Al Jazeera ist eine für absolutistische Arabische Emirate
extrem beeindruckende Oase
der Pressefreiheit.
Der 1996 in Katar gegründete Sender entwickelte sich zu
einem weltweiten Netzwerk, das seit 2006 auch in Englisch die Welt mit Nachrichten versorgt.
Es wird gestritten, diskutiert und viele Frauen, auch Unverschleierte
arbeiten als Journalisten in den vier Funkhäusern Doha, Kuala Lumpur, London
und Washington, D.C., berichten aus 65 Ländern.
Man kann nur staunen wie viel Pluralismus der
Sendereigentümer und das Katarisches Staatsoberhaupt Hamad bin Chalifa Al Thani
(1995-2013, dankte zugunsten seines Sohnes Tamim bin Hamad Al Thani ab)
zulässt.
Al Jazeera-Journalisten berichten so freimütig, daß Ägypten,
Bahrain, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, der Jemen, Libyen,
die Malediven und Mauritius die Sendelizenzen zurückzogen, die Website
blockierten und sogar die diplomatischen Beziehungen zu Katar abbrachen.
Das sind offenbar die Folgen von arabischer Pressefreiheit.
In Katar bedeutet Pressefreiheit kritisch über alles
berichten zu dürfen. Naja, fast alles. Der Herrscher-Klan Al Thani und seine
Politik sind absolut tabu. Kein Al Jazeera-Journalist würde je wagen eine
negative Meinung über die Scheichs auszusprechen.
Für autokratische Herrscher ist so eine Form der
Pressefreiheit eine feine Sache.
Während in Polen und Ungarn die öffentlichen Medien radikal
auf Kurs gebracht wurden und alle Kritiker der erzkonservativen Regierungen
ihre Jobs verloren, geht es in Russland etwas subtiler zu.
Viele Medien gehören dem Staat oder werden von Putin-affinen
Oligarchen gesteuert. Andere dürfen durchaus private Medien
gründen/besitzen/betreiben.
Aber dann bitte regierungstreu. Putin zu kritisieren empfiehlt sich nicht mehr.
Aber dann bitte regierungstreu. Putin zu kritisieren empfiehlt sich nicht mehr.
Und das ist noch Gold gegen das Wirtschaftswunderland China,
das wir alle so bewundern und dem alle westlichen Politiker mit Wonne in den
Hintern kriechen.
Dort ist gar nicht dran zu denken auch nur leiseste Kritik
an der Staatsführung zu äußern, sonst ist sofort die Rübe ab.
Und zwar nicht umständlich mit Prozess und Öffentlichkeit,
sondern dann verschwindet man einfach. Niemand weiß wie viele Todesurteile
jährlich in China vollstreckt werden.
Einige NGOs schätzen, daß im Reiche Xis, des Präsidenten auf
Lebenszeit bis zu 10.000 Regimekritiker jedes Jahr abgemurxt werden.
Donald Trump bewundert das unverhohlen, wäre auch gern
Präsident auf Lebenszeit, ohne die lästigen Wahlen.
Was er von freier Presse hält, ist hinlänglich bekannt. Ungeniert
fordert er Journalisten, die ihn kritisieren zum Schweigen zu bringen, schränkt
die Öffentlichkeitsarbeit seiner Regierung radikal ein und wirft Journalisten,
die kritisch fragen einfach raus.
CNN abschalten und stattdessen einen regierungseigenen
Newssender gründen, der nur noch FOX-artig Trump lobt.
US-Journalisten bekommen keinen Zugang mehr zu ihrer eigenen
Regierung, aber sie dürfen immerhin noch berichten, werden von
Trump-unabhängigen Medienhäusern eingestellt und bezahlt.
[…..] Anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit am 3. Mai
erinnert Reporter ohne Grenzen (ROG) insbesondere an das Schicksal der
Journalistinnen und Journalisten in der Türkei. Immer noch sitzen dort mehr als
100 Medienschaffende im Gefängnis, zahlreiche Reporterinnen und Reporter stehen
wegen absurder Terrorvorwürfe vor Gericht. Dem langjährigen
ROG-Türkei-Korrespondenten Erol Önderoglu etwa drohen wegen angeblicher
Terrorpropaganda bis zu vierzehneinhalb Jahre Haft. Ein Urteil könnte Mitte
Juli fallen. Vergangene Woche mussten sechs ehemalige Mitarbeiter der Zeitung
Cumhuriyet zurück ins Gefängnis, nachdem sie im Berufungsverfahren gescheitert
sind. Sie saßen bereits viele Monate in Untersuchungshaft. […..]
Kaum zu glauben, aber vor 15 Jahren war die Türkei auch noch
ein säkulares Land, in dem Frauen öffentliche Einrichtungen gar nicht mit
Kopftuch betreten durften. Kopftücher waren in türkischen Schulen und Unis
verboten. Die Wahlen waren frei.
Recep Tayyip Erdoğan hat die Türkei aber in vergleichsweise
kurzer Zeit so stark entdemokratisiert, daß Wahlen nur noch akzeptiert werden,
wenn seine AKP gewinnt.
Am Bosporus ist es wahrlich gefährlich aufzustehen, für Demokratie
und Pressefreiheit zu kämpfen.
Dennoch riskieren viele mutige Türken genau das.
[….] Der Kampf um Istanbul hat gerade erst begonnen
Wütend und fassungslos - so hat die Opposition auf die Annullierung der
Wahl in Istanbul reagiert. Doch nun erwacht ihr Kampfgeist. Spitzenkandidat
Imamoglu sagt: "Wir sind durstig nach Demokratie." […..]
Die Türkei, die USA, Russland und mehrere osteuropäische
Staaten zeigen wie fragil Demokratie und Pressefreiheit sind, wie wenig
selbstverständlich man sie nehmen darf und wie sehr man sie jeden Tag neu
verteidigen muss.
Der Spuk dringt inzwischen bis nach Österreich vor, wo eine Regierungspartei unverhohlen kritischen Journalisten
droht und Hofberichterstattung erwartet.
WEHRET DEN ANFÄNGEN, kann es da nur heißen. Nun müssen alle
Österreichischen Journalisten mutig zusammenstehen und sich solidarisch gegen
die FPÖ-Demokratiefeindlichkeit zeigen.
Leider versagen Teile der Österreichischen Medien und gehen
a priori in den Kriecher-Modus.
Der böse Jan Böhmermann löste, wieder einmal, einen Skandal
aus, indem er im ORF-Interview die österreichische Regierung scharf kritisierte
und die Obrigkeits-affinen ORFler sofort in Panik gerieten und sich beschämt
distanzierten.
Das ist das Gegenteil von souverän. Einfach nur erbärmlich.
Österreich ist (noch) nicht Ungarn oder Polen oder die
Türkei.
Wie peinlich, jetzt schon auf Regierungskurs zu gehen.
[…..] Im Interview spricht Böhmermann verschiedene Themen an. Über die
österreichische Politik sagt er, Österreich sei ein „Versuchslabor“ für
Deutschland, in dem „Leute mit Chemikalien“ experimentieren, „die man nicht
zusammenschütten sollte“. An Österreich sehe man, dass sich Dinge normal anfühlen,
die nicht normal sind. Wie: Es sei nicht normal, „dass das Land von einem
32-jährigen Versicherungsvertreter geführt wird“ und spielt damit auf den
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an. Auch nicht normal sei, dass der
Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) bei Facebook „volksverhetzende
Scheiße“ verbreite oder Journalist*innen anginge und dann sage, es wäre Satire.
Auch im Bezug auf den öffentlichen Rundfunk kritisiert Böhmermann so einiges.
An einer Stelle fragt er den ORF-Reporter Christian Konrad, warum er lache,
schließlich habe er doch nichts mehr zum Lachen beim ORF, dessen Finanzierung
sich bald ändern würde, damit die Politik mehr Einfluss habe und auf FPÖ-TV
umbenannt werde.
Auch wenn Böhmermann an einigen Stellen überspitzt und provoziert, hat
er recht. Österreich verbirgt seit Jahren unter vermeintlicher
Identitätspolitik blanken Rassismus. Der sprachliche wie inhaltliche Diskurs
ist längst nach rechts verrückt. So weit wie schon sehr lange nicht mehr.
Menschen werden als Ratten bezeichnet, zutiefst antisemitische und rassistische
Illustrationen aus dunklen Zeiten ausgegraben und als Parteiwerbung
veröffentlicht und einem Journalisten der Fragen dazu stellt, wird live vor der
Kamera mit “Folgen” gedroht. Und ich spreche hier nur Vorfälle im April an.
[….]