Dieser moderige Eingang mit der rostigen Eisentür übte eine magische Anziehungskraft auf mich aus. Ich war im Vorschul- und Grundschulalter zwar nicht der mutigste kleine Junge und durchaus artig, aber auch ich spürte den Reiz des Verbotenen.
Meine Mutter hatte angesichts der vielen kleinen Teiche in der unmittelbaren Umgebung des Hauses meiner Oma das einzig Richtige getan und mich, kaum daß ich laufen konnte, in eine Schwimmschule gesteckt.
Wasser war mein Element, aber diese Teiche waren tief und gruselig. Da gehst Du nicht allein hin, wurde mir eingeschärft.
Aber dieser Erdbunker, eingebettet in einen kleinen Hügel, war mit dem Attribut „Weltkrieg“ verbunden. Das wollte ich schon wissen, wie es darin aussah.
Meine Tante und meine Oma mochten das Ding nicht. Nur der Gärtner hatte die Gerätschaften, um die schwere Tür aufzubekommen.
Als er mir eines Tages doch das Innere zeigte, begriff ich vermutlich immer noch nicht die Todesgefahr des Hamburgs von 1943/44, aber daß meine Oma in dem Loch sitzen musste, schockierte mich. Sie tat mir so leid.
Meine Tante erzählte mir wie sie bei einem Bombenalarm eines Nachts einfach keine Lust mehr hatte aufzuspringen und im dunklen zum Bunker herunter zu laufen. Sie blieb einfach im Bett liegen. Dann geschah es; tatsächlich schlug eine verirrte Splitterbombe, die vermutlich eigentlich den etwa 800m entfernten S-Bahnhof treffen sollte, im Garten ein. Einige Schrapnell-Teile ließen das Fenster platzen und ein Bombensplitter landete direkt zu Füßen meiner Tante im Bett.
Das konnte ich als kleines Kind einfach nicht verstehen. War sie verrückt geworden?
Es gab Fliegeralarm, sie wurden rechtzeitig gewarnt, der
sichere Erdbunker war nur eine knappe Minute zu Fuß entfernt und sie blieb
einfach im Bett sitzen?
Warum? Sie war damals schon erwachsen, sogar frisch verheiratet. Waren
Erwachsene nicht grundsätzlich vernünftig?
Aber das Leben im Krieg war mühsam. Hamburg wurde dermaßen viel bombardiert und derartig zerstört, daß man sich selbst an Todesgefahr offensichtlich gewöhnte.
Zumindest meine Tante, die kein ängstlicher Typ war. Fliegeralarm gab es oft mehrfach in der Nacht; jedes Mal musste mal losrennen, sich in Sicherheit bringen. Offensichtlich ist es eine verbreitete menschliche Schwäche nicht immer konsequent sein zu können.
Mal lässt man den Abwasch doch bis zum nächsten Tag stehen, mal steigt man mit ein paar Bier zu viel hinter das Steuer, weil es ja auch nur eine kurze Strecke ist, mal ignoriert man beim Sex das Verhütungsmittel, mal bleibt man beim Bombenalarm einfach im Schlafzimmer sitzen und mal denkt man sich mitten in der Pandemie „scheiß auf die Maske“.
Als Single und Sozialphobiker bin ich wie gemacht für die allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln.
Ich trachte ohnehin nie danach mich mit anderen Menschen zu treffen, mag keine Körperkontakte, esse stets allein und hatte schon lange bevor ich den Begriff „Sars-CoV2“ kannte, stets ein Sterilum-Fläschchen in der Jackentasche und im Auto.
Durch den Umgang mit MRSA in Krankenhäusern ist es mir in Fleisch und Blut übergegangen keine Türklinken, Lichtschalter oder Einkaufswagen mit bloßen Fingern anzufassen. Vor der Tickettaste in Parkhäusern grusele ich mich seit vielen Jahren und drücke sie mit Handschuhen oder einem Papiertaschentuch.
Wenn ich nach Hause komme, schließe ich die Tür des Mietshauses so auf, daß nur mein Schlüssel das Schloß berührt, stoße die Tür mit der Schulter auf und drücke den Lichtschalter durch ein Stück Sakko-Stoff. Ganz bestimmt fasse ich das Treppengeländer nicht an; es sei denn, daß ich Handschuhe trage.
Derzeit werde ich wöchentlich auf Corona getestet, weil ich sonst gar nicht in das Pflegeheim käme.
Die Sicherheitsmaßnahmen entspannen sich aber ein bißchen. Der Teil des Hauses, den ich besuche, liegt ohnehin etwas isoliert. Dort haben die Bewohner eigene Apartments und bis auf zwei Ausnahmen sind auch alle mit zwei Biontech-Pieksen versorgt.
Vor zwei Wochen sagte man mir, ich könne auch mal so durchschlüpfen; ich begegnete doch ohnehin keinen anderen Patienten, halte Abstand und trage die FFP2-Maske.
Das verlockt. Verlockte mich sehr. Ich war müde, wurde erwartet und hatte wenig Lust in den Testräumen anzustehen, mir Wattestäbchen in den Kopf stecken zu lassen und noch mal 20 Minuten zu warten.
Aber das geht eben nicht. Es ist genau wie bei meiner Tante 1943; einmal darauf verzichten umständlich zum Bunker zu rennen und schon kann man von Metallsplittern durchschlagen werden.
Eine Corona-Infektion ist auf gewisse Weise sogar noch perfider, da ich mich aufgrund meines Alter weniger selbst gefährde, aber womöglich anderen den Tod bringe.
Es ist eher mit dem betrunken Autofahren zu vergleichen; moralisch vertretbar wäre es gerade noch, wenn man sich nur selbst gefährdet. Aber wie schon CSU-Minister Wiesheu zeigte, sind Autos mit einem betrunkenen Fahrer tödliche Waffen, die völlig Unschuldige töten.
Es hilft alles nichts, und wenn es noch so sehr nervt: Masken tragen, Hände desinfizieren, testen lassen.
Das gilt für jeden, das gilt noch mehr für die, die mit vulnerablen Menschen Umgang haben und das gilt insbesondere für Menschen mit Vorbildfunktionen.
Daher ist es keine Petitesse und zutiefst verwerflich, wenn sich ein ganzes CDU-Parteitag nicht an die Hygieneregeln hält. 100 Delegierte trafen sich ohne Masken in Sachsen-Anhalt und zeigten dem gemeinen Volk, daß Regeln immer nur für die anderen da sind.
[…..] Am Wochenende kamen in Dessau hundert Delegierte der CDU zu ihrem Landesparteitag zusammen und wählten Regierungschef Reiner Haseloff (67) zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. […..] Zur Erinnerung: Am 10. Februar hatten die Ministerpräsidenten und das Kanzleramt beschlossen, dass die Normal-Bürger selbst Besuche bei Verwandten „zu unterlassen“ hätten. Der Inzidenzwert in Dessau liegt derzeit bei 85 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Restaurants, Kinos und der Einzelhandel müssen dicht bleiben. […..] Die Kritik folgte prompt: „Maximal unsensibel und eine intellektuelle Zumutung“, kritisiert Bundestags- und FDP-Vize Wolfgang Kubicki (68). […..] Auch der SPD-Rechtsexperte Florian Post (39) empört sich über die „Doppelmoral“ der Partei. „Anderswo machen Schulen, Kinos, Kneipen nicht mal bei Inzidenz 35 auf. Aber die CDU tagt selbst beim Inzidenz-Wert 85 ohne Maske und Abstand. So verspielt Politik jede Glaubwürdigkeit.“ [….]
Shame on
you, Ost-CDU!
Keine Stimme für die AfD-Freunde von der C-Partei!