Wenn in einer postdemokratisch-obrigkeitshörigen Partei wie der CDU oder CSU auch nur eins von Hunderttausenden Mitgliedern einen im entferntesten Sinne kritischen Satz formuliert, macht sich Entsetzen in der Parteiführung breit.
Journalisten
sprechen sofort von „Rebellion“, „Aufstand“ und „Endzeit“.
Dabei
waren es doch nur Ferber, Huber und Friedrich, die es wagten mal nicht vor Seehofer
in den Staub zu fallen.
Ferber
hatte da aber schon seine Mega-Klatsche bei der EU-Wahl abgeholt und die
anderen beiden sind ohnehin schon vom CSU-Chef geschasst worden und auf dem
Karriere-Abstellgleis gelandet.
In der
Einmeinungspartei CSU war es leicht wieder die alte Ordnung herzustellen.
Alles super bei der
CSU, findet die CSU
[…] "Geschlossenheit"
und "Harmonie" waren in der CSU in den vergangenen Wochen nicht
gerade die am häufigsten verwendeten Begriffe. Das änderte sich spürbar, als es
am Samstag nach manchem Streit schließlich zur lang erwarteten Krisenklausur
der CSU kam. Stundenlang debattierte der Vorstand in der Parteizentrale in der
Nymphenburger Straße, Stunde um Stunde musste die Abschluss-Pressekonferenz von
Parteichef Horst Seehofer verschoben werden. Und während oben auch nach 18 Uhr
noch getagt wird, verlassen diejenigen Parteigrößen mit Anschlussterminen schon
das Gelände. "Geschlossenheit", meint Ilse Aigner.
"Konstruktiv", findet Staatskanzleichefin Christine Haderthauer.
"Teambuilding gelungen", sagt Finanzminister Markus Söder. Alles super.
[…]
Der
CSU-Chef ist zwar einerseits weitgehend unangefochten. Andererseits war er
hochgradig verärgert über die Kritik der Parteifreunde, vor allem über die
Anmerkungen, die er als ungerecht empfindet. Und er war entschlossen, sich
vieles nicht länger bieten zu lassen.
[…]
Dafür,
dass praktisch jeder vor der Sitzung Befragte beteuert, es gebe keinerlei
Personaldiskussion, sondern es gehe nur um Inhalte, wird also ziemlich viel
übers Personal und dessen Verhalten geredet. Das bekommt auch Markus Ferber zu
spüren. Der CSU-Spitzenkandidat bei der Europawahl hat in den vergangenen Tagen
mit massiver Kritik an Seehofer die Debatte erst richtig angeheizt. Nun läuft
er eher kleinlaut in die Nymphenburger Straße ein. "Wenn's a bisserl
schwül wird, hilft ein Gewitter, dann sieht man wieder klar." Viel mehr
will er nicht sagen. […]
Keiner,
der noch etwas in der CSU werden will, würde es wagen den Mund aufzumachen.
Söder, Aigner, Herrmann und Haderthauer
lächelten brav und devot.
Wie willenlose
Messdienerchen waren sie am Anfang der Woche in
Crazy Horsts Schlepptau zum Papst gepilgert.
Das war
lustig bei Franzi. Der Oberbayer, dessen reiches Bundealand als einziges unter
16 Bundesländern kein eigenes Programm zur Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen
ins Leben gerufen hat, spendet dem Papst 5000 Euro für die Lampedusa-Flüchtlinge – und damit
gerade mal einen Bruchteil dessen, was der Flug nach Rom gekostet hat.
Man
staunt dann doch immer mal wieder, wie schamfrei einige Politiker sein können.
[….] Es passiert auch nicht alle Tage, dass ein
Ministerpräsident beim Papst einen Scheck abgibt. [….] Teure Gastgeschenke verbietet
der sich, einen Korb mit bayerischen Spezialitäten durfte Horst Seehofer am
Montag allenfalls mitbringen, vor allem aber eine Spende über 5000 Euro für ein
vatikanisches Hilfsprojekt für syrische Flüchtlingen im Libanon. Wie passend,
denn schließlich sei dem Papst großzügige Hilfe für die Flüchtlinge auch ein
besonders wichtiges Anliegen, erzählte Seehofer. Pikant ist freilich, dass
Flüchtlingsorganisationen ausgerechnet dem Freistaat vorwerfen, weniger
großzügig zu sein als andere. Der Grund: Als einziges Bundesland hat Bayern
keine eigenes Aufnahmeprogramm für Kriegsflüchtlinge beschlossen. Im Rest der
Republik wird damit etwa der Nachzug von Familienangehörigen geregelt,
teilweise auch Krankenversorgung über das Sozialamt ermöglicht.
Im Freistaat sieht man
dafür keinen Bedarf: Es sei politischer Aktionismus.[….]
Bayern
und BW sind übrigens auch die Bundesländer, in denen die meisten Rüstungsbetriebe zu Hause sind.
Sie werden von der Landesregierung großzügig gefördert. Die mittelbaren Konsequenzen
– Tod und Elend – sollen aber andere ausbaden.
Keiner
heuchelt so gut wie Crazy Horst, also kennt auch nach dem Papstbesuch seine
Selbstzufriedenheit keine Grenzen. Die Revolte der Ferbers und Hubers ist
beendet. Sie werden zusammen mit Gauweiler zu Buhmännern erklärt, während
Seehofer weiterhin unangefochten König sein darf.
[…]
Es war von Anfang an klar, dass die
diffuse Revolte in der CSU ihren Chef nicht ernsthaft in Schwierigkeiten
bringen würde. Dazu war sie zu erkennbar getragen von Parteimännern, die eine
Rechnung mit Horst Seehofer offen hatten. Dazu kam, dass sie im Fall von Markus
Ferber aus einem obskuren Konglomerat von halbdurchdachten Attacken bestand.
[…] Eine Partei wie die CSU reagiert auf
solche Angriffe üblicherweise mit der Schließung ihrer Reihen und einem
autoritären Durchgriff von oben. […]
Zum anderen beruht vieles am internen Gejammer
über Seehofers ach so fiese Umgangsformen auch am weit verbreiteten Mittelmaß
in der Partei. Hätte nicht Seehofer viele Kohlen aus dem Feuer geholt, hätte
die Partei ihr 40-Prozent-Debakel womöglich schon bei der Landtagswahl erlebt.
Und nicht erst bei der für die Partei weit weniger bedeutenden Europawahl. […]
Die
blöden Flüchtlinge werden unterdessen im reichen und größten Bundesland in
Zelte gestopft. Die Staatsregierung hatte mal wieder versagt.
Lange hat Bayern es
als "katastrophales Signal" abgetan, Asylsuchende in Zeltstädten
unterzubringen. Nun haben die Behörden keine Wahl mehr. In München werden die
ersten Zelte für Flüchtlinge aufgebaut.
[…]
"Die
Zahlen explodieren", sagte die bayerische Sozialministerin Emilia Müller.
"Der Zustrom übersteigt all das, was wir an Prognosen haben."
Am Freitag wurde
schließlich klar: Es gibt keine Alternativen zu Zeltstädten. Am Samstag schon
werden in der Bayernkaserne die ersten Zelte stehen. "Vorübergehend",
wie es heißt, was bedeutet: längstens bis es im Herbst so kalt wird, dass
niemand mehr im Zelt nächtigen kann.
[…]
Nicht nur in München, auch bei der
Erstaufnahmestelle Zirndorf wird wohl eine Zeltstadt entstehen. […] Wenn es dann kalt wird, wird die Not an
Unterkünften immer größer. Wie dieser Engpass behoben werden kann, weiß
momentan noch niemand. […]
Leben Flüchtlinge in
Bayern bald unter Plastikplanen?
[….]
Flüchtlinge in Entwicklungsländern wie
Jordanien oder Kenia kennen diese Form der Unterbringung schon, nur müssen diese
Ländern den Zuzug Hunderttausender verkraften. Doch auch im reichen Bayern
könnten zukünftig Asylsuchende in Zelten untergebracht werden. [….] Grund für die Maßnahme seien gestiegene
Flüchtlingszahlen. Vor allem die Erstaufnahmeeinrichtung in München sei
überfüllt. Allein in München seien am Donnerstag 200 Flüchtlinge angekommen und
am Freitag bis zum Mittag nochmals 150. [….] Zum Vergleich: Nach Angaben des
UNHCR nahm das Vier-Millionen-Einwohner-Land Libanon im März dieses Jahres
täglich rund 10.000 syrische Flüchtlinge auf. Im vergangenen Jahr kamen in
beiden bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen zusammen im Schnitt etwa 50 Asylsuchende
pro Tag an.
Libanon:
4,4 Mio Einwohner, 10.452 km² Fläche, Bevölkerungsdichte: 380 Einwohner pro km²,
Bruttoinlandsprodukt: 24.640 Mio
US-Dollar.
Bayern: 12,6
Mio Einwohner, 70.551,57 km² Fläche, Bevölkerungsdichte: 179 Einwohner pro km²,
Bruttoinlandsprodukt: 665.891 Mio US-Dollar.
Die hektische Suche
nach Unterkünften für Flüchtlinge in München zeigt, dass die Behörden völlig
überfordert sind. Manche Lager wirken wie Flüchtlingslager in Krisenstaaten.
Gerade im reichen Bayern sollte das besser gelingen.
Also doch keine Zelte.
Es sollte vermutlich eine gute Nachricht sein, dass die Asylbewerber in der
überfüllten Bayernkaserne nicht in eilig aufgebauten Zelten schlafen müssen und
dass sich stattdessen alte Garagen gefunden haben, wo noch ein paar Menschen
unterkommen können.
Es hätte nicht gut
ausgesehen, wenn der reiche Freistaat im reichen München in Zelten die Menschen
unterbringt, die Schutz suchend nach Bayern kommen. […]
Vor zwei Jahren
mussten in der zweiten bayerischen Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf erstmals
Zelte aufgestellt werden, weil auch dort längst mehr Menschen leben, als das
Lager eigentlich fassen kann. Das war eine Blamage und offenbarte die ganze
Härte der rigorosen bayerischen Asylpolitik, deren Ziel lange war, es den
Menschen so ungemütlich wie möglich zu machen.
[…]
Sie
sollten es nicht zu schön finden im Bayernland und sich bald wieder aufmachen
gen Heimat. Dabei, und das darf auch einmal bemerkt werden, waren die Zelte in
Zirndorf zwar eine absolute Notlösung ohne jede Privatsphäre, aber nicht
schlechter als viele der Bruchbuden, die Flüchtlingen mancherorts als
Unterkunft dienen. […]
Das
Beispiel Seehofer sagt auch sehr viel über den Papst.
Er
posiert freundlich mit dem Mann, der sich so diametral entgegengesetzt den
öffentlichen Papst-Worten verhält und liefert ihm auch noch kostenlos PR-Bildchen,
indem er ihm dankend einen Geschenkkorb abnimmt.
Ein
Papst mit Rückgrat hätte dem Bayerischen MP gesagt, was von so einer
Flüchtlingspolitik zu halten ist.