Rechte und Rechtsradikale haben es im westlichen Parteienspektrum
grundsätzlich einfacher als Liberale und Linke.
Es ist immer einfacher gegen etwas zu sein, vorhandene
Ressentiments anzustacheln, als konstruktiv für etwas zu werben.
Positive Veränderungen sind immer schwieriger und komplexer
als die bloße Ablehnung und das Schreien nach einfachen Lösungen wie „Ausländer
raus.“
Zudem ist das rechte Publikum einfacher zu erreichen als das
Linke, wie man sehr schön an Donald Trumps Rallys sieht.
Er muss nur die immer gleichen Hass-Parolen grölen – build
the wall, Lock her up, Waffen für alle! – und die Massen johlen vor
Begeisterung.
Linke sind gebildeter und kritischer, sie lassen sich
schlechter mit billigen Parolen und unausgegorenen Forderungen abspeisen.
Daher kommt die Partei „Die Linke“ in Deutschland auch kaum
an die 10%, obwohl sie konsequent „Hartz abschaffen“ skandiert. Aber vielen
Wählern schwant eben doch, daß die Sache wohl komplizierter ist.
Auf der rechten Seite des Spektrums kommt man mit
Inhaltslosigkeit und Appellen an niederste Instinkte viel weiter. Die AfD liegt
in Ostdeutschland ganz vorn, obwohl sie gar kein Programm hat und der
Parteichef auf alle konkreten Fragen mit offener Ahnungslosigkeit reagiert.
Aber er schürt offensiv Hass. Gegen Zuwanderer, gegen Merkel
und gegen frei erfundene Verschwörungen.
Im Zweifelsfall sind die Juden mal wieder Schuld. Kein
rechter Blog, der nicht gegen die Juden George Soros und Annetta Kahane
agitiert.
AfD-Finanzier Baron von Finck, dessen Vater schon glühender
Unterstützer Adolf Hitlers war, schickte seinen Emissär Ernst Knut Stahl, 74, Geschäftsführer der finckschen Vermögensverwaltung
und rechte Hand des ganz rechten Barons, los, um Verleger und Journalisten
für die ultrarechten AfD-Werbezeitungen zu rekrutieren.
[…..] Als die drei Herren Platz genommen
hatten, eröffnete Stahl das Gespräch mit einem Vortrag über die politische
Lage im Land: »Gefahr ist im Verzug«, soll Stahl gesagt haben. »Es gibt da
so einen Straßenzug in New York, da sitzen lauter Investmentbanker,
Rechtsanwälte und so weiter. Zufälligerweise alles Juden, aber das
tut hier nichts zur Sache. Die wollen Deutschland ins Verderben stürzen.
Die steuern alles. Die Merkel und auch Ralf Stegner von der SPD.« [….]
(DER SPIEGEL, 24.11.2018)
Die millionenschwere
publizistische Hilfe für die AfD zahlte sich schnell aus; dank der von ihm
finanzierten Agitation sitzt die AfD nun in allen deutschen Landesparlamenten.
Mit rechter Hetze gewinnt man in Deutschland sehr leicht
politische Aufmerksamkeit – auch wenn die Parolen noch so abstrus und verlogen
sind.
Auf der Welle versuchte in den letzten Jahren auch der Bundesgesundheitsminister
mit zu surfen. Es bot sich quasi an, da seine Parteichefin eins der
Haupt-Hassobjekte der Rechten ist, genau diese ohnehin geförderten xenophoben,
rassistischen und islamophoben Ressentiments zu verwenden, um sich von Merkel abzusetzen und
sich als Gegenpol zu etablieren.
Zeitungen und Talkshows assistierten bereitwillig, indem sie
Flüchtlinge immer wieder zum Megapopanzthema aufbliesen und Jens Spahn
unablässig einluden, ihm einen roten Teppich ausrollten, ihm Sendezeit
darboten.
So wurde der rechte Schwule sehr bekannt und zum
ernsthaften Merkel-Widerpart.
Die Methode rechts zu blinken, funktioniert.
Sie hat aber einen Nachteil: Immer gegen Minderheiten zu
wettern, Öl ins Feuer zu gießen, lockt zwar Wähler und Medien an, aber
sympathisch wird man dadurch nicht. Der soziale Kümmerer-Onkel mag zwar politisch
verlacht werden, aber man mag ihn wenigstens. Die kalten Rechten sind hingegen
allgemein unsympathisch.
Das erlebt auch Alice Weidel, die es zwar blitzartig zur
Oppositionsführerin im Bundestag brachte, die aber niemand als Nachbarin haben
möchte – um mit ihrem Co-Vorsitzenden Gauland zu sprechen.
[….] Die Flucht aus Biel! Arme Frau
Weidel. Sie hat ein wirklich schweres Leben. […] Das private und politische Leben von Weidel zeigt durchaus Züge von
Selbsthass und Selbstzerstörung. (Vielleicht trägt Sie deswegen soviel Hass und
Zerstörungswut in unsere Gesellschaft?). […]
Geld kann jeder einstecken, bei Prügel, Häme und Spott sieht es schon
anders aus. Und da hat Weidel ihr wahre Mikro-Größe gezeigt. Ein armseliger
Jammerauftritt im Bundestag, pointiert kommentiert in einem bereits jetzt
historischen Satz der Ewigen Kanzlerin.
Und dann erst die Freude in Biel, da freut man sich doch gleich mit.
Weidel ergreift die Flucht, auf den Spuren des Spendengeldes, und flieht nach
Berlin. […]
Jens Spahn sitzt in derselben Falle.
Vielen in CDU und rechts davon gefiel es, wie er immer und
immer wieder Merkel piesackte und Stimmung gegen Flüchtlinge machte.
Er wurde von rechten Publizisten hofiert und erfuhr viel
Unterstützung von den klassischen CDU-Gruppierungen wie der MIT.
Die Methode „Ich gegen Merkel“ beeindruckte durch seine
Chuzpe und seine Jugendlichkeit.
Als Merkel tatsächlich ankündigte nach 18 Jahren nicht mehr
für den CDU-Parteivorsitz zu kandidieren, glaubt Spahn sich am Ziel.
Die Partei hatte er schon gedanklich im Sack, wähnte sich in
absehbarer Zeit im Kanzleramt.
Blöd war dann die Kandidatur vom Merz und Kramp-Karrenbauer.
Und dann ist da noch Merz, der ultrakalte Kapitalist und Merkel-Antipode der ersten Stunde.
Fassungslos muss Spahn mitansehen, wie seine treuesten
Förderer in der CDU – Schäuble, Koch – zu Merz überlaufen.
Er kann es nicht fassen, aber nun liegt er abgeschlagen hinter
seinen beiden Mitbewerbern.
Spahn vermochte es nicht politische Unterstützung von
persönlicher Sympathie zu unterscheiden. Er dachte offensichtlich, die
parteiinternen rechten Merkel-Hasser würden ihn mögen und ihn daher schon aus
freundschaftlicher Verbundenheit gegen Merz und AKK in Schutz nehmen.
Aber weit gefehlt. Jens Spahn ist nicht nur allgemein
unbeliebt, sondern auch in der CDU mag man ihn nicht.
[…] Am schlimmsten ist, dass sich seine Unterstützer fast ausnahmslos
von ihm abgewendet haben. Die Jungen, der Wirtschaftsflügel, die Konservativen,
sie alle sind jetzt bei Merz. […] Er tut gar nicht erst so, als liefe alles super.
Statt aufzuholen, musste er weitere Niederlagen einstecken. Die Woche
lief, man kann es nicht anders sagen, beschissen für ihn.
Am Montag war Spahn zusammen mit seinen Konkurrenten im
Bundesvorstand der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT). Spahn sitzt im
Präsidium der MIT, der Vorsitzende Carsten Linnemann ist sein Freund.
Linnemann hatte ihm zugesagt, dass es keine Wahlempfehlung der Mittelstandsvereinigung
geben werde.
Spahn strengte sich an,
er redete die Vorstandsmitglieder mit Vornamen an, er erinnerte
an gemeinsame Veranstaltungen. Am Ende waren von den rund 50 Vorstandsmitgliedern
nach Einschätzung von Teilnehmern etwa 3 für Kramp-Karrenbauer, der Rest
war für Merz.
Eine formale Abstimmung konnte Linnemann noch verhindern,
eine Erklärung nicht. Dort heißt es nun: »Mit großer Mehrheit unterstützt
der MIT-Bundesvorstand Friedrich Merz als neuen Vorsitzenden der CDU
Deutschlands.«
Wie Gary Cooper im Western »12 Uhr mittags« ist Spahn von
Freund zu Freund gelaufen und hat um Unterstützung gebeten. Überall haben
sie ihn abgewiesen. [….]