Glück im Unglück für Jens Spahn:
In seiner Bundestagsfraktion wird gerade so deftig debakuliert, daß sein Generalversagen in den Hintergrund gerät. Fast.
Seine Rolle inmitten all des deutschen Versagens ist aber so zentral, daß er dem kritischen Blick der Hauptstadtpresse nicht entkommt.
[…..] Eigentlich sollte Jens Spahn hier gar nicht mehr sitzen, in diesem Ministerbüro in der Berliner Friedrichstraße. Nein, nicht wegen des ganzen Ärgers, den der Gesundheitsminister gerade am Hals hat, das Impfen, das Testen, der Maskenskandal und dann noch dieses Spenden-Dinner kurz vor dem Lockdown. Sondern weil sein Ministerium eigentlich längst hätte umziehen wollen. Der neue Dienstsitz, nicht weit weg vom Brandenburger Tor, ist aber nicht pünktlich fertig geworden. Spahn setzt sich an den Besprechungstisch in seinem Büro. Hinter ihm sieht man durchs offene Fenster den Fernsehturm in der Sonne glänzen. Der Minister schaut freundlich, schlägt die Beine übereinander und sagt auf die Frage, wie es ihm so gehe: "Alles in allem ganz okay."[….] Es sieht so aus, als habe den talentierten Herrn Spahn der politische Instinkt verlassen, der ihn zuvor so verlässlich nach oben gebracht hatte. Hinter ihm liegt eine Pannenserie, die diesem Profi kaum einer zugetraut hätte. Am allerwenigsten wohl er sich selbst. Ein führender Christdemokrat fasst das Dilemma nicht ohne Mitleid so zusammen: "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß." […..]
Dabei konzentriert sich die schlechte Presse nur auf die Themenfelder Corona und private Immobiliendeals.
Wenn man weiter gräbt und nach seinen Taten als Gesundheitsminister fragt, sieht das Bild noch übler aus.
Spahns Glaubwürdigkeit bewegt sich irgendwo zwischen Pinocchio und Trump.
(…..) Sachpolitik simuliert er aber nur; die meisten seiner Ideen und Vorhaben werden ohnehin nie umgesetzt. Die betroffenen Bürger haben also rein gar nichts davon. Aber das ist auch unnötig, da Spahns Ministeramt ohnehin nur der Befriedigung seiner Eitelkeit dient, ihm Bekanntheit verschaffen und so für höhere Aufgaben empfehlen soll. Seine in der rechten Presse gefeierten Bemühungen für die 3,4 Millionen Pflegebedürftigen nutzt den Betroffenen also rein gar nichts
Kranke Menschen sind dem Gesundheitsminister, der erfrischend ehrlich sagt, er habe auch keine Lust seine eigenen Eltern zu pflegen, vollkommen egal.
(….) Und eins muss man sagen, Spahn schafft was weg (Merkel): Ein gutes Jahr nach seiner Ankündigung bundesweit 13.000 zusätzliche Pfleger einzustellen (gebraucht werden mindestens 50.000 Zusätzliche), hat er bundesweit schon fast 300 Neueinstellungen geschafft! Yippie, wenn das in dem Tempo weitergeht, sind die 13.000 Stellen in etwa 43 Jahren, also 2062 besetzt. Die 50.000 benötigten Kräfte wären dann im Jahr 2186 einsatzbereit. (….)
(Geld oder berufliches Ansehen, 31.08.2019)
(Realistische Kosten, 22.11.2019)
Wie sich heute herausstellt, war meine Prognose aus dem August 2019 – genügend Pflegekräfte bis zum Jahr 2186 – deutlich zu optimistisch.
Fälschlicherweise war ich von immerhin überhaupt steigenden Mitarbeiterzahlen im Pflegebereich ausgegangen. Mit seiner Underperformance unterbietet Spahn aber nun dieses desaströse Szenario.
Tatsächlich sind zwischen Anfang April und Ende Juli 2020 sagenhafte 9.000 Pfleger weniger tätig. Spahn verbessert also nicht nur die katastrophalen Versorgungsengpässe in der Pflege nicht nur nicht, sondern verschlimmert die Lage massiv.
[…..] In der Corona-Pandemie hat Deutschland Medienberichten zufolge Tausende Pflegekräfte in Krankenhäusern und in der Altenpflege verloren. Die Zahl der Pflegebeschäftigten ging zwischen Anfang April und Ende Juli 2020 um mehr als 9.000 zurück, wie eine Datenabfrage der Linken-Bundestagsfraktion bei der der Bundesagentur für Arbeit ergab. Dies sei ein Rückgang um 0,5 Prozent. Insgesamt waren den Daten zufolge in Deutschland zuletzt rund 1,8 Millionen Menschen in der Pflege tätig. […..] Besonders von dem jüngsten Rückgang betroffen sei die Krankenpflege in den Kliniken, hieß es. Das Minus bei den Beschäftigtenzahlen habe hier in der ersten Hochphase der Corona-Krise bei 5.124 gelegen. […..] In der Altenpflege sei die Zahl der Beschäftigten im Zeitraum von Anfang April bis Ende Juli um 3.885 zurückgegangen. Nach Angaben der Bundesagentur seien alle 16 Bundesländer betroffen. […..]
Das muss man auch erst mal schaffen. Großspurig 13.000 neue Pfleger versprechen, obwohl das viel zu wenig ist und dann nicht nur nicht mal wenigstens die paar zu liefern, sondern sogar 9.000 Stellen zu verlieren.
Es ist eine dramatische Abwärtsspirale. Seit Jahren tanzen die Pfleger am Rande des Burnouts.
Nun kommt erhebliche Mehrarbeit durch die Corona-Hygienemaßnahmen hinzu.
In einer Pflegeeinrichtung für demente konnten vor Corona die Bewohner in einen Raum gebracht werden, in dem sie unter der Aufsicht einer Pflegeperson gemeinsam aßen. Nun sind alle dazu verdammt allein in ihren Zimmern zu essen; jedem müssen die Mahlzeiten einzeln gebracht werden. Diejenigen, die nicht von allein genügen essen oder trinken, müssen nun alle einzeln nacheinander beim Essen betreut werden.
Die Arbeit vermehrt sich also massiv und nun müssen die Beschäftigten auch noch das Pensum ihrer 9.000 ausgestiegenen Kollegen mitmachen. Die Arbeitsbedingungen werden immer unerträglicher, wodurch noch mehr frühzeitig kündigen werden.
Ein schweres Versagen des Gesundheitsministers, der schon allein dafür zurücktreten müsste. Aber Spahn versagt auf so breiter Front, daß das Thema Pflegekräfte gar nicht mehr in die Nachrichten vordringt.
[…..] Die pflegepolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Pia Zimmermann, machte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für diese Entwicklung verantwortlich und warf der Regierung vor, die Lage durch eine verfehlte finanzielle Ausgestaltung der Kranken- und Pflegeversicherung zu verschärfen. "Zusätzliche und deutlich besser entlohnte Pflegekräfte werden sofort gebraucht." Hierzu müssten bislang privat versicherte Spitzenverdiener "auf alle ihre Einkünfte einheitlich und solidarisch Beiträge entrichten". […..]
CDU – bitte nicht mehr wiederwählen am Sonntag bei den Landtagswahlen in Mainz und Stuttgart.