Mittwoch, 8. August 2012

Wie man sich bettet, so liegt man





Nichts ist gut in Afghanistan!“ - so lautete der Slogan der Populistin Bizarra Käßmann.

Mit solchen Sprüchen macht man sich natürlich beliebt beim Volk - denn wer würde den Militäreinsatz am Hindukusch nicht lieber heute als morgen beenden?

Eine Menge Afghanistan-Experten und Vertreter von Hilfsorganisationen ärgerten sich gar sehr über die Talkshow-affine Ex-Oberbischöfin.
 Was sie denn stattdessen in Afghanistan tun würde, fragte man sie öffentlich.
Wenig überraschenderweise hatte Käßmann darauf aber keine Antwort und gab nur Allgemeinplätzchen ab. 
Sie würde mit den Taliban reden und gemeinsam mit ihnen beten.

Schade eigentlich, daß der damalige Superverteidigungsminister Guttenberg zu beschäftigt damit war für Sat1 mit J.B. Kerner eine Modenschau mit seiner Frau als Mannequin in Afghanistan zu inszenieren.
 Ich hätte es gern gesehen, wenn er Frau Käßmann am Hindukusch entsorgt hätte.
Eine Frau in kurzer Bluse mit der Bibel in der Hand wäre sicher gut angekommen bei den Taliban.

In Wahrheit ist es wohl eher so, daß Käßmann genauso wenig von Afghanistan versteht wie die meisten Politiker.
 Und wer sich intensiver mit den Zuständen rund um Kundus beschäftigt hat, wird nicht den Fehler begehen dem Urnenpöbel reinen Wein einzuschenken. Zu unerfreulich, zu kostspielig und zu deprimierend ist dieser Militäreinsatz.

Merkel möchte beliebt sein, weil das die Voraussetzung dafür ist wiedergewählt zu werden.
Dazu wäre es sicher nicht hilfreich, wenn das Wahlvolk genauer wüßte welcher Wahnsinn am Hindukusch tobt und daß dafür die Kanzlerin verantwortlich ist, die in sieben Jahren auf dem deutschen Chefsessel nicht eine einzige internationale Initiative gestartet hat den Schlamassel zu verbessern.

Wie kläglich die politische Führung im Dunkeln tappt, entlarvt eine aktuelle Studie.

Der Politologe Nils Wörmer von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin entzaubert die vermeintlich kluge Wahl des deutschen Solidarbeitrags im Kampf gegen den Terror jetzt als pure Ahnungslosigkeit. In einer umfangreichen Studie für das renommierte Afghanistan Analyst Network (AAN) hat der frühere Bundeswehrhauptmann das " Kundus-Netzwerk" aufgedeckt, das zwischen 1978 und 2001, also vor dem Afghanistan-Krieg, die Provinz beherrschte.
Die Arbeit ist ein wichtiger Beitrag, um zu verstehen, warum wenige Jahre nach Ankunft der deutschen Soldaten die Situation in einigen Gebieten der Provinz schleichend außer Kontrolle geraten war. Eigentlich sollte das deutsche Wiederaufbaulager (PRT) für Ruhe sorgen. Stattdessen wurde die Bundeswehr fast täglich von den Aufständischen in Kampfeinsätze verstrickt. Wörmer analysiert detailliert, welche verschiedenen politischen Fraktionen und welche Konflikte die Provinz beherrschten, und legt so offen, was später zu der unvorhergesehenen Gewalteskalation führte.
Die zentrale Schlussfolgerung des 48 Seiten starken Forschungspapiers lautet, dass die politischen Entscheidungsträger in Deutschland "weitgehend ahnungslos waren über das hochkomplexe Netz aus Konflikten und Machtstrukturen in der Region", als sie die Gründung des ersten PRT in Kundus beschlossen. "Eine deutsche Erkundungsmission beschrieb die Situation in Kundus als weitgehend ruhig und ziemlich stabil", heißt es. Doch die Kundschafter hätten dabei übersehen, dass Kundus "aufgeladen war mit alten Konflikten".

Interessanterweise hat die Bundesregierung seit dem Tanklaster-Desaster vom September 2009 keinerlei strategische Veränderungen vorgenommen.

Neu ist nur, daß der berüchtigte Oberst Klein, der den Befehl zur Bombardierung des Lasters gab, bei dem 140 Zivilisten starben, inzwischen befördert worden ist!
Deutschlands zweitbeliebtester Politiker, Verteidigungsminister Thomas de Maizière, machte Klein just zum General. 
Der Mann hat sich offenbar verdient gemacht. Noch Fragen?

Angeblich bemühen sich die deutschen Soldaten in Kundus nun darum die Afghanische Armee auszubilden. 
Damit soll dem deutschen Wähler suggeriert werden es könne bald möglich sein abzuziehen und dann die „Macht“ von der Bundeswehr auf die Afghanen übergehen zu lassen.
Was Westerwelle, Niebel und de Maizière dabei nicht erwähnen, ist das enorme Misstrauen zwischen Deutschen und Afghanen, das in zwischen entstanden ist. 
Mittlerweile überlassen die Bundeswehrausbilder ihren angeblichen „Verbündeten“ bei der Grundausbildung zum Polizisten oder Soldaten nur noch Holzgewehre (sic!), weil sie fürchten sie würden auf der Stelle erschossen, wenn sie echte Waffen verschenkten.

Die ökonomischen Rahmenbedingen werden unterdessen immer heikler, weil sich viele Afghanen in den letzten zehn Jahren mehr und mehr darauf verlassen haben von den ausländischen Truppen Jobs zu bekommen. 
Isaf und Bundeswehr kauften Lebensmittel, beschäftigen Handwerker, vergaben Bauaufträge richteten Krankenhäuser sein.
 Es entstand eine fatale Abhängigkeit der afghanischen Wirtschaft von den verhassten ausländischen Truppen.

Auch das ist ein Aspekt, den Käßmann offensichtlich nicht begriffen hatte.

Aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage verschanzen sich die Bundeswehrsoldaten aber immer mehr und vertrauen den Einheimischen nicht. 
Dadurch steigt die Arbeitslosigkeit rapide an. Viele Familien, die wirtschaftlich völlig von den Besatzungstruppen abhängig geworden sind, stehen vor dem Nichts.
 Unter den Bundeswehrsoldaten steigen unterdessen wie bei den amerikanischen Kollegen die Selbstmordzahlen.

Kann es noch schlimmer kommen?

Ja, es kann.

Denn so ineffektiv die deutsche Regierung auch bei all den aufgeschobenen Projekten in Deutschland ist, so begeistert fördert sie den Waffenexport.
Inzwischen  schießen die Taliban daher mit deutschen Waffen auf die Bundeswehr! 
Glückwunsch an die Merkelregierung für diese Spitzenleistung.

Elf Jahre Krieg. Elf Jahre, in denen kaum ein Tag ohne schockierende Meldung vergeht.
Auch am Dienstag wieder: Mindestens 13 Menschen wurden in der Provinz Logar im Osten Afghanistans verletzt, nachdem radikal-islamische Aufständische einen auf einem Lkw versteckten Sprengsatz gezündet hatten.
Der scheinbar aussichtslose Kampf gegen die Taliban – jetzt kommt raus: Die Bundeswehr muss ihn sogar gegen deutsche Waffen führen. Nach unseren Informationen stellt die internationalen Schutztruppe ISAF immer wieder Munition und Waffen aus hiesiger Produktion sicher. Neben Tschechien ist Deutschland das einzige EU-Land, aus dem seit 2009 Waffen in Afghanistan erbeutet wurden.
Obwohl überhaupt erst seit drei Jahren Datenbanken geführt werden, deckt die Liste, die das Verteidigungsministerium auf Anfrage des Bundestagsabgeordneten Jan van Aken herausgegeben hat, fast die gesamte Bandbreite tödlicher Waffen ab: Maschinengewehre, Pistolen und Mörser sind genauso dabei wie Repetierwaffen (vermutlich aus dem 2. Weltkrieg) und G3-Sturmgewehre der Marke Heckler & Koch, die bis 1995 zur Standardwaffe der Bundeswehr zählten.

Die Linksfraktion im Bundestag, die zu dem Thema eine Anfrage an das Verteidigungsministerium gestellt hatte, beklagte mangelnde Kontrolle bei deutschen Waffenexporten. «Es wird deutlich, dass die deutsche Kontrolle nicht funktioniert. Wenn die Waffen einmal exportiert sind, werden sie in alle Kriege dieser Welt weitergereicht - bis dahin, dass heute deutsche Soldaten gegen deutsche Waffen kämpfen müssen», sagte der Linke-Rüstungsexperte und Vize-Parteichef Jan van Aken der Zeitung. «Länder mit vergleichbarer Rüstungsindustrie wie Frankreich und Großbritannien scheinen kein so großes Kontrollproblem zu haben, denn französische oder britische Waffen wurden nicht bei den Taliban gefunden.»

Ich bin bekanntlich kein richtiger Fan der Linkspartei, weil die einfach zu chaotisch und weltfremd agieren. 
Aber in der Bundestagsfraktion haben sie einige wirklich gute Leute. 
Dazu zählt absolut der ehemalige UN-Waffen-Inspekteur Jan von Aken, den ich schon zuvor lobend erwähnte.

 Alle anderen Parteien verschlafen die Angelegenheit.

Seit 2009 haben ISAF-Truppen bei Kämpfen mit den Aufständischen unter anderem Maschinenpistolen, ein Maschinengewehr, ein Sturmgewehr G3 und einen Mörser aus deutscher Produktion erbeutet. Genauere Daten wie z.B. die Seriennummer der Beutewaffen werden systematisch NICHT erfasst, sodass eine Rückverfolgung des Verbreitungsweges nicht mehr möglich ist.

Dies zeigt einmal mehr, dass die deutsche Kontrolle von Waffenexporten überhaupt nicht funktioniert. Wenn die Waffen einmal exportiert sind, wenn Lizenzen zum Nachbau einmal vergeben sind, ist die Verbreitung deutscher Waffentechnologie nicht mehr zu stoppen. Deshalb tauchen deutsche Waffen in nahezu allen Kriegsgebieten der Gegenwart auf: in Somalia, Darfur, Georgien oder in Libyen.

Die Folgen der deutschen Waffenexporte und der de facto nicht vorhandenen Endverbleibskontrolle treffen nun auch die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan. Deutsche Waffenexporte werden für sie zum Bumerang.

Die Antworten der Bundesregierung im Detail:

Eine Liste der sichergestellten deutschen Waffen findet sich in der Antwort auf Frage 6, Angaben zu Munition aus deutscher Produktion bei Frage 20.

Erst seit 2009 werden Datenbanken über erbeutete Waffen geführt, für die Zeit davor gibt es gar keine Angaben. (Frage 18)

Neben deutschen Waffen wurde seit 2009 nur noch der Fund von Waffen aus Russland, China, Iran, USA, Tschechien und Ex-Jugoslawien dokumentiert. (Frage 6). Waffen z.B. aus Frankreich und Großbritannien wurden seit 2009 nicht gefunden.

Wichtige Daten wie Herstellername oder Seriennummer werden nicht systematisch erfasst (so wie z.B. von INTERPOL vorgesehen), sondern lediglich der Waffentyp notiert (Frage 9). Damit ist eine Rückverfolgung des Schmuggelweges nicht mehr möglich. Auch der Erstempfänger dieser Waffen, der offensichtlich die deutschen Waffen illegal weitergeleitet hat, ist nicht mehr ermittelbar.

Die Antworten der Bundesregierung im Einzelnen können Sie hier nachlesen
(Linksfraktion 08.08.2012, Zur Kleinen Anfrage zu Waffenfundenin Afghanistan)

Aken ist ein Guter - es lohnt sich ihm zuzuhören.