Samstag, 10. Februar 2018

Molestieren

Vielleicht liegt es ja daran, daß ich keine Machtposition bekleide.
Seit ich vor Dekaden ein paar Semester einen erstaunlich gute bezahlten Job als Tutor an der Uni hatte und aufpassen musste, daß sich die kleinen Erstsemester nicht im Chemielabor in die Luft sprengen und sowas wie erste Kolloquien mit ihnen simulieren mußte, hatte ich nie mehr Untergebene.

Jetzt bin ich schon ewig selbstständig; habe aber keine Angestellten.
Daher kann ich keine Gefälligkeiten für Jobs einfordern.
Ich bin auch nicht so reich, daß jemand wegen meines Geldes Fellatio anböte.
Ganz traurig sieht es auch in meiner Partei aus. Ich bin nur einfache SPD-Karteileiche, die nie irgendein Parteiamt hatte. Auch da kann ich für sexuelle Angebote keine Pöstchen verteilen.
Kein Vergleich zu Typen, die als Besitzer und/oder Juroren von Miss-Wahlen zum Pussy-grabben durch die Damen-Umkleiden schlendern können.

Aber vielleicht liegt es nicht nur am Mangel an Gelegenheiten.
Ist mein Testosteronspiegel zu niedrig?
Ich verstehe das Konzept von Vergewaltigung gar nicht.
Jemand Gewalt antun und Sex schließt sich für mich aus.
Sexuelle Aktivitäten gegen den Willen eines anderen würden bei mir; ich entschuldige mich für diesen intimen Einblick; physisch gar nicht funktionieren und als Mann setzt aktive Vergewaltigung eine körperliche Erregung voraus.

Offenbar sind andere Männer diesbezüglich „leistungsfähiger“, wie beispielsweise  Massenvergewaltigungen in Kriegen beweisen. Da sind offenbar viele Männer in der Lage von eben auch jetzt angesichts von Elend und Verzweiflung, bei heulenden und schreienden Frauen kollektiv zu erigieren.

Oder habe ich durch die ostentative Beschäftigung mit der römisch-katholischen Kirche einfach Gefallen am freiwilligen Zölibat gefunden?

Es könnte auch an meiner Erziehung liegen.
Ich wuchs einerseits nicht prüde auf. Kinder und Erwachsene schwammen nackt. Das waren ja noch die vorprüden frühen 1970er, als Mann gern nahtlos braun wurde und das hüllenlose Schwimmen genoss. Ich verstehe gar nicht wie heutige Jugendliche das in diesen überknielangen Baggy-Shorts in Freibädern machen.
Das ist doch Mist. Erstens bremst der viele Stoff unter Wasser und zweitens läuft man anschließend ewig mit nassen Hosen rum. Das macht doch keinen Spaß.
Jedenfalls wußte ich als Kind schon lange bevor es mich interessierte wie Männer und Frauen untenrum aussahen, empfand dabei aber rein gar nichts, weil das weder tabuisiert noch thematisiert war.
Es wurde nicht gemunkelt, gemauschelt und aus Unkenntnis geschwängert, so wie es heute im amerikanischen Biblebelt passiert.
Mir wurde vorgelebt, wie Mann, Frau und Kind gewaltfrei und gleichberechtigt mit einander umgehen.
Man gab den Kleineren etwas ab, nahm Rücksicht auf die Schwächeren und bestimmte nicht nur deshalb, weil man stärker war.

Oder es ist auch nur rein zufällig mein angeborener Charakter, daß ich andere Menschen nicht sexuell belästige, daß ich niemand vergewaltige und auch privat keinen Locker-Room-Talk veranstalte.
Da ich nie Messdiener war, in keiner kirchlichen Umgebung aufwuchs und außerdem ein Mann bin, der zufällig auch noch außergewöhnlich groß ist, habe ich auch keine Erfahrung als Opfer sexueller Belästigungen.
Wehren musste ich mich nie, weil es nie so weit kam.

Ich verstehe allerdings auch nicht, wieso man in Ermangelung eigener aktiver oder passiver sexueller Molestierung nicht sensibel für das Thema sein könnte.
Natürlich empört es mich, wenn Männer Frauen diminuieren und mit Anzüglichkeiten überziehen.

Wie kann man nur so peinlich sein, wie die Macher des Deutschen Fernsehpreises in Köln?


Ich verstehe natürlich, daß Donald Trump ein widerlicher übergriffiger, übergewichtiger, überkompensierender Grabscher auf dem geistigen Stand eines Pavians ist.
Ich verstehe aber immer noch nicht richtig, wieso es im gesamten Weißen Haus, inklusive des angeblichen „Adult in the room“ General Kelly und Ivanka Trump niemand gibt, der es nach über einem Jahr brutaler Frauenfeindlichkeit des US-Präsidenten fertig bringt, dem Chef zu verklickern, daß man nicht kontinuierlich auf der Seite der Sexstraftäter sein kann und deren Opfer grundsätzlich ignoriert oder sogar beschimpft.
Nachdem der 19-fach der sexuellen Belästigung beschuldigte Trump für den Kindergrabscher Roy Moore eintrat, lobt er nun den in Schimpf und Schande gegangenen Staatssekretär Rob Porter, der seine beiden Ex-Frauen verprügelt und vergewaltigt hatte.
Seine Vorgesetzten, insbesondere Stabschef Kelly wußten seit Monaten Bescheid.
Aber macht ja nichts.

[….]  Nun steht der 67-Jährige selbst im Zentrum der Aufmerksamkeit - und in der Kritik. Zunächst sorgte es für Verwunderung, dass Ex-General Kelly in einem ersten Statement Porter als "Mann von echter Integrität und Ehre" bezeichnet hatte, über den "ich nicht genug gute Dinge sagen kann". Als dann das Foto von Porters Ex-Frau mit dem blauen Auge auftauchte, musste sich Kelly korrigieren und erklärte, er habe die Vorwürfe nicht "im vollen Umfang" gekannt. Er sei "schockiert" und betonte, dass es für häusliche Gewalt in der Gesellschaft keinen Platz geben dürfe.
Für Geraune sorgt zudem, dass Porter und die Trump-Vertraute Hope Hicks ein Paar sein sollen und turtelnd in Washington gesehen wurden. Hicks ist die Kommunikationsdirektorin des Weißen Hauses und in ihrer Abteilung waren einige Wendungen zu beobachten. Hatte Sprecherin Sarah Huckabee Sanders zunächst von einer "Schmierenkampagne" gesprochen, so musste ihr Stellvertreter am Donnerstag zugeben, dass viele im Weißen Haus in den vergangenen Tagen "besser hätten arbeiten" können.
Noch brisanter für Kelly sind Medienberichte, wonach der Stabschef seit Monaten darüber informiert war, dass die Sicherheitsüberprüfung von Rob Porter durch das FBI immer noch andauerte. Gleiches gilt für Don McGahn, den offiziellen Rechtsberater im Weißen Haus. [….]Der Republikaner David Frum, ein ehemaliger Redenschreiber von George W. Bush, vertritt im Atlantic eine eigene Theorie, warum der Vorwurf der häuslichen Gewalt im Weißen Haus nicht als "disqualifizierend" angesehen wurde. Sowohl Ex-Chefberater Stephen Bannon als auch der frühere Wahlkampfchef Corey Lewandowski mussten sich vor Gericht verantworten, weil ihnen Gewalt gegen Frauen vorgeworfen wurde.
Und natürlich erinnert Frum, der Autor des kritischen Buches "Trumpocracy", seine Leser nicht nur an die "Grab them by the pussy"-Aussagen des heutigen Präsidenten aus dem Jahr 2005. Er weist auch darauf hin, dass Donald Trumps erste Ehefrau Ivana in den Neunziger Jahren ihrem Ex-Mann vorwarf, sie zum Sex gezwungen zu haben. Mittlerweile vertritt Ivana Trump diese Vorwürfe nicht mehr. [….]

Frauen vergewaltigen und prügeln ist für Trump kein Ausschlußkriterium.
Im Gegenteil. Er mag offensichtlich solche Mitarbeiter.
Er bedauert nur, wenn es veröffentlicht wird. Bedauert den Täter, der seinen Job verliert.
Porters Opfer erwähnte Trump mit keinem Wort.



NACHTRAG:

Februar 2018

Kann man sich nicht ausdenken: Trump beklagt Vorverurteilungen und springt noch mal für die Täter in die Bresche:

[……] Zuvor waren innerhalb weniger Tage der Stabssekretär Rob Porter und der Redenschreiber David Sorensen zurückgetreten. Beide werden von ihren Ex-Frauen der Gewalt bezichtigt.
Trump äußerte sich in allgemeiner Form zu den Vorwürfen: "Manche sind wahr und manche falsch. Manche sind alt und manche sind neu", schrieb er. Es gebe "keine Erholung für jemanden, der fälschlicherweise beschuldigt wurde - das Leben und die Karriere sind dahin", warnte der US-Präsident in seinem Tweet. "Gibt es so etwas wie Rechtsstaatlichkeit nicht mehr?"
Die Äußerung löste nicht nur bei Trumps politischen Gegnern Kritik aus. Auch mehrere Republikaner wie der Abgeordnete Charles Dent mahnten den Präsidenten, "an die Opfer zu denken". Die Demokratin Jackie Speier, eine Wortführerin im Kampf gegen sexuelle Belästigung im US-Kongress, sagte der "Washington Post", ihr habe sich der Magen umgedreht, als sie den Tweet gesehen habe. [….]