Dienstag, 11. Juni 2019

Klimaidiotie – Teil II

Nachdem ich mich gestern wieder einmal über das Versagen der Merkel-Regierung beim Megathema Klima aufregte und empört feststelle, wie Deutschland sogar immer weiter hinter den Stand zurückfällt, der schon erreicht war, möchte ich heute aber auch die allgemeine Schlechtigkeit der Verbraucher/Jugend/Wähler/Youtuber beklagen.

Mein Staatsverständnis ist ungefähr das diametrale Gegenteil dessen, was Lindner und Merz propagieren.
Letzterer presst sich gerade wieder in die Öffentlichkeit mit seiner Uralt-Forderung arme Menschen zu verpflichten private Vorsorge durch Akteinkäufe zu betreiben. Damit will er wieder mehr Begeisterung für den Kapitalismus fördern.
Kann man sich nicht ausdenken. Der Besitzer zweier Flugzeuge und Multimillionär, der mit Cum-Ex-Spekulationen auf Kosten des deutschen Steuerzahlers steinreich wurde, scheint ein halbes Jahr nach seiner schmachvollen Niederlage gegen AKK immer noch nicht begriffen zu haben, daß es tatsächlich Bürger dieses Landes gibt, die weniger als eine Millionen Euro im Jahr verdienen.
Ich habe das Gerücht inzwischen auch gehört; Deutsche, die keine Millionäre sind? Gibt es das wirklich?
Die Vorstellung Menschen staatlich privater Vermögensspekulation zu zwingen, ist eine Perversion des Staates.
Grundsätzlich unterstütze ich natürlich den starken Staat, in dem Sinne, daß eine kraftvolle Bundesregierung die Industrie an die Kandare nimmt, ökologische Vorgaben macht und eine soziale Sicherung für Arme/Schwache/Benachteiligte/Minderbemittelte schafft.

Beim Thema Klimawandel, Energiewende und Umweltschutz auf Freiwilligkeit der Großindustrie zu setzen, hat sich klar als Flop erwiesen.
Shareholder-Value-Unternehmer, die in Deutschland wie die VW-Chefs fast 100 mal so viel wie ein durchschnittlicher Mitarbeiter des Konzerns verdienen, haben sich eben nicht als zukunftsorientierte Altruisten erwiesen, sondern als Raffkes, denen kurzfristige Aktiengewinne wichtiger sind.

(Ja, bei Familienunternehmen sieht es besser aus, weil diese weniger dazu neigen Gewinne abzuziehen, sondern im Interesse ihrer Kinder am langfristigen Wohlergehen der Firma interessiert sind und daher forschen und investieren.)

Merkel schrumpft aber den Staat und, noch erbärmlicher, dort wo der Staat selbst die Kontrolle hat und ganz konkret die Klimaerwärmung bekämpfen könnte, tut er das Gegenteil.
Beispiel Bahn, ein Staatskonzern in dessen Vorstand Unionsgrößen wie Merkels ehemaliger Kanzleramtsminister Pofalla oder (bis 2009) CSU-Superminister Otto Wiesheu sitzen. Schiene ist ganz klar die umweltfreundlichste Transportmethode.
Was tut Deutschland? In ganz großen Maßstab werden Strecken stillgelegt, um die Bürger von der Schiene ins Auto zu zwingen.

[….]  Seit 1990 sind in Deutschland 6.467 Kilometer Bahnstrecken stillgelegt worden – davon 2.623 Kilometer in Ostdeutschland.
Das entspricht einem Anteil von rund 40 Prozent, so die Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion.
In absoluten Zahlen am stärksten betroffen war Bayern. Im Freistaat sind seit 1990 Bahnstrecken mit einer Gesamtlänge von 929 Kilometern außer Betrieb genommen worden. In Nordrhein-Westfalen waren es 775, in Niedersachsen 713, in Sachsen 527, in Mecklenburg-Vorpommern 299 und in Brandenburg 539 Kilometer. Für Sachsen-Anhalt liegen lediglich für die Zeit nach 1994 genau Angaben vor: Dort wurden bis heute Strecken auf einer Länge von 660 Kilometern eingestellt.
Nach Angaben der Linksfraktion entsprechen die Streckenstilllegungen in Ostdeutschland in etwa dem gesamten Bahnnetz der Niederlande. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einer Fehlentwicklung. [….]   (dts Nachrichtenagentur, 10.06.2019)

Das passiert, wenn man kontinuierlich KfZ-Lobbyhuren von der CSU als Bundesverkehrsminister einsetzt (Ramsauer, Dobrindt, Scheuer).

Solche Leute kommen an die Regierung, weil die eher kritischen jüngeren Wähler sich signifikant weniger für Politik interessieren und nicht zur Wahl gehen, während die Unionsaffinen Senioren immer mit hoher Wahlbeteiligung glänzen.

Wer zu faul ist zu wählen, sich aber dennoch über eine kontraproduktive Klimaregierung ärgert, ist allerdings nicht dazu verdammt die Hände in den Schoß zu legen.

Als Donald Trump spektakulär aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austrat und begann sämtliche Umweltschutzregeln abzuschaffen, hielt das weite Teile Amerikas nicht davon ab, eifrig Green Technologies zu entwickeln, sich Elektroautos anzuschaffen, gegen Verpackungen zu opponieren.
Verbraucher sind eine Macht.

Wenn die CSU-Bahn alle Strecken in der Umgebung stillgelegt hat, oder eine verfehlte Wohnungsbaupolitik zum Pendeln zwingt, wird es schwer auf das Auto zu verzichten.

Der Einzelne kann aber an vielen Stellschrauben drehen.
Ich bin schon seit Ewigkeiten bei Greenpeace-Energy.
Das ist so leicht. Ein Anruf und damit wechselt man von einem Atom- oder Braunkohle-Multi wie Vattenfall zu reiner Wind- und Sonnenenergie.
Wieso tun das nicht so viel mehr Verbraucher, daß das alte Energie-Oligopol Deutschlands sich gezwungen sieht auch auf Ökostrom umzustellen?

Plastik ist die Pest. In einigen Fällen ist es fast unmöglich auf Plastik zu verzichten.
Aber ganz viel könnte der Kunde im Supermarkt durch eine simple Kaufentscheidung ändern. Wattestäbchen mit Bambusstiel, Seifenstücke statt Waschgels in Plastikspendern, Pulverwaschmittel in Pappkartons statt Plastikbomben mit Flüssigwaschmittel, Joghurt in Gläsern statt PET-Bechern, Verzicht auf Fleisch, gezielt Gemüse ohne Plastikfolie kaufen.
Der Kunde verfügt über Macht. Verhielten sich die Deutschen etwas vernünftiger, könnte man in vielen Bereichen das Versagen der Bundesregierung ausgleichen und die Hersteller zum Handeln zwingen, indem man ihre plastikverpackten Produkte liegen lässt.

Man könnte tatsächlich mit der Bahn in den Urlaub fahren; am besten in Deutschland bleiben, statt die ökopestigen Billigflüge nach Mallorca und Antalya zu buchen.
Die deutsche Generation Youtube ärgert sich über die CDUCSUSPD-Bundesregierung?
OK, das ist verständlich.
Aber das plötzliche Öko-Interesse wirkt doch sehr geheuchelt, wenn man sich im Alltag nicht so verhält. In Umfragen gegen sie an, sich klimafreundlicher verhalten zu wollen, aber sie stellen auch klar: Es darf keine Mühe machen und soll keinesfalls etwas kosten.
Falls irgendein Politiker für eine Verteuerung von Benzin oder Flügen oder tierischen Produkten plädiert, gibt es einen Shitstorm und derjenige wird nicht gewählt.
Die Vollkasko-Mentalität bricht sich Bahn. Klimaschutz wäre schön, aber das soll bitte der Staat erledigen. Ohne die Bürger damit zu behelligen.
Und so wird in Deutschland Jahr für Jahr mehr geflogen, mehr Fleisch produziert und mehr Plastik gekauft.

[….] Für den Kampf gegen den Klimawandel zeigt sich eine Mehrheit der Deutschen bereit, Verzicht zu üben. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die Deutsche Presse-Agentur sagten 74 Prozent, für sie wäre es in Ordnung, auf Kurzstreckenflüge zu verzichten. 63 Prozent würden "deutlich" weniger Fleisch essen und 56 Prozent das Auto in Innenstädten stehenlassen. [….] Wenn es ums Geld geht, sinkt die Bereitschaft – vor allem, wenn es um Kosten im Alltag geht. Etwa jeder zweite Befragte fände es akzeptabel, wenn Tickets für Flugreisen deutlich mehr kosteten. Bei den Spritpreisen sieht das hingegen nur jeder Vierte so (27 Prozent). [….] Besonders wenig Toleranz zeigen die Bürger bei Strompreisen: Deutlich mehr Geld für Ökostrom etwa aus Wind oder Sonne würden nur 20 Prozent bereitwillig zahlen.
In den vergangenen Jahren hat sich am Verhalten insgesamt allerdings noch wenig geändert. Beim Fleischkonsum hält sich der geschätzte Pro-Kopf-Konsum relativ konstant bei etwa 60 Kilogramm. [….]
 Der Anteil der Inlandsflüge sinkt, allerdings vor allem statistisch, weil die Gesamtzahl aller Flüge wächst. 2018 flogen laut Statistischem Bundesamt 23,5 Millionen Passagiere im Inland. 2017 waren es 23,7 Millionen, das macht ein Minus von 0,8 Prozent. Der Pkw-Verkehr hat laut Umweltbundesamt zwischen 1995 und 2017 um knapp 18 Prozent zugenommen. [….]