Heute also auch der Presseclub. Mit Wolfram Weimar. Hasnain Kazim macht eine Monatelange Fahrradtour durch den wilden Osten, um die AfD-Wähler zu verstehen und berichtet in der SZ von dem Ärger über nicht stattgefundene Abschiebungen.
Am Freitag leider auch Oliver Welke in der Heute-Show. Und gegenwärtig mutmaßlich auch bei Caren Miosga, die wieder einmal den roten Teppich für die verschwörungstheoretische Putinistin Sahra Sarrazin ausbreitet, um ihr 60 Minuten kostenlose Werbung zur besten Sendezeit zu verschaffen. (Aber in dem Fall spekuliere ich wirklich, weil ich mir das nicht anhöre.)
Überall wird das Horror-Junktim ventiliert:
Ja, schon, die AfD-Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen sind niederschmetternd. Man sollte nicht AfD wählen, ABER die Ampel ist ja auch ganz schrecklich. Was sollen die armen Ossis denn sonst tun, um ihren Ärger zu kanalisieren?
Das ist schon deswegen Quatsch, weil die AfD schon bei mehreren Wahlen stärkste Partei in ostdeutschen Bundesländern wurde, als noch die CDU-Kanzlerin Merkel mit ihren Rechtsaußen-Ministern Spahn, Scheuer und Seehofer regierte.
[….] Er sagt: „Ich wähle die AfD nicht, aber mal angenommen, ich wäre ein CDU-Wähler von der konservativen Sorte, und davon gibt es in Deutschland ja doch einige, wen wähle ich dann?“ Als ich erwidere, die Lösung könne doch keine Wahl von Extremisten sein, sagt er, man müsse sich davor hüten zu sagen, „die sind alle Nazis“.
Mein Eindruck nach einigen Hundert Gesprächen während meiner Deutschlandtour ist: Für die meisten ist die AfD unwählbar, aber viele sehen über die Grenzüberschreitungen hinweg oder sind sogar der Auffassung, das seien gar keine. [….] Sehr viele Menschen, vor allem im Osten, beklagen im Gespräch, sie würden sofort als „Nazis“, „Faschisten“ und „Rassisten“ diffamiert, wenn sie eine konservative Meinung verträten wie die, dass man Schwerverbrecher aus Afghanistan wieder dorthin abschieben müsse – was die Bundesregierung nun getan hat. Die meisten Probleme, die mir meine Gesprächspartner schilderten, kann ich nachvollziehen. Ich kann die Wut nachempfinden, wenn sie an Wahlabenden von Politikern im TV hören, sie würden ihre Politik künftig „besser erklären“. [……]
Ich kann es nicht auch mehr hören! Unzufriedenheit mit der Bundesregierung, rechtfertigt es nicht, Nazis in Rekordstärke in die Landesparlamente zu holen.
Die Ampel sitzt auf einem durch 16 Jahre CDU verursachten Rekordproblemstau, den sie insbesondere angesichts eines Krieges in Europa und dem dadurch bedingten Ausfalls des wichtigsten Energieexporteurs Russland, erstaunlich gut managed.
Man kann sich dennoch über die Ampel aufregen. Aber die Regierung ist eben keine homogene Truppe, sondern besteht aus drei Parteien, von denen die eine ein germanophobes Lobby-U-Boot ist, welches mit Maximal-Debilität die Regierungsarbeit sabotiert. Das ist aber eben nicht die Schuld der gesamten Regierung, sondern liegt allein in hepatitisgelber Verantwortung! Um gleich die nächste Schuldfrage zu klären – „wieso sind die FDP-Figuren überhaupt Teil des Kabinetts?“: Weder Olaf Scholz‘ SPD noch Habecks Grünen haben sich das gewünscht. Im Gegenteil, sie verfluchen 24/7 die Zusammenarbeit mit Lindner, Wissing, Buschmann, Stark-Watzinger, Dürr und Kubicki.
Es ist der direkte Wunsch des Urnenpöbels, der sich hier ausdrückt! Dabei konnten die Wähler aus der schwarzgelben Horror-Zeit 2009-2013, als die katastrophalen Entschlüsse gefasst wurden, unter denen wir heute leiden (das AUS für Windkraft, das AUS für Photovoltaik zu Gunsten von Putins Gas), genau wissen, daß man keinesfalls die FDP in die Regierung schicken darf.
2009 nahm Westerwelles Chaotentruppe mit 15% auf der Regierungsbank Platz, versagte dann in jeder Hinsicht so massiv, daß sie 2013 unter der 5%-Hürde blieb.
Die Wähler haben den Schwachsinn zu verantworten, daß es 2021 unmöglich war, ohne FDP zu regieren.
Und offenkundig sind sie 2024 immer noch genauso schwachsinnig, wenn sie nicht erkennen, wer schuld am Desaster in Berlin ist. Sie hätten die FDP längst einnorden können, indem sie bei den 2022er und 2023er Landtagswahlen RotGrün stark und die FDP schwach gemacht hätten, um dem Lindner zu zeigen, was man in der Regierung will und was man nicht will. Es gibt nicht die Ampel, sondern drei ganz unterschiedliche Regierungsparteien, die vom Urnenpöbel gezwungen sind, gemeinsam zu regieren.
Stattdessen setzen sie auf die Nazis und erklären Herrn Kazim angesichts der ultrakonservativen Merz-CDU, diese wäre nicht rechts genug?
Ampel doof = Zwang AfD zu wählen, ist ebenso falsch, wie unterkomplex. Ich will das nicht mehr in Talkshows hören.
Wichtiger wäre es zu benennen, was die Ossis eigentlich wählen, wenn sie bei Höcke ihr Kreuz machen.
[…..] So verteufelt die AfD ihre Mitbewerberinnen um Wählerstimmen als „System-“ oder „Altparteien“ und inszeniert sich gegenüber Erwerbslosen, Arbeitern und Angestellten als „Partei der kleinen Leute“, wie es der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland formulierte. Dabei zeigen ihre dunklen Finanzierungsquellen und zahlungskräftigen Gönner ebenso wie ihre Programmatik, dass sie eine Partei des großen Geldes ist. So will sie nicht etwa die Sanktionen im Bürgergeld, unter denen auch viele Geringverdiener und Geringverdienerinnen leiden, sondern die Vermögen- und die Erbschaftsteuer wie auch den Solidaritätszuschlag abschaffen, was nur sehr Wohlhabenden zugutekäme. Sie hetzt selbst auf parlamentarischem Boden in aggressiver, provokativer und konfrontativer Manier gegen Minderheiten und diffamiert politisch Andersdenkende.
Zwar ist die AfD eine Partei der Privilegierten und betreibt eine Politik gegen Arme. Vielen Menschen aus der Mittelschicht macht sie aber offenbar Hoffnung, nicht ins Bodenlose zu fallen. [….] Anti-AfD-Aktivitäten aus Politik und Wirtschaft nützen der rechtsextremen Partei mehr, als ihr zu schaden, weil sie oft gut gemeint, aber meist schlecht gemacht sind. Scharfmacher der Union, wie ihr Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei und der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, die möglichst alle Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen wollen, gießen mit ihren Stellungnahmen ständig neues Wasser auf die Mühlen der AfD, die am liebsten die ganze Welt zu sicheren Herkunftsländern oder sicheren Drittstaaten erklären lassen würde. Denn sie möchten gegen die letzten Standhaften innerhalb der Regierungsparteien durchsetzen, was Rechtsextremisten und Rassisten seit Jahrzehnten fordern. [….]
(Christoph Butterwegge, 05.09.2024)
Die AfD-Wähler wählen nicht etwa AfD aus berechtigtem Ärger, oder wegen nachvollziehbarer Forderungen, sondern weil sie Vollidioten sind, die Menschenhass frönen und sich durch ihre Wahlentscheidung schwer schaden.
[…..] Die AfD kennt nur ein zentrales Thema: die „illegale Migration“, gern auch „Masseneinwanderung in unsere Sozialsysteme“ genannt. Man müsste also annehmen, dass die AfD dort die größten Erfolge feiert, wo die meisten Zuwanderer leben. Doch ist es genau andersherum. Die AfD ist vor allem in Landkreisen beliebt, wo die Deutschen weitgehend unter sich sind. Die jüngste Wahl in Thüringen ist ein schönes Beispiel: Im „Kyffhäuserkreis I“ kam die AfD auf stolze 46,5 Prozent. Aber Ausländer gibt es dort fast keine – nämlich nur 5,6 Prozent. Ähnlich sieht es im Saale-Orla-Kreis aus, wo die AfD ebenfalls 44,6 und 47,4 Prozent erreichte. Auch dort leben nur 5,6 Prozent Ausländer. Umgekehrt kam die AfD in den Wahlkreisen „Jena I“ und „Jena II“ nur auf 16,4 und 19,3 Prozent – obwohl dort prozentual mehr als doppelt so viele Ausländer wohnen wie im Kyffhäuser oder an der Saale. „Illegale Migration“ scheint ihren Schrecken zu verlieren, sobald man die Einwanderer kennt und erlebt. Die AfD erzeugt und bekämpft ein Phantom, aber das ist kein Trost. Denn diese Entkopplung von der Realität macht die AfD unangreifbar, weil sie Fakten einfach frei erfindet. Auch das war in der Wahlnacht gut zu beobachten – etwa beim Thema Wirtschaft. Die Unternehmen warnen vor der AfD, weil sie Einwanderer als Arbeitskräfte benötigen. Als die ARD danach fragte, behauptete der AfD-Spitzenkandidat in Sachsen, Jörg Urban, wahrheitswidrig, dass die Wirtschaftsverbände „staatlich finanziert“ seien.
Unterton: Da stecken die „Altparteien“ dahinter. Das Grundprinzip ist simpel: Die AfD ist immer Opfer. Wenn die Realität nicht zur eigenen Erzählung passt, dann muss jemand die Wirklichkeit manipuliert haben, um der AfD zu schaden. Das ist paranoid, funktioniert aber bestens bei vielen Wählern. […..] Wie Studien errechnet haben, werden im Jahr 2035 bis zu 250.000 Fachkräfte in Thüringen fehlen, auch weil bis dahin etwa 385.000 ArbeitnehmerInnen in Rente gehen. Zunächst mag es harmlos klingen, dass in zehn Jahren „nur“ 250.000 Fachkräfte fehlen. Doch werden in ganz Thüringen im Jahr 2035 wohl nur noch 1,9 Millionen Menschen leben, von denen dann etwa ein Drittel in Rente ist. Auf dem Arbeitsmarkt wären also etwa 20 Prozent aller Jobs unbesetzt. Das kann gar nicht funktionieren. […..] Es ist offensichtlich: Thüringen muss für jeden Flüchtling dankbar sein. Die AfD macht jedoch eine andere Rechnung auf. Sie suggeriert ihren Wählern, dass es nur deswegen Arbeitslose gäbe, weil ihnen Ausländer die Jobs wegschnappen würden. Das mag logisch klingen, ist aber Unsinn, wie erneut der Kyffhäuser zeigt. Dort liegt die Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich hoch – nämlich bei 8,2 Prozent.
Ausländer gibt es aber dort besonders wenig; wie schon erwähnt sind es nur 5,6 Prozent. Umgekehrt hat Jena einen Ausländeranteil von 12,6 Prozent, verzeichnet aber eine Arbeitslosigkeit von nur 6 Prozent. Erneut ist es genau andersherum, als die AfD behauptet: Wo wenig Jobs zu finden sind, gibt es auch kaum Ausländer. Denn natürlich zieht es die Zuwanderer in Gegenden, wo sie Geld verdienen können. Freiwillig geht niemand in den Kyffhäuser, um dort arbeitslos zu sein. Von diesen Tatsachen lässt sich die AfD aber nicht erschüttern. Sie lebt in einer eigenen, faktenfreien Welt und wird unbeirrt Stimmung gegen Migranten machen. Das Resultat dürfte paradox sein: Nicht nur Einwanderer werden Thüringen meiden oder verlassen – sondern auch die Deutschen. Wenn Unternehmen, aber auch Krankenhäuser kollabieren, weil die Arbeitskräfte fehlen, werden viele Thüringer in Gegenden ziehen, wo die Infrastruktur besser ist. […..]