Freitag, 30. April 2021

Ich sage JA zum Iran

Was soll man schon machen, wenn das eigene Land zufällig mitten im größten Pulverfass der Erde liegt, man von direkten Nachbarn angegriffen wurde, man darüber hinaus massiv von zwei weiter entfernteren Atommächten bedroht, sowie immer wieder durch Luftschläge attackiert wird?

Auf die Idee, sich selbst Atomwaffen zu beschaffen, würde in der Situation auch der friedlichste Perser kommen.

(…..) Auch Biden scheint dem Irrglauben zu erliegen, die USA hätten das Recht andere Nationen maximal unter Druck zu setzen, dabei wissen wir gerade aus dem Iran, daß die brutalen Sanktionen aus Washington die Mullah-Regierung sogar stabilisierten.

Ich hingegen halte es grundsätzlich für problematisch, wenn Nationen, die selbst ganz selbstverständlich Kernwaffen produzieren und testen – Frankreich, GB und USA – anderen Nationen mit dem Zeigefinger vor der Nase herumfuchteln und ihnen Atombomben verbieten.

Was ich darf, darfst du noch lange nicht?

Außerdem ist es aus sicherheitspolitischen Überlegungen absolut verständlich, daß Teheran Atombomben anstrebt.   Der Iran wurde immer wieder mit westlicher Unterstützung militärisch angegriffen. Die USA lieferte dem Irak Waffen und Zielkoordinaten für den Angriff auf den Iran 1980. Der achtjährige Krieg kostete 500.000 bis 1.000.000 Iraner das Leben.   Die USA flogen 1980 und 1988 direkte Militärschläge gegen den Iran, griffen immer wieder Iranische Anlagen an und töteten einzelne Iraner.

Der prominenteste Fall war die Ermordung des iranischen Volkshelden und Generalmajors Kassem Soleimani im Januar 2020 durch das US-Militär.    Anschließend zeterte Trump los, er werde 52 weitere Ziele im Iran angreifen.

[….] Auf Twitter richtete Trump äußerst konfrontative Worte an die Islamische Republik, der er dringend von Vergeltungsakten abriet: Die für Iran und dessen Kultur teils sehr bedeutsamen Orte auf der Liste würden sonst "sehr schnell und sehr hart angegriffen", schrieb er in Großbuchstaben - ebenso wie das Wort "Warnung". Seine Tweet-Serie schloss Trump mit den Worten: "Die USA haben genug von Drohungen!" […..]

(SZ, 05.02.2020)

Die „Schurkenstaaten“, die sich gegen den Willen der USA tatsächlich Atomwaffen beschafft haben; Pakistan und Nord-Korea; sind hingegen nicht nur vollkommen sicher vor US-Angriffen, sondern werden als Partner auf Augenhöhe behandelt.

Iran hat bei seinen beiden großen Nachbarn – dem Irak und Afghanistan – erlebt, wie es einer Nation im Clinch mit den USA ergeht, wenn sie keine Atomwaffen haben. Beide wurden in die Steinzeit gebombt, haben Millionen Tote zu beklagen. (…..)

(Nicht so schreckliche Schreckensszenarien, 06.03.2021)

Im bekannten Iran-Atomvertrag von 2015, (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA), dem ganz wichtigen außenpolitischen Werk der Obama-Kerry-Regierung ging es darum, dem Iran jede Nutzung der Atomkraft zu verbieten.

Warum ein 85-Millionenvolk auf gar keinen Fall das darf, was ein 8-Millionenvolk in der Nähe ganz selbstverständlich tut und vom Rest der Welt akzeptiert wird, ist völkerrechtlich nicht zu erklären.

Dennoch hielt sich der Iran bekanntlich peinlich genau an die Bestimmungen des Atomvertrages. Er kooperierte mit den internationalen Kontrolleuren und die JCPOA-Vertragspartner USA, EU und UN attestierten Teheran dies wohlwollend.

Im Gegenzug sollte wieder der Handel stattfinden.

Dann kam allerdings ein vollkommen fanatischer irrer Vollidiot an die Macht – in den USA. Trump kündigte im Mai 2018 zum Entsetzen Europas, Russlands und Chinas einseitig den JCPOA, verhängte brutale Sanktionen nicht  nur gegen den Iran, sondern drohte sie auch allen Ländern an, die vertragstreu mit dem Iran Handelsbeziehungen begannen.    Die Europäer fügten sich dem illegalen Vertragsbrecher und Erpresser USA und standen nicht zu dem vertragstreuen Iran.

Washington ist zu mächtig, um zu widersprechen.    Die Sanktionen, der Ausschluss von Öl-Geschäften, das Handelsverbot und Corona sind eine brutale Mischung für Teheran.

Dort tobt die vierte Welle, das ganz große Sterben ist in vollem Gange.

[….] Die Arbeiter schichten graue Betonziegel übereinander zu einem Schachbrett aus Rechtecken, mehr als zwei Meter hoch. Es sind neue Gräber auf Irans größtem Friedhof Behescht-e Sarah am Rand der Hauptstadt Teheran. [….] Jetzt kommen jeden Tag mehr Tote hier an als während der schlimmsten Schlachten gegen Saddam Hussein.  Said Khal, der Direktor des Friedhofs, sagte jüngst im Staatsfernsehen, dass jeden Tag bis zu 350 Verstorbene zu bestatten seien. Mehr als 150 von ihnen seien an einer Covid-Infektion gestorben. Es seien "die härtesten und traurigsten Tage" in der 50-jährigen Geschichte des Friedhofs. In aller Eile wird eine neue Leichenhalle errichtet.   Iran befindet sich mitten in der vierten Corona-Welle, und es ist mit Abstand die schlimmste. Gesundheitsminister Said Namaki warnte bereits vor Wochen vor einer "Welle des Todes". [….] Der Große Basar von Teheran, noch immer das pulsierende Herz der Hauptstadt, hat die dritte Woche in Folge geschlossen - auch das gab es nicht einmal im Golfkrieg der Achtzigerjahre. Moscheen und Restaurants sind auch im laufenden Fastenmonat Ramadan dicht, es gibt Beschränkungen für die Nutzung privater Autos und für Reisen zwischen den Provinzen. [….] Die Sanktionen aber hindern Iran auch daran, die Pandemie wirkungsvoll zu bekämpfen. Obwohl es Ausnahmen für humanitäre Güter gibt, findet die Regierung kaum Banken, die bereit sind, Transaktionen für den Kauf von Beatmungsgeräten, Medikamenten, Schutzausrüstung oder dringend benötigten Impfstoff abzuwickeln. Gerade einmal 700 000 Impfdosen hat Iran erhalten, mit denen vor allem das Personal im Gesundheitswesen immunisiert wird. [….] "Die Sanktionen schaden nicht nur der iranischen Wirtschaft, sondern auch dem Recht der Iraner auf Gesundheit, indem sie den Zugang zu lebensrettenden Medikamenten einschränken", sagte Mahmoud Farazandeh, Irans Botschafter in Berlin, der Süddeutschen Zeitung. Leider hielten sich die europäischen Länder "an die ungerechten amerikanischen Regeln und verweigern die Zusammenarbeit mit Iran sogar auf dem Gebiet der Medizin".[….]

(Süddeutsche Zeitung, 30.04.2021)

Natürlich halte ich islamische Theokratien nicht für sympathische Staatsform.

Aber „Religionsfreiheit“ ist doch einer dieser wichtigen Werte des Westens. Saudi Arabien, der Liebling der USA legt die Scharia noch strenger und brutaler als der Iran aus. Im Iran dürfen Transgender-Männer sich legal operieren lassen, 50 % der Frauen studieren.  Davon ist Riad weit entfernt. Das muslimische Pakistan ist sogar Atommacht, ohne daß es irgendjemand in den USA stört. Der größte muslimische Staat der Erde, Indonesien, ist geschätztes Urlaubsland und Handelspartner, die muslimische Türkei ist NATO-Mitglied. In den absoluten Golfmonarchien ist von Religionsfreiheit keine Rede. Das sind streng muslimische Staaten, die aber von westlichen Investoren umschmeichelt werden, während ihren Stränden gerammelt voll sind mit großbusigen kaum bekleideten europäischen Influencerinnen.

 In Washington regiert nun Biden.  Was ist bloß los mit der europäischen Außenpolitik, daß wir nicht endlich dem Iran inmitten einer Pandemie mit dringend benötigten medizinischen Hilfsmitteln zur Seite stehen?

Donnerstag, 29. April 2021

Weinen mit dem Stadtdechant

Ohne ehrerbietende Titel machen es die Amtsträger der Kirche der Armen (Bergoglio), deren Gott einst in der Inkarnation seines eigenen Sohnes das Zinswesen verdammte und die Geldverleiher davonprügelte, schon mal gar nicht.

Jesu‘ Zinsverbot ist aber sowas von out; nun betreiben die Kirchen gleich selbst Banken und werden mit Börsenspekulationen immer reicher.

Zottelige lange Haare, Sandalen und Lendenschurz sind ebenfalls seit vielen hundert Jahren vergessen. Nun trägt man Hermelinstolas, edelsteinbesetzte Purpurkleider, kassiert 15.000 Euro monatlich und residiert in römischen 700m2 Palazzi oder Münchens schönstem Rokoko-Palais wie Kardinal Marx.

In so einer Organisation ist der Chef der Priesterschaft eines Ortes natürlich auch nicht einfach „Oberpriester“, sondern Stadtdechant (von lateinisch decanus von decem ‚zehn‘). Er ist dem Bischof unterstellt, herrscht aber über die einfachen Pfaffen.

Aufgaben: Leitung der Kirchengemeinde, Gottesdienste, Sakramente, Kirchenvorstand, Pfarreirat, Personalführung, Büchereien, Caritas, Kommunionhelfer- / Lektorendienst, Spiritualität

Der „Chef von Zehn“ aus Münster heißt Jörg Hagemann, ist seit Februar 2012 als @hagemannjoerg auf Twitter aktiv und konnte in diesen gut neun Jahren bereits erstaunliche 48 Follower hinter sich bringen.

Daher erkennt der Dechant glasklar aktuelle Trends: Das Image seiner römisch-katholischen Kirche ist suboptimal und zu Masseneintritten wird es wohl erst mal nicht kommen. Jörg Hagemann ist daher sehr betroffen und gibt traurige Interviews.

[….] Auch engagierte Gemeindemitglieder treten vermehrt aus der Kirche aus: Das schmerzt den Münsteraner Stadtdechanten Jörg Hagemann. Viele nähmen die Kirchen als "Täter-Organisation" wahr – und er erwische sich manchmal bei Gedanken an seine Rente.  Der Stadtdechant von Münster, Jörg Hagemann, hat sein tiefes Bedauern über die gegenwärtige Welle von Kirchenaustritten zum Ausdruck gebracht. Dass inzwischen selbst engagierte Gläubige aus der Mitte der Gemeinde der Kirche den Rücken kehrten, mache ihn fassungslos und traurig, sagte der leitende Geistliche am Dienstag im Interview mit dem Internetportal "Kirche+Leben". Es sei für ihn "kaum aushaltbar, dass so viele nicht mehr bei uns bleiben können oder wollen", so Hagemann.   Allein in den ersten drei Monaten des Jahres sind laut Information des WDR mehr als 3.500 Menschen aus dem Münsterland, eine der drei Regionen des Bistums Münster, aus der Kirche ausgetreten. [….] Der Exodus ehemals kirchlich Beheimateter ist für Hagemann "theologisch und praktisch eine Katastrophe", denn er bedeute, dass die Kirche ihrem "Auftrag, den Menschen ein Zeugnis von Gott zu geben, nicht gerecht" werde. [….]

(Katholisch, 27.04.2021)

Wieso wollen die Leute wohl nicht zahlende Mitglieder der RKK sein?

Es ist ein absolutes Mysterium. Ein Rätsel, für das mir auch keine Erklärung einfällt.

Daher argumentiere ich auch gar nicht erst, sondern beschränke mich ganz primitiv-politisch auf Whataboutism.

Da die RKK-Vertreter lieber hochtrabende Fremdworte verwenden: Das ist sowas ähnliches wie Tu Quoque.

Da mögen Sie mir verzeihen, Herr Stadtdechant, daß sich mein Mitleid in Grenzen hält.

Sie sprechen von einer nicht auszuhaltenden „Katastrophe“, von einem „Exodus“, von Ihrer „Fassungslosigkeit“ und Ihrer „Traurigkeit“, weil die Kirche weniger wird.

Und what about die 200 Millionen Menschen indigener Abstammung, die durch die Christianisierung in Nord- und Südamerika massakriert wurden?

What about die sechs Millionen in deutschen KZs von den nahezu 100% christlichen Nazisoldaten mit ihren DES LO VULT-Koppelschlössern? Gott will es!

What about die 850.000 Tutsi, die 1994 in Ruanda von christlichen Hutu bestialisch gekillt wurden?

What about die Millionen Schwulen, Andersgläubigen, Linkshänder, Atheisten, heliozentrischen Forscher, Intellektuelle, die von der christlichen Kirche ermordet wurden?

What about die Millarden Frauen, die im Laufe der letzten 2000 Jahre von der Kirche erfuhren, wie minderwertig sie sind, daß ihre Männer das Recht hätten sie zu schlagen und vergewaltigen?

What about die 300.000 Babys, die während der Franco-Diktatur von christlichen Nonnen ihren Eltern weggenommen und verkauft wurden?

What about den Myriaden deutschen Kindern, denen es wie Ben Königs ging, der in den 1960er Jahren in christlicher Obhut von Priestern bei regelrechten „Vergewaltigungsorgien fast totgevögelt wurde“, beginnend als er fünf Jahre alt war?

What about die Hunderttausenden Kinder, die im 20. Jahrhundert von katholischen Geistlichen gefoltert und sexuell schwer missbraucht wurden, aber bis heute nur mit erbärmlichen Ausreden abgespeist werden?

What about die Tauenden Kinder, die in christlichen Heimen bis 1975 in Mengele-Tradition für Medikamententests verkauft wurden?

What about die Opfer der Naziherrschaft, für die die RKK keinen Finger rührte, aber anschließend extrem aktiv wurde, um die Nazi-Täter zu schützen?

Adolf Eichmann, Alois Brunner, Dr. Josef Mengele, Franz Stangl (Kommandant der Vernichtungslager Sobibór und Treblinka), Gustav Wagner (Stangls Assistent), Klaus Barbie, Edward Roschmann („Der Schlächter von Riga“), und Aribert Heim (KZ Mauthausen) sind einige der Männer, die auf Veranlassung des Papstes durch Bischof Hudal mit Vatikanischen Papieren ausgestattet vor der alliierten Justiz nach Südamerika flüchteten.

What about ganzer Völker wie den Katharer oder den Templern, die christlichen Genoziden zum Opfer fielen?
What about der Millionen Opfer, die bei katholischen Kreuzzügen, Inquisition, Hexenverbrennungen und Auto Dafés auf Befehl der Kirche massakriert wurden?

Herr Stadtdechant, waren da nicht vielleicht ein paar Leute, die mehr Grund hätten „traurig“ zu sein?

Wären diesen Abermillionen Opfern nicht  Trauer, Entsetzen und Exodus erspart geblieben, wenn Ihre elende römisch-katholische Kirche schon vor 1.700 Jahren die Austrittswelle von heute erlebt hätte?

Haben da nicht andere durch die Verbrechen der Kirche mehr „Schmerz“ erlitten?

Sollten Sie sich nicht schämen als Topvertreter der Täterorganisation in Selbstmitleid zu baden und in der Presse auszubreiten, Sie empfänden Trauer und Schmerz?

Hätte nicht ein Fünfjähriger, der von Priestern immer wieder blutig vergewaltigt wurde eher Grund von „nicht aushaltbar“ zu sprechen?

Mittwoch, 28. April 2021

Grüne Manie

Mir ist schon klar, daß ich wie eine Schallplatte mit Sprung klinge.

Aber was soll man anderes machen mit diesen extrem CDUCSU-affinen Hamburger Grünen?

Heute war der Grüne Umweltsenator Anjes Tjarks mit seinem Kumpel Andreas Scheuer auf gemeinsamer Wahlkampfradtour.

Daran merke ich wie alt ich bin; ich erinnere mich noch gut an die Ur-Grünen, die sicherlich nicht öffentlich mit den unangenehmsten und betrügerischsten CSU-Politikern gekuschelt hätten. Aber heute sind CSU und Grüne kaum zu unterscheiden.  Beide vertreten den kirchenfreundlichsten und finanzkräftigsten Teil der Wählerschaft. Es ist eher eine gemeinsame OLIVE Partei.

Wenn der ehemalige Eistänzer und heutige CSU-General ausnahmsweise mal Grüne kritisiert, statt sie zu umarmen, ist das heute ein Ereignis.

Aber Annalena Baerbock als „Enthaltungskünstlerin“ zu bezeichnen, ist angesichts ihrer stromlinienförmigen Politik, die niemals konkret wird und nie aneckt, auch bloß eine zutreffende Beschreibung der Realität.

 
Heute muss ich das hanseatisch-grüne Ärgernis aber erneut erwähnen, weil sie wieder einmal ihrem Lieblingshobby frönen: Straßenbäume abhacken.

Grüne hassen Bäume; das scheint absolut manisch zu sein. Sobald sie auf irgendeiner Ebene  - im Bezirk oder Land - an die Schaltstellen der Macht kommen, beginnen sie ihren Abholzungsfeldzug. Kaum ein Wald, Hamburger Hain oder auch nur eine Gruppe weniger alter Straßenbäume, die vor den Grünen Kettensägen sicher ist.

Nun trifft es den Bezirk Hamburg-Nord. Nachdem die Grünen bei der Wahl am 26. Mai 2019 mit 35,7 % ein Rekordergebnis erzielten und mit Michael Werner-Boelz den Bezirksamtsleiter stellen, wird gerodet.

Für ihren Radwahn versiegeln sie manisch Flächen, betonieren. Für ihre „protected bikelane“ in der Tangstedter Landstraße (Hamburg-Langehorn) müssen auch 100-Jährige Linden für Parkplätze dran glauben – gegen den massiven Protest der Anwohner.

[…..] 51 von den 143 Parkplätzen sollen durch die Fällung von 16 Bäumen auf der Westseite geschaffen werden. Darunter teilweise fast 100-jährige Linden, wie die Kaiserlinde von 1924. Bereits 2017 hatte die Bezirksversammlung allerdings beschlossen, dass es politisch gewünscht sei, die Zahl der Straßenbäume in Hamburg-Nord nicht sinken zu lassen.  Wie könnten die Grünen, die bei den Wahlen 2019 die Mehrheit im Bezirk erreichten, eine Fällung dieser Bäume verantworten? „Für uns Grüne wäre der Verlust von 16 Bäumen zum Parkplatzerhalt sehr schmerzlich“, kommentiert Timo Kranz, Fraktionsvorsitzender der Grünen, die Pläne. […..]

(MoPo, 28.04.2021)

Es gibt natürlich nur Unions-affine passionierte Baummörder unter den Hamburger Grünen.  Einige Kommunalpolitiker wollen wenigstens ein paar der abgeholzten Straßenbäume wieder aufforsten. Aber dann blockiert der Grüne Umweltsenator Kerstan die Mittel.

In der Zeit der SPD-Alleinregierung von 2011 bis 2015 gab es in Zusammenarbeit mit der Loki-Schmidt-Stiftung ein massives Baumpflanzungsprogramm, das mich so begeisterte, daß ich eine Pappel in meiner Straße zur Hälfte finanzierte. Die andere Hälfte legte die Stiftung in Zusammenarbeit mit Olaf Scholz drauf. Aber seit 2015 die Grünen mitregieren und den Umweltsenator stellen, kann die SPD nicht allein entscheiden und so wird immer mehr abgeholzt ohne nach zu pflanzen.

Seit 2015 die Grünen in Hamburg mitregieren, wurden 10.649 Straßenbäume gefällt und nur 7154 Kleine nachgepflanzt. Unterm Strich ein Verlust von 3495 Bäumen.

Einen noch größeren Baumverlust gibt es auf den Hamburger Privatgrundstücken. Seit die Grünen mitregieren, werden großzügig Fällgenehmigungen erteilt. Wie viel nachgepflanzt wurde, verschleiert der Grüne Umweltsenator zum Ärger des NABU.

[….] Zwischen 2015 und 2018 wurden in den Bezirken Mitte, Altona, Nord und Harburg jährlich durchschnittlich 5.000 Fällgenehmigungen erteilt. Die tatsächlichen Baumverluste sind unklar, denn die Nachpflanzungen werden nur stichprobenartig überprüft“, moniert Dr. Katharina Schmidt, Baumschutzexpertin beim NABU Hamburg. Der schleichende und unüberschaubare Grünverlust kann für ganz Hamburg nur grob geschätzt werden. Der NABU Hamburg fordert die Zahlen zu Fällgenehmigungen und Ersatzfestsetzungen bei Privatbäumen ebenfalls für die Öffentlichkeit transparent zu machen. […..]

(NABU, 29.03.2021)

Transparenz? Nicht mit den Hamburger Grünen!

Dienstag, 27. April 2021

Annalena, die Öde

 Während Linke der SPD noch 20 Jahre später nachtragen, daß sie eine völlig richtige Reform machte, die nahezu einmütig als Ursache der anschließenden Wirtschaftskraft und der extrem sinkenden Arbeitslosenzahlen angesehen wird, vergessen sie kurioserweise ganz schnell, daß die Grünen die Hartz-Gesetzgebung ebenso wie die Gewerkschaften nicht nur mittrugen, sondern massiv bewarben. Viele Grüne waren damals radikaler als die SPD.

Nach 2005 waren sie nur leider nicht ehrlich und ließen ganz gern die SPD die Prügel kassieren, während sie auf einmal so taten, als wären sie nicht dabei gewesen. Der damalige starke Mann, Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer zog absolut mit Schröder an einem Strang.

Nur ist Fischer jetzt vergessen, während Schröder als ewiger Buhmann herhalten muss.

Grüne mit Rückgrat  und linkem Profil wie Jürgen Trittin, der sich traute unangenehme Wahrheiten auszusprechen, wurden sukzessive in der grünen Partei entmachtet und durch fromme Merkel-Freunde à la Katrin Göring-Eckardt und den konservativen Cem Özdemir ersetzt.

Als großer Trittin-Freund bedaure ich das sehr. Ihn hätte ich gern als Kanzler erlebt.

Die gegenwärtigen Grünen haben aber aus Trittins klaren Ansagen gelernt, daß der Wähler das absolut nicht hören will. Veggie-Day, 5Mark-für-den-Liter-Benzin, Flugverbote, Tempolimit.

Das sind gar keine guten Narrative, um die demoskopischen Zahlen noch oben zu puschen.

Also gibt es jetzt nur noch Nettigkeiten und falls mal einer konkret nachbohrt, fängt Baerbock das Schwurbeln an wie eine Reinkarnation Helmut Kohls.

[…..] Annalena Baerbock muss aus Floskeln Inhalte machen.  Nach 20 Minuten stellte der ProSieben-Moderator der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock eine einfache Frage: Was ist ein gutes Gehalt für Pflegerinnen und Pfleger? Es folgte eine Antwort, wie man sie von Politikern kennt: wortreich und nichtssagend. Es gebe große Unterschiede in der Bezahlung, sagte Baerbock. Man müsse genau hinsehen, aber eine tarifliche Bindung müsse schon sein. Keine Zahl, nur Nebel.  Annalena Baerbock ist eine Kandidatin des Ungefähren, die Aura des Aufbruchs ist wichtiger als Fakten, das Karma entscheidender als das Konkrete. Eine Strategie, die zunächst nachvollziehbar ist. Die grüne Kandidatin will der breiten Mitte, wie sie es nennt, ein Angebot machen. Sie steht für ein frisches Lebensgefühl, einen Bruch mit politischen Konventionen, einen Neuanfang. Sie trifft damit die Sehnsucht vieler, die nach 16 Jahren Angela Merkel müde sind, erschöpft auch von der trägen Coronapolitik und den testosteronschweren Machtkämpfen in der Union.  [….]

(Martin Knobbe, SPIEGEL-Leitartikel, 24.04.2021, 17/2021)

Ekelhafterweise ist das gar nicht dumm von Baerbock, sondern eine erfolgreiche Strategie, um Menschen von den Grünen zu überzeugen.

Es ist aber dennoch eine ärgerliche Form der Wähler-Weiterverdummung.

(…..) Der Gipfel der grünen Politikverweigerung war die umstrittene Abstimmung am 21.04.2021 zur „Bundesnotbremse“. CDU, CSU und SPD steckten dafür viel Kritik ein, die AfD rotierte auf Hochtouren, um die Aluhutszene fest an sich zu binden, die FDP reichte Verfassungsbeschwerde ein. Sämtliche Ärzte, Fachleute und Virologen befürworteten die Notbremse nicht nur, sondern hielten sie für zu schwach. Die Linke stimmte zusammen mit AfD und FDP dagegen.

Die Grünen aber mit ihrer Abgeordneten Annalena Baerbock zeigten maximale Unverantwortlichkeit, dachten nur an ihre Wahlchancen und nicht etwa an das Wohl des Landes, indem sie sich enthielten. Bloß niemanden auf die Füße treten, bloß nichts sagen, auf das man festgenagelt werden kann, bloß keine Position beziehen.

15 Monate Pandemie und die Grünen haben dazu leider keine Meinung. Sie haben nicht nur keine eigenen Vorschläge, sondern sie können noch nicht mal sagen, ob sie die Groko-Pläne ablehnen oder unterstützen. (….)

(Genosse Trend, 26.04.2021)

Der aktuelle SPIEGEL mit seiner Baerbock-Titelgeschichte ist aber unter dem Strich ein pures Grünen-Werbeheft. Das Titelbild der möglichen nächsten Kanzlerin ist meiner Ansicht nach nahezu perfekt. Sie wirkt seriös, sympathisch. Locker und gleichzeitig entschlossen.  Besser hätte es keine Profi-Werbeagentur ausleuchten können.

Als besonderen Coup gibt es eine persönliche Story des SPIEGEL-Redakteurs Malte Müller-Michaelis, der 2001 zusammen mit Baerbock Politikwissenschaft studierte und eng mit ihr befreundet war.

Er liefert die intimen Einblicke, die die Grünenchefin immer vermeidet.

Ein kleiner Einschub an dieser Stelle: Ich finde es gut und richtig wie konsequent sie ihr Privatleben aus der Politik raushält. Und ich finde es natürlich erbärmlich schlecht, daß fast alle Medien darüber orakeln wie sie den schweren Job einer Kanzlerkandidatin bloß bewältigen soll, obwohl sie doch Mutter wäre! Das ist im Jahr 2021 eine echte Unverschämtheit. Nicht ein Journalist hat je gefragt, wie Laschet und Söder die Arbeit schaffen könnten, obwohl sie doch Kinder haben.  Ich bin kein Freund davon Frauen vorzuziehen, weil sie Frauen sind. Aber diese Mutter-Fragen sind eigentlich ein Indiz dafür, daß es immer noch notwendig ist Frauen zu fördern.

Müller-Michaelis lässt es nun ordentlich menscheln und da er sein Lenchen ganz offensichtlich immer mochte und auch immer noch mag, hilft er ihr in der Phase der gesteigerten Medienaufmerksamkeit, indem er die Facette an ihr ausleuchtet, die sie sonst nicht zeigt.

Da Baerbock zufällig in derselben Stadt und an derselben Uni wie ich studierte, ging ich mit einem besonderen Interesse an den Artikel.

Aber was für eine Enttäuschung! Die Grüne Hoffnung war offensichtlich der langweiligste Durchschnittsstudent, den man sich vorstellen kann.

Es wimmelt nur von Klischees, die ich schon als 18-Jähriger Student so schrecklich fand, daß ich das niemals mitgemacht hätte.

Wohnung in der hippen ultraangesagten Schanze.

Jedes Wochenende in der Kaiserkeller-Disco, Große Freiheit 36. Für die Nicht-Hamburger – das ist unter 1.000 Läden auf dem Kiez sicher der Langweiligste, in den sich nur Touristen und Jugendliche aus der Vorstadt verirren. Ganz schlimm.

[….] Über die wichtigsten Fragen unserer Studienzeit herrschte in der kleinen Gruppe meist Einigkeit, ohne dass es großer Debatten oder gar einer Befragung der Basis bedurft hätte. Zum Beispiel darüber, dass wir uns Woche für Woche donnerstags ab 22 Uhr im Kaiserkeller trafen, um bei dem immer selben Alternative-Rock-Mix das Wochenende einzuläuten. Drei Akkorde, Gitarre, Schlagzeug, Bass, Bier – mehr brauchten wir nicht für einen gelungenen Abend. Die Playlist eines Kaiserkeller-Abends könnte ich heute noch zusammenstellen. Eines der Lieder, bei denen Annalena garantiert auf die Tanzfläche hüpfte, war »Nobody's Wife« von Anouk. […..]

(MMM, SPIEGEL, 24.04.2021)

Es gab nichts zu diskutieren für Baerbock, die sich damals „Lenchen“ nannte und dazu frönten sie nicht nur den langweiligsten Freizeitbeschäftigungen, sondern auch noch immer den gleichen!

Aber es kommt noch übler. Ihr Hobby war FUSSBALL SPIELEN und auch außerhalb blieb die immer gleiche Gruppe der Kommilitonen offenbar immer zusammen, verreiste auch zusammen und zwar in das Ole-von-Beust-Reichenparadies Sylt. Mehr Klischee geht nicht.

OK, doch, sie heiratete früh, schön spießig, im Brautkleid mit Schleier.

Damit sind wirklich alle Punkte abgearbeitet, mit denen man sich für eine RCDS-Karriere qualifiziert. Langweiliger geht es nicht mehr. Solche Studenten habe ich an der Hamburger Uni gemieden wie der Teufel das Weihwasser.

Anschließend ging es natürlich ebenso straight weiter. Praktikum bei der Europaabgeordneten Elisabeth Schroedter, Hocharbeiten zur Büroleiterin, eigenes Bundestagsmandat, Aufstieg in der Partei.  Glücklich verheiratete Cis-Hetero-Frau und Mutter und zahlendes Kirchenmitglied, die nie auch nur einen zehnminütigen Umweg in ihrer Karriere beschritt.

Nein, all das disqualifiziert sich natürlich nicht als Kanzlerkandidaten.

Aber diese extrem glatten Karrierepolitiker ohne einen einzigen Bruch in der Biographie sind mir suspekt.   Ich habe lieber Schröder- oder Fischer-Biographien mit vielen Umwegen, die enorme Erfahrungen aufweisen und die eigentlich für sie vorgesehenen Lebenspfade verließen. Die mussten sich durchbeißen und haben sich gegen enorme Widerstände durchgesetzt.  Ich glaube, letztere haben eine größere Problemlösungskompetenz als eine Baerbock, bei der noch nie irgendetwas schwierig war und nie etwas schief ging.

 Das wolkige Programm der Grünen ist leider auch keine Hilfe.

[…..] Solardächer sollen Standard werden – alles freiwillig? Kurzstreckenflüge sollen unnötig, Langstreckenflüge verringert werden – wird Reisen wieder zum Privileg der Reichen? Die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr sollen verdoppelt werden – auf wessen Kosten?  Ach ja, die Kosten: Die Grünen streben finanzielle Verbesserungen in vielen Bereichen an. Sie wollen das Geld aus einer CO2-Abgabe an die Bürger weiterreichen und trotzdem jährlich 50 Milliarden Euro unter anderem in klimaneutrale Infrastruktur investieren. Die Schuldenbremse im Grundgesetz soll dafür aufgeweicht, eine Vermögensteuer eingeführt werden. Reicht das? Woher kommt das restliche Geld? Und wer trägt den Schuldenberg wieder ab? […..]

(SPIEGEL, Nr.17, 24.04.2021, s.6)

Montag, 26. April 2021

Genosse Trend

Aus Sicht der CDU (und ich argumentiere sehr ungern aus so einer Perspektive) war es richtig, sich für Laschet als Kanzlerkandidaten zu entscheiden.

Friedrich Merz trägt nicht nur die Last mit sich, daß er sich in ökonomischen Fragen meistens irrt und groteske Fehlprognosen in die Welt setzt, daß er ein erstaunliches Talent an den Tag legt, alle Fettnäpfchen zu treffen und innerparteilich als Serienverlierer dasteht, sondern immer mehr als ewig-gestriger AfD-Opa gegen Schwule und Gendersternchen wettert.

Das kommt bei den picklig-pyknischen bierseligen Verbindungs-Studenten des Phänotyps Kuban an, die sich grämen zu uncool und zu häßlich zu sein, um eine Freundin zu finden, die aus Mitleid mit ihnen schlafen würde. Aber bundesweit gibt es dafür keine Mehrheiten mehr.

[….] Für jemanden der sich darüber entrüstet, dass es eine „Sprachpolizei“ gebe, die die Bevölkerung zum Gendern zwingen will, ist es also völlig unproblematisch, exakt das zu tun, was er der anderen Seite vorwirft - nämlich Zwang. Das ist argumentatives Totalversagen.  Der Kampf gegen die eigene Bedeutungslosigkeit hat Friedrich Merz‘ Ego so groß werden lassen, dass er sich selbst im Wahlkampf um die Bundestagswahl nicht klar hinter die Leute aus der eigenen Partei stellen kann. Ein politisches Armutszeugnis. Wer dann noch Maaßen-freundlich am rechten Rand fischt, die eigenen rechtskonservativen Reflexzuckungen so wenig im Griff hat und sprachliche Entwicklungen in Richtung Gerechtigkeit verbieten will - das ist pure Verzweiflung. […..]

 (Sonja Thomaser, FR, 23.04.21)

[….] Das Problem ist, dass Merz sich eines ohnehin schon die Gesellschaft spaltenden Themas auf eine Art und Weise bedient, die diesen Spalt noch tiefer treibt. Und das nur, um die eigene Wählerschaft zu mobilisieren. So Vorgehen hat einen Namen: Populismus. Der Merz des Frühjahrs 2021 sollte sich fragen, ob er wirklich da weitermachen will, wo er vor zwei Dekaden mit der leidigen Leitkultur-Debatte durchgestartet war.

Ein Liberaler ruft nach Verbot! [….]

(Sebastian Huld, ntv, 23.04.2021)

Markus Söder beweist nach dem Eingeständnis seiner Niederlage gegen Laschet jeden Tag, daß er den Charaktertest nicht besteht. Immer wieder stichelt er, tritt nach, ist beleidigt, beschädigt die CSUCDU insgesamt.

Söder und Merz wären als CDUCSU-Kandidaten zwar gut für die SPD gewesen, aber hochgefährlich für ihre eigenen Parteien.  Armin Laschet geht allerdings so schwer angeschlagen in das Rennen mit Baerbock und Scholz, daß es die Union in den Umfragen regelrecht abstürzt.

Kantar/Emnid und Forsa sahen die Grünen schon bundesweit vor der CDUCSU.

Nun zieht Civey vom SPIEGEL nach.

[…..] Zwischen Baerbock-Euphorie und Laschet-Frust: Eine Woche nach der Kür der Kanzlerkandidaten liegen die Grünen nur noch knapp unter der 30-Prozent-Marke und sind nun klar stärkste Kraft.  Die Grünen demonstrierten Geschlossenheit und präsentierten perfekt inszeniert Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin. CDU und CSU verloren sich im Schwesternstreit und einigten sich erst nach erbittertem Machtkampf auf Armin Laschet (CDU) als Spitzenmann – eine Wahl, mit der große Teile der Unionsbasis nicht einverstanden sind.  Die Umstände der Kandidatenkür spiegeln sich in der aktuellen Auswertung der SPIEGEL-Sonntagsfrage wider. In der repräsentativen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Civey verliert die Union deutlich und rutscht auf 24 Prozent ab – das sind 6 Prozentpunkte weniger im Vergleich zum Wert eine Woche zuvor.  Bündnis 90/Die Grünen ziehen mit einem bemerkenswerten Plus von 5 Prozentpunkten im Vergleich zur Vorwoche an der Union vorbei und kratzen nun sogar an der 30-Prozent-Marke. […..]

(SPON, 26.04.2021)

Bei all den demoskopischen Daten und den sich daraus ergebenden Koalitionsoptionen, wird bezeichnenderweise kaum jemals erwähnt, daß Grüne und SPD umfangreiche Wahlprogramme vorgelegt haben; die CDU aber keine Idee hat weswegen man sie wählen sollte.

Die Sozis sind wie immer gewissenhaft, detailliert, haben viel gerechnet.

Die Grünen bleiben diesmal etwas vager, haben umständliche Gegenfinanzierungen ausgelassen, wollen lieber nicht sagen, wenn sie belasten wollen. Das stört im Wahlkampf nur.

Die Grünen machen sich aus Erfahrung mit vergangenen Wahlkämpfen einen schlanken Fuß. Sie haben gelernt, daß der SPD-Weg der klaren und ehrlichen Ansagen vom Urnenpöbel gar nicht gemocht wird. Die vagen Merkel-Typen, die nie etwas konkret sagen und zu allem nur wolkig wabernd Allgemeinplätzchen ablassen, schneiden bei Wahlen viel besser ab, weil sie niemand verschrecken.

Daher trauen sich die Grünen auch nicht ihre religiösen, esoterisch durchgeknallten und homöopathischen Anhänger oder schwurbeligen Impfgegner vor den Kopf zu stoßen.

Der Gipfel der grünen Politikverweigerung war die umstrittene Abstimmung am 21.04.2021 zur „Bundesnotbremse“. CDU, CSU und SPD steckten dafür viel Kritik ein, die AfD rotierte auf Hochtouren, um die Aluhutszene fest an sich zu binden, die FDP reichte Verfassungsbeschwerde ein. Sämtliche Ärzte, Fachleute und Virologen befürworteten die Notbremse nicht nur, sondern hielten sie für zu schwach. Die Linke stimmte zusammen mit AfD und FDP dagegen.

Die Grünen aber mit ihrer Abgeordneten Annalena Baerbock zeigten maximale Unverantwortlichkeit, dachten nur an ihre Wahlchancen und nicht etwa an das Wohl des Landes, indem sie sich enthielten. Bloß niemanden auf die Füße treten, bloß nichts sagen, auf das man festgenagelt werden kann, bloß keine Position beziehen.

15 Monate Pandemie und die Grünen haben dazu leider keine Meinung. Sie haben nicht nur keine eigenen Vorschläge, sondern sie können noch nicht mal sagen, ob sie die Groko-Pläne ablehnen oder unterstützen.

Erbärmlicher geht es nun wirklich nicht in einer Krise mit 80.000 Todesopfern und nie dagewesenen finanziellen Verwerfungen für einen Partei, die in fünf Monaten die Bundeskanzlerin stellen will.

Aber wahltaktisch war das offensichtlich völlig richtig. Beim Urnenpöbel kommt das richtig gut an.

Laschet strampelt sich inzwischen ab, um auf seine neue Hauptkonkurrentin einzuschlagen. Immerhin liegt die CDUCSU damit noch gute zehn Prozentpunkte vor der SPD. Das ist insofern erstaunlich, da die Last der Regierung von den SPD-Ministern getragen wird, während das C-Personal durch die Bank vollkommen versagt.

Dreist ist vor Allem, daß es von den C-Parteien immer noch kein einziges Wort eines Wahlprogrammes gibt.  Das wird bei den Konservativen zwar immer eher schwammig gehalten, aber bisher war es so, daß man tatsächlich Merkel kannte und wußte, daß sie ohnehin alles irgendwie laufen läßt und garantiert nicht proaktiv und vorrausschauend Probleme angeht.

Deswegen ist Deutschland eben technologisch vielfach abgehängt, hat eine museumsreife Armee, ist nicht in der Lage nach 15 Monaten Pandemie Schulunterricht online zu garantieren, weil wir bei der Digitalisierung 20 Jahre zurück liegen und noch nicht mal ein Smartphone bauen können – mal ganz abgesehen von Großprojekten.

Immerhin wurden unter der gegenwärtigen Kanzlerin allerlei CDU-Essentials abgeräumt. Wehrpflicht weg, Homophobie ad acta gelegt, Schwarze Null obsolet, Atomkraft abgewickelt  - Koalitionen mit so ziemlich jedem möglich.

Aber was würde ein CDU-Kanzler anders als Merkel machen? Oder würde er weiter ziellos mäandern?
Keiner weiß es, weil es kein Programm gibt und niemand in der Union sich traut irgendwelche Pläne vorzulegen.   Man wüßte noch nicht mal wer das eigentlich tun könnte. Vordenker wie Geißler oder Biedenkopf sind lange abgeschafft.  Laschet tritt als weiße Projektionsfläche an und liegt damit fast gleichauf mit Barbock.

Die SPD wird zwischen ihnen zerrieben und kommt in der Zuspitzung auf zwei potentielle Kanzlerparteien gar nicht vor.

Das ist ein bekanntes Phänomen, das man aus vielen Wahlen aus Deutschland kennt und mehre Merkmale aufweist:

1.   Die Öffentlichkeit ist nicht in der Lage, sich mit mehr als zwei Parteien zu beschäftigen.

2.   Politische Inhalte sind offensichtlich nahezu irrelevant.

3.   Es wird keine Partei gewählt, die keine Chance hat den Regierungschef zu stellen.

4.   Der Wähler bevorzugt die Partei, die wahrscheinlich am stärksten wird, weil er dann auch zu den Siegern gehört. Niemand will zu den Verlierern gehören und wählt daher auch nicht die Partei, die demoskopisch absackt.

5.   Trends verstärken Trends. Gute Umfragen generieren noch bessere Umfragen.

6.   Bauch vor Kopf. Man wählt den, der auch von der veröffentlichen Meinung als möglicher Sieger präsentiert wird.

7.   Die Journalisten konzentrieren sich fast ausschließlich auf die mutmaßlichen Sieger-Parteien.

Als kleinere Partei gegen diese Regeln aus eigener Kraft Medienaufmerksamkeit zu generieren und Trends umzukehren, ist zwar möglich, aber sehr schwer. Dafür braucht es sehr überzeugende Kandidaten und absolut zündende Argumente. Seit Gerhard Schröder gab es aber keinen so guten Wahlkämpfer mehr. Keiner der heute Aktiven kann ihm das Wasser reichen.

Helfen könnte es einer im Wahlkampf nicht trendbegünstigten Partei, wenn der medial zentrale Kandidat ganz drastische Fehler begeht. Martin Schulz schaffte es 2017 sich von 33% ganz allein durch eigene Doofheit auf 20% herunter zu plappern.

Megaskandale (Schill 2004 in Hamburg, Bankenkrise Berlin 2001, Barschel-Skandal 1987, Mappus-Desaster mit EnBW und Fukushima 2011) können einen deutlichen Trend umkehren. Da haben die Konkurrenzparteien Glück. Derartig große Skandale sind aber selten.
Die Grünen sind 2021 zu professionell und straff zentralistisch organisiert, so daß ich keine derartigen Fehlleistungen von ihnen erwarte.

Die CDU andererseits sitzt schon so tief im Sumpf nach den Maskendeals und dem schmutzigen öffentlichen Kampf gegen Söder, daß Laschets Ruf nun ohnehin ruiniert ist. Die Erwartungen an ihn sind kaum noch messbar und können daher auch kaum enttäuscht werden.

So sieht es also nach einem schwarzgrünen Zweikampf aus.   Die wechselseitigen Wunschpartner kabbeln sich darum, wer am Ende die Nase vorn haben wird. Das verspricht Spannung und generiert Medienaufmerksamkeit von allein.

Olaf Scholz, der fähigste und seriöseste Kandidat, hat dagegen kaum Chancen, zumal er für eine Programmpartei antritt und leider mit zwei völlig unfähigen Parteichefs leben muss, die in der Öffentlichkeit bestenfalls als Witzfiguren wahrgenommen werden. Frau Esken twittert ganz gern und reagiert auf jeden der durchschnittlich drei bis fünf Kommentare.  Ob der Krefelder Endsechziger Norbert Walter-Borjans überhaupt noch lebt, kann ich nicht sagen. Von dem habe ich seit Monaten nichts mehr gehört.

Sonntag, 25. April 2021

Unsichtbare Vernunft

Nach 15 Monaten Pandemie in der Welt nervt mich am meisten, immer wieder Zeuge davon werden zu müssen, wie eigentlich hochvernünftige intelligente Menschen entweder selbst einen Aluhut aufsetzen, oder aber sich so äußern, daß vollkommen erwartbar AfD und Verschwörungstheoretiker ihren Honig daraus saugen.

Von Schlagersängern, Fernsehköchen, Rechtspopulisten wie Lindner, Reality-TV-Sternchen erwarte ich ohnehin nichts Gutes.

Aber es gibt leider auch eine länger werdende Liste von namhaften Journalisten, die auch langsam abdriften. Ich nenne bewußt keine Namen, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit dafür zu generieren.

Ich staune über die „Hygienedemonstranten“, die Arm in Arm mit Neonazis in Stuttgart und Berlin und Dresden umherspazieren, über die überproportional viel in Film, Funk und Fernsehen berichtet wird, die aber hartnäckig behaupten, sie kämen in den klassischen Medien nicht vor.

Das sind alles kleine Reinkarnationen von QAnonistin Marjorie Taylor Green, die nach dem versuchten Sturm des US-Capitols mit einem ZENSUR-Mundschutz an das Rednerpult des Repräsentantenhauses trat und jammernd beklagte, ihre Meinung nicht äußern zu dürfen, während sie im Zenit der Aufmerksamkeit der Weltpresse stand und von hunderten TV-Stationen übertragen wurde.

Die Lauten, die Fiesen und die Doofen sind viel sichtbarer als die Vernünftigen, die alle die Berichte und ausführlichen Dokumentationen aus den Krankenhäusern kennen, in denen derzeit schon über 5.000 Covid-19-Patienten mit enormen Aufwand behandelt werden, die um die 80.000 Toten in Deutschland wissen und sich daher auch an die Hygieneregeln halten.

Gelegentlich werden aber auch die Vernünftigen laut. Nach der katastrophal verunglückten Jan-Josef-Liefers-Aktion, gibt es nun die viel beachtete Reaktion #allemalneschichtmachen des medizinischen Personals.

Viel zu viel Aufmerksamkeit wird auch den schweren Religioten geschenkt, die sich immer noch hartnäckig für die Kindermissbrauchs-Organisation RKK einsetzen.    Niemand bei klarem Verstand würde auf Einsicht der Männer wie Müller, Ratzinger, Woelki, Heße, Marx, die sich seit Jahrzehnten bemühen Kinderfic**r zu beschützen und ihr Tun weiter ermöglichen, setzen.   Sie stehen für eine Organisation, die sich bis heute nicht den deutschen Gesetzen unterwerfen will, sondern ausschließlich auf das Kirchenrecht setzt, welches bezeichnenderweise in der Vergewaltigung von Kindern gar keinen Straftatbestand erkennt. Nur der Verstoß gegen den Zölibat wird geahndet.

[…..] Dass Kleriker zu Missbrauchstätern wurden und werden, liegt vielleicht sogar in der inneren Logik der Kirche begründet. Um das zu verstehen, hilft ein Blick ins Kirchenrecht: Kirchenrechtlich wird sexueller Missbrauch bis heute rein vom Priester her gedacht. Kirchenrechtlich gesehen verstößt ein Priester, der sich an einem Kind, Jugendlichen oder Erwachsenen vergeht, gegen das sechste Gebot: "Du sollst nicht ehebrechen." Und weil der zölibatär lebende Priester mit der katholischen Kirche verheiratet ist, betrügt er lediglich die Kirche. Die Opfer kommen als Geschädigte nicht vor, sie sind gar nicht da.  Aus diesem Grund haben Betroffene von sexuellem Missbrauch in kirchenrechtlichen Verfahren gegen Täter bis heute keinerlei Rechte. Sie können keine Akten einsehen, sie können nicht als Nebenkläger auftreten, sie sind nur Zeugen. Die katholische Kirche könnte etwas dagegen tun, sagt zum Beispiel die Theologin Doris Reisinger: Sie könnte ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung in ihren Rechtsnormen verankern; im weltlichen Bereich ist dies etwas völlig Selbstverständliches. Doch wenn sie das täte, müsste sie den Gläubigen auch zugestehen, über ihr Schlafzimmer selbst zu entscheiden. Hier liegt der Knackpunkt: katholische Kirche und Selbstbestimmung des Menschen - das geht offenbar nicht zusammen. […..]

(Annette Zoch, 19.03.2021)

Politikern wie Annette Schavan, Wolfgang Thierse oder Winfried Kretschmann, die sich für so ein Kindermissbrauchssystem engagieren, indem sie sogar im Zentralrat der Katholiken sitzen, kann ich nicht vertrauen.

Noch-ZdK-Chef Sternberg ist begeistert, daß sich so viele Prominente wie nie für seinen homophoben, frauenfeindlichen Verein einsetzen, der Kindervergewaltiger schützt, Frauen als minderwertig erwachtet, Waffen segnet, aber keine Schwulen!

[…..] Zahlreiche Schwergewichte wie Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sind ausgeschieden. Neu dabei sind die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Auf die 45 Plätze für Einzelpersönlichkeiten haben sich so viele Menschen beworben wie noch nie, insgesamt 105 - und das "trotz des schlechten Bildes der katholischen Kirche in der Öffentlichkeit", so Sternberg. Das sei "beeindruckend". [….]

(SZ, 24.04.2021)

Schande über Dreyer, Thierse, Monika Grütters, Maria Böhmer, Emilia Müller, Schavan, Kretschmann, AKK, Armin Laschet, Hildegard Müller, Dieter Althaus, Christa Nickels, Andrea Nahles, Rita Süßmuth, Philipp Rösler, Daniel Günther, Rainer Haseloff, Maria Flachsbarth, Erwin Teufel und Julia Klöckner, die alle im ZdK aktiv sind (oder waren).

Allesamt Regierungschefs, Minister und Staatssekretäre, sowie ein Bundestagspräsident. Eine einfache Krankenschwester aus einem katholischen Hospital oder Gärtner einer katholischen Schule findet man hingegen nicht im katholischen Laiengremium. Dafür aber Militärs und Hochadel.    Es war schon immer das Erfolgs- und Reichtumsgeheimnis der RKK, sich mit den Mächtigen und Regenten eines Landes zusammen zu tun, um die gewaltigen Geldflüsse in die Taschen der Kirchenfürsten aufrecht zu erhalten.

Neben diesen sichtbaren Ärgernissen der Religiotie, gibt es aber eine größere Bewegung der Vernünftigen, die unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.

Hunderttausende erkennen jedes Jahr welche ein unrettbarer amoralischer Sumpf die Kirchen sind.

Vielerorts sind die Kirchenaustrittstermine auf Monate ausgebucht.

[….] Düsseldorf: Termine für Kirchenaustritte sind begehrt

Über 300 Termine werden monatlich vom Amtsgericht online für Düsseldorfer*innen angeboten, die aus der Kirche austreten wollen. Doch die Nachfrage ist aktuell so groß, dass bereits am Morgen des 1. März alle Termine ausgebucht waren. Neue Termine werden erst zum nächsten Ersten im April eingestellt. Der Verein Düsseldorfer Aufklärungsdienst fordert deshalb in einem Brief an die Präsidentin des Amtsgerichts, die Zahl der Termine aufzustocken. […..]

(Report Düdo, 02.03.2021)

[….]    Der Appell aus der katholischen Kirche auszutreten, zieht Kreise: Dass der Vatikan der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare eine Absage erteilt hat, empört nicht nur das Ehepaar Traber, das die Aktion im Netz initiiert hat.   Von einer „Mords-Resonanz“ auf ihren öffentlich gemachten Austritt aus der katholischen Kirche berichteten der Kabarettist Otmar Traber und seine Frau Lioba Burg-Traber aus Benningen (Kreis Ludwigsburg) am Montag. Gut tausend Mal sei die Homepage https:/kirchenaustritt-jetzt.de aufgerufen worden, 23 Personen hätten ihren Austritt über diese Website öffentlich gemacht – „und darunter sind nicht wenige Hauptamtliche“, erklärte der Theologe. […..]

(Stuttgarter Nachrichten, 22.03.2021)

[….] EKHN rechnet mit 20% weniger Mitgliedern bis 2030

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) rechnet damit, bis 2030 ein Fünftel ihrer Mitglieder zu verlieren. Das geht aus einer Mitteilung vom 24. April über die Online-Tagung der Synode hervor. [….]

(IDEA, 24.04.2021)

[…..] München: Kirchenaustritt im Akkord: Keine Termine beim Standesamt mehr

Für den Kirchenaustritt gibt es zwei Möglichkeiten: per Online-Termin beim Standesamt oder per Termin beim Notar. Laut KVR kostet das immer rund 25 Euro. Eine Austritts-Bescheinigung kostet zehn Euro extra. [….]

(Münchner Abendzeitung, 21.04.2021)

[….] Wartezeit auf Kirchenaustritt kann in Osnabrück derzeit drei Monate und länger betragen.  Nicht nur von den Parteien wenden sich viele Bürger derzeit mit Grausen ab, auch die Kirchen verlieren Mitglieder, dass es nur so ein Laufen ist. Im Bürgeramt der Stadt Osnabrück führt das zu rekordverdächtigen Engpässen bei der Terminvergabe. Wer den Schoß der Kirche verlassen möchte, muss Wartezeiten von drei Monaten und mehr in Kauf nehmen. [….]

(ABM, 23.04.2021)

[….] Termine zum Kirchenaustritt bis Ende Juni ausgebucht

Die Krise im Erzbistum Köln hält an: In der Stadt ist über Monate hinweg kein Termin für einen Kirchenaustritt mehr frei. Die nächste Chance gibt es am 1. Mai – dann werden die Termine für Juli vergeben. […..]

(Spon, 01.04.2021)

[….] Viele Katholiken in Rheinland-Pfalz kehren derzeit der Kirche den Rücken. Es gebe gerade vermehrt Nachfragen nach Terminen, um den Austritt aus der Kirche zu erklären, teilt die Stadt Kaiserslautern mit.  [….]

(dpa, 23.03.2021)

[….] Viele Bochumer treten aus den Kirchen aus

Termine für den Kirchenaustritt sind beliebt. In Bochum treten etwa gleich viele Evangelen und Katholiken aus. […..]

(Lokalkompass, 12.04.2021)

[….] Es sieht aus, als gäbe es auch in München einen Woelki-Effekt: Die Termine im Kreisverwaltungsreferat (KVR) für Kirchenaustritte sind bis Ende Juni ausgebucht, für mehr als drei Monate. Und das, obwohl die Austretenden im Fünf-Minuten-Takt durchgeschleust werden. In Köln kommt das dortige Amtsgericht schon seit Längerem kaum mehr hinterher, alle Austrittswünsche zu erfüllen, man führt das auf den Ärger über den Kölner Kardinal Woelki und dessen Management der Missbrauchsvertuschung zurück. […..]

(SZ, 30.03.2021)

 So lange so viele Deutsche schlau genug sind, das Weite zu suchen, mögen sich die wichtigen und mächtigen Politiker gern im ZdK amüsieren und Pfründe verteilen.

Samstag, 24. April 2021

Die irreale Welt

Als ich vor einigen Jahren im Wartebereich des UKE-Herzzentrums (UHZ) ausharrte, kam ich mit einer Patientin ins Gespräch, die weit über 90 war, auf mich einen sehr gefassten Eindruck machte, aber sie erklärte mir, das Alter mache wirklich keinen Spaß. Alle ihre Freunde wären tot, dement oder schwer krank. Wo sie hingucke, nichts als Elend, Leiden, ständig müsse man zu Ärzten, 20 Pillen am Tag nehmen und rede auch nur über Krankheiten.

Nun ist Alter nicht gleich Alter.   Es gibt Menschen, die schon mit Mitte 40 Alzheimer bekommen, manche sind mit 70 pflegebedürftig und nicht mehr mobil, andere, wie die Queen, sind mit 95 noch voll einsatzfähig und arbeiten.

Die Dame im UHZ war auch noch völlig klar, aber sie war deprimiert von all den Krankheiten. Früher wäre das nicht so gewesen. Sie könne sich nicht dran erinnern, daß in ihrer Jugend Freunde oder Bekannte so lange und so schwere Krankheiten gehabt hätten. Aber jetzt kenne doch jeder Krebspatienten und habe Angehörige mit Infarkten und Herzklappen-OPs.

Das wirkt in der Tat so. Eine Erklärung ist, daß viele Jugendlichen die Leiden des Alters weniger wahrnehmen.

Der Hauptgrund für die wenigen schweren Alterserkrankungen vor 100 Jahren ist aber, daß die Menschen schon längst gestorben waren, bevor sie krank wurden.    Ohne moderne Medizin, Antibiotika und minimal invasive Operationstechniken starb man eben an einer Lungenentzündung oder einem kleinen Herzinfarkt. Krebsarten wurden gar nicht erst richtig bemerkt bevor es zu spät war.

In der Rückschau wirkten die zum Tode führenden Erkrankungen kurz und wenig dramatisch.

All diese Erkrankungen überlebt man aber heute in Deutschland, erholt sich und kann sich die nächste schwere Malaise einfangen, wird wieder operiert, zur Reha geschickt, medikamentös eingestellt, lebt noch mal drei Jahre und bekommt dann die nächste Krebsart.

Wir feiern uns für die gestiegene Lebenserwartung, betrachten es als Segen und werden von den Kirchen angetrieben unter allen Umständen auch noch die letzte Stunde des Lebens angeschlossen an zwei Dutzend Schläuche, trachetomiert, intubiert an der ECMO rauszuholen. Hier gehen Kirchen, Pharmaindustrie und Krankenhausbetreiber Hand in Hand – denn Intensivmedizin ist unfassbar teuer.

Da klingeln bei den Multimilliardären wie Bernd Broermann, dem Betreiber der Asklepiosklinken richtig die Kassen. Die 86 Helios-Kliniken, 120 Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und zehn Präventionszentren gehören dem Fresenius-Konzern, der über 36 Milliarden Euro umsetzt.

Die christliche Krankenhausverbände DEKV und kkvd betreiben 550 Krankenhäuser mit 138.000 Betten in Deutschland. Da rollt der Rubel richtig durch die Apparatemedizin. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, daß die Kirchen so vehement Patientenverfügungen, Sterbehilfe und assistierten Suizid bekämpfen.

In dem Wahn immer länger zu leben, gerät die prozentual am meisten zunehmende Bevölkerungsgruppe der über 100-Jährigen immer mehr in den Fokus. Wieso leben einige Menschen so lange? Haben sie bestimmte Gene? Bestimmte Verhaltensweisen? Spezielle Ernährung?

Natürlich kann ein Einfluss der Ernährung festgestellt werden, aber es gibt nicht den einen Altersfaktor wie den französischen Rotwein oder die Meeresfrüchte in Okinawa oder das Olivenöl auf Sardinien. Viele Menschen in diesen speziellen Hotspots mit sehr vielen Hochbetagten passen aber in keine Schablone der Altersforscher.

Der große Irrtum ist es, anzunehmen diese Hochbetagten wären sagenhaft gesund aufgrund einer besonderen Konstitution.     Nein, sie weisen auch alle alterstypischen Erkrankungen auf, sitzen im Rollstuhl, sind blind, haben Schmerzen und fürchterliche persönliche Verluste erlebt.

Das Besondere ist eher, ihre Leidensfähigkeit. Sie können die Krankheiten besser ertragen ohne zu verzweifeln.

Eine Konsequenz der Hightech-Medizin und der ständig steigenden Lebenserwartung, ist die Vervielfachung der Pflegeheime und Demenzeinrichtungen.

So gern Konservative auch auf den Verfall der Familien schimpfen, so klar muss man auch feststellen, daß es Stadien von Demenz gibt, die entweder 24 stündige Überwachung am Tag oder aber freiheitsberaubende Mittel (Gurte, festgebundene Hände, sedierende Medikamente) – also beides Methoden, die man in einem Privathaushalt nicht allein leisten kann.

Ich hatte schon mit vielen solchen Fällen zu tun und sehe nur zwei praktikable Lösungen.   Entweder man bemerkt die Diagnose rechtzeitig und handelt dann so entschlossen wie Gunther Sachs, um die Krankheit gar nicht voll ausbrechen zu lassen.  Oder aber, man ist sehr reich. In dem Fall braucht man keine moldawischen oder ukrainischen Pflegerinnen ausbeuten, sondern kann ein Team von qualifizierten Pflegefachkräften gut bezahlen und in seiner heimischen Villa unterbringen.    Es gibt auch sehr schöne Einrichtungen mit genügend Personal, so daß kein Dementer angebunden werden muss oder in vollen Windeln liegt. Für 10.000 bis 12.000 Euro im Monat bekommt man dort ein Anderthalb-Zimmer Apartment. Für alle weniger Betuchten bleibt nur die Hoffnung rechtzeitig abzureisen.

Trotz meiner Erfahrung mit Dementen, kann ich nicht sagen, wie man sich fühlt, wenn es einen voll erwischt hat.

 Es gibt offensichtlich Unglückliche, es gibt Aggressive und es gibt diejenigen mit ständig wechselnden Stimmungen.

In einer freikirchlichen Einrichtung in Hamburgs Nordwesten erlebte ich einmal einen Herren, der vermutlich Mitte 70 war, sich gern aus seinem Zimmer stahl, wenn er mal musste, sein Geschäft im Fahrstuhl verrichtete und anschließend die verspiegelten Wände mit seinen Exkrementen einrieb.    Abgesehen von dem bedauernswerten Reinigungspersonal, die sich darum kümmern mussten, traf es seine Söhne am härtesten. Es handelte sich um eine Zahnarztdynastie. Ihr Vater hatte die Praxis gegründet und war Zeit seines Lebens ein besonders eleganter Mann, der Nadelstreifenanzüge trug und so viel Würde ausstrahlte. Und nun das! Sie konnten es nicht ertragen ihn so gedemütigt, halbnackt mit seinen Ausscheidungen spielen zu sehen und kamen nur sehr selten zu Besuch.

Ich konnte dem Senior-Dentisten natürlich nicht in den Kopf gucken, aber er wirkte außerordentlich zufrieden, war geradezu begeistert, wenn er wieder einen Fahrstuhl eingerichtet hatte. Er machte einen glücklichen Eindruck hielt sich vielleicht für einen bedeutenden Künstler.   Wer weiß, vielleicht erlebte er die beste Zeit seines Lebens.

Demenz kann auch ein Segen sein – so hört man in Pflegeheimen immer wieder.   Gemeint ist damit, daß Patienten ein plötzliches Gefühl von Unglück, Einsamkeit, Trauer über verstorbene Familienmitglieder im nächsten Moment vergessen haben können und sich wie ein kleines Kind über eine Biene freuen, die am Fenster sitzt.

Wir verstehen die heute Krankheit gut genug, daß wir Demente nicht mehr korrigieren, sondern ihre Welt akzeptieren.   Das macht das Zusammenleben für alle beteiligten leichter.

Ich kann mir gut vorstellen, ebenfalls aggressiv zu werden, wenn mein Umfeld mir ständig erzählt, daß ich gar nicht Napoleon bin, obwohl ich das doch sicher weiß. Es muss doch auch nerven, wenn ich ausgeschimpft werde, weil jemand meine große Vernissage im Louvre nicht schätzt und hartnäckig behauptet, das wäre nur Kacke im Fahrstuhl.

[…..] Es gibt eine Sache, die in der Kommunikation mit Demenz-Erkrankten sehr hilfreich ist: Validation. Das bedeutet, dass man diese Menschen nicht ständig korrigiert und darauf hinweist, dass sie schon wieder etwas verwechseln oder falsch erinnern, sondern dass man einfach mitgeht. Dass man das, was sie eben anbieten, für gültig, valide erklärt. Ich komme aus einer Theaterszene, wo man viel über Improvisation entdeckt hat. Dabei gab es eine Regel: Wenn jemand etwas anbietet, muss man das Angebot annehmen. Also wenn dir jemand ein Aufnahmegerät hinhält und sagt, das ist eine Banane, dann ist das eben eine Banane. Ich akzeptiere, dass das, was du vorgibst, Realität ist. So ähnlich hab ich das mit meiner Mutter empfunden. [….]

(Clemens Schick über seine demente Mutter, 23.04.2021)

Validation ist in der Tat der Schlüssel.   Das ist auch das Prinzip von Demenz-Dörfern, in denen niemand eingesperrt ist, in denen es eine Bushaltestelle (als Attrappe) gibt und einen Laden, in dem man auch mal mit einem Knopf bezahlen kann.  Die irreale geistige Welt, in der Demente leben ist endgültig abgetrennt von der Unsrigen. Man kann sie nicht zurückholen und soll daher auch keinesfalls an ihnen herumzerren. Damit täte man ihnen nur weh und macht sich selbst das Leben schwer.

Anders verhält es sich mit Covidioten und Aluhüten.

Man gerät immer wieder in Versuchungen auch in diesen Fällen um des lieben Friedens willen auf Validation zu setzen, ihnen nicht zu widersprechen.

Es erspart viel Lebensenergie, wenn man sich nicht mit den Spinnern aus der Reichsbürger und Impfgegner- oder Homöopathie-Szene anlegt.

Leider ist das dennoch keine Option, da wir in derselben Welt leben. Anders als Demente entscheiden diese Menschen über unser Leben mit, indem sie wählen, demonstrieren, Leserbriefe schreiben, politische Parteien bilden und die sozialen Medien vergiften.

Hier muss gegengehalten werden. Sie müssen immer wieder mit der Nase auf die Realität gestoßen werden.