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Freitag, 13. September 2024

Unverantwortliche Medien

Trumps bösartige Hassattacken auf Schwarze, führen nicht nur zur Gewalt gegen die von ihm verunglimpften Migranten, sondern zeigen auch ein ganz großes ethisches  Versagen der US-Presse. Trump ist ein gefährlicher Verbrecher, der lügt, wenn er den Mund aufmacht und zudem kaum einen Satz ohne vulgäre Tiefschläge formulieren kann.

Es ist absurd; ausgerechnet in den offiziell so prüden USA, in der LIVE-TV nur mit zwei Minuten Verzögerung ausgestrahlt werden kann, weil die Zensurbehörde Federal Communications Commission (FCC) empfindliche Strafen verhängt, falls das „F-word“ oder „S-word“ ausgesprochen wird, oder gar ein unverhüllter Frauen-Nippel zu sehen sein sollte, genießt die verbale Drecksschleuder Trump Narrenfreiheit, weil er nun einmal Trump ist.

Kaitlin Collins interviewte ihn für CNN genauso, wie sie nach der „debate night“ am 10.09.2024 ausführlich seinen Running Mate Vance zu Wort kommen ließ, obwohl auch er natürlich log, daß sich die Balken biegen.

Wenn Trump („grab’em by the pussy!“) und Vance schon im TV auftauchen, müssten sie nach den US-Regeln eigentlich von einem konstanten Beep-Laut übertönt werden. Im „Land Of The Free“ sind Worte nämlich absolut nicht free.

[….] War es nun Janet Jacksons berühmt-berüchtigte wardrobe malfunction? Die, wie sie es ausdrückte, "Fehlfunktion ihrer Garderobe", als bei ihrem Auftritt während des Superbowl 2004 für Sekunden ihre nackte rechte Brust live im US-Fernsehen zu sehen war. Oder war es Bono, der Sänger von U2, der den Golden Globe, den er 2003 zur besten Sendezeit überreicht bekam, spontan als "fucking brilliant" bezeichnete? (Wobei man wissen muss, dass in Amerika das vulgäre Wort zur Bezeichnung des Geschlechtsakts ungefähr so häufig gebraucht wird wie im Deutschen die landläufige umgangssprachliche Vokabel für Exkremente.)

In jedem Fall hatte die FCC, Amerikas Aufsichtsbehörde für Rundfunk und Fernsehen, 2004 genug. Die Beschwerden über Obszönität in Wort und Bild im Fernsehen hatten sich gehäuft. Die FCC verschärfte kurzerhand die TV-Richtlinien.

Selbst, wie es nun hieß, "flüchtig" gebrauchte F-Wörter oder für einen Wimpernschlag entblößte weibliche sekundäre Geschlechtsmerkmale waren strikt tabu. Der von den Republikanern beherrschte Kongress erhöhte die Geldstrafen auf bis zu 325.000 Dollar pro Verstoß. Seither sind der Ausdruck "bleep", der übergeblendet wird, wenn irgendjemand doch das F-Wort in den Mund nimmt, genauso allgegenwärtig im US-Fernsehen wie schwarze Balken, sobald auch nur der Umriss einer Brust zu erahnen wäre.   [….]

(Reymer Klüver, 15.07.2010)

Aber für Trump gelten nicht nur keine Regeln, sondern viele Medien enablen ihn, machen sich zu willigen Komplizen, indem sie ihn wie einen normalen Präsidentschaftskandidaten behandeln. Er wird den Zuschauern, als eine von zwei Wahlalternativen präsentiert, statt ihn als hochkriminellen Verfassungsfeind zu verdammen, den man nicht in Bild oder Ton mit Sendezeit belohnt.

Es gibt keine zwei irgendwie vergleichbaren Wahlmöglichkeiten, sondern jeder Nicht-Kriminelle, der auch nur halbwegs bei Verstand ist, kann nur Kamala Harris wählen. Leider false-balancen CNN & Co ihn nicht nur zur wählbaren Alternative, sondern die SANEWASHEN ihn auch noch.

[….] Selbstvorwürfe plagen die US-Journalisten. Haben sie – schon wieder – unfreiwillig dazu beigetragen, dass Donald Trump die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner erhielt? Ein Mann, der allen Ernstes vor mehr als 60 Millionen TV-Zuschauern behauptete, Migranten würden Hunde und Katzen essen?

Der Begriff der Stunde dazu lautet „sanewashing“: Zurechnungsfähig gewaschen hätten die Journalisten den Wüterich aus Florida. Sie gäben nicht seine vollständigen Reden wieder, sondern nur ein paar wenige Schnipsel, von denen der ganze Irrsinn weggewaschen ist. So wirke der 78-Jährige zurechnungsfähiger, als er es in Wahrheit sei, hielt The New Republic fest.

Die Kritik griff schnell um sich, allerdings nicht ganz so rasant wie die Gerüchte, die Trump in die Welt hinausposaunt. Bei der Präsidentschaftsdebatte antwortete er nicht auf eine Frage nach der Einwanderungsreform, sondern erzählte eine Mär, die sein Vizepräsidentschaftskandidat J. D. Vance verbreitet hatte.

„In Springfield essen sie Hunde. Die Leute, die hereingekommen sind“, sagte Trump. „Sie essen die Katzen. Sie essen – sie essen die Haustiere der Menschen, die dort leben.“ […..]

(Fabian Fellmann, 13.09.2024)

Das Antonym zu „sanewashing“, gewissermaßen „insanewashing“, erleben wir in Deutschland in Bezug auf die Ampel. Man nennt es „Generalverschiss.“

Jede noch so unwichtige Meinungsäußerung eines gelben oder grünen Hinterbänklers wird zu seinem „die streiten nur!“ groß aufgeblasen. Das Wahlvolk ist so negativ konditioniert, daß es bei der bloßen Erwähnung der Namen Lang oder Habeck sofort pawlowsch mit Magenschmerzen reagiert.

Die Begriffe Klima, Greta, FFF, Heizungsgesetz, Wärmepumpe, Grüne, Klimakleber, Ampel, Koalitionsausschuss taugen allesamt nur noch als Trigger, um gegen die eigene Regierung zu polemisieren. Das viele Richtige und Vernünftige, das Scholzens Minister trotz der eitergelben Springteufel täglich auf den Weg bringen, kommt in der medialen Berichterstattung gar nicht mehr vor.

Es ist, als habe eine unsichtbare Macht den Schalter auf „Ampel-Generalverschiss“ umgestellt und nun ein allgemeines Wettrennen um den drastischsten Verriss angebrochen wäre. Welche Parteien stellten noch mal 16 Jahre lang, vor Faeser und Pistorius, die Innen- und Verteidigungsminister? Welche Parteien haben in der katastrophalen Merkel-Westerwelle-Regierung, 2009-2013 den weit fortgeschrittenen Ausbau der erneuerbaren Energien einstürzen lassen und ganz auf Diktator Putins Gas gesetzt?

[….]  in der Presse sieht es oft so aus, als würden SPD, FDP und Grüne in Bundesregierung und Bundestag nur streiten und nichts hinbekommen. Was faktische Fortschritte in der Umweltpolitik betrifft, ist das Gegenteil der Fall. Als wir vor knapp drei Jahren in die Regierung kamen, fanden wir in vielen Bereichen desaströse Ausgangsbedingungen vor.

Die alte Bundesregierung hatte sich damit abgefunden und 15 Jahre nichts dagegen unternommen, dass die Klimakrise unser Leben und unseren Wohlstand bedroht, dass der Verfall der Infrastruktur – besonders augenfällig bei der Deutschen Bahn – voranschreitet und dass im Zuge der Biodiversitätskrise immer mehr Arten aussterben.

Wir haben mit zahlreichen entschlossenen Maßnahmen innerhalb kürzester Zeit eine Trendwende geschafft: Die erneuerbaren Energien boomen, die Klimaziele sind wieder in Reichweite, in den Naturschutz investieren wir so viel wie nie zuvor und es wird endlich in den Erhalt von Brücken, Straßen und Schienen finanziert, die Schiene erhält mehr Geld als die Straße….[….]

Grün wirkt: große Fortschritte beim Klimaschutz

Die erneuerbaren Energien versorgen uns mit sicherem Strom, davon profitieren alle. Und wir kommen beim Klimaschutz wieder auf den 1,5-Grad-Pfad, der die ärgsten Folgen der Klimakrise für uns und unsere Kinder eindämmen und uns vor noch mehr Flut- und Dürrekatastrophen schützen soll.

·            Grüne Klimaschutzerfolge

·        Kommunen profitieren finanziell von Wind und Solar

Fast 400.000 Menschen in unserem Land sind von Hochwasser bedroht. Das zeigt eine Studie des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen auf. Zugleich sind viele Regionen Deutschlands von Dürren bedroht. Diese Herausforderungen nehmen wir an. Das Klimaanpassungsgesetz ist am 1. Juli in Kraft getreten. Außerdem erarbeiten wir gerade ein Konzept für eine schlüssige Wasserpolitik, mehr dazu nächste Woche auf unserer Themenseite Umwelt.

·        Gutachten zu Krisengewässern

·        Klimaanpassung gegen Auswirkungen der Klimakrise [……]

(Fachbereich 2, Grüne Bundestagsfraktion, September 2024)

Montag, 22. Januar 2024

Blamables aus Bayern – Teil II

Wie schafft man es, die Nazis davon abzuhalten, nach 91 Jahren erneut die Demokratie niederzuringen, um ein totalitäres Regime zu errichten und Deutschland zu ruinieren?

Unklar. Aber wir wissen immerhin, was nicht nur nicht funktioniert, sondern ganz im Gegenteil, die Nazis immer stärker macht: Die Anbiederung und Umarmung durch Friedrich Merz.

Es ist nach einer Dekade AfD nicht mehr lustig, wenn Lindner und die C-Politiker eifrig die braunen Wähler in Schutz nehmen und darauf pochen, die Nazis „inhaltlich zu stellen“. Wenn das auch nur ansatzweise möglich wäre, fragt man sich, wieso die entsprechenden Parteien, dieses tolle Rezept noch nie verwendet haben und lieber tumb zusehen, wie die Weidelianer immer mehr zulegen.

Natürlich kann und muss man in Politmagazinen, seriösen Zeitungen, Talks die AfD-Lügen sezieren; ihre Heuchelei und Menschenfeindlichkeit entlarven, nachweisen wie dreist sie bei der NSDAP klauen.  Aber zu glauben, im Lichte dieser Erkenntnis, würde der gemeine HAUT-AB-Brüll-Sachse denken „Oh Schreck, die sind rechtsextrem? Also dann wähle ich nicht mehr AfD, sondern schwenke zur CDU um“, war schon zur Bundestagswahl 2017 sträflich naiv. Heute wissen wir sicher, daß so ein Einsichts-Prozess nicht existiert. Indem die AfD-Themen hysterisch von allen anderen Parteien hyperventiliert werden und die C-Chefs dem braunen Urnenpöbel bestätigen, berechtigte Anliegen zu haben, verfestigt sich das faschistoide Wählerpotential.

[….] Die AfD hat die simulierte Zweiteilung der politischen Landschaft schon sehr früh mit zwei Begriffen markiert: »Altparteien« und »linksgrün«. Das heißt: wir gegen die. Daran, dass die Phrase »linksgrün« längst auch aus FDP und CDU/CSU gelegentlich zu hören ist, kann man den Erfolg dieser populistischen Vereinfachung ablesen. Teile von Union und FDP glauben nach wie vor an die Existenz eines »bürgerlichen Lagers«, zu dem sie selbst sich zählen.

Doch wer soll diesem »bürgerlichen Lager« gegenüberstehen? Die Arbeiterklasse? Und zu welchem Lager gehören die Wählerinnen und Wähler der AfD? Auch die tatsächliche Zusammensetzung der Wählerschaft von Grünen, SPD und Linken führt diese Zweiteilung ad absurdum: All diese Parteien haben selbstverständlich viele »bürgerliche« Wählerinnen und Wähler. Einfache Dichotomien sind in einer komplexen Welt immer falsch.

Maßnahme eins zur Verkleinerung der AfD lautet daher: Alle demokratischen Parteien müssen sich irreführenden Vereinfachungen und Zweiteilungen konsequent widersetzen. […..] Setzten sich die Rechtsextremen mit ihren rassistischen und völkischen Ideen durch, bräche dieses Land zusammen. Rassismus ist keine begründbare Position, er ist emotional und irrational. Ein »arisches« Deutschland gab es nie, kann und wird es nie geben.

Maßnahme zwei lautet daher: Alle demokratischen Parteien müssen rassistische, also irrationale Positionen und Argumente stets als solche brandmarken und sie selbst meiden.

Es gibt in der Union in dieser Hinsicht eine düstere Tradition (»Kinder statt Inder«, Roland Kochs Kampagnen gegen Jugendliche mit Migrationshintergrund). Und heute? Man denke an Friedrich Merz’ Gerede von den »kleinen Paschas«; von Flüchtlingen, die Deutschen angeblich die Zahnarzttermine wegnehmen; an Markus Söders Gerede vom »Asyltourismus«. Es war in dieser Kolumne schon mehrere Male zu lesen, aber es ist zu wichtig, um es hier wegzulassen: Es ist empirisch vielfach nachgewiesen , dass die Übernahme populistischer Positionen nur den Populisten nützt: Anpassungsstrategien verringern die Unterstützung für Rechtsradikale nicht .

Was dagegen hilft, ist ein »cordon sanitaire« , wie das in der Fachliteratur öfter zu lesen ist, was in etwa dem deutschen Begriff der »Brandmauer« entspricht. Friedrich Merz, Markus Söder und andere, die in der Union (und Teilen der FDP) im Moment das Wort führen, wollen das augenscheinlich nicht wahrhaben. Merz behauptete diese Woche, die Ampelkoalition führe eine »Kampagne« gegen Bauern, Rechtsradikale hätten an den Traktorprotesten gar nicht teilgenommen. Das ist nachweislich  falsch, und das muss Merz auch klar sein. Das ist der Sound und der Stil der AfD. […..]

(Prof Christian Stöcker, 21.01.2024)

Es ist zum Verzweifeln, wenn man die stoische Erkenntnis-Unfähigkeit der Söderisten und Merzianer mitansieht. Mit geradezu Trumpscher Borniertheit, trommeln sie eifrig weiter für das Falsche, setzen ihre ganze Energie dafür ein, die Demokraten zu schwächen und die Faschisten zu stärken.



Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob Merz bewußt die AfD stärkt, weil er genauso rechtsradikal denkt, oder ob er einfach zu dumm ist, zu begreifen, wie er fortwährend die Nazis bewirbt. Beides sind keine schönen Szenarien.

Einige unverbesserliche Optimisten des linksliberalen Lagers, schöpfen aus den weit über einer Million Demonstranten gegen Rechts in den letzten Tagen, die Hoffnung auf eine Umkehr bei den AfDophilen C-Parteien.

Heute scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. Söder und sein antisemitischer Vize-MP, präsentieren soeben den Plan, rassistische AfD-Mitglieder zu bayerischen Verfassungsrichtern zu machen. So agiert die bayerische Staatsregierung kaum 24 Stunden nachdem 350.000 Münchner gegen Rechts aufstanden.

Antisemit Aiwanger mag die Demokraten ohnehin nicht.

[….] Während sich Söder klar gegen die AfD-Politik positioniert, lässt es Aiwanger an einem solchen Bekenntnis fehlen. [….] Wegen seiner Haltung zu den deutschlandweiten Demonstrationen gegen die AfD muss Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) teils heftige Kritik einstecken. "Ich halte das für unmöglich, wie er sich positioniert", sagte der frühere CSU-Parteichef Theo Waigel am Montag der Süddeutschen Zeitung. Der Hintergrund: Aiwanger hatte sich wiederholt vom breiten gesellschaftlichen Protest distanziert - und gesagt, dass dieser "vielfach von Linksextremisten unterwandert" sei. Für Waigel ist das "ziemlich übel". Er ist der Meinung, dass Aiwanger "den dunklen Kräften geradezu Auftrieb gibt, indem er die Wirklichkeit leugnet und zu den Dingen, die im Moment in der AfD stattfinden, keine klaren Worte bezieht".[….] [….] Neben Söder gibt es aber weitere hochrangige CSU-Mitglieder, die allzu konkrete Äußerungen über Aiwanger scheuen. Erst kürzlich hatte ein Kabinettsmitglied zahlreiche Aussagen - und mehrere Fragen - zu Aiwanger nachträglich aus einem Interview mit der SZ gestrichen. [….]

(Andreas Glas, 22.01.2024)

Die moralische Fehlprägung Söders, der wieder einmal nicht die Kraft, oder den Willen findet, dem rechtsradikalen Antisemiten an seinem Kabinettstisch Einhalt zu gebieten, wirkt nach dem enormen Statement seiner Bevölkerung gegen den Faschismus noch erbärmlicher.

[….]  Die Demos am Wochenende boten ein beeindruckendes Bild, Vertreter aller demokratischen Parteien lobten das Engagement. Nur FW-Chef Aiwanger spottet und vermeidet eine Abgrenzung nach rechts außen. Wer ihn gewähren lässt, gefährdet seine eigene Glaubwürdigkeit. [….]

(Katja Auer, 22.01.2024)

Der bayerische Ministerpräsident schweigt zu Hubsis rechtem Raunen. Es passt schließlich so gut zu den CSUlern, die pawlowsch gegen das Volk pöbeln, wenn es liberale Tendenzen zeigt. Söders CSU-Justizminister Eisenreich kann angesichts der Bilder von den Großdemonstrationen in Bayerns Städten nicht an sich halten und muss gleich den Faschisten zu Hilfe eilen.

[….] Zugleich kritisierte Münchens CSU-Chef, der bayerische Justizminister Georg Eisenreich, die Organisatoren - vor allem die Klimabewegung Fridays for Future. Mehr als 200 Organisationen und Gruppen hatten zu der Demonstration gegen die AfD am Sonntag aufgerufen. [….] Zugleich kritisiert Eisenreich das Motto der Demonstration: "Gemeinsam gegen Rechts". Dieses halte er "in seiner kalkulierten Unbestimmtheit für falsch". [….] Während er, so Eisenreich, beim Kampf gegen Demokratiefeinde einen "Konsens der Demokraten" erkenne, gebe es diesen nicht in der Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik. Er hoffe, dass die Rednerinnen und Redner auf der Demo "der Versuchung widerstehen, den Konsens beim Kampf gegen Rechtsextremismus für die Forderung nach einer linken Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik zu nutzen".

Explizit kritisierte Eisenreich die Klimabewegung Fridays für Future. Er frage sich, ob diese "ein legitimer Organisator einer solchen Demonstration gegen Extremismus" sei. Seine Haltung begründet der Münchner CSU-Chef damit, dass sich der deutsche Zweig der Bewegung nur "halbherzig" von "unsäglichen Äußerungen" Greta Thunbergs zu Israel distanziert habe. [….] (SZ, 22.01.2024)

So bekommen wir die AfD selbstverständlich nicht geschrumpft, wenn sich ihre christdemokratisch/sozialen Freunde im Zweifelsfall immer auf die Seite der Faschisten und gegen die Demokratie stellen.

 [….] Äußerungen von Georg Eisenreich zur Demo [sind] irritierend und unklug. Die AfD dürfte sich freuen, dass Eisenreich jene zu spalten versucht, die sich gegen die Rechtsaußenpartei engagieren.

Wo all die Gruppen und Vereine zuletzt waren, fragt Eisenreich, als es darum ging, Solidarität mit Israel auszudrücken. Dass vergleichsweise wenige Menschen in München für Jüdinnen und Juden auf die Straße gehen, ist traurig. Dies aber just den Gruppen zum Vorwurf zu machen, die jetzt gegen die Menschenfeindlichkeit der AfD mobilisieren, ist befremdlich. Wo waren und sind denn all die der CSU nahestehenden Menschen beim Protest gegen Antisemitismus? Ginge nur ein kleiner Teil von ihnen auf die Straße, es wäre ein leuchtendes Zeichen.

Ebenso fragwürdig ist Eisenreichs Verbalattacke auf Fridays for Future. Er spricht der Münchner Gruppe der Klimabewegung die Legitimation ab, die Demo gegen die AfD zu organisieren. Ja, Greta Thunbergs Äußerungen zum Nahost-Konflikt sind zu kritisieren, und ja, man darf aufgrund der deutschen Geschichte vom hiesigen Fridays-for-Future-Zweig Distanzierung verlangen. Allein, genau das ist geschehen.

Wenn Eisenreich bei den Klimaaktivisten eine angeblich "halbherzige" Distanzierung von Antisemitismus problematisiert, muss man unweigerlich an Hubert Aiwanger denken. Wie war das mit dessen verharmlosendem Umgang mit dem in seiner Schultasche gefundenen menschenverachtenden Flugblatt? Die CSU hat sich davon abgegrenzt. Ist diese Distanzierung in Eisenreichs Logik auch "halbherzig"? Seine Partei koaliert weiter mit den Freien Wählern, deren Chef Aiwanger ist weiter Minister.

Der Justizminister und Münchner CSU-Chef sollte nicht mit zweierlei Maß messen. Und er sollte nicht eine maßgebliche Gruppe der demokratisch engagierten Münchner Jugend in die Nähe von Antisemitismus schieben.

 […]

(Bernd Kastner, 22.01.2024)

Freitag, 18. November 2022

Wie hältst Du es mit Katar?

Civey fragt mich andauernd, ob ich jetzt noch Fußball gucken mag. Ob Bundesminister zur WM reisen sollten und ob ich 2022 weniger Freude, als bei der letzten Fußball-WM empfinde.

Nein natürlich nicht. Diese WM ignoriere ich genauso wie alle vorherigen Fußball-Turniere, weil Fußball einer primitiver Proletensport ist, der mich nicht die Bohne interessiert. So eine Weltmeisterschaft erspart mir viel Zeit.

(…..)  […..] Schwennicke  […..] stellt sich der übergroßen Mehrheit der deutschen Fußballfans entgegen. Er versucht nicht nur die Angelegenheit auf Normalmaß zu schrumpfen – es ist nur ein Sport; es gibt keinen Grund, daß alle Politiker und Journalisten ununterbrochen Fußballmetaphern  verwenden müssen, um sich volksnah zu zeigen – sondern zeigt den Mittelfinger.

[….] Ich finde Fußball doof. Nein, ich finde Fußball grässlich – und ungemein langweilig. Ein Reigen alter Männer steht am Rand und schreit herum, viele mehr oder weniger junge Männer rennen auf einer Wiese herum, erst alle nach links, dann Ballverlust, dann wieder nach rechts, Ballverlust, wieder nach links. [….] Dieses Spiel ist unästhetisch und ordinär. Schon der Klang, wenn der Ball getreten wird, macht mich übellaunig. Es ist ein zutiefst ordinäres Geräusch, es klingt so ähnlich wie die Schläge von Bud Spencer in den alten Prügelfilmen mit Terence Hill. Die Spieler haben keine Manieren, tun sich absichtlich weh, sind nicht nur furchtbar verschwitzt, sondern oft auch noch sehr verdreckt und vom Regen pitschenass und rotzen dauernd auf die Wiese. Manchmal sogar ins Nackenhaar eines Gegners. Das ist so unappetitlich.   Viele Spieler sehen haarsträubend lächerlich aus, obwohl sie sich unwiderstehlich finden. Bei Bayern München gibt es einen, der hat sich sein glänzendes Hemdchen wie ein Ganzkörperkondom auf den Leib schneidern lassen, dazu tippelt er mit kleinen, wichtigen Schrittchen über den Platz, was so hühnerartig aussieht, dass man sich das Lachen verkneifen muss. Der Mann ist ein Star. Für mich ist er eine Witzfigur.   Vollends peinlich wird es, wenn versucht wird, diesem primitiven Sport eine politische oder philosophische Überhöhung zu geben. Dieser Theweleitismus ist noch schlimmer als die plumpe Fußballleidenschaft, die nach schalem Bier riechend, am Wochenende grölend die Bahnabteile füllt. Das ist wenigstens authentisch und stimmig. [….]

(CICERO, 28.04.2013)

Für diese wahren Worte werde ich dem CICERO-Chef ewig dankbar sein. Er hat so Recht; als Nicht-Fußballer gewinnt man so viel schöne Lebenszeit und erspart sich all die Frustration und schlechte Laune. (…..)

(Ordinär und national, 16.05.2018)

Bei der diesjährigen WM erscheint mir die Heuchelei aber besonders arg.

Plötzlich echauffiert man sich über die Kommerzialisierung. Als ob die FIFA jemals etwas anderes, als eine zutiefst korrupte Geldmaschine wäre, die über Leichen geht, um ihren Funktionären die Taschen vollzustopfen.

Es sind auch nicht irgendwelche dubiosen internationalen Strukturen, sondern der DFB, der es auch dieses Jahr nicht wagt einen Gegenkandidaten zu FIFA-Boss Gianni Infantino aufzustellen, ist selbstverständlich genauso korrupt.

Der DFB, der seinen Spielern nicht mal eine Regenbogen-Armbinde zugesteht, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern ein Abbild der Millionen deutschen Mitglieder, die tumb das erzkonservative homophobe Personal absegnen.

(….) Sich gegen Homophobie zu engagieren, wenn es wirklich nichts kostet und sogar opportun erscheint, ist aber nicht nur die Methode konservativer Parteien und Wirtschaftsunternehmen, sondern auch der Mehrheit der Bürger.

Nicht nur Markus Söder ist Gegner der Homoehe. Auch Angela Merkel stimmte dagegen, ihre Nachfolgerin im CDU-Parteivorsitz Kramp-Karrenbauer ebenso und insbesondere der radikal religiöse Armin Laschet mit seinem Opus Dei-Umfeld sind Feinde der LGBTIQ-Bewegung.

Laschet und Söder sind aber die liebsten Kanzlerkandidaten der Deutschen. Ihre CDUCSU führt mit Abstand die Umfragen zur Bundestagswahl an.

Wenn es Euch ernst ist mit Homorechten, dann wählt nicht CDU, CSU, AfD.

Ein weiterer ganz großer Akteur wider die Homo-Gleichstellung ist die Römisch-Katholische Kirche, die von weit über 20 Millionen Deutschen jedes Jahr mit Milliarden Euro unterstützt wird.

Wenn es Euch ernst ist mit Homorechten, dann tretet aus den Kirchen aus!

Im Moment wird die UEFA von allen Seiten für ihre servile Haltung gegenüber homophoben Diktatoren kritisiert. Der Protest gegen die UEFA mit Regenbogensymbolen ist aber für den milliardenschweren Funktionärsverein so lächerlich, daß er kurzerhand selbst sein Logo entsprechend einfärbte. Auch das kostet die UEFA nichts. Die verkrusteten Strukturen bleiben.

Wenn es Euch ernst ist mit Homorechten, dann kauft keine Tickets für Fußballspiele, boykottiert die TV-Übertragungen, gebt kein Geld für Fan-Artikel aus! All das ist nämlich nichts anderes als UEFA-Sponsoring und damit Unterstützung für die Homophoben.

Auch der Deutsche Fußball-Bund e. V. (DFB) mit sieben Millionen Mitgliedern ist als Dachverband von 26 deutschen Fußballverbänden Teil des homophoben Establishments. An der Spitze sitzen stets weit rechts stehende Unionspolitiker, die nahezu durch die Bank weg korrupt sind.

Wenn es Euch ernst ist mit Homorechten, dann tretet aus den Fußballvereinen aus.

Der DFB ist einer von 55 Mitgliedsverbänden eben dieser Union of European Football Association, UEFA, die vor Orbán und Putin kuscht.  Der CDU-Politiker Reinhard Grindel, 2002 bis 2016 weit rechts außen stehendes homophobes Mitglied des Deutschen Bundestags, ist UEFA-Vizepräsident, obwohl er so korrupt und verlogen ist, daß er 2019 vom DFB-Vorsitz zurücktreten musste.

Wenn es Euch ernst ist mit Homorechten, dann boykottiert Fußballübertragungen, verlaßt DFB-Vereine und wählt nicht CDUCSU.

Der DFB ist Teil der UEFA, die wiederum eine von sechs Kontinental-Konföderationen des Weltfußballverbandes FIFA ist.

Die FIFA dürfte in Punkto Korruption, Skrupellosigkeit und Diktaturaffinität unübertroffen sein.

Die nächsten Weltmeisterschaften vergab sie nach Katar. Dort gilt das Schariarecht. Frauen sind nicht gleichberechtigt und Schwule können von der Rechtssicherheit und Freiheit, die sie in Ungarn oder Polen genießen, nur träumen. In Katar gibt es drei Jahre Gefängnisstrafe, wenn man als Homosexueller enttarnt wird.

Wenn es Euch ernst ist mit Homorechten, dann werdet Ihr sicherlich nicht nur aus DFB-Vereinen austreten, nicht mehr CDU wählen, sondern ganz sicher auch kein einziges Spiel der WM 2022 gucken, demonstrativ jeden Fanartikel meiden, kein einziges Trikot kaufen, alle schwarzrotgoldenen Werbewimpel links liegen lassen und jede Fußballübertragung mit Einschaltquote Null quittieren. Oder sind Euch Homorechte so wenig wert, daß Ihr dafür noch nicht mal für zwei Stunden ein anderes TV-Programm einschalten würdet? (…)

(Buntwashing, 24.06.2021)

Katar ist genauso schwulenfeindlich wie immer. Das ist nicht überraschend. Das wußte die FIFA, das wußte der DfB und das wußten all die bayerischen Spieler und Funktionäre, die dort ständig hinreisen, um sich die Taschen voller Geld zu stopfen.

Social Media feiert diese Woche den Fußball-Fan Rod Stewart, der eine Gage von einer Million Dollar ausschlug, um bei der Eröffnungsfeier des antidemokratischen misogynen Staates zu singen.

Die metrosexuelle Schwulen-Ikone David Beckham bekam allerdings 150 Millionen Pfund aus Katar. Für so viel Kohle wirft man doch gern die Überzeugungen über Bord und lobpreist das Schwulenhasser-Emirat rund um die Uhr.

[….] Neben seinen zahlreichen offiziellen wie inoffiziellen Titeln ist Beckham ein sehr reicher Mann. Die »Sunday Times« schätzte das Vermögen der Beckham-Familie kürzlich auf 425 Millionen Pfund. Und damit ist noch lange nicht Schluss, denn: Beckham ist seit vergangenem Herbst auch offizieller Sportbotschafter Katars. Wie viel Geld der 47-Jährige dafür aus Doha bekommt, ist nicht genau bekannt. Berichten zufolge liegt die Summe aber bei bis zu 150 Millionen Pfund für zehn Jahre. Seit Bekanntwerden seines Engagements steht Beckham in der Kritik. Und je näher die WM rückt, desto lauter wird der Unmut. »Becks« wird unter anderem vorgeworfen, an Sportswashing teilzunehmen, also dem Versuch, das Ansehen eines Landes durch die Veranstaltung von Sport-Events und deren positiver Reputation in den Medien zu verbessern. [….]

(SPON, 18.11.2022)

Der Deutsche Bank-Lobbyist Sigmar Gabriel warf sich ebenfalls ins Zeug für Katar.

Die deutsche Arroganz gegenüber Qatar ist „zum Ko…“! Wie vergesslich sind wir eigentlich? Homosexualität war bis 1994 in D strafbar. Meine Mutter brauchte noch die Erlaubnis des Ehemanns, um zu arbeiten. „Gastarbeiter“ haben wir beschissen behandelt und miserabel untergebracht.

 (Sigmar Gabriel 29. Okt. 2022)

Gabriels Motive sind unbekannt, aber er ist Profi genug, um damit zu rechnen, daß bösartige Blogger erwähnen werden, wem eigentlich Gabriels Arbeitgeber Deutsche Bank gehört: Zu 10% dem Katarischen Staatsfonds.

Multimillionär Fritz Merz muss man nicht extra schmieren. Er ist offensichtlich von Natur aus homophob genug, um die deutschen Fußballtouristen zu ermahnen, nicht gegen Katars Schwulenpolitik zu protestieren.

[….]  Merz warnt deutsche Fans!

Friedrich Merz rät den deutschen Fußballfans, sich bei der WM in Katar an die Gesetze des Emirats zu halten. „Die WM ist ein Sportereignis und keine politische Demonstrationsveranstaltung. Letztendlich sind die Fans zu Gast in Katar, und da muss das Recht des Gastgeberlandes eingehalten werden“, sagte der CDU-Chef den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“. [….]

(MoPo, 18.11.2022)

Sind das alles alte Hüte! Fußballfunktionäre sind korrupt, Katar und Merz sind homophob. What else is new?

Ich kann es nicht mehr hören.

Zwei Punkte zum Thema Fußball-WM gibt es aber, die in der allgemeinen Diskussion untergehen, die erwähnenswert sind.

1.)

Im Gegensatz zu dem Eindruck, den nahezu alle Zeitungen und Fernsehsender und Politiker erwecken, ist Fußball gar nicht mehr der Volkssport, für den ihn alle halten.

Mehr als zwei Drittel der Deutschen wollen sich ohnehin keine Spiele im TV ansehen.

[….]  Eine große Mehrheit der Deutschen hat nicht vor, sich die Spiele der Fußball-WM in Katar live im TV anzusehen. Das geringe Interesse hat mit dem Gastgeberland und der kritikwürdigen Menschenrechtslage im Emirat zu tun – gleichzeitig hat aber auch die Begeisterung für die Nationalmannschaft der Männer deutlich nachgelassen. Das geht aus dem Ergebnis einer aktuellen Erhebung des Onlinebefragungsunternehmens Civey für den SPIEGEL hervor. Demnach gaben 70 Prozent der Befragten an, die WM-Partien nicht live verfolgen zu wollen. [….]

(SPON, 17.11.2022)

Natürlich schreckt das konservative Emirat die Fans ein wenig ab. Aber erfreulicherweise erkennen inzwischen auch viele Deutsche, wie blöd Fußball an sich ist – egal wo Meisterschaften im Bällchentreten gerade ausgetragen werden.

77 Prozent der Deutschen haben gar kein oder weniger Interesse an Fußball.


2.)

Die hochkorrupten FIFA und DFB-Funktionäre sind deswegen so mächtig, weil sie steinreich sind. Sie sind deswegen so steinreich, weil die Fantastillionen mit Merch-Lizenzen und Übertragungsrechten verdienen. Jede Margarine, jeder Joghurt und jede Packung Lakritz, die mit dem Aufdruck  „Sponsor der Nationalmannschaft“ verkauft wird, lässt die Taschen der Fußballfunktionäre klingeln. Die Herren verdienen also ohne eine eigene Leistung zu erbringen.

[….] Die TV-Rechte für das Fußballspektakel im Wüstenstaat liegen beim Telekom-Sender Magenta TV. Die Deutsche Telekom hat sich als einziger Anbieter die Lizenzen für den vollständigen Spielplan gesichert. [….] Doch auch die beiden öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF übertragen via Sublizenzen einige Spiele der WM 2022. Immerhin 48 der 64 WM-Partien werden live gezeigt, mit inbegriffen sind natürlich alle Spiele mit deutscher Beteiligung. Insgesamt werden also 16 Spiele der Winter-WM exklusiv von Magenta TV gezeigt. Das beinhaltet einige Partien im Achtel- und Viertelfinale, sowie das Spiel um Platz drei, sofern die deutsche Nationalmannschaft nicht daran beteiligt ist.  [….]

(FR, 16.11.2022)

Wie viel Geld genau in die Taschen der FIFA floss, kann man nicht leicht ergoogeln. Gemunkelt wird, daß allein die Sub-Rechte der ARD und ZDF eine Viertelmilliarde Euro kosten. Für die Übertragungsrechte der Putin-WM 2018 zahlten die Fernsehsender bereits 218 Millionen Euro.

Die Telekom gehört immer noch zu 32% dem deutschen Staat. Da würde ich schon gern genau wissen wie viele hundert Millionen für Katarische WM-Übertragungsrechte verprasst wurden.

Und auch Tom Buhrow und sonstigen halbpopulistischen Kritikern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks möchte ich ins Stammbuch schreiben, daß eine Viertelmilliarde Euro ein absurd hoher Preis sind für ein bißchen Bällchentreten-Übertragungsrechte, die 77% der Deutschen ohnehin nicht interessieren.

Da bleiben nämlich unsere Rundfunkgebühren hängen und nicht beim Gehalt einzelner Regionalintendanten.

Montag, 29. November 2021

So eine Überraschung!

Bevor ich einen Internetzugang und damit eine Emailadresse bekam, war es für jeden ganz selbstverständlich, einen Vorrat an Briefmarken zu haben, die Post aus dem Briefkasten zu nehmen und selbst Briefe einzuwerfen.

Jeder kannte die Portopreise. In den 1990ern gab es diese längere Phase, als der Standardbrief, die Schallmauer von einer Mark erklommen hatte. Das schien einerseits sehr teuer, war aber andererseits so eine angenehm runde Summe, daß die Post lange keine weitere Erhöhung vornahm.  Ab dem 1. September 1997 aber, kostet das Porto  1,10 DM. Ich erinnere mich genau daran, weil dem zuständigen CSU-Bundespostminister Wolfgang Bötsch nicht eingefallen war, daß ein Bedarf an 10 Pfenning-Briefmarken entstehen könnte.

Ein echter Schildbürgerstreich. 83 Millionen Menschen in Deutschland saßen auf ihren gehorteten 1DM-Briefmarken, die über Nacht quasi unnütz geworden waren, strömten in die damals noch reichlich vorhandenen Postfilialen und prallten schon an den „keine 10-Pfening-Marken!“-Aushängen an der Tür ab. Es war zum Verrückt-werden, oft wurden Briefe aus der Not heraus mit 2 DM frankiert.

Vorausschauendes Denken ist in der Politik offensichtlich ein Problem, wenn es um Zeiträume geht, die über einer Wahlperiode liegen.

So sind Landesspolitiker, die alle vier oder fünf Jahre gewählt werden, ganz offensichtlich nicht in der Lage, von der Geburtenrate auf die Zahl der eingeschulten Kinder sechs Jahre später zu schließen.

Als ich in den 1970ern auf das Gymnasium kam, waren wir fünf Parallelklassen à 37 bis 38 Schüler. Einige Fächer konnten wegen des Lehrermangels erst mit Jahren Verspätung unterrichtet werden, die versprochenen Lateinkurse kamen nie zu Stande. Chemie begann erst in der 10. Klasse. In der Pausenhalle hing eine große Karikatur von einem grotesk mit Schülern überfüllten Pausenhof, vor denen ein einzelner Lehrer stand. In seiner Sprechblase stand „Guten Tag, ich bin die Lehrerschwemme, seid Ihr der Pillenknick?“

Über Jahrzehnte hielt sich das Klischee von den arbeitslosen Lehramtsstudenten, die alle Taxi fahren mussten, weil die Verhütung in den 1960ern zu immer weniger Kindern führen würde. Mein Leben lang musste ich aber als Angehöriger eines „geburtenstarken Jahrgangs“ erleben, wie überrascht man an Schulen, Ausbildungsbetrieben und Universitäten von unserer Anzahl war.

Woher kommt die Überraschung?

Müssten Kultusminister nicht aus den Geburtenzahlen präzise Prognosen für zukünftige Schüler- und Azubi-Zahlen anfertigen können? Sollte es nicht möglich sein, aus dem Alter der Lehrer zu extrapolieren, wann diese in Rente gehen?

Aber das ist höhere Mathematik.

CDU-Mann Bötsch hatte es bei der Verknappung der 10-Pfenning-Briefmarken von 1997 mit einer unmittelbaren Folge der Preiserhöhung von 100 Pf auf 110 Pf zu tun.

Der am meisten überraschte Minister ist aber Jens Spahn. Der Mann, der so katastrophal regiert, daß wohl nur einer von 83 Millionen Bürgern glücklich ist: Andi Scheuer, der lange Zeit wie einst George W. Bush davon ausgehen musste, für ewig der schlechteste Präsident seit Washington/Minister seit 1945 zu sein und dann angesichts der Horrorperformance Trumps/Spahns in erstaunlich mildem Licht dasteht.

[….] Der zum Glück bald Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat parallel die Logistik der Impfstoffverteilung schon wieder vermasselt. Die bestellten Mengen werden vorerst nicht ausgeliefert werden können, Haus- und Betriebsärzte, die einen Großteil der Booster-Kampagne stemmen sollen, müssen sich gedulden. Kam wohl wieder überraschend, dass die sechs Monate nach der Zweitimpfung auch wirklich nach sechs Monaten um sind und die Menschen, die eine Drittimpfung brauchen, auch wirklich alle möglichst schnell einen Piks haben wollen. [….]

(Julian König, 29.11.2021)

Ich wiederhole mich, aber das Unerträglich an der Corona-Pandemie ist gerade ihre Vorhersehbarkeit. Es tritt immer das ein, das seit Monaten prognostiziert wird. Die nicht irren Bürger, also etwa zwei Drittel der Bevölkerung, müssen in vollkommen überraschte Politikergesichter gucken, die spahning grinsend erklären, das hätten sie wirklich nicht kommen sehen.

Jens Spahn schafft dabei sogar den doppelten und dreifachen Bötsch, indem er von den unmittelbaren Folgen seiner eigenen Maßnahmen völlig überrumpelt wird.

Er ist verblüfft, als nach einem guten Jahr weltweiter intensiver Forschung an Corona-Impfstoffen, ein Corona-Impfstoff entwickelt wird. Ein Impfkonzept, eine Lieferungs-Infrastruktur hat er nicht vorbereitet.

Er ist furchtbar überrascht, als nach den Schulferien wieder die Schule losgeht und sich nicht wie von Zauberhand von ganz allein Luftfilterungsanlagen in den Klassenräumen materialisiert haben.

Er führt Maskenpflicht ein und staunt, daß Masken knapp werden.

Er wundert sich über die Knappheit von Schnelltests, nachdem er selbst im Sommer die Produktion der Tests runterfahren ließ und nun 2G+ einführt.

Er staunt über die Probleme, Impftermine zu bekommen, nachdem er die Impfzentren schließen ließ.

Er wird komplett überrumpelt, als nach der Alpha-, Beta- und Gamma-Variante des SarsCov2, noch eine weitere Mutante entsteht. Omikron in the house! Potzblitz.

Er ist wie vom Donner gerührt, als nach seiner dringenden Aufforderung, sich impfen und boostern zu lassen, während er gleichzeitig die Impfstofflieferungen an die Arztpraxen um 50% kürzt, die Moderna- und BioNTech-Vorräte alle sind.

Wer hätte denn DAS ahnen können?

[…..] Der Druck auf Ungeimpfte ist in den vergangenen Wochen kontinuierliche erhöht worden, zugleich ergingen Aufrufe zu Boosterimpfungen – so auch in Frankfurt am Main. Dort aber muss die Stadtverwaltung nach eigenen Angaben ihr Impfangebot schon wieder einschränken, wegen fehlender Dosen. Ab Dienstag seien keine Impfungen mehr an der Hauptwache möglich und auch Sonderimpfaktionen müssten abgesagt werden, teilt die Stadt mit. Grund sei, dass die vom Gesundheitsamt bestellten Impfungen vonseiten des Bundes einseitig reduziert worden seien. »Ganz Frankfurt ist stinksauer auf Berlin – und mir fehlen ehrlich gesagt die Worte«, erklärt Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD).  Besonders bitter: Nur wenige Stunden, nachdem Feldmann den Startschuss für einen sogenannten »Impfexpress« gegeben hatte, musste bereits dessen Ende verkünden. Laut seinem Gesundheitsdezernenten Stefan Majer mussten Impfteams bereits Impfwillige wegschicken - weil sie nicht genügend Impfstoff zur verfügung hatten. »Und das in einer Situation, in der die Infektionszahlen nur eine Richtung kennen – steil nach oben. Dafür fehlt den Menschen zu Recht jedes Verständnis«, so Feldmann. […..]

(SPON, 29.11.2021)

Es scheint fast so, als ob Jens Spahn im Angesicht seines Ministerendes den Karren absichtlich noch so tief in den Dreck fahren will, daß der nächste Gesundheitsminister den Saustall kaum wieder in Gang bekommen kann.

Je katastrophaler die Lage, desto größer die Chance für Spahn, daß die Wähler beginnen werden, seinen Nachfolger verantwortlich zu machen. Je heftiger das Sterben auf den Intensivstationen, je länger der Lockdown über die Wintermonate, desto eher wird man vergessen, was Spahn angerichtet hat.

[….] So katastrophal ist das Erbe von Jens Spahn

Er ist das Gesicht des Missmanagements in der Corona-Krise geworden: Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Offenbar planlos versucht er seit über einem Jahr der Pandemie Herr zu werden – und stolpert über eigene Versprechen. Wer sein Nachfolger wird, ist unklar. Sicher ist jedoch: Allein das Chaos zu beseitigen ist eine Herkules-Aufgabe. Der zweite Corona-Winter, die vierte Infektionswelle. Doch wer dem Bundesgesundheitsminister zuschaut, könnte meinen, wir befänden uns im ersten Krisenmonat. Nicht entschlossenes Handeln und klare Kommunikation bestimmen die Corona-Politik, sondern hektisches Ausbessern verpasster Gelegenheiten. So wollte Spahn die Auslieferung von Biontech-Impfstoff an Ärzte begrenzen, während die Zahl der Corona-Neuinfektionen rasant steigt. [….] Gleichzeitig hat Spahn alle Bürger ab 18 Jahren zur Booster-Impfung aufgerufen – ohne den Vorgang zuvor konkret zu planen. Das Ergebnis: Chaos und meterlange Warteschlangen vor und in den Arztpraxen und den Impfzentren. Das Hauptproblem: Es steht vor Ort zu wenig Impfstoff zur Verfügung. Wie die „Bild“ berichtet, haben 100.000 Ärzte für diese Woche 8,57 Millionen Dosen Impfstoff bestellt – 4,65 Millionen von Biontech und knapp 4 Millionen von Moderna. Doch es kann wohl nur knapp die Hälfte der bestellten Menge von Biontech ausgeliefert werden. [….]  In Niedersachsen droht ab Montag der Ausfall von bereits vereinbarten Impfterminen und die Verschiebung des Starts in 180 zusätzlichen Impfpraxen. Doch nicht nur der Impfstoff, auch die Corona-Selbsttests sind knapp. Auch hier das Problem: Hohe Nachfrage trifft auf ein zu kleines Angebot. Vielerorts ist es derzeit nicht möglich, Tests zu bekommen – im Sommer wurde aufgrund der entspannten Lage die Produktion heruntergefahren. [….]

(MoPo, 29.11.2021)

Jens Nero hinterlässt eine toxische Landschaft.