Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 benutzte Donald Trump sehr
häufig das Verb „to outsmart“.
Die deutsche Übersetzung lautet „überlisten“ oder „austricksen“.
Trump wetterte gegen die internationalen Verträge, die von
der Obama-Regierung oder deren Vorgängern abgeschlossen wurden.
Insbesondere hackte er auf
-
NAFTA (englisch North American Free Trade
Agreement), dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen zwischen Kanada, Mexiko
und der USA von 1994
-
dem internationalen Abkommen zum iranischen
Atomprogramm von 2015 und
-
der im Dezember 2015 auf der Pariser Klimakonferenz
(COP21) beschlossenen rechtsverbindlichen weltweiten Klimaschutzvereinbarung
herum.
In allen Fällen wären die doofen US-Präsidenten „outsmarted“
worden.
Die deutsche Bedeutung – Obama wäre überlistet worden – impliziert
ein bißchen Perfidie; die anderen hätten ihn mit böser Absicht betrogen.
In Englisch klingt der Begriff zunächst einmal neutraler und
unterstellt keine üblen Absichten einer Seite. Dadurch war der Vorwurf gegenüber
Obama aber noch brutaler: Er sei nicht so smart wie die anderen. Ein Dummkopf,
mit dem man es machen konnte.
Der Begriff „outsmarted“ passt hervorragend in die gedankliche
Trump-Wahnwelt, da er sich manisch für den Klügsten, Besten und
Intelligentesten hält.
Immer wieder prahlt er mit seinem IQ, seiner Bildung, seinem
überragenden Verständnis für alles. „I am a very stable genius with large a brain!“
Ohne irgendwelche Hemmungen erklärt der militärische und
außenpolitische Laie von diesen Dingen viel mehr als alle seine Generale zu
verstehen.
Auf offener Bühne redet er den Top-Virologen in ihr
Fachgebiet hinein.
Trump liebt das Wort „outsmart“, weil er fest davon überzeugt
ist jeden Verhandlungspartner mit seiner enormen Intelligenz niederringen zu
können.
Möglich ist das nur durch den Dunning-Kruger-Effekt, den man
an IQ45 in seiner extremsten Ausführung beobachten kann. Gerade die Inkompetenten
haben das größte Vertrauen in ihre Fähigkeiten und bemerken ihre Doofheit
nicht.
[…..] In der Studie führten die beiden Psychologen mit ihren Probanden Tests
durch, die Allgemeinwissen, Intelligenz und gesunden Menschenverstand
erforderten. Dabei ging es mitunter um das Verständnis von Humor, um logisches
Argumentieren und um Grammatik. Zudem sollten die Testpersonen einschätzen, wie
gut sie im Verhältnis zu den anderen Probanden abgeschnitten haben. Dabei
stellte sich heraus, dass ausgerechnet diejenigen, die bei den Tests die
schwächsten Leistungen erbracht hatten, sich überdurchschnittlich gut
einschätzten.
Darauf schlussfolgerten Dunning und Kruger,
1. dass weniger kompetente Menschen dazu
neigen, sich selbst zu überschätzen
2. dass sie außerdem die Kompetenz und
Intelligenz anderer verkennen
3. dass sie deshalb das Ausmaß ihrer
Inkompetenz nicht erkennen und nicht die Notwendigkeit sehen, sich
weiterzubilden und damit ihre Kompetenz zu steigern.
Inkompetente Menschen haben demnach Schwierigkeiten, sich alleine aus
dem Teufelskreis ihrer Inkompetenz zu befreien. [….]
Sein Irrglaube andere outsmarten zu können und
Dunning-Kruger kulminierten nun in einer Reihe aus 18 Interviews mit der
amerikanischen Reporter-Legende Bob Woodward, der bereits ein Buch über Trump
veröffentlicht hatte, in dem der Präsident schlecht wegkommt. Es gab schon eine
Reihe von hochbrisanten Enthüllungsbüchern über die Trump-Präsidentschaft. Jedes
einzelne hätte gereicht einen anderen Präsidenten zu stürzen, aber Trump hat Lügen, Betrug und Inkompetenz hoffähig gemacht.
Trump ist geblendet von dem Namen Woodward, liebt es mit
seiner Macht zu prahlen und hält sich
generell immer für die schlaueste Person im Raum.
So verfiel er in die für ihn tragische Idee den Autoren
einwickeln zu können.
[…..] Das neue Buch der Reporterlegende Bob Woodward könnte allerdings
tatsächlich das Zeug haben, Trump den entscheidenden Hieb zu versetzen und
seine Chancen auf eine Wiederwahl am 3. November zu torpedieren. Denn dieses
Buch ist anders.
Die Recherchen Woodwards sind atemberaubend und so brisant, dass sich
der Reporter nun sogar dem Vorwurf ausgesetzt sieht, er hätte sie viel früher
öffentlich machen müssen. Der 77-jährige Journalist hat zwischen Dezember 2019
und Juli 2020 insgesamt 18 Interviews mit dem Präsidenten geführt. In den
Gesprächen macht Trump keinen Hehl daraus, dass er schon früh über die Gefahr
des Coronavirus im Bilde war. "Das ist ein tödliches Zeug", sagte der
Präsident am 7. Februar. "Du atmest die Luft, und so wird es übertragen.
Das ist sehr knifflig, sehr heikel. Es ist auch tödlicher als die Grippe."
[…..]
Tatsächlich erscheint es rätselhaft, warum sich Trump überhaupt zur
Mitarbeit an Woodwards Buch überreden ließ. Dessen erstes Werk
"Furcht" über die Ära Trump war für den Präsidenten alles andere als
schmeichelhaft. Ganz offenkundig hat Trump geglaubt, dass er seine Amtszeit in
ein besseres Licht rücken könne, wenn er mit Woodward persönlich rede. Wie so
viele Narzissten lebt Trump in der Annahme, dass er mit seinem Charisma jeden
um den Finger wickeln kann. […..]
(SPIEGEL, 12.09.2020)