Samstag, 30. Oktober 2021

Fröhlicher Parteipersonalreigen.

Die drei Parteien, welche die noch amtierende Bundesregierung bilden, tauschten kurz nach der Bildung der Koalition am 14. März 2018 ihren Chef aus:

Markus Söder jagte am 19. Januar 2019 Horst Seehofer als Parteivorsitzenden der CSU vom Hof.

Annegret Kramp-Karrenbauer folgte im Dezember 2018 Angela Merkel als Parteivorsitzende.

Die SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Andrea Nahles löste im April 2018 Martin Schulz ab, wurde als Partei und Fraktionsvorsitzende zur ganz starken Frau der Partei, vermasselte beide Jobs aber so dermaßen, daß sie im Juni 2019 den abrupten Rücksturz in die Pfalz antrat.

Während der gegenwärtigen Regierungsbildung werden schon wieder vier bis fünf neue Parteivorsitzende benötigt, ohne daß jeweils ganz klar ist, in welchem Verfahren das geschehenen sollte.

Da ist zunächst einmal der CDU-Vorsitzende, Ex-Kanzlerkandidat und Ex-Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, der so sensationell versagte, daß er gleich alle drei Ämter loswird/loswurde. Die mehr als 300 Kreisvorsitzenden seiner Partei führten bei ihrem heutigen Treffen in Berlin eine Umfrage zu den Gründen für das totale CDU-Desaster durch.

[….] Die Ergebnisse werden im Saal auf einer Leinwand gezeigt. Grund Nummer eins mit über 80 Prozent: die Fehler von Armin Laschet. Er war in den Augen der Kreischefs schlicht der falsche Kandidat. [….]

(SPON, 30.10.2021)

Zu seinem Glück, lässt sich Laschet als Hardcore-Katholiban nicht von der schnöden Realität beeindrucken und wähnt sich auf Gottes vorbestimmten Wegen. Anderenfalls könnte so eine Stimmungslage innerhalb der eigenen Partei ein klein wenig unerfreulich auf das Gemüt wirken.  In NRW regiert der rechte Hardliner Wüst. Einen Kanzlerkandidaten braucht die CDU erst mal nicht, aber der Parteivorsitz ist hart umkämpft. Da die C-Parteien auf Bundesebene keinen einzigen Regierungsposten mehr zu vergeben haben, bleiben nur noch Partei- und Fraktionsvorsitz, um sich medial bei den Konservativen zu präsentieren. Fünf weiße rechte Männer aus NRW haben sich schon angemeldet, um der neue Laschet zu werden. Die drei Aussichtsreichsten – Röttgen, Merz und Spahn – sind allesamt schon für den Posten angetreten, wurden aber von den Parteidelegierten sogar als noch schlechter geeignet als AKK und/oder Laschet angesehen.

Auch die SPD tauscht mindestens einen Parteichef aus. Walter-Borjans kündigte an, nicht erneut für den Parteivorsitz zu kandidieren. Norbert schrieb mir gestern:


[….] Lieber [….],

fünf Wochen ist es her, dass wir gemeinsam einen grandiosen Erfolg bei der Bundestagswahl feiern konnten: Die Sozialdemokratie ist wieder stärkste Kraft im Land. Jetzt stehen wir mitten in den Verhandlungen zur Bildung einer ungewohnten, aber schon erkennbar tatendurstigen Ampelkoalition. Unsere SPD kann damit zum dritten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik die Vorherrschaft der CDU im Kanzleramt brechen!

Begonnen hat all das vor fast zwei Jahren mit den Mitgliedern der SPD: Nach 22 Regionalkonferenzen wurden Saskia und ich durch Euer Mitgliedervotum zu den Parteivorsitzenden gewählt. Vergessen werde ich diesen Moment niemals. [….]  Wir wollten ein Zukunftsprogramm, das klar ist in seinen Inhalten und bei dem die Mitglieder mitwirken können wie nie. Und: Wir wollten für eine neue Art der Kampagne sorgen, die frischer und selbstbewusster ist als in den vergangenen Wahlkämpfen. [….] Ich habe mich deshalb nach langer Überlegung dazu entschlossen, auf dem Parteitag im Dezember nicht wieder als Parteivorsitzender zu kandidieren. Ich tue das mit dem guten Gefühl, dazu beigetragen zu haben, dass es gut läuft. Neudeutsch würde man sagen: Mission accomplished. [….] Ich möchte mich schon jetzt bei Dir bedanken, [….]: Für das Vertrauen, für den Zuspruch, [….]  Dein Norbert [……]

(NoWaBo an die Parteimitglieder, 29.10.2021)

Allein schon die Dümmlichkeit, GWBs größenwahnsinnig-falschen Mission accomplished-Spruch aus dem Mai 2003 zu verwenden, zeigt schon wie ungeschickt NoWaBo als Parteivorsitzender agierte.

Tatsächlich hatte er orakelt, die SPD brauche eigentlich gar keinen Kanzlerkandidaten. Sein größtes Verdienst war es, Olaf Scholz machen zu lassen und immer wieder für viele Wochen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit zu verschwinden. Das erkenne ich ohne Ironie an; da Walter-Borjans erstens Scholz hasst und sich zweitens für den viel besseren Finanzexperten hält, war es durchaus ein Akt der Selbstdisziplin, Olaf immer vorzulassen.

Ich stimme allerdings mit vielen Politkommentatoren überein, die es a posteriori als glückliche Fügung betrachten, daß Scholz im Kampf um den Parteivorsitz knapp unterlag. Nur mit dem Wissen eine explizit linke Parteiführung zu haben, konnten kühnertsche Quertreiber diszipliniert werden und Scholz im Wahlkampf seine „Beinfreiheit“ bekommen. Etwas überraschend war allerdings die Rollenverteilung des Chef-Duos. Beide gelten in der Öffentlichkeit als Unsympathen, haben katastrophale Zustimmungswerte. Aber intern galt NoWaBo als weit umgänglicher, als die kratzbürstige Esken, über die sämtliche frühere Arbeitskollegen nur entsetzt die Augen verdrehten. Tatsächlich war es aber die eigensinnige Schwäbin, die obwohl ganz am linken Rande der SPD verortet, nicht nur mit dem Seeheimer Parteigeneral Klingbeil und Olaf Scholz, sondern insbesondere auch bestens mit Angela Merkel harmonierte.

Ob Saskia Esken ihr Amt ebenfalls zur Verfügung stellt, ist nicht bekannt.
Anders als ich vor zwei Jahren erwartete, sitzt sie aber relativ fest im Sattel. Sollte sie wieder antreten, würde sie erneut gewählt. Sie könnte als Teil einer Doppelspitze, oder auch als alleinige Parteivorsitzende agieren. Ihr werden allerdings auch Ministerambitionen nachgesagt und da Olaf Scholz sie schon im Wahlkampf für geeignet erklärte, wäre auch dieser Weg frei. In dem Fall würde sie sich aber auf das Regieren konzentrieren.

Die SPD braucht also entweder Null (wenn Esken allein Chefin würde), einen (wenn ein Co-Vorsitzender statt NoWaBo benötigt wird) oder zwei (wenn Esken auch ihr Amt abgibt und ins Kabinett geht) neue Vorsitzende.

Anders als es heute die Süddeutsche Zeitung beschreibt, die von großen Problemen für Scholz und unwillkommener Unruhe an der Parteispitze orakelt……

[….] SPD: Die schöne Ruhe ist dahin

Der Rückzug von Norbert Walter-Borjans aus der Parteispitze bringt den Fahrplan von Olaf Scholz ins Kanzleramt durcheinander. Die SPD muss jetzt Personaldebatten führen - und mehrere Beteiligte zufriedenstellen. […..]

(Mike Szymanski, SZ, 29.10.2021)

…..halte ich es eher für einen Glücksfall, daß NoWaBo jetzt hinwirft, weil er damit Olaf Scholz bei seinem Frauen-Unterschuss-Problem sehr hilfreich ist.

Endlich ein Mann weniger. Ob er meinen Blog liest und auf mich gehört hat?

(….) Ich frage mich, wie Scholz unter diesen Umständen 50% der Posten mit Frauen besetzten will.  Es steht zu befürchten, daß mit Esken, Lambrecht und Schulze Frauen Ministerinnen werden, nur weil sie Frauen sind.

Bekanntlich hasst Norbert Walter-Borjans Olaf Scholz wie die Pest, während sich das Verhältnis Esken-Scholz deutlich erwärmt hat.

Vielleicht sollte NoWaBo zurücktreten und Esken den alleinigen Parteivorsitz überlassen. Das wäre schon mal ein Mann weniger.

Zur Not müssen im Bundeskabinett ein paar Geschlechtsumwandlungen vorgenommen werden.  Die Ampelaner haben ein kaum zu lösendes Frauenproblem. (….)

(Jetzt kommen die Männer, 17.10.2021)

Egal wie es kommt, ob ein Mann (beispielsweise Lars Klingbeil) in den Parteivorsitz wechselt, oder ob eine weibliche Doppelspitze Esken-Schwesig, oder eine der Damen allein Parteichefin wird: Es nimmt den Druck von Olaf Scholz, Frauen zu Ministerinnen zu machen. Damit steigen die Chancen für Karl Lauterbach Gesundheitsminister zu werden. Gut so.

Völlig unter dem Radar der Öffentlichkeit läuft eigenartigerweise die Parteivorsitzenden-Suche bei den Grünen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit werden beide Parteivorsitzenden und damit zwei Realos als Bundesminister in das Ampelkabinett wechseln.

[….] Fünf Mitglieder des grünen Parteivorstands haben jetzt ein Mandat für den Bundestag. Neben Baerbock und Habeck sitzen auch die Vize-Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Jamila Schäfer im Parlament, dazu Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Das aber ist mit der Grünen-Satzung nicht vereinbar. Maximal jedes dritte Mitglied des sechsköpfigen Bundesvorstands darf einen Sitz im Bundestag haben, also zwei Personen. Die grüne Parteispitze muss also umgebaut werden, auch aus einem weiteren Grund. Denn die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck werden demnächst wohl Ministerposten in einer Ampel-Regierung übernehmen. Die grüne Trennung von Amt und Mandat erlaubt es aber nicht auf Dauer, die Partei zu führen plus ein Regierungsamt auszuüben. Möglich ist das nur für acht Monate. Weshalb die Grünen bei einem Parteitag, der im Januar stattfinden dürfte, neue Parteivorsitzende finden müssen. [….] Für ihre Nachfolge an der Parteispitze sollen zwei Grüne bereits Interesse bekundet haben. Ricarda Lang, die stellvertretende Parteivorsitzende, ist zwar erst 27 Jahre alt, besetzt mit der Sozialpolitik aber ein wichtiges Feld. Die Parteilinke, die wegen ihres Gewichts digitalem Dauerspott ausgesetzt ist, gilt als furchtlose Rednerin und hat es als einzige ihrer Generation ins Kernteam grüner Ampel-Sondierer geschafft. Der hessische Realo Omid Nouripour taugt zwar nicht zum Volkstribun, hat sich aber als Außenpolitiker Respekt verschafft. [….]

(Constanze von Bullion, SZ, 30.10.2021)

Die Grünen stehen meines Erachtens vor größeren Personalproblemen als die SPD, da Habeck und Baerbock einerseits schwer zu ersetzen sein werden und zweitens als Minister eher noch mehr Aufmerksamkeit bekommen, so daß ihren Nachfolgern das Simone Peter-Schicksal drohen könnte. Die Saarländerin war von 2013 bis 2018 Parteivorsitzende der Grünen und ist nicht nur jetzt schon völlig vergessen, sondern war auch während ihrer Amtszeit kaum wahrnehmbar.