. Folge Deinem Herzen. Folge Bernd. Das macht die Politik in Deutschland so viel klarer. Und mit Hilfe des destruktiven Geschick Deines Ehemannes bekommt ihr vielleicht auch noch die dritte Deutsche Partei klein. Diesmal aber eine, um die man nicht weint.