Samstag, 4. August 2018

Wir Sisiphosse


Manche Trends sind nicht schlecht.
Was ich lange Jahre nur von als sehr verschroben geltenden Sonderlingen kannte, daß sie sich wie David Sedaris privat daran machen Wald und Watt aufzuräumen, wird neuerdings zum echten „Movement“.
Mehrere Jahre später sprang sogar die Hamburger CDU auf den Trend auf und inszenierte sich für ihre hinter dem Mond lebende Anhängerschaft als moderne Großstadtpartei mit Ökogewissen.

[…..] Plogging heißt der Trend aus Schweden, mit dem die CDU den Elbstrand sauberer machen will. [….]

Etwas erbärmlich natürlich, wenn die Mitglieder der Partei, die am hartnäckigsten ökologische Politik in Deutschland behindert in ihrem Habitat, dem teuersten Stadtteil Hamburgs, am Blankeneser Strand, vor der Kamera einer konservativen Zeitung posierend diese offensichtliche Inszenierung abzieht, aber immerhin.

Auch das deutsche Mülltrennen bringt nicht viel, wenn wir weiterhin Europameister im Müllproduzieren sind, aber es ist dennoch wichtig das geschaffene Problembewußtsein der Menschen zu erhalten.

[….] Müll-Meister Deutschland
Wie sind europäischer Spitzenreiter im Kunststoffverbrauch - 213 Kilo Verpackungsmüll pro Jahr. Dabei ist es noch nicht lange her, da haben wir der Welt erklärt, wie Mülltrennung funktioniert. […..]

Daher echauffiere ich mich auch nicht allzu laut darüber, daß die mit Pfand versehenen Plastik-Wasserflaschen, die meine Mitbürger artig in die Supermärkte zurück tragen, sowieso sofort geschreddert und nicht etwas wie Glas-Flaschen wiederverwertet werden.
Ein „ist doch eh alles egal“-Gefühl wäre noch schlimmer.

Die Tropfen auf die heißen Steine sind notwendig als erste Schritte.
Eine winzige Minderheit der Deutschen verhält sich schon sehr umweltbewußt, kauft regional, verzichtet auf Flugreisen und vermeidet konsequent Verpackungsmüll.
Keine Partei, auch nicht die Grünen, wagt es deutlich auf die schlimmsten Klimasünden hinzuweisen – Kinder kriegen und in den Urlaub fliegen – weil die Deutschen viel zu dumm sind, um das als Tatsache hinzunehmen. Sie echauffieren sich und würden so eine Partei nicht wählen.
Noch nicht.
Langfristig wird aber ohnehin kein Weg dran vorbei führen die Überbevölkerung und den Kerosinverbrauch als Megaprobleme zu akzeptieren – oder eben daran zu Grunde zu gehen.

Andere ökologische Verhaltensweisen dringen langsam von einer Speerspitze auf breitere Bevölkerungsspitzen vor.
Es halten sich noch nicht viele Menschen dran, aber immerhin wissen doch schon einige, daß es besser ist, wenn man als Hamburger Äpfel aus der unmittelbaren Umgebung (Altes Land!) als die eingeflogenen Braeburns als Neuseeland kauft. Lieber Spargel aus Brandenburg – und zwar nicht den aus der Folienwirtschaft – als den aus Chile.
Lieber Erdbeeren von regionalen Anbietern, als die aus Südafrika, die pro Schälchen auch noch einen Liter subventioniertes Flugbenzin direkt in die empfindlichsten Schichten der Atmosphäre blasen.
Es gibt Firmen wie Manufactum (gehört inzwischen OTTO) oder Trigema, die Billigprodukte, die man üblicherweise aus Asien in Massen einführt, nachhaltig in Deutschland produzieren.
Fast alle Lebensmittelläden bieten inzwischen Alternativen zu Plastiktüten an.
 Bei REWE und EDEKA kann man inzwischen sein Obst nur noch in Papiertütchen verpacken.
Greenpeace-Energy, die ich aus eigener Erfahrung als besonders service-orientiert empfehlen kann, bietet aus Wind gewonnene Elektrizität an.
Man kann also durchaus seinen Computer und den Kühlschrank ohne Atom- und Kohlstrom betreiben.
Endlich, Jahrzehnte zu spät, aber immerhin, beginnt zB EDEKA auch damit Mehrwegverpackungen an den Frische-Theken auszuprobieren.

[…..] Käse, Wurst und Fleisch werden bei Edeka an der Frischetheke bislang in Papier eingeschlagen und dann in eine Tüte gesteckt. Diesen Verpackungsmüll will die Supermarktkette reduzieren und testet Mehrwegboxen. [….]

In mancherlei Hinsicht sind wir sogar schon recht weit.
So war in meiner Jugend die Dünnsäureverklappung in der Nordsee ein regionales Großthema, das die nächste Generation vielleicht gar nicht mehr kennt. Bei der Farbproduktion fielen gewaltige Mengen mit Titandioxid verunreinigte Schwefelsäure an, die von den Chemiekonzernen einfach in Tankschiffe gefüllt und auf dem Meer abgelassen wurden.
Das geht jetzt nicht mehr – dank der Greenpeace-Kampagne.
Und die Mädels und Jungs im Cuxhavener Havarie-Kommando blicken mit Argusaugen auf Containerschiffe, die es wagen die teure Entsorgung von Restöl und anderen Abfällen im Hafen zu sparen und das einfach in der Nordsee verklappen. Die bekommen sofort Besuch und saftige Strafen.
Es gibt auch keine Ozonschicht-zerstörende Deos und Haarsprays mit FCKW-Treibmitteln mehr.

Andere Umweltsünden beginnen gerade erst in unser Bewußtsein vorzudringen.

Jährlich werden über 100 Milliarden Kleidungsstücke hergestellt.


So billig und unter so ausbeuterischen Bedingungen, daß wir dermaßen viel davon importieren, um sie im großen Maßstab gleich wieder zu vernichten.
Allein Amazon vernichtet jeden Tag Neuwaren im Wert von 23.000,- EURO.
Lagern oder verschenken wäre unwirtschaftlich, also laufen in allen Warenlagern große Schredder.

[…..] Der Onlinehändler Amazon vernichtet offenbar massenhaft Retouren und neuwertige Produkte. Interne Produktlisten, Fotos und Aussagen von Mitarbeitern belegten, dass in großem Umfang Güter aller Art in den deutschen Logistiklagern entsorgt würden, berichten das ZDF-Magazin "Frontal 21" und die "WirtschaftsWoche". Eine Amazon-Mitarbeiterin habe berichtet, dass sie jeden Tag Waren im Wert von mehreren Zehntausend Euro vernichtet habe. Dazu gehörten beispielsweise Kühlschränke, Wasch- und Spülmaschinen, Handys, Tablets, Matratzen und Möbel. [….]

Glücklicherweise boykottiere ich Amazon schon seit vielen Jahren konsequent.
Anderenfalls würde ich jetzt damit beginnen.
Man überstütze bitte eine Unterschriftenkampagne
zum Thema.