Montag, 4. September 2023

Konservative gegen die Zukunft

Christian Lindner, der Mann ohne Ökonomische Sachkenntnis, kennt in der Finanzpolitik nur das Prinzip: seine reichen Parteispender zu erfreuen.

Deutschlands Zukunft ist ihm egal. Rot und Grün konnten ihm mehr Geld abtrotzen, als er zu geben bereit war – siehe Lisa Paus und ihre von der FDP verächtlich als „Sozialklimbim“ bezeichnete Kindergrundsicherung – aber letztlich ist er, wie vom Urnenpöbel gewünscht, der Herr des Geldes und würgt Investitionen in Klimaschutz und Bildung ab. Zukunft, nein Danke.

[….] Das Ergebnis ist ein Etat, den selbst Koalitionsabgeordnete unter der Hand als "unausgegoren" und "Stückwerk" bezeichnen. Statt nämlich eine gemeinsame Strategie zu erarbeiten und einige wenige große Posten zu definieren, die verzichtbar sind, durfte jedes Ministerium schließlich nach eigenem Gusto kürzen - mit dem Ergebnis, dass nun das halbe Land auf den Barrikaden ist. Die einen mokieren sich darüber, dass die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) mit 20 Millionen Euro weniger auskommen soll als bisher, andere beklagen ähnliche Einschnitte etwa bei Freiwilligendiensten, der Kinder- und Jugendhilfe oder der Migrationsberatung. Ausgerechnet in einer Zeit, da die AfD Zulauf habe wie nie, setze die Koalition die Axt bei demokratiefördernden Programmen an.. [….]

(SZ, 03.09.2023)

Weniger Geld für Klimaschutz, weniger Geld für Umweltschutz, weniger Geld für Bildung, weniger Geld für Wohnungsbau. Das ist hepatitisgelbe Finanzpolitik.

Lindner verkennt dabei, wieder einmal, grundsätzliche ökonomische Erkenntnisse: Wer an Bildung spart, zahlt später vielfach drauf.

[….] Nichtsdestotrotz steht heutzutage allem voran die Vermittlung von Wissen und damit langfristig die Vorbereitung auf das Erwerbsleben im Fokus der Bildungsbestrebungen. Dass das Bildungssystem diese Kernaufgabe im Allgemeinen gut erfüllt, belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien. Eine bessere Bildung führt im späteren Verlauf zu einem höheren Arbeitseinkommen und einer niedrigeren Arbeitslosigkeit. Personen mit höherer Bildung führen zudem im Durchschnitt stabilere Ehen, sind politisch aktiver und damit besser repräsentiert und erfreuen sich besserer Gesundheit.

Damit bleibt einleitend festzuhalten, dass gute Bildung für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt einen großen Nutzen hat. Wenn zum Beispiel eine gute Bildung das Risiko von Arbeitslosigkeit reduzieren kann, ist dies von Vorteil für die betroffene Person, aber ebenso für deren Familie und die lokale Wirtschaft in der Gegend, in der die Person lebt. Dieses Phänomen, von Ökonomen als "Externalität" bezeichnet, ist ein wichtiger Grund, wieso Bildung gesellschaftlich umfassend diskutiert und finanziert wird: Von positiven Entwicklungen im Bildungssystem profitieren nicht nur die direkten Nutznießer, sondern langfristig alle.  [….] Gesamtwirtschaftlich, sowohl bei Betrachtung der späteren Einkommen als auch der erwarteten Arbeitslosigkeit, zeigt sich, dass Schulen die einzigartige Chance bieten, die Fähigkeiten einer jeden Schülergeneration zu entwickeln und damit einen entscheidenden Beitrag zum langfristigen Wohlstand eines Landes zu leisten. […..]

(Bundeszentrale für politische Bildung, 11.12.2020)

Die blöde Bildung, Schule und Forschung haben auch Lindners konservative Freunde in der Britischen Regierung als nutzlose Ausgaben erkannt und sparen dort kräftig. Hier wie dort, sind die Schulgebäude in marodem Zustand. London halbierte seit 2010 die Investitionen in Schulgebäude. Wer braucht schon Schulen?

Rund 100 britische Schulen bleiben zu Beginn dieses Schuljahres geschlossen. Sie sind einsturzgefährdet.

[….] Das britische Bildungsministerium hat mehr als 100 englische Bildungseinrichtungen vorübergehend geschlossen. Weil der verbaute Beton als unsicher gilt, müssen etliche Klassen zum neuen Schuljahr umziehen.

Wenige Tage vor Beginn des neuen Schuljahres in Großbritannien müssen Räume und Gebäude in Dutzenden Schulen, Hochschulen und Kindergärten in England wegen Einsturzgefahr geschlossen werden. Betroffen seien Bildungseinrichtungen mit Gebäuden, die eine bestimmte Sorte von Porenbeton enthalten, teilte das britische Bildungsministerium mit.   [….]

(Tagesschau, 01.09.2023)

Dieser spezielle Porenbeton wurde von 1950 bis 1990 in Großbritannien verwendet. Dann wurde  er verboten, weil man erkannte, daß er nach einigen Jahrzehnten brüchig wird. Porenbetongebäude müssen alle saniert werden. Die Tory-Regierung hält aber genau wie Christian Lindner Bildung, Kinder, Klima und Gesundheit für „Sozialklimbim“, den man nicht finanzieren sollte.

[….] Am Donnerstag kontaktierte das britische Bildungsministerium über hundert englische Schulleitungen und informierte sie, dass ihre Gebäude nicht sicher seien und nicht benutzt werden dürfen. [….]

Im Sommer hatte die Regierung Inspektionen vorgenommen und festgestellt, dass viele Gebäude jeden Moment kollabieren könnten. Einen konkreten Fall gab es bereits: Ein Betonbalken war im Sommer plötzlich eingebrochen, sagte Staatsminister Nick Gibb, der für Schulen zuständig ist. [….] Allerdings kommt die Warnung der Regierung nicht überraschend: Es ist seit längerer Zeit bekannt, dass tausende Gebäude in Großbritannien, die Porenbeton enthalten, dringend saniert werden müssen. 2018 kollabierte das Dach einer Schule in Kent, auch hier war brüchiger RAAC verantwortlich. Schulen im ganzen Land wurden daraufhin angewiesen, sich auf mögliche Evakuierungen aus solchen Gebäuden vorzubereiten. Aber sonst geschah wenig. Geld für größere Reparaturen ist kaum bereitgestellt worden – seit 2010 hat die Regierung ihre Investitionen in Schulgebäude halbiert. [….] Die Krise der Gebäudesicherheit betrifft nicht nur Schulen: Krankenhäuser, Kindertagesstätten, Freizeitanlagen und Bürogebäude enthalten Porenbeton und stellen somit ein Risiko dar. [….]

(Hamburger Abendblatt, 04.09.2023)

Eine tolle Leistung der brexitschen Bildungsministerin Gillian Keegan. Eine grundsympathische Dame.

[….] Eine peinliche Panne, die Politikern immer mal wieder vor Kamera und Mikrofonen passiert. Dieses Mal hat die britische Bildungsministerin Gillian Keegan bei einem Fernsehinterview nicht aufgepasst. Die konservative Politikerin hatte am Montag Fragen zu gefährlichen Baumängeln an Schulen des Senders ITV beantwortet – das Thema beschäftigt britische Medien zum Start des neuen Schuljahres schon seit Tagen. Kaum war das Interview beendet, die Kamera lief noch, begann sie sich zu beschweren: »Sagt eigentlich irgendjemand irgendwann mal: Du hast einen f****** guten Job gemacht, weil alle anderen auf ihrem Arsch gesessen und nichts gemacht haben?« Womit Keegan wohl nicht gerechnet hatte: Der Sender veröffentlichte die Äußerung in vollem Wortlaut – mit einem gnädigen Piepston beim F-Wort.  [….]

(SPON, 04.09.2023)