Mein Staatsverständnis ist ungefähr das diametrale Gegenteil
dessen, was Lindner und Merz propagieren.
Letzterer presst sich gerade wieder in die Öffentlichkeit
mit seiner Uralt-Forderung arme Menschen zu verpflichten private Vorsorge durch Akteinkäufe
zu betreiben. Damit will er wieder mehr Begeisterung für den Kapitalismus
fördern.
Kann man sich nicht ausdenken. Der Besitzer zweier Flugzeuge
und Multimillionär, der mit Cum-Ex-Spekulationen auf Kosten des deutschen
Steuerzahlers steinreich wurde, scheint ein halbes Jahr nach seiner
schmachvollen Niederlage gegen AKK immer noch nicht begriffen zu haben, daß es
tatsächlich Bürger dieses Landes gibt, die weniger als eine Millionen Euro im
Jahr verdienen.
Ich habe das Gerücht inzwischen auch gehört; Deutsche, die
keine Millionäre sind? Gibt es das wirklich?
Die Vorstellung Menschen staatlich privater
Vermögensspekulation zu zwingen, ist eine Perversion des Staates.
Grundsätzlich unterstütze ich natürlich den starken Staat,
in dem Sinne, daß eine kraftvolle Bundesregierung die Industrie an die Kandare
nimmt, ökologische Vorgaben macht und eine soziale Sicherung für
Arme/Schwache/Benachteiligte/Minderbemittelte schafft.
Beim Thema Klimawandel, Energiewende und Umweltschutz auf
Freiwilligkeit der Großindustrie zu setzen, hat sich klar als Flop erwiesen.
Shareholder-Value-Unternehmer, die in Deutschland wie die VW-Chefs fast 100 mal so viel wie ein
durchschnittlicher Mitarbeiter des Konzerns verdienen, haben sich eben nicht
als zukunftsorientierte Altruisten erwiesen, sondern als Raffkes, denen
kurzfristige Aktiengewinne wichtiger sind.
(Ja, bei Familienunternehmen sieht es besser aus, weil diese
weniger dazu neigen Gewinne abzuziehen, sondern im Interesse ihrer Kinder am
langfristigen Wohlergehen der Firma interessiert sind und daher forschen und
investieren.)
Merkel schrumpft aber den Staat und, noch erbärmlicher, dort
wo der Staat selbst die Kontrolle hat und ganz konkret die Klimaerwärmung
bekämpfen könnte, tut er das Gegenteil.
Beispiel Bahn, ein Staatskonzern in dessen Vorstand
Unionsgrößen wie Merkels ehemaliger Kanzleramtsminister Pofalla oder (bis 2009)
CSU-Superminister Otto Wiesheu sitzen. Schiene ist ganz klar die
umweltfreundlichste Transportmethode.
Was tut Deutschland? In ganz großen Maßstab werden Strecken
stillgelegt, um die Bürger von der Schiene ins Auto zu zwingen.
[….] Seit
1990 sind in Deutschland 6.467 Kilometer Bahnstrecken stillgelegt worden –
davon 2.623 Kilometer in Ostdeutschland.
Das entspricht einem Anteil von rund 40 Prozent, so die Antwort des
Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion.
In absoluten Zahlen am stärksten betroffen war Bayern. Im Freistaat
sind seit 1990 Bahnstrecken mit einer Gesamtlänge von 929 Kilometern außer
Betrieb genommen worden. In Nordrhein-Westfalen waren es 775, in Niedersachsen
713, in Sachsen 527, in Mecklenburg-Vorpommern 299 und in Brandenburg 539
Kilometer. Für Sachsen-Anhalt liegen lediglich für die Zeit nach 1994 genau
Angaben vor: Dort wurden bis heute Strecken auf einer Länge von 660 Kilometern
eingestellt.
Nach Angaben der Linksfraktion entsprechen die Streckenstilllegungen in
Ostdeutschland in etwa dem gesamten Bahnnetz der Niederlande.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einer Fehlentwicklung. [….] (dts
Nachrichtenagentur, 10.06.2019)
Das passiert, wenn man kontinuierlich KfZ-Lobbyhuren von der
CSU als Bundesverkehrsminister einsetzt (Ramsauer, Dobrindt, Scheuer).
Solche Leute kommen an die Regierung, weil die eher
kritischen jüngeren Wähler sich signifikant weniger für Politik interessieren
und nicht zur Wahl gehen, während die Unionsaffinen Senioren immer mit hoher
Wahlbeteiligung glänzen.
Wer zu faul ist zu wählen, sich aber dennoch über eine
kontraproduktive Klimaregierung ärgert, ist allerdings nicht dazu verdammt die
Hände in den Schoß zu legen.
Als Donald Trump spektakulär aus dem Pariser
Klimaschutzabkommen austrat und begann sämtliche Umweltschutzregeln
abzuschaffen, hielt das weite Teile Amerikas nicht davon ab, eifrig Green
Technologies zu entwickeln, sich Elektroautos anzuschaffen, gegen Verpackungen
zu opponieren.
Verbraucher sind eine Macht.
Wenn die CSU-Bahn alle Strecken in der Umgebung stillgelegt
hat, oder eine verfehlte Wohnungsbaupolitik zum Pendeln zwingt, wird es schwer
auf das Auto zu verzichten.
Der Einzelne kann aber an vielen Stellschrauben drehen.
Ich bin schon seit Ewigkeiten bei Greenpeace-Energy.
Das ist so leicht. Ein Anruf und damit wechselt man von
einem Atom- oder Braunkohle-Multi wie Vattenfall zu reiner Wind- und
Sonnenenergie.
Wieso tun das nicht so viel mehr Verbraucher, daß das alte
Energie-Oligopol Deutschlands sich gezwungen sieht auch auf Ökostrom
umzustellen?
Plastik ist die Pest. In einigen Fällen ist es fast
unmöglich auf Plastik zu verzichten.
Aber ganz viel könnte der Kunde im Supermarkt durch eine
simple Kaufentscheidung ändern. Wattestäbchen mit Bambusstiel, Seifenstücke
statt Waschgels in Plastikspendern, Pulverwaschmittel in Pappkartons statt
Plastikbomben mit Flüssigwaschmittel, Joghurt in Gläsern statt PET-Bechern, Verzicht
auf Fleisch, gezielt Gemüse ohne Plastikfolie kaufen.
Der Kunde verfügt über Macht. Verhielten sich die Deutschen
etwas vernünftiger, könnte man in vielen Bereichen das Versagen der
Bundesregierung ausgleichen und die Hersteller zum Handeln zwingen, indem man
ihre plastikverpackten Produkte liegen lässt.
Man könnte tatsächlich mit der Bahn in den Urlaub fahren; am
besten in Deutschland bleiben, statt die ökopestigen Billigflüge nach Mallorca
und Antalya zu buchen.
Die deutsche Generation Youtube ärgert sich über die
CDUCSUSPD-Bundesregierung?
OK, das ist verständlich.
OK, das ist verständlich.
Aber das plötzliche Öko-Interesse wirkt doch sehr
geheuchelt, wenn man sich im Alltag nicht so verhält. In Umfragen gegen sie an,
sich klimafreundlicher verhalten zu wollen, aber sie stellen auch klar: Es darf
keine Mühe machen und soll keinesfalls etwas kosten.
Falls irgendein Politiker für eine Verteuerung von Benzin
oder Flügen oder tierischen Produkten plädiert, gibt es einen Shitstorm und
derjenige wird nicht gewählt.
Die Vollkasko-Mentalität bricht sich Bahn. Klimaschutz wäre
schön, aber das soll bitte der Staat erledigen. Ohne die Bürger damit zu
behelligen.
Und so wird in Deutschland Jahr für Jahr mehr geflogen, mehr
Fleisch produziert und mehr Plastik gekauft.
[….] Für den Kampf gegen den Klimawandel zeigt sich eine Mehrheit der
Deutschen bereit, Verzicht zu üben. In einer repräsentativen Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts YouGov für die Deutsche Presse-Agentur sagten 74
Prozent, für sie wäre es in Ordnung, auf Kurzstreckenflüge zu verzichten. 63
Prozent würden "deutlich" weniger Fleisch essen und 56 Prozent das
Auto in Innenstädten stehenlassen. [….] Wenn
es ums Geld geht, sinkt die Bereitschaft – vor allem, wenn es um Kosten im
Alltag geht. Etwa jeder zweite Befragte fände es akzeptabel, wenn Tickets für
Flugreisen deutlich mehr kosteten. Bei den Spritpreisen sieht das hingegen nur
jeder Vierte so (27 Prozent). [….] Besonders
wenig Toleranz zeigen die Bürger bei Strompreisen: Deutlich mehr Geld für
Ökostrom etwa aus Wind oder Sonne würden nur 20 Prozent bereitwillig zahlen.
In den vergangenen Jahren hat sich am Verhalten insgesamt allerdings
noch wenig geändert. Beim Fleischkonsum hält sich der geschätzte
Pro-Kopf-Konsum relativ konstant bei etwa 60 Kilogramm. [….]
Der Anteil der Inlandsflüge
sinkt, allerdings vor allem statistisch, weil die Gesamtzahl aller Flüge
wächst. 2018 flogen laut Statistischem Bundesamt 23,5 Millionen Passagiere im
Inland. 2017 waren es 23,7 Millionen, das macht ein Minus von 0,8 Prozent. Der
Pkw-Verkehr hat laut Umweltbundesamt zwischen 1995 und 2017 um knapp 18 Prozent
zugenommen. [….]