Donnerstag, 13. April 2017

Memmen



Borussia Dortmund kenne ich sogar, weil ich gern „Küppersbuschs Woche“ lese, in der es immer dieselbe traditionelle Schlussfrage gibt:
„Und was machen die Borussen?“

Ein bedauerliches Phänomen, daß immer wieder auch sehr kluge und gebildete Leute Fußball mögen, diese grässlich ordinäre Sportart.

Vorgestern nun dieser Bombenanschlag auf den Mannschaftsbus der Dortmunder Ballspieler.
Natürlich gibt es keinerlei Rechtfertigung oder Entschuldigung für so ein Verbrechen.
Beim Terror sind immer Unschuldige die Opfer und obwohl weltweit die weitüberwiegende Zahl der Terroropfer Muslime sind, ist man auch in den christlich geprägten westlichen Ländern lange nicht mehr sicher vor dem Terrorismus.

Im Vergleich zu anderen Attentaten auf Sportler – Olympia 1972, Boston-Marathon 2013 – kamen die Ruhrpott-Fußballer vergleichsweise glimpflich davon. Es gab keine Toten und keine lebensgefährlichen Verletzungen.
Kein Vergleich zu den auf unfassbar grausame Weise getöteten Israelis in München.
Mindestens ein Opfer wurde kastriert, vergewaltigt und verblutete dann über mehrere Stunden extrem qualvoll unter den Augen seiner Freunde.

[….] Among the most jarring details are these: The Israeli Olympic team members were beaten and, in at least one case, castrated.
 “What they did is that they cut off his genitals through his underwear and abused him,” Ms. Romano said of her husband, Yossef. Her voice rose.
 “Can you imagine the nine others sitting around tied up?” she continued, speaking in Hebrew through a translator. “They watched this.” […..]

Auch die anderen Opfer wurden vor ihrem Tod extrem misshandelt, ihre Leichen wiesen Dutzende Knochenbrüche und alle erdenklichen und nicht erdenklichen Gewalteinwirkungen auf.

Die weitüberwiegende Zahl der Terroropfer bleibt für immer anonym.

Heute wurden mal eben so aus Versehen 18 Verbündete der kurdischen Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) im Kampf gegen den IS von der US-Armee getötet.
Kollateralschaden. Ihre Namen werden gar nicht erst genannt.

Die Angehörigen der zehn Menschen, die von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zwischen 1999 und 2007 grausam ermordet wurden, erlitten mehrfaches Leid, weil die deutschen Behörden eine volle Dekade im Dunklen tappten und daher den Opfern die Schuld in die Schuhe schoben. Ermordete Türken? Die werden schon irgendwie selbst Schuld haben; sicher nur ein Streit unter ihresgleichen.

In Deutschland gehen nach wie vor die meisten Terroropfer auf das Konto von Rechtsextremen.
Auf viel Hilfe und Mitleid können sie nicht zählen.
Schon lange läßt sich kein deutsches Regierungsmitglied mehr dazu herab die Orte der Katastrophen zu besuchen, den Opfern ihr Mitgefühl auszusprechen.
Es sind eben viel zu viele. Und es sind Arme. Blond und blauäugig auch nicht – also sei’s drum.

[…..] Im vergangenen Jahr hat es in Deutschland mehr als 3500 Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte gegeben. Dabei wurden 560 Menschen verletzt, unter ihnen 43 Kinder. Das berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe und berufen sich auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Parlamentsanfrage.
Demnach gab es 2545 Angriffe auf Flüchtlinge außerhalb ihrer Unterkünfte. Hinzu kamen 988 Angriffe auf Flüchtlingsheime - das waren geringfügig weniger als im Vorjahr (1031 Angriffe). Zudem wurden 217 Mal Hilfsorganisationen oder freiwillige Asyl-Helfer attackiert. […..]

Menschen, die dunkelhäutig sind, als Juden erkennbar scheinen oder womöglich schwul wirken, werden nicht effektiv vom deutschen Staat beschützt. Sie sind nicht nur Opfer, sondern auch noch irrelevante Opfer, für die sich Angela Merkel nicht extra vor ein Mikrophon begibt.

Ich erinnere mich an eine Talkshow vor rund 20 Jahren, es ging um die zentrale Gedenkstätte für die ermordeten Juden in Europa, in der kurz zur Sprache kam wie extrem die Protagonisten, die sich für das Denkmal einsetzten bedroht und angefeindet wurden.
Diskutanten waren unter anderem Lea Rosh und Ignatz Bubis, die beide bestätigten nur noch unter strengem Polizeischutz das Haus verlassen zu können.
Beide verwahrten sich aber dagegen deswegen bemitleidet zu werden, denn sie würden schließlich selbst die Öffentlichkeit suchen und hätten rund um die Uhr speziell geschulte Personenschützer der Polizei um sich.
Es wäre viel angebrachter die potentiellen Opfer rechtsextremer Gewalt zu bedauern, die nicht den Luxus einer 24h-Bewachung zu haben.

Sind Opfer also nicht gleich Opfer?

Tatsächlich sind die Dortmunder vorgestern bei Weitem nicht so verletzt und gequält worden, wie andere Opfer in Deutschland.
Tatsächlich sind die Dortmunder vorgestern keine armen Menschen, die in ihrer Not allein gelassen werden. Sie sind allesamt Multimillionäre und sonnen sich in einer bundesweiten Mitleids- und Solidaritätswelle.

Ja, sie sind auch zu bedauern, aber der Grad der Aufmerksamkeit steht im keinen Verhältnis zu den alltäglichen Terroropfern, die viel Schlimmeres erleiden.

Es reicht jetzt mal langsam mit dem Dortmund-Geplärre.

Die fitten, durchtrainierten, gesunden, jungen und hochprivilegierten Multimillionäre aber beklagen sich nun, daß sie schon wieder Fußball spielen mußten – als sei das nicht ihr Job.

[…..] Sokratis, der beinharte Verteidiger, der sich nach dem Spiel mit Tränen in den Augen bei den Fans für die Unterstützung bedankte, sagte: "Wir wurden wie Tiere behandelt und nicht wie Menschen." […..]
Der Ärger in der Mannschaft über den angeblich alternativlosen Nachholtermin war groß, Trainer Thomas Tuchel schlug in dieselbe Kerbe. Per SMS sei er über die Ansetzung informiert worden. Niemand habe ihn oder einen Spieler gefragt: "Wir hatten das Gefühl, behandelt zu werden, als wäre eine Bierdose an unseren Bus geflogen." Es war allerdings ein Anschlag auf das Leben von Menschen, die dann schon am nächsten Tag wieder zu spüren bekamen: "Wir haben zu funktionieren." […..]

Ich will den Ballakrobaten selbst gar keinen Vorwurf machen. Sie sind es gewöhnt ausschließlich bejubelt und bewundert zu werden, in Traumvillen zu wohnen, Porsche zu fahren, die schönsten Models als Freundinnen zu haben.
Natürlich schockiert es sie mit einer anderen Realität konfrontiert zu werden.

Aber könnte der Rest der Welt, könnten insbesondere die Medien das Thema jetzt endlich mal tiefer hängen?

Die Spieler wurden einfach vergessen
[….]  Sie waren schockiert, sie weinten, sie haderten - und mussten trotzdem spielen. Was der Fußball mit der Mannschaft von Borussia Dortmund anstellte, ist beschämend.
[….] Was der Fußball mit der Mannschaft von Borussia Dortmund anstellte, war schlichtweg eine Sauerei. Nachdem sich die Spieler nach der Pause tatsächlich aufgemacht hatten, ein tolles Fußballspiel abzuliefern und die 2:3-Niederlage sehr unverdient war, brach es nach dem Schlusspfiff aus vielen heraus.  Einige weinten, andere berichteten von furchterregenden Erlebnissen im Bus während des Anschlags. [….]

Es gibt so viele andere Terroropfer, die es mehr verdient hätten Aufmerksamkeit zu bekommen.