Nichts liebt der alte rechte weiße Mann von der Förde mehr, als mediale Aufmerksamkeit. Daher gefällt sich Wolfgang Kubicki seit Jahrzehnten als der Politiker mit dem losesten Mundwerk. Bei ihm bekommen Pressevertreter mit der größten Wahrscheinlichkeit einen Verbal-Tiefschlag geliefert, mit dem sie es in die Schlagzeilen schaffen. Es gibt keinen deutschen Landes- oder Bundesminister, oder Parteipromi, den Kubicki noch nicht zum Rücktritt aufgefordert hätte.
Selbstredend sind seine eigenen Skandale, wie die Karibicki-Kreuzfahrt, Vizekanzler Habeck mit Putin vergleichen, horrende Nebenverdienste, dubiose Verträge, bei denen er Millionen Euro abzockte, wüste Beleidigungen, oder das Befummeln weiblicher Parteifreunde, niemals Grund zum Rücktritt.
Und so zündet der hepatitisgelbe Taliban immer weiter; eine Verbal-Granate nach der nächsten. Als sich FDP-Rechtsaußen Kemmerich mit dem Nazi Bernd Höcke verbündete und sich von einer faschistisch-gelben Front zum Ministerpräsident wählen ließ, war Kubicki begeistert.
[….] Der Handschlag am 5. Februar 2020 zwischen ihm und dem rechtsextremen AfD-Politiker Björn Höcke ist ein Bild, das in die Geschichte der Bundesrepublik eingegangen ist: Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte Kemmerichs Wahl mit AfD-Stimmen „unverzeihlich“. FDP-Vize Wolfgang Kubicki gratulierte zunächst, das sei „ein großartiger Erfolg“ [….]
Politrüpel Kubicki, 71, bleibt dabei unerschütterlich und vor allem grundlos, sein eigener größter Fan.
Im Kubickiversum gibt es keine schlimmere denkbare Strafe, als von Sonnenkönig Wolfgang ignoriert zu werden. Obwohl er kein reiner Privatmensch oder Parteipolitiker, sondern Vizepräsident des Verfassungsorgans ist, verteilt er nach dem Vorbild des Protodiktators Höcke als Höchststrafe einen Pressebann, wenn der Tatbestand der Majästätkubicki-Beleidigung erfüllt ist. Kritik teil Kubicki gern aus; ihn darf man aber niemals kritisieren.
[….] In der Regel dauert der Bann nicht lang. Im Fall von Wolfgang Kubicki ist das anders. Im Mai schrieb der stellvertretende FDP-Vorsitzende eine Mail an die Chefredaktion und beklagte sich über den Bericht eines Kollegen. Es ging um die ehemalige Pornodarstellerin Annina Semmelhaack , die in die FDP eingetreten war und, bevor sie aktiv wurde, zuvor mit Kubicki darüber gesprochen hatte. [….] Man kann sicher einräumen, dass der Vorspann zugespitzt formuliert war. Es tritt allerdings auch nicht jeden Tag eine ehemalige Pornodarstellerin in die FDP ein. Der Text selbst liest sich eher nüchtern. Kubicki aber beschwerte sich schriftlich und verkündete, dass er ab sofort mit dem gesamten SPIEGEL nicht mehr reden wolle. Ein Gesprächsangebot der Chefredaktion lehnte Kubicki ab, [….] Als Kubicki uns dann im November wissen ließ, dass sein SPIEGEL-Bann am 31. Dezember ende, freuten wir uns, [….]
Doch bevor er den Bann brechen konnte, wurde der Bundestagsvizepräsident zu einer Talkrunde auf ein Kreuzfahrtschiff in die Karibik eingeladen. Dort forderte er mal nebenbei den Rücktritt von Robert-kann-sich-gehackt-legen-Habeck. Wir berichteten darüber, ließen Kubicki ausführlich zu Wort kommen, stellten aber auch ein paar unangenehme Fragen. Im Kern stand die Frage, ob der Auftritt Kubickis eine angemessene Gegenleistung für die kostenlose sechstägige Kreuzfahrt für ihn und seine Frau im Sinne des Abgeordnetengesetzes ist. Kubicki ließ uns daraufhin wissen, dass er den Bann gegen den SPIEGEL doch nicht zum 31.12. beenden werde. [….]
(Christoph Schult, aus DER SPIEGEL 1/2024, s.16)