Wenn Rassisten durch den Anblick eines Dunkelhäutigen getriggert
werden, spult sich die ganze negative Konnotationskette ihrer Vorurteile ab.
Die Bandbreite ist groß. Da gibt es die verschiedenen Formen
des Ekels, die Schwarze als dreckig oder unhygienisch ansehen. Einiges resultiert
aus Neid und Minderwertigkeitsgefühlen, so daß Rassisten in Schwarzen den Konkurrenten
um Arbeit, sozialen Status oder auch den körperlich Überlegenen fürchten. Daneben
gibt es noch eine sexuelle Variante, die man bei Bernd Höcke, Fürstin Gloria,
Kardinal Meisner oder Trump findet: Sie fabulieren offenbar bevorzugt von der
angeblich enormen Potenz, gewaltigen Genitalien und immerwährender
Zeugungskraft, weil sie ganz offenbar den eigenen sexuellen Fähigkeiten nicht
vertrauen. Schließlich existieren noch unreflektierte Pauschalvorurteile à la
Sarrazin, der Zuwanderern generell einen niedrigeren IQ zubilligt.
Die gesamte Kaskade der negativen Assoziationen ist
selbstverständlich Unsinn und resultiert ausschließlich in dem, der diese
Vorurteile entwickelt und nicht denen, auf die sie sich beziehen.
Es ist so wie beim Antisemitismus, der gerade dort blüht, wo
es gar keine Juden gibt.
Untersuchungen im Deutschland der Nachwendezeit zeigten, daß
die stärksten antisemitischen Tendenzen bei nahezu vollständiger Abwesenheit von
Juden auftraten. Nämlich bei ostdeutschen Schülern.
Keiner hatte je einen Juden gesehen, mit einem gesprochen,
wußte irgendwas über das Judentum – umso mehr gedieh der Hass.
Die schwächsten AfD-Wahlergebnisse, die wenigsten
gruppenbezogenen Hassverbrechen gibt es in den multikulturellsten Gegenden
Deutschlands. In Hamburg St. Georg, Berlin Kreuzberg oder Köln Kalk kennt jeder
Türken und Araber und Schwarze. Daher gibt es kaum noch Berührungsängste, man
schätzt sich, erfreut sich an der gegenseitigen Befruchtung der Kultur.
Pegida, AfD und sonstige Großhetzer gegen Migranten sind
hingegen dort virulent, wo es fast gar keine Ausländer gibt – in der
Sächsischen Schweiz oder Vorpommern-Greifswald, wo weiße Deutsche unter sich
sind und nur deutsch sprechen.
Rassismus ist so gut wie immer mit anderen Formen der
gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) verknüpft.
Fremdenfeindlichkeit
Antisemitismus
Homophobie
Islamophobie
Etabliertenvorrechte
klassischer
Sexismus
Abwertung von
Menschen mit Behinderungen
Abwertung von
Obdachlosen
Abwertung von
Langzeitarbeitslosen
[…..] „Menschenfeindlichkeit zielt nicht auf ein Feindschaftsverhältnis zu
einzelnen Personen, sondern bezieht sich auf Gruppen. Werden Personen aufgrund
ihrer gewählten oder zugewiesenen Gruppenzugehörigkeit als ungleichwertig
markiert und feindseligen Mentalitäten der Abwertung und Ausgrenzung ausgesetzt,
dann sprechen wir von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Hierdurch wird
die Würde der betroffenen Menschen antastbar und kann zerstört werden. Das
besondere Kennzeichen dieses Begriffs ist seine Spannweite. Sie ergibt sich aus
dem Phänomen selbst, denn nicht nur Personen fremder Herkunft sind mit
Feindseligkeiten und Gewalt konfrontiert, wenn sie bestimmten Gruppen
zugeordnet werden, sondern auch Menschen gleicher Herkunft, deren
Verhaltensweisen oder Lebensstile in der Bevölkerung als „abweichend“ von einer
als beruhigend empfundenen Normalität interpretiert werden.“ [….]
(Prof Heitmeyer, Uni Bielefeld: Deutsche Zustände,
Folge 3, Suhrkamp Verlag Frankfurt, 2005, S. 13-34)
Diese Menschenfeindlichkeit weist ein beträchtliches
Trägheitsmoment auf.
GMF praktizierende Menschen nehmen einiges auf sich, um ihre
GMF zu kultivieren. Sie darf nicht erschüttert werden, da aus ihr letztlich das
eigene Selbstbewußtsein erwächst. Es ist offensichtlich; Menschen, die wie
David Berger oder Donald Trump oder Bernd Höcke alle Formen der GMF bespielen,
leiden unter gewaltigen Minderwertigkeitskomplexen, fühlen sich chronisch
unterschätzt.
[…..] Im weitesten Sinne
können menschenfeindliche Mentalitäten
und Handlungsweisen als Ausdruck
einer Suche nach
Anerkennung verstanden werden. Oder
anders: Wo Anerkennung fehlt oder Anerkennungsbilanzen
als negativ wahrgenommen werden, liegt der Versuch nahe, eigene Anerkennung
durch Abwertung anderer zu erhalten. Das ist eine zentrale Annahme der
Desintegrationstheorie nach Heitmeyer und Anhut (vgl. Anhut, 2002). Sie definieren
Anerkennung als Wertschätzung durch andere, die in unterschiedlichen Integrations-
bzw. Desintegrationsbereichen gewonnen werden kann. Drei Bereiche seien dabei
zentral: Die individuell-funktionale Systemintegration ist
definiert durch den
Zugang zu funktionalen Systemen
wie dem Wohnungs- oder Arbeitsmarkt und die individuelle Beurteilung des
Status. Der Status ermöglicht positionale Anerkennung. Der kommunikativ-interaktive Integrationsbereich ist
vor allem durch
(politische) Partizipation im
Prozess der Aushandlung und
Zurechnung von Werten und Normen bestimmt (Gerechtigkeit, Solidarität etc.). Die
Möglichkeit, an
(politischen) Diskursen und
Entscheidungen teilzunehmen und die
Bereitschaft, den
Kommunikationsprozess
aufzunehmen, ermöglichen
moralische Anerkennung. Der so genannte kulturell-expressive Integrationsbereich
ist durch Mitgliedschaft in Gemeinschaften und emotionale Anerkennung bestimmt.
Die Anerkennung in al-len Bereichen ist
durch den objektiven
und subjektiven Zugang, Teilnahmemöglichkeiten und Mitgliedschaft verbunden. Fehlende Anerkennung
bzw. negative Anerkennungsbilanzen eines
Individuums sind in
diesem Sinne Ausdruck
von objektiver oder
empfundener Ungleichwertigkeit. […..]
Werden die Vorurteile gegen den Willen der hassenden Person
ins Wanken gebracht, kann sie sich außerordentlich aggressiv gegen den Verlust
des eigenen Weltbildes wehren.
Donald Trump beispielsweise hasst Schwarze. So wuchs er auf,
so wurde er sozialisiert, so verhielt er sich immer. Zur regelrechten Obsession
wurde sein Rassismus aber erst durch Barack Obama, der als US-Präsident so omnipräsent
wurde, daß Trump ihm medial täglich begegnete.
Obama vereint in seiner Person so ziemlich genau die
Gegenteile dessen, was ein Rassist wie Trump über Schwarze denkt:
Obama sieht gut aus, ist hochintelligent, außerordentlich gebildet,
beliebt, schlank, führt eine mustergültige Ehe, arbeitet fleißig, hat keinerlei
Berührungspunkte mit Kriminalität, ist ein eloquenter Redner.
Er ist also all das was der weiße Trump, der sich und seine
Familie für genetisch weit überlegen hält, eben nicht ist.
Das jeden Tag vor Augen geführt zu bekommen, muss entweder
dazu führen, die eigenen GMF-Einstellungen zu hinterfragen oder aber um sie zu
erhalten, denjenigen, der die GMF erschüttert zu bekämpfen.
Trump entschied sich natürlich für Letzteres und bewarf
Obama fürderhin manisch mit Dreck. Als ultimativer Vorwurf war es aus der
verqueren neurotischen Perspektive eines Menschenhassers wie Trump nur folgerichtig
Obama gleich zum Kenianer abzustempeln, der sich die US-Staatsbürgerschaft
ermogelt hätte. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Vorzeige-Schwarze, Vorzeige-Migranten, Vorzeige-Türken
sollen sich aus Sicht der Xenophoben eben nicht so entwickeln, daß sie
vorgezeigt werden,
Woher sollte ein ungebildeter hässlicher weißer Rassist noch
sein Überlegenheitsgefühl nehmen, wenn allzu deutlich wird, daß all seine auf
Dunkelhäutigen projizierten Vorurteile falsch sind?
CSU-Politiker Şener Şahin ist wie Barack Obama eine
Inkarnation all dessen was Menschen mit GMF nicht ertragen.
Er wollte in seinem Ort Wallerstein als
Bürgermeisterkandidat antreten und schien wie der perfekte Kandidat für die vertaubte
Partei Söders. Er ist ein Kind des Ortes, ein intelligenter Strahlemann, der
sich für Politik interessiert und zudem auch noch erfolgreicher Unternehmer mit
einem florierenden Werkzeug- und Maschinenhandel.
Aber er ist eben auch Muslim. So einer soll nicht strahlen
in der CSU. Die islamophoben Vorurteile wären allesamt in Gefahr.
Der Druck auf ihn wurde schnell so groß, daß er die Kandidatur zurückzog.
Der Druck auf ihn wurde schnell so groß, daß er die Kandidatur zurückzog.
[…..] Als der Parteivorstand mich gefragt hat, ob ich für die CSU kandidiere,
war ich natürlich erstmal stolz. Das ist doch eigentlich etwas Schönes. Ich
habe aber auch gesagt: Redet's mit euren Vorständen und fragt die, was sie dazu
sagen. Ich bin in Deutschland geboren, aufgewachsen, habe meine Ausbildung hier
gemacht, studiert, mein Schwiegervater ist katholisch, ich bin ganz weltoffen -
aber trotzdem: Viele haben allein schon wegen meines Namens ein Problem und
natürlich auch wegen meines Glaubens und meiner Herkunft. Die vom Ortsvorstand
haben gesagt: Das glauben wir nicht. Wir unterstützen dich. Und da habe ich mir
gedacht: Ich mach's. […..] Es gab
noch am gleichen Tag eine Sitzung im Gemeinderat. Da hat die ganze Diskussion
schon angefangen.
[…..] Es ging nie um meine Person,
sondern immer nur um meinen Glauben. Das C in CSU und ich als Moslem, das passe
absolut nicht zusammen, hieß es zum Beispiel. Ich dachte mir: Na gut, es gibt
immer drei, vier Leute, die gegen etwas sind. Aber dann muss das alles einen
unglaublichen Lauf genommen haben. Bis nach Berlin. Ich weiß nicht, wer das
alles war, aber es haben sogar Leute bei unserem Bundestagsabgeordneten
angerufen und sich beschwert. Nach dem Motto: Wie kann man einen Türken als
Bürgermeisterkandidaten aufstellen? Das war für mich ein Schock. […..]
Ein guter Türke? Deutlich sichtbar in der CSU. Das darf nicht
sein in der bayerischen GMF-Welt.
[…..] Şener
Şahin ist der wahr gewordene Traum aller Leitkultur-Prediger. Gäbe es eine
Integrationsbemessungsbehörde, der Bayer aus Wallerstein im Landkreis
Donau-Ries hätte bestimmt einen Ehrenwimpel. In seinem Migranten-Benimmheft
stünde vermutlich sowas wie:
verhaltensunauffällig,
spricht perfekt Deutsch mit
Lokalkolorit,
geht mit seiner evangelischen
Frau und den Kindern an Weihnachten in die Kirche,
verdient ehrliches Geld mit einem
Werkzeugmaschinen-Betrieb,
spielt in der 2. Herrenmannschaft
Fußball im SV Holzkirchen.
Ein waschechter Wallersteiner mit Mikromigrationsgeschichte: geboren im
Nachbarort Nördlingen hat er irgendwann rübergemacht. Da gibt's aber noch
etwas: seine "türkischen Wurzeln". […..]
Was die dogmatischen CSUler offenbar störte: Şahin ist
"Moslem" (so nennt man das auf dem Land offenbar noch) und das
"C" im Parteinamen stehe nun einmal für "christlich". […..]
In Wallerstein […..] haben
manche lieber keinen Kandidaten, als "einen Moslem". […..]
Erstaunlich viele Menschen
müssen offenbar erst noch lernen, dass es nicht okay ist, jemandem ins Gesicht
zu sagen, dass seine Religion stört. Wegen des Grundgesetzes, der Verantwortung
für die deutsche Geschichte und dies das.
[…..] Das
wirft eine längst überfällige Frage auf: Wieso ist das Thema
"Integration" nur für Migranten reserviert? Warum fordern die
Unionsparteien nur Wertekunde für Geflüchtete? Offensichtlich brauchen manchmal
auch weiße Ureinheimische Hilfe, um in Deutschland, im Jahr 2020 anzukommen.
Die Faustregel: je heftiger die pauschalen Urteile über "die
Moslems", desto desintegrierter die Person (gilt natürlich auch für die
Abwertung anderer Gruppen).
[…..] Denn
die gleichen Leute, die Şahin wegen seiner Religion ablehnen, behaupten
wahrscheinlich, die Moslems würden sich besonders schwer tun, sich zu
integrieren. Dass sie sie selbst aktiv daran hindern, fällt ihnen vermutlich
gar nicht auf. Ich nenne es das Desintegrations-Paradox. [……]
Natürlich ist es außerordentlich schäbig wie sich die CSU
verhält. Sie schadet sich selbst.
[…..]Ein Muslim als Bürgermeisterkandidat? Geht gar nicht, sagen Mitglieder
des CSU-Ortsverbands Wallerstein. Sie mussten ihre ablehnende Haltung nicht
einmal offen kundtun, auch hintenrum hatten sie mit Erfolg ihr politisches Gift
ausgestreut: Sener Sahin hat aufgegeben. Das Signal, das die Christsozialen
damit aus der kleinen schwäbischen Gemeinde an Einwanderer und deren Nachkommen
senden, ist so deutlich wie verheerend: Ihr könnt euch im Ort integrieren, ihr
könnt euch ehrenamtlich engagieren, ihr könnt tun, was ihr wollt: Ihr gehört
trotzdem nicht zu uns.
Das ist nicht nur menschlich schäbig, es ist auch eine politische
Dummheit. Denn Einwanderer, das belegen Meinungsumfragen immer wieder, stehen
mehrheitlich nicht etwa den Grünen nahe, wie man es vermuten könnte. Viele von
ihnen sympathisieren mit der CSU und deren konservativen Werten. [….]
Gewinner in dieser Causa ist das enorme Trägheitsmoment der
GMF. Sie darf nun weiterhin in Bayern gedeihen.