Du bist dir nur des einen Triebs bewußt,
O lerne nie den andern kennen!
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
O gibt es Geister in der Luft,
Die zwischen Erd und Himmel herrschend weben
So steiget nieder aus dem goldnen Duft
Und führt mich weg zu neuem, buntem Leben!
Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein,
Und trüg er mich in fremde Länder!
Mir sollt er um die köstlichsten Gewänder,
Nicht feil um einen Königsmantel sein.
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
O gibt es Geister in der Luft,
Die zwischen Erd und Himmel herrschend weben
So steiget nieder aus dem goldnen Duft
Und führt mich weg zu neuem, buntem Leben!
Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein,
Und trüg er mich in fremde Länder!
Mir sollt er um die köstlichsten Gewänder,
Nicht feil um einen Königsmantel sein.
(Faust I)
Ein politischer Kompromiss ist nicht sexy, weil er in der
aufgeheizten Welt der sozialen Medien von den Anhängern der eigenen Partei als „Einknicken“
missverstanden wird.
Einer, der Kompromisse mit dem Gegner macht, gilt als
Weichling, als rückgratlos und schnöder Realpolitiker.
Wer in Koalitionen geht, Lösungen auslotet, mit Blödmännern
an einem Tisch sitzt, wird inzwischen geradezu verachtet.
Populärer sind die harten Knochen, die auf Maximalforderungen
bestehen. Das sind die, die nicht einknicken und von der Presse gefeiert
werden.
Deswegen schlagen auch so viele auf den Tisch, lassen sich
für ihre Unversöhnlichkeit feiern.
Wohin das führt sehen wir im britischen Parlament.
Das House of Commons existiert seit über 300 Jahren und wird
2019 von dickköpfigen Hardlinern gegen die Wand gefahren, weil die sich darin
gefallen möglichst kompromisslos zu sein.
Verrückt, aber Kompromisslosigkeit wird als Stärke missverstanden.
Dabei ist es genau umgekehrt: Stark und mutig ist es
politischen Gegnern zum Wohle des Ganzen etwas zu geben, mit solchen
Widerlingen wie den GOPern oder CSUlern an einem Tisch zu sitzen – wohlwissend,
daß man dafür zu Hause von der eigenen Parteibasis gesteinigt wird.
Es ist verdammt schwer etwas abzugeben, das man nicht
abgeben will, etwas aufzugeben, das essentiell ist.
Ein Kompromiss, der einem nicht richtig wehtut, weil man
sich nur auf Gegenforderungen einlässt, die einem unwichtig sind, ist ein
Fauler.
Gute Kompromisse bringen nicht nur frisch aufgerissene
Wunden, sondern es muss auch Salz hineingestreut werden, um zu verdeutlichen
was man bereit ist zu geben.
Angela Merkel besitzt durchaus die Fähigkeit nachzugeben. So
entstehen die vielen Last-minute-Gipfelkompromisse, für die sie berühmt ist.
Sie ist aber nicht stark genug für die Salz-Prozedur und
flüchtet sich ins Schwammige.
Dann passiert so etwas wie das jetzt schon berüchtigte
geheime Zusatzabkommen zum just in Aachen erneuerten deutsch-französischen
Freundschaftsvertrag.
[…..] Deutschland und Frankreich bündeln mit ambitioniertem Vertrag Kräfte
und leisten Bekenntnis zu einem starken und souveränen Europa.
Das Bundeskabinett hat am 9.1. seine Zustimmung zur Unterzeichnung des
Vertrages zwischen Deutschland und Frankreich über Zusammenarbeit und
Integration gegeben. Der Aachener Vertrag wird am 22.1.2019 von Bundeskanzlerin
Merkel und Präsident Macron in Aachen unterzeichnet. Der neue Vertrag wird den
Elysée-Vertrag von 1963 nicht ablösen, sondern fortschreiben. [….]
In der nicht veröffentlichten Zusatzvereinbarung geht es um
Rüstungsexporte.
Frankreich exportiert traditionell skrupellos, Deutschland
etwas skrupulöser.
Bei gemeinsamen Rüstungsprojekten, soll der jeweils eine
Staat dem Anderen nicht verbieten dürfen zu exportieren. (Es handelt sich
konkret um Panzer und Kampfflugzeuge.)
Keine Exportbeschränkungen mehr für deutschfranzösische
Panzer nach Saudi-Arabien? Da wollte die SPD nicht mitmachen, also führte man
eine weitere Verschwurbelung ein, die zustimmungsfähig ist, weil sie vage und
unklar ist.
[…..] Das Merkel-Macron-Abkommen sieht vor, dass die Regierungen bei
Gemeinschaftsprojekten grundsätzlich keine Einwände gegen ihre jeweiligen
Exporte erheben werden. »Die Parteien werden sich nicht gegen einen
Transfer oder Export in Drittländer stellen«, heißt es unter Ziffer eins
des zweiseitigen Dokuments, »es sei denn in Ausnahmefällen, wenn ihre
direkten Interessen oder nationale Sicherheit gefährdet sind.« […..]
»direkte Interessen« lässt allerdings
auch Interpretationsspielraum für ein deutsches Veto.
Was passiert, wenn man sich nicht einig wird? Da bleibt das Abkommen
mehr als wolkig[…..] Eine engere
deutsch-französische Zusammenarbeit biete die Chance, Europa souveräner
zu machen, sagt Staatsminister Roth. »Aber dafür werden auch wir Deutsche
Kompromisse eingehen müssen. Europe United kann ja nicht heißen, dass
jeder nationale Beschluss automatisch eins zu eins umgesetzt wird[…..]
Strittig dabei ist, wie viel Freiheit
Frankreich für die spätere weltweite Vermarktung der Waffen bekommt. […..]
Das
deutsch-französische Geheimabkommen dürfte den Konflikt zwischen
beiden Ländern in Rüstungsexportfragen allerdings bei Weitem nicht beseitigen.
Dafür sind die Formulierungen zu schwammig. Exemplarisch zeigt sich
das in der Passage, die jene Rüstungsgeschäfte betrifft, wo etwa eine
deutsche Firma einer französischen ein Bauteil liefert und das fertige
Produkt dann in ein umstrittenes Drittland gehen soll. Da sichern sich
Deutschland und Frankreich das »De-minimis-Prinzip« zu: Solange der Wert
dieses Bauteiles »unter einem bestimmten Prozentsatz« bleibe, dürfe
Deutschland oder Frankreich die Lieferung des Bauteils nicht untersagen.
Dieser Prozentsatz müsse »gemeinsam vorher festgelegt« werden – wurde
er aber bisher nicht. […..]
(DER SPIEGEL, 16.02.2019)
In dieser Angelegenheit weiß ich nicht wie ich entscheiden
würde.
Die Überschrift der SZ von heute lautet: „Merkel will
Rüstungsexporte erleichtern!“
Das spricht gegen alle meine Prinzipien.
Mehr Waffen für Krisengebiete, während Millionen Menschen
aus Bürgerkriegen fliehen?
Wenn man so eine Überschrift liest, meint man, es handele sich um einen Schildbürgerstreich.
Wenn man so eine Überschrift liest, meint man, es handele sich um einen Schildbürgerstreich.
Es ist eins meiner essentiellsten politischen Ziele keine
deutschen Waffen in Krisengebiete zu verschiffen. Ja, dabei spielt auch die
deutsche Geschichte eine Rolle.
Mir ist aber genauso wichtig, daß sich Europa zusammenrauft.
Noch wichtiger ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich.
Noch wichtiger als wichtig im Angesicht der
Brexit-Fanatiker, der EU-Zentrifugalkräfte und des Trumpschen Angriffs aus
Europa.
Noch wichtiger als wichtig sind Zugeständnisse an Frankreich
deswegen, weil Deutschland den französischen Präsidenten seit einem Jahr
schmählich im Stich lässt und damit womöglich Europa um seine letzte Chance
bringt.
Schon sinkt Macrons Stern und die grauslich
braune-Le-Pen-Gefahr steigt wieder auf.
Was nützt es meiner sozialdemokratisch-pazifistischen Seele,
wenn sie auf Waffenexportstopp besteht, daran letztendlich die gesamte EU
Kollabiert und dann gar keine ethischen Exportregeln mehr gelten?
Mehr Waffen exportieren, um anschließend weniger Waffen zu
exportieren?
Ich bin dafür den Waffenexport radikal einzuschränken und gleichzeitig dafür Waffenexporte zu erleichtern (wenn das die letzte Möglichkeit ist, um die EU und das deutsch-französische Verhältnis zu retten.)
Eine OK der SPD zu mehr gemeinsamen Waffenexporten könnte
also richtig sein, um die EU zu schützen und gleichzeitig falsch sein, weil es
die SPD zerreißen könnte und damit die wichtigsten EU-Freunde aus der deutschen
Bundesregierung verschwänden.
Das wird sehr schmerzhaft.
Leicht haben es nur die Hardliner beider Seiten. Die
CDU/CSUler, die ohnehin keine moralischen Bedenken bei Rüstungsexporten haben
und gern Parteispenden von Waffenproduzenten nehmen.
Und die ganz Linken, die kompromisslos „nein“ sagen, ohne
sich mit den realpolitischen Konsequenzen eines schwer belasteten deutsch-französischen
Verhältnisses herumzuplagen.