Markus Söder wirkt derzeit tatkräftig; wie ein Unions-Retter auf Testosteron.
Der einzige C-Mann, von dem die Wähler den Eindruck haben, er hätte die Dinge im Griff. Söder ist ständig im Fernsehen, dominiert die Nachrichtelage und erklärt jedem wie fabelhaft er ist.
Das funktioniert beim Urnenpöbel. Schon halten sie Söder mit großem Abstand für den geeignetsten Kanzlerkandidaten.
Viel bedeutet das allerdings nicht. Vor einem Jahr war Jens Spahn in dieser Rolle. Der Corona-Voranprescher, der die Nachrichtenlage dominierte, zum beliebtesten Politiker Deutschlands avancierte und sich vermutlich halb totärgerte, daß er den Kampf um den CDU-Bundesvorsitz aufgegeben hatte und Laschet unterstützte.
Hätte er geahnt wie ungeheuer beliebt er noch werden würde, wäre er als Nr.1 des Tickets losgezogen, hätte sich Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur geholt.
Aber nur ein Jahr später fielen seine demoskopischen Traumzahlen in sich zusammen. Spahn ist nun Polit-Paria; das Sinnbild all dessen was in der Pandemie falsch läuft.
Beliebt wie Fußpilz. Daß Merkel die Minister Spahn und Scheuer als „Impf-taskforce“ einsetzte, sorgte sofort wie einen Satire-storm in den sozialen Medien.
Spahns Ansehen ist so sehr im Keller, daß er als Minister nun offiziell allgemein ausgelacht wird.
Wer kann schon sagen, ob es Markus
Söder nicht auch so ergeht in ein paar Monaten?
Kaum jemand hat so viele Leichen im Keller wie er; sein ganzes Leben ist CSU-Filz. Dabei
vertrat er bis vor ganz kurzer Zeit abscheuliche rechtspopulistische
Positionen, scharte korrupte Leute um sich.
Zudem ist er einfach kein netter Mann; selbst seine Fans fürchten ihn eher. Es ist legendär wie rabiat er schon jedem in der CSU vor das Schienbein trat.
[…..] Im Comic wäre er der Superschurke.
Unsere Autorin beobachtet und begleitet Markus Söder seit knapp zehn Jahren. Sie erlebt einen Mann ohne Prinzipien und Charisma, herrschsüchtig, aber erfolgreich. [….]
(Anna Clauß, Spon, 11.04.2021)
Söders persönliche Corona-Bilanz in Bayern ist schlecht. Aber er versteht es, anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben.
Das ist ohnehin seine Paradedisziplin. Von München aus, die eigene Bundesregierung anzuschwärzen und so zu tun, als hätte er mit den eigenen CSU-Bundesministern nichts zu tun.
In Bayern ist Söder absoluter Herrscher über Partei und Staat. Das ist ein machttaktischer Großerfolg, denn sein Vorgänger als allmächtiger CSU-Chef und Ministerpräsident hasste ihn wie die Pest, tat alles dafür Söder nicht zum starken Mann werden zu lassen.
Wieso sollte Söder also die bequeme Position als unumstrittener Gottkaiser Bayerns mit der sehr viel ungemütlichere Rolle als Kanzler einer Koalitionsregierung vertauschen, in der er nur der kleinste Parteichef wäre und zu allem Übel auch noch einen Konkurrenten sein geliebtes Amt als Ministerpräsident Bayern übernehmen lassen müsste?
Die Antwort auf diese Frage findet Roman Deininger, der CSU-Experte der SZ in einer simplen Metapher.
[…..] Ja, Markus Söder will - aber er will mehr mit dem Bauch als mit dem Kopf. Der Kopf sträubt sich noch, er weiß, welche Risiken einer Kandidatur anhaften würden, für Söder und die CSU. Risiken hat er stets gemieden. Wahrscheinlich verhält es sich mit Söder und der Macht wie mit dem Hund und der Wurst: Sobald die Wurst in Reichweite liegt, ist es keine freie Entscheidung mehr für den Hund." […..]
(Roman Deininger, SZ, 11.04.2021)
Daß der Bayern-MP dennoch so lange zögerte bis die CDUCSU in Umfragen total abgeschmiert war, liegt an seiner Selbstüberschätzung.
[….] Söder wollte, dass die CDU einen roten Teppich bis nach Nürnberg ausrollt und ihn untertänigst bittet, Kanzlerkandidat zu werden. Doch dazu ist es nicht gekommen. Nun hat Söder von sich aus seine Bereitschaft zur Kandidatur erklärt - erklären müssen. [….]
Söder war nicht schlau genug, um zu begreifen, daß die CDU diesen Kotau gar nicht vollziehen konnte.
Die große Unionsschwester würde niemals angesichts des AKK-Desasters wenige Wochen nach der Wahl Laschets zum Bundesvorsitzenden den zweiten Chef öffentlich so desavouieren und damit zugegeben, zwei Mal in Folge einen kapitalen Fehlgriff bei dem/der Bundesvorsitzenden/r getan zu haben.
Ein neuer Chef von 15 CDU-Landesverbänden, der sich nicht gegen einen CSU-Landesverband durchsetzen kann, könnte sich genauso gut die Worte „ich bin ein unfähiger Trottel“ auf die Stirn tätowieren lassen und den Posten als NRW-MP an die Opposition abgeben.
Wer zweimal nacheinander seine Vorsitzenden derart demütigt, ist kein Wählermagnet.
Man erinnere sich an AKKs Bettelgang nach Erfurt, als sie sich von dem Mini-Landesverband so in den Arsch treten ließ, daß sie anschließend weinerlich den Bettel hinwarf, da ohnehin niemand mehr auf die höre.
Natürlich sprechen sich heute CDU- Vorstand, CDU-Präsidium und JU klar für Laschet aus. Das hätte Söder wissen können, aber die Wurst lag nun mal da.
Eigentlich wollte Söder zurückziehen, wenn ihn die große Schwester nicht riefe.
Nachdem sie das heute wie erwartet nicht tat, wurde Söder, wie ebenfalls erwartet, wortbrüchig. Plötzlich will er die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur doch noch hinziehen und andere Faktoren berücksichtigen.
Er bringt seine gesamte Partei gegen die CDU in Stellung.
Als Sozialdemokrat sage ich artig ‚vielen Dank, Herr Söder. Bitte talibanisieren sie weiter die CDU/CSU-Fraktion fünf Monate vor der Bundestagswahl!‘
Man muss Wahlgeschenke auch einfach mal annehmen können.