Montag, 10. August 2020

Kalt erwischt.


Die Grünen haben de facto einen Kanzlerkandidaten. An Robert Habeck, der nordischen Sphinx ohne Eigenschaften führt kein Weg vorbei. Die AfD zerlegt sich selbst, wird in der nächsten Koalition nicht mitspielen – auch wenn viele CDU/CSUler das gern hätten.
Ebenso ergeht es der Lobby-Liste Lindner, die 2021 womöglich gar nicht über die 5%-Hürde kriechen wird nach der blamablen Corona-Performance des Posterboys im Porsche, der eigentlich nur damit auffiel Steffen Göpel, seinem Millionärs-Gönner und Honorarkonsuls des sympathischen Lukaschenko-Regimes in Belarus ohne Maske und Abstand herzend und küssend um den Hals gefallen zu sein. Ein passendes Statement zu den so fairen Wahlen in Belarus und den Corona-Regeln, das der Parteichef der Liberalen in größtmöglicher Öffentlichkeit im Medienhotspot der Berliner Promitreffs „Borchardt“ abgab.
Ebenfalls selbst erledigt haben sich die Linken, die nicht nur nicht vom angeblich so großen Frust über die erneute Groko profitieren konnten, sondern sich so dämlich dabei anstellten eine Alternative aufzuzeigen, daß sie demoskopisch noch unter dem dramatisch schlechten Bundestagswahlergebnis von 2017 liegen, während die Groko enorme Zustimmungswerte genießt.
So schwächliche Linke werden kaum gestalten können, sondern nur immer allerbesten denkbaren Fall ab Ende 2021 schmalbrüstiger Koalitionspartner einer Grün-rot-roten Bundesregierung sein.
Der Fall ist unwahrscheinlich, zumal fast alle maßgeblichen Grünen sehr stark zur CDU tendieren, die Außenpolitik der Linken strikt ablehnen und als „Bündnis90“ im Osten eine natürliche Feindschaft zum Personal der Ost-Linkspartei pflegen.
Habeck oder Barbock werden Schwarzgrün anstreben.

Bei den ehemaligen Volksparteien, den „großen Parteien“ CDU und SPD gibt es enorme Schwankungen und Fragezeichen.
Die CDU ist nur temporär wieder groß, weil Frau Merkel in den Unsicherheiten der Pandemie und des Lockdowns all das sehnsüchtige Vertrauen auf die Regierung auf ihre Partei zieht.
Aber sie wird (zumindest höchstwahrscheinlich) nicht noch einmal als Kanzlerkandidatin antreten. Aus der Parteiführung hat sie sich lange zurückgezogen und ihre Nachfolgerin als CDU-Chefin ist bereits krachend gescheitert.
Die SPD hat diese große Verunsicherung bereits hinter sich und ist trotz vorbildlicher Regierungsarbeit und beliebter Minister bereits im Reich der Kleinparteien angekommen. Der Negativschock von 2017, als Basis-Liebling, Mr. 100% Schulz mit dem Tiefstergebnis von 20,5% einlief, erscheint nach den erbärmlichen Parteiführungsversuchen von Nahles, Esken und Walter-Borjans wie ein Traumziel. Über 20% sind noch weit weg.

(…..) Das Umfrageinstitut Kantar befragte vom 22.07.-24.07.2020 knapp 1.100 repräsentativ ausgewählte Bürger welche SPD-Politiker sich zum Kanzlerkandidaten eigneten.
Das Ergebnis ist für die Parteiführung ebenso vernichtend wie plausibel.

Scholz 42%
Heil 19%
Giffey 16%
Klingbeil: 12%
Walter-Borjans: 11%
Esken: 11%
Mützenich: 6%

[….] Bundesfinanzminister Olaf Scholz wird laut einer Umfrage von Wählerinnen und Wählern als Kanzlerkandidat der SPD favorisiert. [….] Die SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wiederum konnte sich gerade einmal ein Zehntel der Befragten als Kanzlerkandidaten vorstellen. Weit mehr als die Hälfte bezeichnete sowohl Esken als auch Walter-Borjans als ungeeignet für das Amt an der Spitze der Bundesregierung. [….]
Unter den Anhängern der SPD sprachen sich in der Umfrage 72 Prozent für Scholz als Kanzlerkandidaten aus. Bei Giffey und Heil waren es jeweils 34 Prozent. Anhänger anderer Parteien sehen demnach ebenfalls in Scholz denjenigen Sozialdemokraten, der sich am ehesten für eine Kanzlerkandidatur eignet. [….]

Jede Parteiführung mit auch nur rudimentärem Restverstand würde nun schnellstmöglich Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten ausrufen, um damit den einmaligen Vorteil zu nutzen gegenüber der chaotisierten CDU-Kandidatensuche mit geklärter Führungsfrage dazustehen.

Viele in der SPD verstehend die Situation. Daher haben sich bereits Außenminister Heiko Maas, Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher, der Schleswig-Holsteinische SPD-Linksaußen Ralf Stegner, der ehemalige Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz, Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann, Fraktionsvize Achim Post, SPD-Haushaltsexperte Dennis Rohde, Seeheimer-Chefin Siemtje Möller, Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte und auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer für einen Kanzlerkandidaten Scholz ausgesprochen. Beileibe nicht alles Scholz-Freunde, aber doch soweit rational denkend, daß sie keine andere Möglichkeit sehen.

Nur die SPD-Chefs Esken und Walter-Borjans stehen auf dem Schlauch und fragen sich offenbar nur eins: Wie kann man die SPD weiter in den Abgrund treiben? Wie kann man sie von 14% in Richtung Einstelligkeit bewegen? (…..)

Heute aber verblüffte die SPD-Parteiführung mit dem einzig richtigen und dem einzig möglichen Schritt. Einen Schritt, der so vorzeitig kam, daß er sich sogar zum Vorteil entwickeln könnte.
Sie setzen voll auf Olaf Scholz und das ist auch gut so!

[….] Deutschland braucht einen Kanzler, der entschlossen ist und erfahren. Mutig auch in Krisen, sie kraftvoll überwinden kann. Mit Respekt vor jeder und jedem Einzelnen. Und mit einem klaren Bild von einer guten und gerechten Zukunft für alle.
Wir sind überzeugt: Olaf Scholz kann das! Deshalb haben wir heute dem Präsidium und dem Parteivorstand vorgeschlagen, dass er unser Kanzlerkandidat sein soll. Wir freuen uns, dass Präsidium und Parteivorstand unserem Vorschlag einstimmig zugestimmt haben!
In den vergangenen Monaten haben wir an der Spitze der SPD gemeinsam mit der Fraktionsführung und Olaf an der Spitze unserer Ministerinnen und Minister im Bund sehr eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet – mit gutem Erfolg, denn die Regierungsarbeit trägt eine deutliche sozialdemokratische Handschrift!
Die Entscheidung für den Kanzlerkandidaten haben wir in den vergangenen Wochen gründlich vorbereitet, viele Gespräche geführt, vertraulich beraten. Wir sind gemeinsam zu der Überzeugung gekommen, dass wir in einem einigen Führungsteam und mit einem Kanzlerkandidaten, dem die Menschen vertrauen, die SPD zu neuer Stärke führen können. Als führende politische Kraft streben wir ein progressives Bündnis an, das das Land nach vorne bringt – für alle Menschen. [….]
(Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans , 10.08.20)

Hut ab für meine Parteiführung. Der Schritt mag ihr nicht leicht gefallen sein, aber er macht aus ihrer Not eine Tugend.
In einer für die SPD nahezu aussichtslosen Lage um das Kanzleramtsrennen setzten sie nun auf denjenigen, der immerhin die am wenigsten schlechten Chancen hat und im Gegensatz zu den linken JuSo-Träumern schon mehrfach bewies wie man erfolgreich Wahlen gewinnen kann.
Fast noch wichtiger ist aber die helle Aufregung, die der Schritt im CDUCSU-Lager auslöst. Ausgerechnet die notorisch zerstrittene SPD hat alle ihre Personalfragen gelöst, während die Union auf Hühnerhaufen-Modus gestellt hat, ein neuer CDU-Parteichef in den Sternen steht und man noch nicht mal ahnt von welcher Partei eigentlich der Unions-Kanzlerkandidat gestellt werden wird.
16 Jahre war das Merkel-Erfolgsgeheimnis „sie kennen mich/keine Experimente“ und nun ist es der SPD-Mann, der für Seriosität, Erfahrung und Vertrauen steht. Die Menschen kennen Scholz, niemand bezweifelt ernsthaft seine Eignung zum Kanzler und keiner muss unter seiner Führung Chaos befürchten.
Nichts mögen konservative Wähler weniger als Streit und Unsicherheit.
Markus Söder, der noch nicht mal wagt klar zu sagen, ob er überhaupt zur Verfügung stünde ist kalt erwischt.

  […..] Die SPD schickt mit Olaf Scholz den Mann ins Rennen, der ausweislich seiner Bekanntheit und seiner Popularitätswerte allein in der Lage ist, eine Chance zu nutzen, die die SPD nicht hat: die Chance aufs Kanzleramt. […..] Die SPD wollte mit ihrer schnellen Entscheidung Klarheit demonstrieren. Gefährlicher als eine zu frühe Nominierung erschien ihr eine zu späte. Denn mit jedem weiteren Tag wäre der Eindruck gewachsen, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die gegen Scholz an die Parteispitze gelangt waren, versuchten nun, das Unumgängliche doch noch zu umgehen: mit Scholz in den Wahlkampf zu ziehen.
Die SPD verspricht sich von dieser Klarheit einen Wettbewerbsvorteil, gerade in Corona-Zeiten: Zumindest die Kandidatenfrage soll die Sozialdemokraten nun nicht mehr von der Krisenbewältigung ablenken. Während die Grünen noch rätseln, wie sie ihre Doppelspitze zu einer Spitzenperson verschmelzen könnten, macht die Doppelspitze der SPD den Weg frei für einen Dritten; während in der Union der Ausgang der Kandidatensuche völlig offen ist, küren die Sozialdemokraten jenen Mann für das höchste Amt der Regierung, den sie an der Spitze ihrer Partei nicht wollten. Dass ausgerechnet CSU-Chef und Dauerwahlkämpfer Markus Söder gleich aufheulte, es sei jetzt keine Zeit für Wahlkampf, bestätigt, dass die SPD einen wunden Punkt der Union getroffen hat. […..]

Möglicherweise kann es auch der SPD zum Vorteil gereichen, daß anders als vor fünf Jahren die Vorsitzenden bezüglich der Kanzlerkandidatur keine eigenen Absichten haben.
Gabriel setzte erst auf Schulz, als ihm klar war, daß er selbst keine Chancen hat. Es war nie klar was der beständig schwankende Gabriel eigentlich inhaltlich von dem rechten Seeheimer Martin Schulz hielt, der über gar keine Regierungserfahrungen verfügte.
Bei Esken und Nowabo ist es genau umgekehrt. An ihrer Positionierung im SPD-Spektrum besteht kein Zweifel.
Sie setzen nicht auf Scholz, weil sie denken, sie könnten ihn inhaltlich schon irgendwie in ihre Richtung lenken, sondern weil sie wissen, daß er regieren kann, daß er genügend Erfahrung hat, daß er anders als Schulz (es 2016 war) bekannt ist und sie haben in dem Dreivierteljahr ihres Parteivorsitzes gelernt wie absolut verlässlich Scholz ist. SPD-Absprachen setzte er im Kabinett konsequent durch, auch wenn er persönlich die Angelegenheit anders sah. Man munkelt, er habe auf der Weil-Linie durchaus eine KfZ-Kaufprämie ins Corona-Paket nehmen wollen, aber in den Koalitionsverhandlungen parteitreu gegen die CDU und CSU die Linie Eskens durchgepaukt.

Das Aufschreien derjenigen Linken an der SPD-Basis, die lieber ihr Klientel total im Stich lassen in die einstellige Opposition rutschen und dann tatenlos zusehen, wie AFDP/CDUCSU asoziale Politik betreiben, aber dafür das wohlige Gefühl genießen im Recht zu sein, zeigt noch mehr wie richtig die Entscheidung für Olaf Scholz ist.
Niemand kann der Parteiführung ernsthaft vorwerfen in vorrauseilendem Gehorsam vor König Olaf auf die Füße gefallen zu sein.
Nein, Esken und Nowabo wurden überzeugt.
Bevor es der praxisferne Kühnert-Flügel bemerkte, ahnt die politische Konkurrenz durchaus, daß die SPD mit dem Vizekanzler ihr schwerstes Geschütz auffuhr und ein Friedrich Merz, der überhaupt gar keine Erfahrung in der Regierung hat, ideologisch seit 20 Jahren krachend auf dem Holzweg ist, genauso unglücklich über den Gegner ist wie der Rest der Unionskandidaten.

[…..] Zu früh, falscher Kandidat, rein taktisch: Führende Unionspolitiker reagieren mit Kritik auf die Nominierung von Olaf Scholz zum SPD-Kanzlerkandidaten - dabei könnte er CDU und CSU durchaus gefährlich werden. […..] Die ersten prominenten Stimmen aus der Union klingen skeptisch. Friedrich Merz, der Ende des Jahres erst CDU-Chef werden und anschließend für die Union das Kanzleramt erobern will, sagt: "Der Kandidat passt nicht zur Partei." Sein Parteifreund Norbert Röttgen, ebenfalls Bewerber für den CDU-Vorsitz, nennt die Nominierung von Vizekanzler Scholz eine "taktische Lösung, die nicht glaubwürdig ist". Und Bayerns Ministerpräsident, der CSU-Vorsitzende Markus Söder, kritisiert die Personalie, weil damit aus seiner Sicht der Wahlkampf zu früh beginne. […..] Wen die Unionsparteien ihrerseits als Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken, ist völlig offen. […..] Für Unruhe wird das ungeklärte Personaltableau noch monatelang sorgen, möglicherweise bis weit ins Wahljahr hinein. Die SPD hat sich dagegen früh sortiert und kann derweil in aller Ruhe an der Scholz-Kampagne basteln. […..] Und dann ist da das strategische Problem, vor das ein Kanzlerkandidat Scholz die Union stellt: Scholz' einzige Machtoption, um Merkel in der Regierungszentrale nachzufolgen, ist zwar Rot-Rot-Grün, falls die SPD vor den Grünen landet – aber niemand könnte R2G, wie das Links-Bündnis genannt wird, auch derart den politischen Schrecken nehmen wie Scholz. […..]

Als Sozialdemokrat begrüße ich einen SPD-Kanzlerkandidaten, auf den die Union mit Knieschlottern reagiert sehr viel mehr als einen, der ohnehin nicht ernst genommen wird.

So wie nur der angebliche Wirtschaftsmann Schröder die Angst vor RotGrün nehmen konnte, so wie nur die SPD eine grundlegende Sozialreform durchführen konnte, so wie nur Kohl-CDU die bei konservativen so beliebte DMark, so wie nur die Merkel-CDU die konservativen heiligen Kühe Atomkraft und Wehrpflicht abräumen konnte, ohne daß es das Land zerreißt, ist es wohl nur Olaf Scholz, der den Deutschen die Angst für einer Beteiligung der Linkspartei nehmen kann.
Selbst wenn die Grünen stärkste Partei werden sollten, würden sie bei einer reinen Esken-SPD viel zu viel Vorbehalte gegenüber der Linken haben, um nicht lieber auf Schwarz-Grün zu setzen.
Mit Olaf Scholz als Vizekanzler und Bundesfinanzminister könnte hingegen auch ein Kanzler Habeck zusammenarbeiten.
Mit Olaf Scholz als Kanzlerkandidat ist endlich die Tür auf für eine Bundesregierung jenseits der Union.