Liest man die ZEIT-Rubrik „Glauben und Zweifeln“ kann man den Eindruck gewinnen bei einem völlig rückwärtsgesinnten Blatt gelandet zu sein, welches intellektuell in einer mittelmäßigen
Liga spielt.
Gesellschaftspolitisch geht
es in der altehrwürdigen Redaktion des Pressehauses, Speersort 1, nur ein paar
Schritt hinter dem Hamburger Rathaus gar nicht so altbacken her, wie es Katholikiot di Lorenzo vermuten läßt.
Sie können durchaus auch
auf der Höhe der „Zeit“ schreiben.
So rechnete Heinrich Wefing in einem
prominent platzierten Artikel vor zwei Wochen mit dem lächerlichen Anti-Homo-Kulturkampf
der Konservativen ab.
Die Konservativen fürchten sich vor dem Zerfall der Normalfamilie – und suchen die Schuld bei Lesben und Schwulen.
Einen solchen globalen Kulturkampf hat es lange nicht gegeben. Der Streit um die Rechte von Homosexuellen entfesselt die Leidenschaften rings um die Welt, peitscht die Emotionen auf, in Russland, in Afrika ebenso wie in Europa und den USA. Fast scheint es, als sei dies die Frage, an der sich die Zivilität und Liberalität einer Gesellschaft entscheidet, wie einst an der Frage nach der Emanzipation der Juden. In Frankreich gehen Hunderttausende auf die Straße, um gegen die Homo-Ehe zu protestieren und gegen das Recht von Schwulen und Lesben, Kinder zu adoptieren. [….]
Die Empörung ist noch weniger verständlich, wenn man zum Zweiten daran erinnert, dass die Sache eigentlich durch ist. In zehn Jahren wird sich niemand mehr über die Homo-Ehe aufregen, in Frankreich nicht, in Deutschland nicht und wohl auch nicht in Amerika. [….] Die tief katholischen Regionen Sizilien und Apulien werden, vor wenigen Jahren noch undenkbar, heute von homosexuellen Regionalpräsidenten regiert. [….] Und warum tobt dieser Kampf jetzt in drei großen westlichen Demokratien zugleich, in Frankreich, den USA und – weniger heftig – auch in Deutschland? Ein finales Aufbäumen der Konservativen? Ein letzter, verzweifelter, homophober Protest gegen eine Liberalisierung, die längst unumkehrbar ist?
[….] Der Protest gegen die Homo-Ehe ist ein Protest gegen die Realität der modernen Familie. [….] "Die Befürworter der Homo-Ehe können nur erreichen, was sie erreichen wollen", schrieb [der konservative Publizist David] Frum, "indem sie Amerikas Bindung an die traditionelle Familie weiter schwächen" und damit den Prozess der sozialen Auflösung beschleunigten, der in den sechziger und siebziger Jahren begonnen habe.
Die Schwäche des Arguments ist offenkundig. Schwulen und Lesben die Schuld an steigenden Scheidungsraten und der wachsenden Zahl von Alleinerziehenden zu geben ist eine bizarre, wenn nicht böswillige Verwirrung von Ursache und Wirkung. Keine heterosexuelle Ehe geht in die Brüche, nur weil Homosexuelle heiraten dürfen. Es waren Heterosexuelle, die das klassische Familienbild aufgegeben haben, lange bevor zum ersten Mal vor einem Standesamt Reis für ein schwules Paar geworfen wurde. Die heterosexuelle Mehrheit selbst hat neu definiert, was Familie sein kann, hat die Ehe entkoppelt von Fortpflanzung und Dauerhaftigkeit, weshalb es keine Rechtfertigung dafür gibt, homosexuellen Paaren zu verweigern, was heterosexuellen selbstverständlich zugestanden wird.
Wie so viele Länder
entspricht Frankreich dem Klischee, das so viele von der Grande Nation haben
und beinhaltet dennoch auch das genaue Gegenteil der Klischees.
Seit vielen Jahren schon
zeichnet sich die französische Kulturszene durch deftige, weit ins
Pornographische reichende Sexdarstellungen aus.
Wie viele Jungs meiner
Generation bin ich ein großer Fan der Philippe-Djian-Romane („Rückgrat“ von
1991 ist mein Lieblingswerk).
Er konnte mal so nett schreiben, aber die
Sexszenen wurden immer extremer. „Schwarze Tage, weiße Nächte“ von 2002 ist ein
echter Porno und man weiß nicht wozu das noch gut sein soll.
Die Regisseurin Catherine
Breillat brachte mit ihrem berühmt-berüchtigten Werk „Romance“
Hardcore-Sexszenen ins Mainstreamkino.
Heute kommt keine französische TV-Produktion
mehr ohne das ausführliche Zeigen von Penissen und diversen homoerotischen
Geschichten aus.
Frankreich scheint das
diametrale Gegenteil des prüden Amerika zu sein.
Unser Nachbarland im
Westen gilt vielen Amerikanern als so sittenlos, daß der GOP-Herausforderer
Barack Obamas verschämt verschwieg der französischen Sprache mächtig zu sein –
er fürchtete um Stimmen aus dem rechten Lager.
Mitt Romneys zweijährige Missionsreise
in Paris muß dem Mormonen, der Tabak, Alkohol, Sex und Kaffee gleichermaßen
streng verdammt, vorgekommen sein wie Sodom und Gomorrha. Amerikanische
Austauschsoldaten sollen sich kaum aus ihren Kabinen getraut haben, als sie auf
dem französischen Flugzeugträger Clemenceau eingesetzt waren. In der Kantine
gab es WEIN zum Essen und noch nicht mal Sex unter den Matrosen und Matrosinnen
war verboten.
Das passt nur zu gut zum
streng laizistischen Staatsverständnis, welches es dem Präsidenten sogar
verbietet sich in einer Kirche blicken zu lassen.
Welch ein Unterschied zu
Köhler, Wulff und Gauck, die sich so oft wie möglich betend zeigten.
Die Franzosen waren quasi
prädestiniert dafür einen linken Senat und eine linke Nationalversammlung zu
wählen, die ein für alle Mal sämtliche rechtlichen Unterschiede zwischen
Heteros und Homos aufhebt.
Und nun diese Demos
dagegen. Wie passt das zusammen?
Die Antwort lautet „Katholizismus“.
Eindeutige Zahlen gibt es
zwar nicht, aber Frankreich ist sowohl eine Hochburg des Atheismus als auch eine
Hochburg des Katholizismus.
30 bis 40 Millionen Franzosen sind
römisch-katholisch und stellen damit mehr Mitglieder als Deutschland. Inklusive
der Überseegebiete gibt es mehr als hundert katholische Bistümer in Frankreich –
in Deutschland sind es gerade mal 27.
Die Église catholique mit ihren acht Kardinälen ist
neben den Italienern und den Spanischsprachigen die dritte große Macht im
Vatikan.
Sie gilt als stramm
konservativ und ist die Hauptantriebskraft in der antihumanistischen
Homophobiebewegung des Landes.
Angesichts des traditionell starken Säkularismus‘
reagieren die Rotröckchen geradezu hysterisch auf Gewährung von
Minderheitenrechten.
Nach Einschätzung Kardinal Andre Vingt-Trois, verliert das Christentum an gesellschaftlicher Bedeutung. Beispiel dafür sei die geplante Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe und des Adoptionsrechts für Homosexuelle.
Das christliche Konzept der Menschenwürde sei in Frankreich nicht mehr als ethische Referenz anerkannt.
Da hat jemand die Soutane
gestrichen voll, weil er um seinen Einfluß fürchtet.
Mit immer schrilleren Tönen eskaliert die katholische Kirche in Frankreich den Konflikt um die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben. Der Pariser Erzbischof warnt nun vor Gewalt, sollte das Gesetz beschlossen werden.
Der ranghöchste französische Vertreter der katholischen Kirche hat am Dienstag erklärt, dass die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben zu einer "gewalttätigen Gesellschaft" führen könne. Kardinal André Vingt-Trois, als Erzbischof von Paris und Vorsitzender der französischen Bischofskonferenz der mächtigste Katholik im Lande, sieht laut "Le Figaro" den Gesetzentwurf zur Gleichstellung von Homosexuellen im Eherecht als Zeichen an, dass die französische Gesellschaft auseinander bricht.
"So entsteht eine gewalttätige Gesellschaft", sagte der 70-Jährige bei einem Treffen der französischen Bischöfe. "Die Gesellschaft kann nicht mehr integrieren und die unterschiedlichen Meinungen in ein gemeinsames Projekt zusammenführen."