Donnerstag, 21. Dezember 2017

DIE Sachsen



Ich lese gerade „Unter Sachsen“.
Schön ist das nicht, was Heike Kleffner und Matthias Meisner da zusammen getragen haben.


 Was ist das nur für ein schreckliches Volk. Schreckliche Sprache, schreckliche Ansichten.
Und wenn man das so sagt, hat man sich gleich in dasselbe Boot gesetzt, in dem die argumentieren, wenn sie sagen, sie mögen „die“ Flüchtlinge oder „die“ Ausländer nicht.
Das nervt mich ja gerade so „denen“ daß sie pauschal über Volksgruppen urteilen, die sie gar nicht kennen, weil Sachsen ja das Bundesland mit dem niedrigsten Migrantenanteil und gleichzeitig höchsten Anteil rechtsradikaler Straftaten ist.
Bin ich da so viel besser? Ich mag Sachsen nicht, dabei kenne ich gar keine Sachsen. Hier in Hamburg laufen keine Sachsen rum.
Wenn ich ganz scharf nachdenke, stimmt das gar nicht. Ich kenne einen Sachsen hier. Ach und noch eine, meine Friseurin.
Aber das sind ja keine Sachsen-Sachsen. Die können hochdeutsch und daß sie nicht mehr in Sachsen leben, spricht sie ja auch von ihrer Kollektivschuld frei, oder?
Man kann mich ja auch nicht für Trumpisten-Massen verantwortlich machen, wenn ich zwischen mich und Amerika einen ganzen Ozean Abstand gebracht habe.

Die schrecklichen Szenen von „Haut-Ab!“-grölenden Sachsen in Bautzen, Freital, Dresden, Heidenau, Clausnitz sind aber so häufig geworden, daß man sie nicht als „Einzelfälle“ betrachten kann.
Die Sachsen tun das häufiger als anderen Landsmannschaften; die Zahlen sind eindeutig.
Sie wählen auch anders als die anderen.
Nur in Sachsen wurde die AfD bei den Bundestagswahlen am 24.09.2017 die stärkste Partei und die regierende Sachsen-CDU ist ganz klar der mit Abstand rechteste Unions-Landesverband. Michael Kretschmer, der neue MP, ist sogar noch rechtsextremer als Vorgänger Tillich.

(….) Sachsen bleibt das Bundesland der Schande.

[….] Über Jahrzehnte hat sich eine fremdenfeindliche Stimmung entwickelt, die sich mit der Flüchtlingskrise aggressiv entlud: in Freital, Clausnitz, Bautzen, Heidenau. Kritik begegnete die CDU-Führung mit trotzigem Stolz auf das Bundesland. Schuld seien vor allem die Medien, die Sachsen als braunen Fleck verunglimpften, hieß es. Diskussionen schienen unmöglich. Perfekter Nährboden für eine rechtsradikale Partei wie die AfD.
2019 sind Landtagswahlen in Sachsen. Pessimisten vermuten, dass die AfD stärkste Kraft werden könnte, ja sogar die absolute Mehrheit erringt. Andere hoffen angesichts dieses Gruselszenarios auf eine Neuausrichtung der CDU.
Tillich, weniger ehrfürchtig auch "Teflon-Tillich" genannt, hatte nach der Bundestagswahl eine mögliche Richtung vorgegeben: Deutschland müsse Deutschland bleiben, sagte er in einem Interview und dachte offen über einen möglichen Rechtsruck nach. Viele Parteifreunde in der sächsischen CDU unterstützten ihn. Dabei gilt Tillichs CDU bereits als rechter Landesverband innerhalb der Union. Eine sächsische CSU, wenn man so will, deren Anhänger sich klar gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel und deren Flüchtlingspolitik stellen. [….]

Sachsens CDU will also dem Beispiel Österreich folgen, zu Nord-Ungarn werden.
Dafür spricht insbesondere der auserwählte Nachfolger, der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer, der just sein Bundestagsmandat verlor.

Der Partei-Erneuerer soll also ein abgewählter Rechtsaußen sein, der gruseliges Anti-Ausländer-Vokabular propagiert.
Immer wenn es in den letzten Jahren richtig widerlich braun wurde am rechten CDU-Rand, mischte der designierte Sachsen-MP Kretschmer mit. (….)
(Tiefer in den Sumpf, 18.10.2017)


Ich verstehe die anständigen Sachsen so gut, wenn sie es nicht ertragen können mit ihren braunen Landsleuten in einen Topf geworfen zu werden.
Natürlich gibt es auch in Sachsen Linke, Antifaschisten und Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen.
Das sind mutige Menschen. Ich nenne als Beispiel nur die großartige Familie des Wirtschaftsministers Martin Dulig, die den Kopf hinhält. Auch Duligs Sohn wurde schon wegen seines humanistischen Engagements von Nazis gejagt.

Was können die Engagierten für ihre tumben Nachbarn?
Nichts, natürlich.

Aber „die Sachsen“ müssen sich eben gefallen lassen von außen betrachtet allesamt in der braunen Schublade zu stecken, weil sie in der Mehrheit zu indolent sind, sich nicht kümmern.
In Hamburg versuchen Pegida und AfD auch aufzumarschieren. Aber dann finden sich immer sofort so viele Hamburger zusammen, die sich der braunen Pest entgegenstellen, daß die Rechten frühzeitig wieder abhauen und nicht ihre Bilder bekommen.
Ja, einmal gab es diese Schill-Peinlichkeit. Aber immerhin wurde das erkannt und zwei Jahre später sank seine Partei von 19,1 % bei den vorgezogenen Neuwahlen ins bodenlose Nichts weit unter die 5%-Hürde ab.
Wir schämen uns heute wenigstens für Schill.

Die Sachsen aber sind Enabler, weil die Mehrheit zu phlegmatisch ist, um sich zu engagieren. Ihnen fehlt der menschliche Anstand, um sich genügend über Nazi-Terroristen aufzuregen.
Sie beschwichtigen immer noch.
Ihr eigener Ruf ist ihnen immer noch wichtiger als Wahrheit und das Wohl der Flüchtlinge.
Sie verharmlosen und ermöglichen.

[…..] "Lausbuben": Wie man in Freital Terroristen verharmlost
Viele Menschen im sächsischen Freital sind genervt. Genervt davon, dass ihr Ort eigentlich nur noch in Verbindung mit Protesten gegen Flüchtlinge genannt wird, in Verbindung mit Rassismus. Und vor allem in Verbindung mit einer Clique mutmaßlicher Rechtsterroristen, die sogar den Namen des 40.000 Einwohner-Städtchens vor den Toren Dresdens trägt: Die sogenannte "Gruppe Freital". […..] Die "Gruppe Freital" steht u.a. wegen versuchten Mordes und Bildung einer terroristischen Vereinigung vor Gericht. Doch diese harte Anklage stößt bei einigen in Freital auf Unverständnis. […..] Die Angeklagten räumen die meisten Vorwürfe ein. Doch sie sehen sich in ein falsches Licht gerückt. Patrick Festing, einer der Hauptangeklagten, stellt im Fernsehinterview klar: "Bloß weil ich ein Problem mit der Asylpolitik hab und nicht unbedingt damit einverstanden bin, dass hier jeder Ausländer reinkommen und machen kann, was er will, heißt es ja nicht, dass ich gleich ein Nazi bin", sagt er. Dabei sprechen interne Chats und Audionachrichten, die vor Gericht vorgespielt wurden, eine ganz andere Sprache. Flüchtlinge werden da als "Kanaken" und "Bimbos" bezeichnet. Auf einem Foto posiert die Gruppe mit Hitlergruß - vermummt hinter einer Hakenkreuzfahne. "Für den einen sind die Taten extrem, für den anderen sind es halt Taten mit Sachschaden, die man halt nicht jeden Tag sieht, weil halt Böller verwendet wurden, wie auch immer.  
Ich sehe mich nicht als rechtsextrem", erklärt Patrick Festing im Interview.
[…..] Eine Sichtweise, die in Freital von vielen geteilt wird. Von einem "Schauprozess" ist die Rede. Die hätten doch nur ein paar "Knaller" gezündet. Und: Linksradikale würden ähnliche Straftaten begehen, aber dafür nicht vor Gericht gestellt. Die konkreten Vorwürfe gegen die Gruppe - in Freital spielen sie für viele anscheinend keine Rolle. [….]
(Panorama, 14.12.2017)