Dienstag, 28. September 2021

Flexible Ossis.

In den fünfeinhalb Ost-Bundesländern gibt es eine kurze Tradition der starken Ministerpräsidenten, die als Vaterfiguren riesige Mehrheiten errangen. Die mit der Demokratie fremdelnden Ex-DDRler sehnen sich offenbar nach einer starken Führung, die ihnen die lästige Eigeninitiative abnimmt. Die sie beschützt, die ihnen sagt wo es lang geht.

Das muss nicht so negativ sein, wie es zunächst einmal für westdeutsche Ohren klingt.

Die am 26.11.2001 gestorbene Regine Hildebrandt, wird heute noch verehrt. Voller Bewunderung erinnern sich nicht nur die Brandenburger an ihre SPD-Arbeitsministerin, ihre Mutter Courage, die völlig unprätentiös mindestens 25 Stunden pro Tag als Kümmerin und Kämpferin für die einfachen Menschen unterwegs war.

Bei den Brandenburger Landtagswahlen von 1994 holte SPD-Landesvaterfigur Manfred Stolpe 54,1%.

Bei den Thüringer Landtagswahlen von 1999 holte CDU-Landesvaterfigur Bernhard Vogel nach sieben Jahren im Amt, satte 51%.

Bei den Sächsischen Landtagswahlen von 1990 holte CDU-Landesvaterfigur Biedenkopf 53,8%. Bei den nächsten Landtagswahlen 1994 bekam er sagenhafte 58,1% und auch bei seiner dritten Landtagswahl 1999 holte Biedenkopf mit schwindelerregenden 56,9% erneut problemlos alle 60 Wahlkreise in Sachsen.

Bis auf das vom zentralen Berlin geprägte Brandenburg gelten alle Ost-Bundesländer als sehr konservativ. Es bedarf schon besonderer Konstellationen, wenn mit Reinhard Höppner (†2014) oder Harald Ringstorff (†2020) ein Sozi Regierungschef wird.

Das konservative Übergewicht des Ostens war für die CDU insbesondere deswegen so schön, weil ihr das Mehrheiten im Bundesrat verschaffte. Die bevölkerungsreichen West-Bundesländer sind dort unterrepräsentiert.

Jedes Land hat mindestens drei Stimmen, Länder mit mehr als zwei Millionen Einwohnern haben vier Stimmen, Länder mit mehr als sechs Millionen Einwohnern haben fünf Stimmen, Länder mit mehr als sieben Millionen Einwohnern haben sechs Stimmen.

Es braucht drei Millionen Nordrhein-Westfalen,

2,1 Millionen Bayern,

1,8 Millionen Baden-Württemberger,

1,3 Millionen Niedersachen,

1,2 Millionen Hessen,

eine Million Sachsen,

850.000 Berliner,

830.000 Brandenburger,

600.000 Sachsen-Anhalter,

570.000 Thüringer und

550.000 Meck-Pommer für eine Stimme im Bundesrat.

Mit dem Rheinländer Armin Laschet – westlicher als Aachen geht nicht – fremdeln die Ossis.

Die Bindungskraft der CDU in den Ost-Bundeländern erodierte bei der Bundestagswahl vom 26.09.2021 auf frappierende Weise.

Die Ossis wissen nicht mehr an welche starke Schulter sie sich lehnen sollen. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind es die beliebten SPD-MPs Schwesig und Woidke. Indem man ihre Partei wählt, kann man CDU-Laschet sein Misstrauen aussprechen. In den CDU-Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt, sowieso dem chaotischen Thüringen, in dem es gar keine Regierungskoalition mit Mehrheit gibt, ziehen die Ministerpräsidenten überhaupt nicht

Die CDU-Bundestagswahlergebnisse auf Länderebene sind für das Konrad-Adenauer-Haus sub-erfreulich.

Berlin:

15,9% (-6,8) Platz 3 hinter Grünen (22,4) und SPD (23,5)

Brandenburg:

15,3% (-11,4), Platz 3 hinter AfD (18,1%) und SPD (29,5%)

Meck-Pomm:

17,4% (-15,7), Platz 3 hinter AfD (18,0) und SPD (29,1)

Sachsen:
17,2% (-9,7), Platz 3 hinter SPD (19,3) und AfD (24,6)

Sachsen-Anhalt:

21,0% (-9,3), Platz 2 hinter SPD (25,4)

Thüringen:
16,9% (-11,9), Platz 3 hinter SPD (23,4) und AfD (24,0)

Wie schon bei der Bundestagswahl von 2017 holte sich die CDU in den Bundesländern eine besonders blutige Nase, in denen sie am weitesten rechts stand und am stärksten versuchte, die faschistische AfD zu imitieren. Es gilt immer die Regel, daß die Wähler das Original wählen. Sachsen-CDU und Thüringen-CDU sind aber vollständig erkenntnisresistent. Wieder robbten sie sich an die Braunen heran und nun liegen sie in beiden Bundesländern nur auf Platz drei hinter den Sozis und den triumphierenden Braun-Flüglern.

Von den 51% der CDU bei der Thüringer Landtagswahl 1999, oder den 58,1% der CDU bei der Sächsischen Landtagswahl 1994 ist nicht mehr viel übrig: In beiden Bundesländern um die 17%.

Armin Laschet glaubt aber einen Regierungsauftrag für die CDU erhalten zu haben und erklärt ernsthaft, eine „Zukunftskoalition“ anführen zu wollen.


Das diagnostizieren schon Wessis als „eklatanten Realitätsverlust“ und Fall für den Psychiater.

Man fragt sich was die Ossis davon halten.