Sonntag, 13. September 2020

Amerikanische Begriffe.


Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 benutzte Donald Trump sehr häufig das Verb „to outsmart“.
Die deutsche Übersetzung lautet „überlisten“ oder „austricksen“.
Trump wetterte gegen die internationalen Verträge, die von der Obama-Regierung oder deren Vorgängern abgeschlossen wurden.
Insbesondere hackte er auf

-      NAFTA (englisch North American Free Trade Agreement), dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen zwischen Kanada, Mexiko und der USA von 1994
-      dem internationalen Abkommen zum iranischen Atomprogramm von 2015 und
-      der im Dezember 2015 auf der Pariser Klimakonferenz (COP21) beschlossenen rechtsverbindlichen weltweiten Klimaschutzvereinbarung

herum.
In allen Fällen wären die doofen US-Präsidenten „outsmarted“ worden.

Die deutsche Bedeutung – Obama wäre überlistet worden – impliziert ein bißchen Perfidie; die anderen hätten ihn mit böser Absicht betrogen.
In Englisch klingt der Begriff zunächst einmal neutraler und unterstellt keine üblen Absichten einer Seite. Dadurch war der Vorwurf gegenüber Obama aber noch brutaler: Er sei nicht so smart wie die anderen. Ein Dummkopf, mit dem man es machen konnte.

Der Begriff „outsmarted“ passt hervorragend in die gedankliche Trump-Wahnwelt, da er sich manisch für den Klügsten, Besten und Intelligentesten hält.
Immer wieder prahlt er mit seinem IQ, seiner Bildung, seinem überragenden Verständnis für alles. „I am a very stable genius with large a brain!“
Ohne irgendwelche Hemmungen erklärt der militärische und außenpolitische Laie von diesen Dingen viel mehr als alle seine Generale zu verstehen.
Auf offener Bühne redet er den Top-Virologen in ihr Fachgebiet hinein.

Trump liebt das Wort „outsmart“, weil er fest davon überzeugt ist jeden Verhandlungspartner mit seiner enormen Intelligenz niederringen zu können.

Möglich ist das nur durch den Dunning-Kruger-Effekt, den man an IQ45 in seiner extremsten Ausführung beobachten kann. Gerade die Inkompetenten haben das größte Vertrauen in ihre Fähigkeiten und bemerken ihre Doofheit nicht.

[…..] In der Studie führten die beiden Psychologen mit ihren Probanden Tests durch, die Allgemeinwissen, Intelligenz und gesunden Menschenverstand erforderten. Dabei ging es mitunter um das Verständnis von Humor, um logisches Argumentieren und um Grammatik. Zudem sollten die Testpersonen einschätzen, wie gut sie im Verhältnis zu den anderen Probanden abgeschnitten haben. Dabei stellte sich heraus, dass ausgerechnet diejenigen, die bei den Tests die schwächsten Leistungen erbracht hatten, sich überdurchschnittlich gut einschätzten.
Darauf schlussfolgerten Dunning und Kruger,

1.   dass weniger kompetente Menschen dazu neigen, sich selbst zu überschätzen
2.   dass sie außerdem die Kompetenz und Intelligenz anderer verkennen
3.   dass sie deshalb das Ausmaß ihrer Inkompetenz nicht erkennen und nicht die Notwendigkeit sehen, sich weiterzubilden und damit ihre Kompetenz zu steigern.

Inkompetente Menschen haben demnach Schwierigkeiten, sich alleine aus dem Teufelskreis ihrer Inkompetenz zu befreien. [….]

Sein Irrglaube andere outsmarten zu können und Dunning-Kruger kulminierten nun in einer Reihe aus 18 Interviews mit der amerikanischen Reporter-Legende Bob Woodward, der bereits ein Buch über Trump veröffentlicht hatte, in dem der Präsident schlecht wegkommt. Es gab schon eine Reihe von hochbrisanten Enthüllungsbüchern über die Trump-Präsidentschaft. Jedes einzelne hätte gereicht einen anderen Präsidenten zu stürzen, aber Trump hat Lügen, Betrug und Inkompetenz hoffähig gemacht.
Trump ist geblendet von dem Namen Woodward, liebt es mit seiner Macht  zu prahlen und hält sich generell immer für die schlaueste Person im Raum.
So verfiel er in die für ihn tragische Idee den Autoren einwickeln zu können.

  […..] Das neue Buch der Reporterlegende Bob Woodward könnte allerdings tatsächlich das Zeug haben, Trump den entscheidenden Hieb zu versetzen und seine Chancen auf eine Wiederwahl am 3. November zu torpedieren. Denn dieses Buch ist anders.
Die Recherchen Woodwards sind atemberaubend und so brisant, dass sich der Reporter nun sogar dem Vorwurf ausgesetzt sieht, er hätte sie viel früher öffentlich machen müssen. Der 77-jährige Journalist hat zwischen Dezember 2019 und Juli 2020 insgesamt 18 Interviews mit dem Präsidenten geführt. In den Gesprächen macht Trump keinen Hehl daraus, dass er schon früh über die Gefahr des Coronavirus im Bilde war. "Das ist ein tödliches Zeug", sagte der Präsident am 7. Februar. "Du atmest die Luft, und so wird es übertragen. Das ist sehr knifflig, sehr heikel. Es ist auch tödlicher als die Grippe." […..]
Tatsächlich erscheint es rätselhaft, warum sich Trump überhaupt zur Mitarbeit an Woodwards Buch überreden ließ. Dessen erstes Werk "Furcht" über die Ära Trump war für den Präsidenten alles andere als schmeichelhaft. Ganz offenkundig hat Trump geglaubt, dass er seine Amtszeit in ein besseres Licht rücken könne, wenn er mit Woodward persönlich rede. Wie so viele Narzissten lebt Trump in der Annahme, dass er mit seinem Charisma jeden um den Finger wickeln kann. […..]
(SPIEGEL, 12.09.2020)