Sonntag, 23. Juni 2019

Überzeugungspolitiker.


Politik ist ein mühsames Geschäft. Ständig muss man um Kompromisse ringen; wenn man schließlich nach Jahren etwas erreicht, wird es einem nicht gedankt und verglichen mit dem großen Geld, das ich als Lobbyist verdienen lässt, muss man auch noch mit mickrigen Bezügen auskommen.
Man mag davon träumen was man als Bundesminister alles durchsetzen könnte, aber von einer Million Parteimitgliedern, werden nur 10 Bundesminister. Nur wenige Hundert verdienen als Abgeordnete überhaupt Geld – das ist weniger als ein Promille. 99,99% arbeiten ehrenamtlich.
Selbst wenn man es so weit gebracht hat bundesweit bekannt zu sein, mit einem üppigen Gehalt und sicherem Job ausgestattet ist, mag man sich damit nicht unbedingt abfinden. Pofalla, Wiesheu, Merz, von Beust, Koch, von Klaeden – sie alle warfen irgendwann den Bettel hin, weil es ihnen zu anstrengend war, weil sie ohnehin wußten, daß sie nicht ganz nach oben, an Frau Merkel vorbei kamen und weil sie natürlich anderswo mit erheblich weniger Zeitaufwand erheblich mehr verdienen konnten. Die Herren verdienen alle mehr im Monat als die Bundeskanzlerin im Jahr.
Oder sagen wir so; sie erhalten mehr Geld im Monat als Spitzenpolitiker im Jahr. Ob sie es „verdienen“ kann ich nicht beurteilen.

Die Wähler empören sich über diese nahtlosen Wechsel in die Wirtschaft.
Aber dabei sind sie ungerecht, da sie andererseits der Majorität der Berufspolitiker, die eben nicht in die Wirtschaft gehen oder empfänglich für Lobbyistengeld sind, sondern sich bienenfleißig durch Berge von Akten wühlen, diesen Dienst nicht danken.
Im Gegenteil, es wird pauschal gegen „die Politiker“ gemault. Erweist sich einer als bestechlich, heißt es sofort „die sind doch alle so“ und wenn einer womöglich wirklich genau das tut, was er tun soll, nämlich unermüdlich und uneitel für seine Wähler eintreten, bezeichnet man ihn despektierlich als „Hinterbänkler“, der ohnehin nie „richtige Karriere“ machen wird.
Wozu soll man sich das noch antun, wenn in sozialen Medien, in Talkshows und insbesondere von der AfD derartig gegen die Politiker gehetzt wird, daß es nicht mehr bei Schmierereien am Abgeordnetenbüro, beleidigenden Zuschriften oder Farbbeutelanschläge auf die Privatwohnung bleibt, sondern wenn man physisch bedroht, mit Messern attackiert oder gar erschossen wird?

Selbstverständlich war Spitzenpolitik auch in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren ein knallhartes, undankbares und ungerechtes Geschäft.
Aber die Angriffe von außerhalb der Politik beschränkten sich auf das öffentliche Leben in Bundestag oder TV.
Darüber hinaus gab es respektierte Privatsphäre.

(Natürlich mit Ausnahme des RAF-Terrorismus, dem Spitzenpolitiker und Spitzenfunktionäre zum Opfer fielen. Diese wurden allerdings auch entsprechend geschützt und die RAF ging nicht auf Kommunalpolitiker los)

2019 geht alles schneller. Twitter zwingt einen sofort und 24/7 zu reagieren. Abwarten bis man alle Fakten kennt, wird nicht mehr akzeptiert.  

Entweder man wirft sich voll rein, füttert ebenfalls die Presse mit Homestories und Hundebildern, oder man steigt ganz aus. (Oder gar nicht erst ein).

Besonders ekelhaft ist die Methode Merz: Den großen Zampano spielen, sich für den Allergrößten halten, beleidigt für 15 Jahre im Off verschwinden, weil man von einer Frau geschlagen wurde, dann wieder wie Kai aus der Kiste springen, wenn man glaubt anstrengungslos eine Parteiführung übernehmen zu können, sich wieder beleidigt zurück ziehen, weil man von einer anderen Frau geschlagen wurde, keine Lust haben sich an der täglichen mühsamen Parteiarbeit zu beteiligen, weil man als Heuschrecken-Lobbyist für Cum-Ex-Hedgefonds Millionen verdient, sich damit aber nicht abfinden mag und wieder hervorstößt, wenn AKK sich in die Sackgasse geplappert hat.

Dabei hat Friedrich Merz in 63 Jahren politisch rein gar nichts erreicht. Sein einziges echtes Thema – „Mehr Kapitalismus wagen“ – hat sich als echter Flop erwiesen. Zur Unzeit erschien sein Buch voller Thesen, die allesamt widerlegt sind.

(…..) Marion Dönhoff schrieb schon in den 1990er Jahren ihr bedeutendes Werk „Zivilisiert den Kapitalismus“ und legte damals schon dar, was uns dann richtig offensichtlich 2008 mit der Weltfinanzkrise ereilte.
Welche Gegenmeinung soll man da noch einnehmen, wenn jemand so offensichtlich voll ins Schwarze getroffen hat.
Bezweifelt denn noch irgendeiner, daß den internationalen Spekulanten das Handwerk gelegt werden muß? Ich würde dazu gern eine SERIÖSE Stellungnahme lesen, die mir erklärt weswegen das Derivatehandeln und Spekulieren mit Lebensmitteln eigentlich sein muß.
Es gibt auch Menschen, die sich dafür einsetzen.
So schrieb CDU-Darling Friedrich Merz, den heute noch fast die ganze Partei zurücksehnt, im Jahr 2008 sein Buch „Mehr Kapitalismus wagen“.
Wenn jemand so rechts argumentiert, merkt man allerdings meistens sehr schnell wieso das so ist. In Merz‘ Fall hängt das offenbar damit zusammen, daß er für den Hedgefonds „TCI“ arbeitet und persönlich damit sehr reich geworden ist.
Darauf läuft es fast immer hinaus.
Wenn jemand etwas offensichtlich Unsinniges beschließt, wie zum Beispiel den Merkel’schen Freifahrtschein für CO2-verschleudernde schwere Limousinen, dann erfolgte dies natürlich nicht aus Überzeugung, sondern auf Druck.
Eine Millionenschwere Lobby ist sehr effektiv.
Waffenexporte, AKW-Subventionen, tierquälerische Geflügelzucht – wieso so etwas erlaubt ist, kann relativ leicht beantwortet werden.
Gier, Geld, Macht. (……)
(Verschiedene Journalisten, 28.10.2013)

Erstaunlich an Friedrich Merz ist seine völlige Borniertheit. Ungerührt vertritt er weiterhin seine radikal-kapitalistischen Thesen und ermahnt immer wieder die Ärmsten der Bevölkerung, sie sollten ebenfalls Aktien kaufen. Private Vorsorge durch Börsenspekulationen für Habenichtse.

(…..) Merz, der auch im Herbst 2018 noch genau so einen Unsinn von sich gibt wie vor 15 Jahren, ist gedanklich seit seiner großen Zeit in der Bundespolitik einfach stehengeblieben.


[….] Jetzt sind Experten gefragt. Merz könnte Bundeskanzler werden. Ein Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD) wollte „nicht alles kommentieren“, was auf Regionalkonferenzen der CDU gesagt wird. Tom Schreiber (SPD), Fachmann seiner Fraktion im Abgeordnetenhaus für Polizeithemen, sagt: „Es ist immer problematisch, wenn der Merz im Dezember ausbricht. Der Vorschlag zeugt davon, dass Merz null Ahnung davon hat. Das kann man unter Klamauk verbuchen.“ [….]

 Er sieht die Wirtschafts- und Sozialpolitik noch genauso durch die radikal neoliberale Brille wie vor 20 Jahren:
Sozialausgaben radikal kürzen, alle Regulierungen abschaffen, Steuerrecht ausmisten und massiv von unten nach oben umverteilen, damit die Unternehmer investieren.

So steht es auch in seinen Prä-Finanzkrise-Büchern „Mut zur Zukunft. Wie Deutschland wieder an die Spitze kommt“ (2002), „Nur wer sich ändert, wird bestehen. Vom Ende der Wohlstandsillusion“ (2004), „Mehr Kapitalismus wagen – Wege zu einer gerechten Gesellschaft“ (2008), in denen er Düsteres prognostizierte.

[…] Die Diagnose, die Merz in dem Buch [Vom Ende der Wohlstandsillusion] macht […]: Deutschland erlebe einen "historischen Niedergang"; die "Position der Exporteure auf den Weltmärkten verschlechtert sich ständig"; der Staat steckt in der "Schuldenfalle"; der Sozialstaat belohnt Faulheit; die "Überregulierung" des Arbeitsmarkts ist "schlicht eine Katastrophe", ebenso wie das böse Tarif- und Verbändekartell; die Lohnfindung ist "verkrustet"; dazu kommt, dass die Unternehmen ohnehin keinen einstellen, weil der Kündigungsschutz zu streng ist; unser Steuersystem ist schlechter als das von Gambia und Uganda; und überhaupt arbeiten wir zu kurz, und die Eliten verstehen nicht den Zusammenhang zwischen Leistung und Lohn; und die Gutmenschen haben uns zu bequem werden lassen.
Was es braucht, schien für Merz ebenso klar: die Deutschen müssen (fast) alle irgendwie verzichten. Und "länger arbeiten". Und flexibler. Und im Normalfall ohne Wohltaten vom Staat auskommen. Und ihre Rente am Kapitalmarkt gefälligst selbst verdienen. Für über 50-Jährige sollte es am besten gar keinen Kündigungsschutz mehr geben. Die Leute müssen ihren "Konsum beschränken" (damit - angeblich dann - mehr Geld für die Unternehmen übrig bleibt). Abgesehen davon braucht es weniger teure Beamte. Und weil "die Marktwirtschaft ihre Überlegenheit längst bewiesen hat", muss natürlich irgendwie (fast) alles den Märkten überlassen werden. [….]

Es gibt zwei Probleme an dieser hanebüchenen, einseitigen Sichtweise.

Zum einen hält Merz an diesen Rezepten und Prognosen bis heute fest und zeigt damit Starrsinn und Realitätsblindheit.
Zum anderen haben sich alle seine düsteren Unkenrufe als völlig falsch erwiesen. Nichts trat davon ein, obwohl Angela Merkel in 13 Jahren das Gegenteil einer Reformerin war und keine der radikalen Merz-Forderungen umsetze.
Hätte Merz Recht behalten, wäre Deutschland inzwischen untergegangen.



  [….] Wenige Monate nach Merz' düsterem Gequassel über den angeblich so heillos verkrusteten Arbeitsmarkt begann die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu fallen - bis heute fast ohne Unterbrechung. Und trotz des angeblich so furchtbaren Kündigungsschutzes haben deutsche Unternehmen mehr als fünf Millionen zusätzliche Stellen geschaffen.
All das, ohne dass sich in der kurzen Zeit noch viel geändert hätte, im Merz'schen Sinn. Kein radikal vereinfachtes Steuersystem. Keine Bierdeckelsteuerberechnung. Bis heute nicht. Im Gegenteil: im Frühjahr 2005 kündigte Gerhard Schröder Neuwahlen an, womit monatelang eigentlich nichts mehr groß entschieden wurde; und im Herbst - vor genau 13 Jahren - kam mit Angela Merkel die Kanzlerin, die das Nicht-groß-Reformieren zum Markenzeichen gemacht hat.
[….] Ein Teil der Forderungen, die Ultras wie Merz damals stellten, klingen mittlerweile bizarr, wo klargeworden ist, dass auch ohne Merz' Träume schon viel zu viel öffentliche Gelder gekürzt wurden - und jetzt überall die Infrastruktur kippt. Ziemlich gaga klingt im Nachhinein auch der damalige Befund, dass deutsche Exporteure angeblich immer weniger wettbewerbsfähig wurden (weil wir zu teuer und zu faul sind); dafür haben deutsche Exporteure zu viel Gutes zu bieten. In Wirklichkeit gab es schon zu der Zeit, als Merz sein Buch schrieb, einen historisch einmaligen Exportaufschwung.
Und wir haben in der Zeit, wenn überhaupt, zu wenig konsumiert, nicht zu viel, wie es Merz damals fehldiagnostizierte: sonst hätte Deutschland nicht seit Jahren jetzt dieses brisant gefährliche Ungleichgewicht zwischen Export und Import, das die nächste Krise auslösen könnte - und Donald Trump jetzt Vorwände für Wirtschaftskriegsspiele liefert. Ziemlich viel ökonomischer Unsinn. [….]

Das ist also das Wirtschaftssuperhirn, dem die CDUler nun begeistert nachlaufen?

Zehn Jahre Politik gingen an Friedrich Merz spurlos vorbei. Er klammert immer noch an seinen altbackenen und längst von der Realität widerlegten Rezepte und ist zudem auch noch polittaktisch so unfähig, daß er simple und vorhersehbare Attacken nicht parieren kann.
Rechte Publizisten wie Jan Fleischhauer geben sich große Mühe ihr einstiges Idol hochzuschreiben und AKK zu verhindern. (……)

Friedrich Merz ist nach Jahrzehnten als Politiker immer noch immun gegen jede Erkenntnis der Sozialpolitik. Er ist als Mitglied der Klasse der reichsten 10.000 in Deutschland unfähig sich auch nur ansatzweise in die Nöte der Menschen hineinzudenken, die nicht über ein paar Millionen „Spielgeld“ verfügen, das man nach Lust und Laune investieren kann.
So uneinsichtig er hinsichtlich der Finanzökonomie denkt, so garstig bleibt er auch bei seinen nationalen und xenophoben Überzeugungen.

[…..]  Friedrich Merz hat vor einem Abdriften von Polizisten und Soldaten hin zur rechtspopulistischen AfD gewarnt und damit eine Diskussion über die Sicherheitspolitik der Regierung angestoßen. "Wir verlieren offenbar Teile der Bundeswehr an die AfD. Wir verlieren Teile der Bundespolizei an die AfD", sagte der frühere Fraktionschef im Bundestag und CDU-Politiker der Bild am Sonntag.
Um dem Trend zu begegnen, müsse die CDU eine Partei sein, die ohne Wenn und Aber hinter den Sicherheitsorganen stehe. "Nur mit eindeutigem Rückhalt aus der Politik können sie jeden politischen Extremismus erfolgreich bekämpfen." […..] Auch sein privates Umfeld habe ihn auf entsprechende Missstände hingewiesen: "Ich habe nahe Verwandte und sehr viele Freunde und Bekannte, die bei der Bundeswehr und der Bundespolizei sind. Die berichten mir, wie die Stimmung dort ist, wie viele sich von ihren Dienstherren im Stich gelassen fühlen." […..]  

Tatsächlich gibt es zumindest in einigen Bundesländern offenbar große Sympathien von Angehörigen der Polizei für die AfD.
Deswegen sollte man die AfD stellen, sie bekämpfen und entlarven, ihre Lügen und Gefährlichkeit aufdecken, mit Polizisten reden und sie aufklären.
Der Multimillionär mit der hohen Stirn will das aber nicht, sondern die Politik der Bundesregierung und die CDU-Ausrichtung ganz nach rechts verschieben, bis sie der AfD gleicht. 

Also die Methode anwenden, die in Sachsen, in Sachsen-Anhalt und in Bayern so spektakulär versagte. Die Leute wählen das Original – je mehr Unionslandesverbände nach rechts rücken, desto stärker wird die AfD.
Das mit Abstand schwächste AfD-Ergebnis gibt es in Hamburg mit einer vergleichsweise liberalen CDU und einer Rotgrünen Landesregierung.

Der Mann ist so unbelehrbar und borniert, daß sich sogar konservative Unionsminister schockiert abwenden.

[…..] Seehofer attackierte Merz daraufhin scharf: "Er sollte die Bundespolizei nicht als Trittbrett für seine politische Karriereplanung missbrauchen." Ähnlich äußerte sich Verteidigungsministerin von der Leyen. Sie kritisierte zudem, Polizisten und Soldaten verdienten mehr Wertschätzung und "keine Mutmaßungen, wo sie ihr Kreuz machen". [….]