Mittwoch, 1. Februar 2023

Impudenz des Monats Januar 2023

Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Wenn Merz sich für einen CDU-Führungsposten zur Wahl stellt, gewannen 20 Jahre lang immer andere. Merkel, Kramp-Karrenbauer, Laschet, Söder – irgendjemand überflügelte ihn immer. Erst als wirklich alle anderen freiwillig zurücktraten, blieb der Blackrock-Millionär im Rentenalter einfach übrig und wurde endlich Chef.

Er wird sich sehr gefreut haben. Weniger schön für ihn ist aber, nun erstmalig in der praktischen Politik an seinen derben Sprüchen gemessen zu werden.

Vor vier Jahren hatte er im AfD-Fanblatt BILD angekündigt, die AfD zu halbieren.

 [….]  Ambitioniertes Ziel: Friedrich Merz, [….]  hat der AfD den Kampf angesagt[….]  will ihr die Hälfte der Wähler abjagen. Kurzfristig bekomme man die AfD zwar nicht weg, weil sie in allen 16 Länderparlamenten sowie im EU-Parlament und im Bundestag sitze, sagte der frühere Unionsfraktionschef der „Bild“. „Aber halbieren kann man sie.“  [….]

(WELT, 14.11.2018)

Drei Jahre hatte er, um theoretisch an dem Plan zu feilen. Seit einem guten Jahr, ist der Chef und kann ihn in die Praxis umsetzen.

Ich komme zur Bekanntgabe der Januar-Impudenz: Es ist – schon wieder – Friedrich Merz!

Der braune Fritz analysierte, welche Strategien garantiert die Nazis noch stärker machen und machte es ebenso.

Schon die Bundestagswahl 2017 hatte es klar gezeigt: Wenn rechte CDU-Landesverbände oder die CSU die braunen Parolen der AfD nachplappern, verlieren sie überproportional stark an die dumpfe Gaulandhöcke-Truppe.

Es bringt nichts, Nazis zu kopieren, oder ihnen hinterherzulaufen.

Dann wählen die Leute das Original oder die klare Alternative. Das gilt sogar international. Zuletzt durfte das am Sonntag die konservative ÖVP in ihrem Stammland Niederösterreich erleben.

[….] Zuletzt hatten Nehammer und Innenminister Gerhard Karner unter anderem das Thema Migration und Asyl in den Mittelpunkt ihrer Politik gestellt, eine Kampagne gegen "Asylmissbrauch" gestartet und gegen das "kaputte Asylsystem" in Europa agitiert. Politikwissenschaftler und Oppositionsparteien warfen der ÖVP daraufhin vor, der FPÖ bei ihrem Leib- und Magenthema in die Hände gespielt zu haben.  [….]

(Cathrin Kahlweit, SZ, 28.01.2023)

Merz trat als Partei- und Fraktionschef vor einem Jahr in die Bundespolitik ein, als die AfD bei 10% lag. Sofort begann er einen Parforceritt durch die AfD-Themen-Palette und plapperte den Brauen alles nach, hetzte selbst nach Herzenslust gegen Minderheiten.

Das Ergebnis ist genauso wenig überraschend, wie eindeutig. Merz stärkte die AfD, die im Bund rund 50% zulegte. In einigen Ländern sieht es noch schlimmer aus.

[…] Es war eine markige Ankündigung. Unter ihm als Vorsitzender könne die CDU die AfD „halbieren“, kündigte Friedrich Merz bei seiner gescheiterten Bewerbung um den CDU-Parteivorsitz Ende 2018 an. Vier Jahre später ist Merz CDU-Vorsitzender. Doch die AfD hat er nicht halbiert, sie hat sich vielmehr nahezu verdoppelt, zumindest in Niedersachsen. Dort sprang die AfD am Sonntag auf 10,9 Prozent, während die CDU mit 28,1 Prozent das schlechteste Wahlergebnis seit 1955 einfuhr.   [….]

(Handelsblatt, 10.10.2022)

Mit seiner xenophoben Hetze bestätigt eine alte Weisheit:

Die Definition von Wahnsinn ist: immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“

(Albert Einstein)

Nicht nur macht Friedrich Merz gezielt die völkischen Verschwörungstheoretiker stark, er animiert mit seinem Vorbild auch die Dumpf- und Dunkeldeutschen in seiner eigenen Partei.

Ausgerechnet in Thüringen, wo der AfD-Faschist Höcke herrscht und die CDU wirklich gebranntes Kind ist, schloß sich heute erneut eine braune Front zusammen.

[….] AfD, CDU und FDP verabschieden gemeinsam Änderung des Spielhallengesetzes.

Thüringens rot-grün-rote Minderheitsregierung muss sich der Opposition beugen. AfD, CDU und FDP votierten gemeinsam für einen Gesetzentwurf der Liberalen. Es ist offenbar ein Novum in dieser Legislaturperiode. [….]

(SPON, 01.02.2023)

 

CDU-Rechtsaußen Christoph Ploß, Parteichef in Hamburg, ist einer dieser Erkenntnisresistenten, der mit seinem völkischen Kurs seine Partei, die noch vor 15 Jahren die absolute Mehrheit in Hamburg holte, bei der Bundestagswahl 2021 auf 11% einstampfte. Zu all den wirklich dringenden politischen Themen der Zeit kann er keine Antworten anbieten. Stattdessen surfte er ausdrücklich gemeinsam mit der AfD auf dem Anti-Gender-Brett.

[….] „Umerziehung stoppen“: Anti-Gender-Initiative bekommt mächtig Rückenwind

Keine Schüler*innen und Bürger:innen mehr in Hamburgs Schulen und Ämtern: Jetzt hat sich die Hamburger CDU als tatkräftige Unterstützung der Volksinitiative „Schluss mit der Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ in Stellung gebracht. Für die umstrittene Initiative dürfte das den entscheidenden Rückenwind auf dem Weg zum Erfolg bringen  [….]

(Mopo, 01.02.2023)

Was für eine inhaltliche und moralische Bauchlandung der Christdemokraten.

[….] Wer die Schöpfung schützen will, könnte die Energiewende am radikalsten vorantreiben. Wer den Wohlstand bewahren will, könnte die Ungleichheit am dringlichsten bekämpfen. Wer Zukunftskompetenz beweisen will, könnte eine postfossile Verkehrspolitik vorantreiben. Wer sich auf christliche Nächstenliebe beruft, wer will, dass Menschen frei und selbstbestimmt leben, könnte die Rechte von trans Personen als erste verteidigen.

Stattdessen infantilisieren die Parteigranden Friedrich Merz und Markus Söder ihre Werte, verstümmeln und entstellen das, was bürgerlich und konservativ heißen könnte, und führen ins demokratisch-intellektuelle Nirwana eines Kulturkampfs, der die Kultur, die zu verteidigen er behauptet, kaum mehr kennt. Sie imitieren das historische Versagen anderer konservativer Parteien, ob in den Vereinigten Staaten oder im Vereinigten Königreich, in Frankreich oder Italien, die nur noch zwischen Banalität und Bösartigkeit zu pendeln vermögen, aber keine substantiellen politischen Konzepte mehr anbieten, ja, keinerlei stabiles Regierungshandeln mehr versprechen können, weil sie jene Institutionen und Regeln, die es dazu braucht, selbst destabilisiert haben.

Sobald die konservativen Parteien sich von rechtspopulistischen, neofaschistischen Bewegungen oder Figuren treiben lassen, sobald sie das Rationale als definitorischen Gegner ausmachen, leiten sie ihren eigenen Niedergang ein. Der rechte Rand diktiert die Themen, die langfristig die Mitte ihres bürgerlichen Gewissens und ihrer aufgeklärten Prinzipien beraubt, es reichen dann schon Trigger-Begriffe, keine Argumente, "Genderideologie", "Zwangsgebühren", "Sprachpolizei", und so begeben sich die konservativen Parteien ins Abseits eines Diskurses, der sie immer weiter von sich selbst entfernt.  Anstatt mit Gelassenheit die eigenen traditionellen Praktiken und Werte zu leben, wird unruhig Panik geschürt, als sei eine kurze Atempause beim Sprechen, wie sie bei den Worten Beerdigung oder Spiegelei vertraut und harmlos ist, der Untergang des Abendlandes, wenn sich darin der Respekt vor der Vielfalt der Geschlechter ausdrücken könnte. Wie sich ausgerechnet bürgerliche Parteien, denen Höflichkeit und Manieren etwas gelten sollten, nun mit dramatischer Geste dagegen wehren, dass bestimmte Begriffe nicht verwendet werden sollten, weil sie andere herabsetzen, ist nurmehr Symptom der Orientierungslosigkeit der Konservativen. Es herrscht Krieg in der Ukraine, die Inflation steigt unkontrolliert, die Klimakatastrophe bedroht Freiheit und Schöpfung - aber Merz und Söder sorgen sich um einen Stern. […]

(Carolin Emcke, 24.09.2022)

So generieren sich Ploß und Merz ihr parteiinternes Nazi-Problem.

Hans aus Kassel, der rechtsextreme, klar antisemitische Verfassungsschutzpräsident-Geist sprang aus der Flasche, verbreitet seinen braunen Spuk und will nicht zurück in die Flasche.

Es sind die Geister, die Merz selbst rief.