Freitag, 31. Juli 2015

Knallhart



Na, das war aber heute eine kräftige Schlagzeile auf der Bayern-Seite der SZ: „DER PAPST GREIFT DURCH“.

Später im Text heißt es dann martialisch „Machtwort des Papstes!“
Uiuiui – was ist passiert?

Es sei die höchste Strafe, die der Papst über den Würzburger den Priester Wolfdieter W. aussprechen könne.

Wow, was hat Wolfdieter W. getan, daß der freundliche Franzl so auf die Pauke haut?
OK, es geht offensichtlich um Kinderbefummeln – wie es tausendfach jedes Jahr durch katholische Geistliche geschieht.

Neu ist allerdings, daß der Papst etwas dagegen hat, sich sogar selbst einmischt.
Der andere Papst, der Gerontigere von beiden, hatte ja noch eigenhändig bei Androhung der Exkommunikation verboten Kinderfickerpriester den Behörden auszuliefern.

Was hat Wolfdieter W. aus Würzburg getan, daß Franzi so böse geworden ist?

Nun, das Übliche eigentlich:

W., Priester seit 1966, missbrauchte während seiner Zeit in einer Westerwälder zum Bistum Limburg gehörenden Gemeinde (1986 bis 1990 als Pfarrer) sieben Jungs. Diese Fälle wurden erst jetzt angezeigt.
Ab 1992 arbeitete Wolfdieter W. stellvertretender Dekan im oberfränkischen Coburg, das zum Erzbistum Bamberg gehört. Dort ging er wieder über Jahre seinen päderastischen Neigungen nach; wurde im Jahr 2000 vom Landgericht Coburg wegen des vielfachen sexuellen Missbrauchs von kleinen Jungs zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil, nachdem W. Revision eingelegt hatte.
Nur neun Jahre nach dem Urteil feuerte ihn der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann – aber erst nachdem W.W. über acht Jahre immer wieder frech seine ehemaligen Opfer und deren Familien wieder und weiter belästigte.

Bischof Hofmann entpflichtete W. im Jahr 2009 vom priesterlichen Dienst, nachdem in unerträglicher Weise die Opfer und ihre Familien nach all den Jahren wieder belästigt wurden.

Inzwischen wurde auch TVEs Nachfolgern in Limburg klar, daß Pfarrer W. schon während seiner Würzburger Zeit Messdiener vergewaltigte. Sie erstatteten nun Anzeige beim Vatikan – 49 Jahre nachdem W. zum Priester geweiht wurde.
Nun zog also der Papst die Reißleine und ließ seinen Wadenbeißer Müller die Laisierung des notorischen Kinderfickers unterschreiben.

Die Diözese Würzburg bedauerte am Donnerstag "zutiefst das schwere Leid, das durch den Priester Opfern und deren Familien widerfahren ist". Auch im Bistum Würzburg hatte sich der Mann sexueller Übergriffe schuldig gemacht. Erst vor kurzem hatten sich beim Missbrauchsbeauftragten weitere Opfer des Priesters gemeldet. Bei zwei Missbrauchsopfern seien bereits Anträge auf finanzielle Leistung in Anerkennung des Leids genehmigt worden, teilte die Diözese mit.
(dpa, epd, 31.07.15)

SZ, Frankfurter Neue Presse, Hessenschau, der ORF – sie alle staunen über die prompte und konsequente Reaktion des Vatikans.

Priester W. ist jetzt 75 Jahre alt, hat keinen einzigen Tag dafür im Gefängnis gesessen, daß er über Jahrzehnte Kinder missbrauchte.
Seine brutale Strafe sieht vor, daß er nun, mit 75, nicht mehr die Messe zelebrieren darf – und besonders brutal: Seine Pension wird von 100% auf 80% seines ehemaligen Gehalts gekürzt.
Als jemand, der zu der Generation gehört, die sich auf ein staatliches und stattliches Rentenniveau von 42% (ohne Kinderficken) freuen dürfen, kommen mir die Tränen vor Mitleid, daß der arme W. mit 75 Jahren nur noch 80% seiner Bezüge erhält.
Ja, da hat Franzl mal eine brutalstmögliche Strafe verhängt!

„DER PAPST GREIFT DURCH“ – so die SZ!

Donnerstag, 30. Juli 2015

Aufmerksamkeitsfehleitung

Alle Achtung.
Das ist mal ein ordentlicher Shitstorm, den Walter Palmer, Dentist aus Minnesota entfacht hat.
Wollte nur mal einen netten kleinen touristischen Trip machen und steht nun als Welt-Buhmann auf den Titelseiten der Boulevardblätter in fünf Kontinenten.
Gibt man die Suchworte „Walter Palmer Dentist“ bei Google ein, bekommt man ungefähr 13.400.000 Ergebnisse.

Zahlreiche Prominente haben den Zahnarzt nicht nur kritisiert, sondern regelrecht dämonisiert. Er sei "Satan" (Rocker-Ehefrau Sharon Ozzbourne), die "armselige Version eines menschlichen Wesens" (Model Cara Delevingne) oder schlicht "krank" (Komiker Ricky Gervais). Von diesem Furor offenbar angestachelt, veröffentlichten unzählige Menschen auf Facebook und Twitter Gewaltphantasien und Morddrohungen.
Die Tierschutzorganisation Peta ging sogar so weit, eine offizielle Erklärung herauszugeben, in der sie die Todesstrafe für Palmer fordert: "Er muss ausgeliefert, angeklagt und, idealerweise, aufgehängt werden."

Ich frage mich schon, ob Palmer von Kim Jong Un oder Baschar al-Assad engagiert wurde, weil sie mal von sich selbst ablenken und jemand anderes zur Hassfigur des Planeten aufbauen wollten.

Die Geschichte dazu dürfte inzwischen jeder kennen; daher nur in Telegramstil:
Palmer, 55, lebt in  Eden Prairie im US-Bundesstaat Minnesota, verheiratet, zwei Kinder frönt seinem Hobby Großwildjagd.
Tiere zu erschießen ist sein Ding.
Beim Internationalen Safari-Klub (Was es alles gibt…) brüstet sich der Zahnarzt mit einer Trophäen-Liste von 43 Tieren, z.B. Büffel, Puma, Elch und Eisbär.
Um einen richtig großen Löwen abzuknallen, gab er rund 50.000 Dollar aus und heuerte Jagd-Organisator Theo Bronkhorst an, der den Löwen „Cecil“ aus dem Hwange-Nationalpark in Simbabwe lockte.
Gemeinsam verfolgte man das 13 Jahre alte Tier über anderthalb Tage bis es Palmer gelang ihn mit einer Armbrust (sic!) zu verwunden. Der Löwe war aber nicht tot, flüchtete weiterhin, wurde schließlich doch noch von Palmer mit einem Gewehr erschossen.

“They went hunting at night with a spotlight and they spotted Cecil,” Johnny Rodrigues, a spokesman for the Zimbabwe Conservation Task Force, told The Guardian. “They tied a dead animal to their vehicle to lure Cecil out of the park and they scented an area about half a kilometre from the park.”
Rodrigues said Palmer first shot Cecil with a crossbow, but it did not kill him. They then “tracked him down and found him 40 hours later” and shot him with a rifle, Rodrigues said.

Palmer posierte mit dem toten Körper, köpfte und häutete „Cecil“, ließ den Kadaver liegen, flog zurück in die USA und brüstete sich mit seiner Tat bei seinen Safari-Freunden, wie er es immer noch seinen „Heldentaten“ tut.

Mit seiner Mega-Armbrust, die besonders schmerzend und brutal tötet, posierte Palmer auch schon nach dem Killen anderer Tiere. 

Palmer mit Leopard

Nashörner zu töten ist angesichts ihrer de Facto-Ausrottung besonders verwerflich.

Palmer mit Nashorn

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen:
Ich halte den Shitstorm für verdient und kann kein Mitleid dafür aufbringen, daß der Mann jetzt wegen der wütenden Reaktionen seine Praxis schließen mußte.
(Seine Mitarbeiter, die ihren Job verloren haben, können freilich nichts dafür.)
Das Töten der Tiere wäre an sich schon den Shitstorm wert, aber daß diese elitären Großwildjäger sich selbst auch noch als edle Sportsmänner und Helden darstellen und von Ihresgleichen dafür bewundert werden, setzt dem Ganzen die Krone auf.

Wieso nun aber ausgerechnet Palmer den Zorn des gesamten Internets abbekommt, ist aber sehr fragwürdig.
Die Story läßt sich von BILD und Co besonders gut verkaufen, weil „Cecil“ angeblich der berühmteste und beliebteste Löwe Afrikas war.

Titelseite Mopo 30.07.2015
Palmer verteidigt sich inzwischen mit einer „Unwissenheit schützt vor Strafe-Strategie“:

I had no idea that the lion I took was a known, local favorite, was collared and part of a study until the end of the hunt. I relied on the expertise of my local professional guides to ensure a legal hunt. I have not been contacted by authorities in Zimbabwe or in the U.S. about this situation, but will assist them in any inquiries they may have. Again, I deeply regret that my pursuit of an activity I love and practice responsibly and legally resulted in the taking of this lion.
(Walter Palmer July 2015)

Und die Süddeutsche Zeitung gibt sich als seriöses Rechercheblatt, indem sie bezweifelt, daß “Cecil” wirklich so berühmt war. Das sei womöglich gewaltig aufgebauscht von westlichen Medien. Die Münchner verweisen auf Alex Magaisa, einen früheren Regierungsberater Simbabwes und Jura-Dozenten der Kent Law School in England, der erklärte weder er, noch seine Bekannten hätten jemals von „Cecil“ gehört.

Hier wird es nun allerdings wirklich unerträglich.
Ja, selbstverständlich bauschen BILD und MOPO und ihre 27.000 Schwester-Boulevardmedien in aller Welt so eine Story auf. Die ist Gold wert, weil sie jeden interessiert. Da wird natürlich ordentlich ausgeschmückt.
So funktioniert die Medienwelt, weil die Konsumenten genauso doof sind, daß sie auf solche Details anspringen.
Hat das Vieh einen Namen, sieht besonders süß oder majestätisch aus, sprudeln die Neurotransmitter in den Synapsen.

Nüchtern betrachtet ist es natürlich von keinerlei moralischer Bedeutung, ob Cecil „Cecil“ oder irgendein Löwe war.
In keinem Fall wäre Palmers Tat weniger schlimm.
Es hat auch keine Bedeutung welches Tier er tötet.
Einen Leoparden, ein Gnu oder eine Hyäne aus purem Vergnügen abzuknallen ist genauso verwerflich.

Gerade beim Tierschutz zeigt sich die ganze Janusköpfigkeit der Menschen.

Homo Sapiens wird völlig willkürlich für andere Tiere aktiv.

Die Greenpeace-Kampagne gegen das Niederknüppeln von Robbenbabys war deswegen weltweit so erfolgreich, weil die weißen Heuler so ein niedliches Kindchenschema und süße Knopfaugen haben.
Daß ein paar Kilometer weiter Rentiere oder Wölfe abgeschossen werden interessiert niemand.
Es gab einen weltweiten Thunfischboykott, als Tierschützer darauf verwiesen, daß in den Thunnetzen auch arme süße Delfine verenden.
Jeder liebt Delfine wegen der TV-Serie „Flipper“ und weil sie diese netten Mundwinkel haben, die Menschen als Lächeln interpretieren.
Für Define werfen wir uns ins Zeug. Daß jährlich Millionen Haie durch das extrem grausamen Finnen bestialisch gefoltert zu Tode kommen, interessiert kaum einen.

Wer weiß was „finning“ ist?

Dabei handelt es sich um eine besonders perfide Grausamkeit des Homo Sapiens. Ob des Irrglaubens Haifischflossen steigerten die Potenz, werden in allen Weltmeeren Haie mit Langleinen gefischt, kurz raufgezogen und dann schneidet man den armen Viechern während sie noch an der Leine hängen bei lebendigem Leibe die Finne (Rückenflosse) und anderen Flossen ab und entsorgt sie im Meer. Der Hai lebt dann immer noch, ist danach jedoch logischerweise schwimmunfähig und sinkt erstickend im Todeskampf zu Boden, wo er qualvoll verendet.
Da ein Kilo Haifischflossen an die 1000 Dollar bringt werden jährlich zwischen 100 und 200 Millionen Haie gefinnt. Fast alle Bestände der größeren Arten sind um mindestens 90% geschrumpft.
Das alles juckt uns nicht, weil Haie nun mal kein süßes Kindchenschema zu bieten haben.
Dank Spielberg hält man Haie immer noch für furchtbar gefährlich und berichtet über jeden Haibiss weltweit.
Pro Jahr werden ungefähr fünf Menschen durch Haie getötet.
Damit sind sie im Vergleich zu Löwen sehr harmlos.
Löwen töten 50-100 Menschen im Jahr.
Aber Löwen haben ein gutes Image.
Bei ihnen akzeptiert jeder Mensch voller Verständnis, daß sie die Top-Prädatoren des Landes sind und geht ihnen aus dem Weg. Nicht einmal der Dümmste würde sich zu einem Löwenrudel fahren lassen und vor ihren Nasen rumhopsen.

Haie sind die Top-Prädatoren des Wassers, aber ihnen springt man vors Maul, plantscht umher und ist zutiefst schockiert, wenn so ein Hai mal zuschnappt.
Homo sapiens hat großes Glück, daß Haie viel vorsichtiger und friedlicher als Löwen sind.
 Noch viel gefährlicher sind Nilpferde, die bei ihren nächtlichen Landausflügen doppelt so viele Menschen killen wie Löwen.
Und selbst Nilpferde sind noch harmlos im Vergleich zu Kokospalmen.
Das sind erst Mistdinger.

 Es werden weltweit im Jahr unter zehn Menschen von Haien getötet, während über hundert Sonnenbadende dadurch sterben, daß ihnen am Strand eine Kokosnuss auf den Kopf fällt.

Nach dem Blauflossen-Thunfisch, der mit einer Maximallänge von 4,5 Metern und einem Maximalgewicht von über 650 Kilogramm ein unglaublich beindruckender spezialisierter Fisch ist, fragt ohnehin keiner.

Jahrzehnte kämpften Tierschützer für ein Verbot Hunde oder Katzen zu essen.
Wenn heute bekannt wird, daß irgendwo im tiefsten Bayern oder der Schweiz nach alter Tradition der alte Hofhund gekocht wird, sind alle entsetzt.
Völlig absurderweise wird das Töten eines Hundes nicht akzeptiert – ausgerechnet auf Bauernhöfen, die vom Tiere-Töten leben und sogar mit großzügiger staatlicher Förderung Kühe, Schweine oder Gänse umbringen.

Schon gar nicht nimmt es jemand Frau Merkel übel, daß sie seelenruhig weiterhin zulässt, daß jeden Tag Millionen süße flauschige Küken lebendig geschreddert werden – aus reiner Profitgier.

Ein Shitstorm des Palmerischen Ausmaßes gegen nationale Regierungen, die das Kükenschreddern zulassen, wäre angebrachter.



Mittwoch, 29. Juli 2015

Wie es hier so läuft – Teil III



Bei meiner politischen Bilanz nach 100 Tagen RotGrün in Hamburg, erwähnte ich die FDP nur in Bezug auf ihren Verkehrspolitiker Wieland Schinnenburg, der zwischen albern und peinlich changierend auffiel.
Das war ungerecht von mir.
Die liberalen Hanseaten haben außer Schinnenburg noch einen zweiten Politiker zu bieten, der Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Die Rede ist vom Bürgerschafts-Pykniker Immo von Eitzen, Jahrgang 1977, der schon in den letzten Jahren für Furore sorgte, nachdem er als Bezirksabgeordneter in Hamburg-Harburg kräftig in die Parteikasse gegriffen hatte.

Das haben sich die Parteistrategen sicher anders vorgestellt: Ausgerechnet in der heißen Phase des Bezirkswahlkampfs sorgen zwei Kandidaten für negative Schlagzeilen. So muss sich der FDP-Bezirksabgeordnete Immo von Eitzen am Montag vor dem Amtsgericht Harburg wegen angeblicher Untreue verantworten. Ihm wird vorgeworfen, in der Zeit von Anfang Dezember 2010 bis Anfang April 2011 in zwölf Fällen mit Hilfe der EC-Karte der FDP-Bezirksfraktion an verschiedenen Geldautomaten Abhebungen  in Höhe von insgesamt 2.352,13 Euro getätigt und das Geld für sich selbst verwendet zu haben.

Von Eitzen gab sich alle Mühe seine Mauscheleien zu vertuschen.

Belastet wird Immo von Eitzen von den FDP-Abgeordneten Kurt Duwe (63) und Carsten Schuster (40). Nachdem von Eitzen nicht wiedergewählt wurde und Schuster sein Amt übernahm, sollen sämtliche Belege und Kontoauszüge gefehlt haben.
Auch ein Kassenbuch habe es nie gegeben. Die beiden verstehen nicht, warum von Eitzen überhaupt eine EC-Karte besaß. Zudem gelte bei Anschaffungen das Vier-Augen-Prinzip.

Der FDP-Politiker wurde im Oktober 2014 zu einer Geldstrafe verurteilt.

Zuvor hatte von Eitzen seine eigene 94-Jährige Großmutter Wilma Stöterau als FDP-Kandidatin für den Wahlkreis Hamburg Süderelbe gewonnen. Leider vergeblich. Stöterau wurde trotz ihrer 94-jährigen Lebenserfahrung nicht in die Bürgerschaft gewählt.

Mit dem Mann kann man etwas anfangen, dachte sich der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Carl Jarchow und bestellte Immo von Eitzen zu seinem persönlichen Referenten.
Jura-Student von Eitzen (38) war nicht nur verbal gut für den Einsatz in Katja Sudings Fraktion gewappnet, sondern zog auch mit einem langen Jagdmesser ins Parlament ein.
Mit der langen Klinge am Gürtel stapfte er die Sitzung des Innenausschusses.

Es soll ja noch immer Menschen geben, die ein kleines Taschenmesser am Gürtel tragen. Aber ein 20 Zentimeter langes Jagdmesser? Mitten im Rathaus? So bestückt spazierte FDP-Politiker Immo von Eitzen (38) in eine öffentliche Sitzung des Innenausschusses. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz – erst im September hatte von Eitzen sich wegen Untreue vor Gericht verantworten müssen.
Im Messer-Fall hat das Gericht Immo von Eitzen eigentlich schon verurteilt. 30 Tagessätze zu jeweils 60 Euro soll er Strafe zahlen, weil er im August vergangenen Jahres im Rathaus offen ein 20 Zentimeter langes Jagdmesser am Gürtel trug. Ein Polizeibeamter, der Senator Michael Neumann (SPD) begleitet hatte, entdeckte es und leitete ein Strafverfahren ein. Immo von Eitzen [….] will jedoch nicht zahlen und geht in Berufung.
Was wollte ein FDP-Politiker mit einem Messer im Rathaus? „Ich gehe seit 30 Jahren nicht ohne ein Messer aus dem Haus“, erklärt von Eitzen der MOPO. [….]
(HH MoPo 15.06.2015)

Eine tolle Truppe, diese FDP.
Für’s nächste Mal: Bitte nicht wiederwählen!

Dienstag, 28. Juli 2015

Unwertegemeinschaft

Das Heucheln nervt immer so sehr.
Die Double Standards.
Wie Schäuble und Merkel mit ihrer „Gürtel-enger-schnallen“-Rhetorik in Brüssel auftreten, das Hohelied vom Sparen singen und dabei natürlich nicht erwähnen, daß Deutschland in der problematischen Finanzkrisensituation von 2008 genau das Gegenteil tat:
Massiv Schulden machen und mit zig Milliarden schweren Investitionsprogrammen (zB Abwrackprämie) die staatliche Nachfrage ankurbeln.

Griechenland wird nun aufoktroyiert den gesamten staatlichen Besitz zu verscherbeln – Energieunternehmen, Müllabfuhr, Piräus – alles soll privatisiert werden.
Zu Hause in Deutschland hat man erkannt, daß das genau falsch ist und überall nehmen Kommunen große Anstrengungen auf sich, um einst verstaatlichte Kraftwerke, Netzbetreiber oder Krankenhäuser zurück zu kaufen.

Genauso sieht es mit der Russlandpolitik aus.
Heucheln und Double Standards.
Penibel wird von Russland die Einhaltung aller Menschenrechte eingefordert, während Gauck und Merkel fröhlich mit den China und Saudi Arabien kuscheln, die beide sehr viel extremere Menschenrechtsverstöße als Russland auf dem Kerbholz haben.
Sogar Amerika ist in vieler Hinsicht schlimmer als Russland: Die USA spionieren Regierung und Wirtschaft aus. Führen illegale Folterlager in aller Welt, töten tausende Menschen durch völkerrechtswidrige Drohnenattacken, bestehen als einziges westliches Land auf der bestialischen Todesstrafe.

Wenn Willy Brandt, Egon Bahr, Walter Scheel und Helmut Schmidt solche Maßstäbe an Russland angesetzt hätten, wäre es vielleicht nie zu einer Aussöhnung und zum Mauerfall gekommen.
Mit Sicherheit hätte man dann aber keine Gesandten mit dieser DDR ausgetauscht, in der eine gewisse Angela M. wohnte.

Wie den Streit mit Russland schlichten? Michail Gorbatschow und SPD-Legende Egon Bahr verlangen: Berlin muss auf Moskau zugehen - und nicht ständig die mangelnde Demokratie geißeln. Das mache man bei China ja auch nicht.
Das Bündnis für versöhnliche Töne gegenüber Russland ist breit an diesem Dienstagabend, Parteigrenzen zählen nicht. Das zeigt schon die Sitzordnung im Atrium des Moskauer Hotels Kempinski: Da sitzt etwa CSU-Mann Peter Gauweiler neben Antje Vollmer von den Grünen. Sie sind zu einer Buchvorstellung nach Moskau gereist. Wilfried Scharnagl, lange Chefredakteur der CSU-Parteizeitung "Bayernkurier" und Vertrauter von Franz Josef Strauß, hat es geschrieben.
"Am Abgrund" wirbt für mehr Verständnis für die Politik des Kreml in der Ukrainekrise. Im Mittelpunkt aber steht an diesem Tag in Wahrheit ein anderer: SPD-Legende Egon Bahr, 93 Jahre alt, und vor mehr als vier Jahrzehnten mitverantwortlich für Kanzler Willy Brandts Entspannungskurs gegenüber der Sowjetunion.
Es habe damals "weder in Washington noch in Bonn Illusionen über die Sowjetunion gegeben, eine Demokratie war das nicht", sagt Bahr. So sollte man es wieder halten, soll das heißen: pragmatisch mit Moskau zusammenarbeiten, ohne dauernd Kritik an der Verletzung von Bürgerrechten in Russland zu üben. Das Vorbild sei China, gegen das der Westen ja auch keine Sanktionen verhängt habe.
Bahr sieht in der Krise heute Parallelen zum Kalten Krieg, er plädiert für eine Art deutscher Ostpolitik 2.0. Deutschland solle wie damals eine pragmatische Vermittlerrolle zwischen den Lagern einnehmen - und Berlin dabei den ersten Schritt auf Moskau zugehen. Bahr zitiert Brandt: "Manchmal muss man sein Herz am Anfang über die Hürde werfen".
Und weiter: "Russland muss seinen eigenen Weg finden. Es muss sich nach seinen Traditionen entwickeln. Demokratie gehört nicht dazu", befindet der SPD-Mann. […]

Pragmatismus ist aber nicht mehr gefragt, sondern Ideologie und Heuchelei.

So nimmt „der Westen“ Massenaufmärsche und Gefechte des faschistischen „Rechten Sektors“ in Kiew und der Westukraine schulterzuckend hin, während Separatisten in der Ostukraine energisch verurteilt werden.

Ja, man fordert immer nur dann Konsequenzen, wenn es gerade zu den eigenen Interessen passt:
Irak und Libyen und Serbien und Mali wurden bombardiert. Syrien und Ägypten und Saudi Arabien und Nordkorea aber nicht.

Aktuelles Beispiel der Superheuchelei ist die Türkei.
Erst fand man es im NATO-Hauptquartier noch ganz nett, daß Erdogan de facto dem IS half – denn dadurch wurde der verhasste Assad geschwächt.
Die Türkei gestattete es dem IS Gebiete entlang der Grenze zu Syrien als Operationsbasis zu nutzen, aber half auch durch die Behandlung verletzter IS-Kämpfer in türkischen Krankenhäusern. Das NATO-Mitglied Türkei finanzierte den IS maßgeblich, indem es Erdöllieferungen aus den besetzten Gebieten Syriens und des Iraks aufkaufte. Auch der Waffennachschub kam direkt aus der Türkei.
Inzwischen findet man aber den IS noch doofer als Assad, hat vergessen, daß dieser schon Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einsetzte und entscheid sich deswegen dafür Assad zu helfen, indem man den IS bombardiert.

Mit Billigung des Westens
Tatsächlich förderte Ankara die Jihadisten in Syrien bis 2014 nicht im Alleingang, sondern in Kenntnis und mit Billigung des Westens - auch Deutschlands. In jüngster Zeit ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass "die Rekrutierungsorte des IS in der Türkei der lokalen Bevölkerung bekannt" gewesen seien: "Wenn die Menschen wissen, wie diese Organisationen arbeiten, wie sie sich treffen und wie sie rekrutieren, weiß der Staat das nicht auch?", wird zum Beispiel der Menschenrechtler Osman Süzen zitiert.[2] Dieselbe rhetorische Frage könnte der Bundesregierung gestellt werden, nicht nur, weil der Bundesnachrichtendienst (BND), wie seit letztem Jahr bekannt ist, die Türkei offiziell als "Aufklärungsziel" führt.[3] Seit die Bundeswehr in Kahramanmaraş in der Südost-Türkei stationiert ist, muss davon ausgegangen werden, dass sie in ihrem Operationsgebiet die allgemein üblichen Aufklärungstätigkeiten durchführt. Zudem sind Polizei und Geheimdienste seit Jahren intensiv mit der Ausreise deutscher Jihadisten nach Syrien befasst, die gewöhnlich über Netzwerke in der Türkei bewerkstelligt wird. Trotz seiner mutmaßlich detaillierten Kenntnis über die Aktivitäten der Jihadisten in der Türkei schritt Berlin bis zum Beginn des Krieges gegen den IS nicht gegen dessen Förderung durch Ankara ein. Das Motiv, das diverse westliche Staaten zur wohlwollenden Billigung der türkisch-saudischen Unterstützung für den IS trieb, benannte der US-Militärgeheimdienst DIA im August 2012 ganz offen: Ein "salafistisches Fürstentum" in Ostsyrien könne helfen, so hieß es, die Regierung in Damaskus zu isolieren.

Nun ist auch die Bundesregierung umgeschwenkt. Um 180°.
Die Verteidigungsministerin bejubelt den türkischen Kriegseinsatz, der sich auch gegen die PKK richtet – jene Partei, die der einzige Stabilitätsfaktor im Irak ist, die den Jesiden das Leben rettete und die deswegen auch mit deutschen Waffenlieferungen ausgerüstet wurde.

[…]  Angesichts der dramatischen Zuspitzung an der Grenze der Türkei zu Syrien und zum Nordirak ist es also keine wirkliche Überraschung, dass Generalsekretär Jens Stoltenberg auf Ersuchen aus Ankara für diesen Dienstag die Botschafter der 28 Nato-Staaten zusammengerufen hat.
[…] Derzeit wiederum ist es für die Amerikaner vorrangig, die Türkei bei Laune zu halten. […]
Wenn also weder die Türkei noch die USA daran interessiert sind, die Nato mit viel mehr als Worten gegen die islamistischen Terrorkämpfer in Stellung zu bringen, so sind es die anderen Verbündeten erst recht nicht. […]  Praktisch aber richtet die Allianz ihre neue Speerspitze, also die neue superschnelle Eingreiftruppe, hauptsächlich gegen eine mögliche Bedrohung aus Russland. […]

Wertegemeinschaft NATO - Welche Werte?
Und dann schweigen sie einfach. Die heutige Reaktion der NATO auf die türkischen Angriffe auf PKK-Stellungen kommt einem Offenbarungseid gleich. Die Verteidigungsgemeinschaft, die sich so gerne als Wertegemeinschaft bezeichnet, hat heute blank gezogen: Vor den Interessen der türkischen Regierung. Vor den bilateralen Absprachen zwischen Obama und Erdogan. Und vor ihrem eigenen Anspruch sowieso - wenn es den denn überhaupt noch gibt. Dass die Türkei sich zum Kampf gegen den "IS" hat hinreißen lassen, hat nur einen Grund: Sich die PKK im Grenzgebiet vom Hals zu schaffen. Die gleiche PKK, die mit den Truppen der Peschmerga im Nordirak gegen den "IS" kämpft und dafür von Deutschland bewaffnet wurde. So sieht's aus: Wo die Freiheit Deutschlands im Nahen Osten verteidigt werden sollte, opfert man diesen Kampf jetzt den durchsichtigen Interessen eines NATO-Mitglieds, das genau diesen Kampf nie führen wollte. Dass die Bundesregierung dazu genauso schweigt wie die NATO-Führung, zeigt: Die Gemeinschaft funktioniert - ganz wertefrei.
(Georg Restle, Monitor 28.07.2015)


Montag, 27. Juli 2015

Der Christ des Tages LXXXIII



Ob nun per Videotext, news.google, Frühstücksfernsehen, Zeitung und Twitter – kaum ein Tag vergeht, an dem man nicht als erstes etwas Widerliches aus Dresden hört.

Erneut ist in Sachsen ein zukünftiges Asylbewerberheim angegriffen worden. Wie die Polizei mitteilte, wurde aus einer Gruppe von rund 30 Menschen am Sonntagabend ein ehemaliges Hotel mit Steinen beworfen. Sechs Fensterscheiben wurden bei dem mutmaßlich fremdenfeindlich motivierten Angriff zerstört. […] Am Sonnabend hat in dem ehemaligen Hotel noch ein Tag der offenen Tür stattgefunden. Bereits bei der Besichtigung des künftigen Heims kam es zu einem Zwischenfall. Unbekannte haben Berichten zufolge eine übelriechende Flüssigkeit verteilt. Dabei handelte es sich vermutlich um Buttersäure. Noch in dieser Woche sollen dort rund 30 Asylbewerber untergebracht werden.

Was für ein Alptraum. Da flüchten Menschen vor IS und Boko Haram, haben oft miterleben müssen, wie ihre Familien getötet wurden, verloren alles und dann landen sie in Dresden, wo einen tumbe gewaltbereite Sachsen mit Steinen und Brandsätzen bewerfen.

Immer wieder Sachsen.
Das Bundesland des Grauens ist nicht nur Schauplatz der ewigen CDU-Herrschaft, sondern auch Brutstätte von Pegida, Hotspot der rechtsradikalen Anschläge und ewige Hochburg der NPD.

Unfassbar; nachdem in Hamburg die widerliche braune AfD, die hier weitgehend von höchst unappetitlichen Ex-Schillianern bestimmt wird, in die Bürgerschaft einzog, brach so etwas wie ein Richtungsstreit bei dem braunen Mob aus: Auf der einen Seite steht dabei die ewiggestrig-völkische Sachsen-AfD und der Hogesa-freundliche Hamburger Landesverband gilt noch als vergleichsweise liberal.

Die braunen Sachsen sind zu allem Übel nicht nur national und xenophob, sondern zudem schwer religiotisch angehaucht.
Es ist, als ob der vor zwei Jahren abgeschlagene Kreuznet-Arm politisch wieder in Sachsen aus dem Sumpf ragt.

Nicht nur in Duisburg finden Rechtspopulisten und konservative Christen beider Konfessionen zusammen. Auf etlichen islamfeindlichen Protestzügen hielten Teilnehmer in den vergangenen Wochen schwarz-rot-golden angestrichene Kreuze hoch, die teilweise elektrisch illuminiert im Dunkeln strahlten. Andere reckten Schilder mit einem schwarzen Kreuz oder der Parole „Dresdner Christen grüßen die Pegida“ in den Himmel. Sachsens Bischof Jochen Bohl verzichtete auf scharfe Kritik an den rechtspopulistischen Demonstrationen und trat für Verständnis und Dialog ein – wohl aus Rücksicht auf die Evangelikalen in seinem Bistum, die im „Bibelgürtel“ vom Erzgebirge bis zum Vogtland beheimatet sind. […]  Populisten und fundamentalistische Christen kämpfen gemeinsam gegen Islamisierung oder Homosexuelle und für ein traditionelles Familienbild, stellte eine Studie im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung über Evangelikale in Sachsen fest. Der Schulterschluss zeigt sich am Beispiel der AfD-Bundessprecherin Frauke Petry. In ihrem sächsischen Landesverband forderte sie ein Referendum gegen die Abtreibungsregelung; es gehe um „das Überleben des eigenen Volkes, der eigenen Nation“. […] Eine Langzeitstudie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt […], dass Gläubige beider Kirchen für rechtsextreme Einstellungen anfälliger waren als konfessionslose Bürger. Katholiken stachen in der Studie zudem durch einen „höheren Chauvinismuswert“ hervor. Vor allem die katholische Kirche hat ein Problem mit rechtslastigen Gläubigen: Diese haben sich […] radikalisiert. Häme und Hass gegen Andersdenkende prägen eine selbst ernannte neue Glaubenselite. Sie schart sich um Institutionen wie „Kirche in Not“, „Christdemokraten für das Leben“, das „Netzwerk katholischer Priester“ und das „Forum Deutscher Katholiken“.

So wie sich die sächsische Kirche nicht traut von ihrem ausländerfeindlichen Rand zu distanzieren, kuscheln sich auch die Sachsen CDU-Politiker immer wieder gern an das kotbraune Milieu.

Da hat er schon mal ein wenig zwischen den Zeilen hervorgelugt, der hiermit zum Christen des Tages Nr. 83 gekürte Jochen Bohl.

Ist so eine Situation, in der Ethik und Moral völlig abhandenkommen, nicht der klassische Fall, in dem die Kirchen sich einmischen sollten?
So tönen doch immer die Käßmanns, Schneiders und Bedford-Strohms dieser Welt.
Kirche könne Werte vermitteln und Orientierung geben.

Und genau das tut Sachsens evangelischer Landesbischof jetzt.
Wenn brutal verfolgte Opfer von einem üblen hasserfüllten braunen Mob in Dresden angegriffen werden, bezieht Bohl Position.
Er bezeugt Verständnis für die Täter und stellt sich gegen die Opfer.

Eine beliebte Methode der deutschen Kirchenfürsten, die wir von den katholischen Kollegen kennen, die sich jahrzehntelang schützend vor die Kinderficker stellten und ihre Opfer diskriminierten.

So auch Bohl, der sich nicht etwa dem Abschaum in den Weg schützend vor Flüchtlingsheime stellt, sondern die Positionen von PEGIDA und AfD nachplappert.

[….] Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche plädiert für eine harte Linie in der Flüchtlingspolitik. Asylverfahren von Balkanflüchtlingen müssen für Jochen Bohl dringend verkürzt und beschleunigt werden. Probleme in Montenegro, Serbien oder Bosnien-Herzegowina könnten nicht dadurch gelöst werden, dass ihre Bewohner nach Deutschland kommen. »Das ist einfach undenkbar«, sagte der Bischof der dpa.   [….]  Für Zuwanderer, die nach Deutschland kämen, weil sie keine Zukunft sehen, sei das Asylrecht nicht vorgesehen.
Bohl befürwortet, in Verfahren von Balkanflüchtlingen das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten anzuwenden. »Wenn man weiß, dass in einem Land (...) keine systematische politische Verfolgung stattfindet, können die Anträge auch in verkürzten Verfahren behandelt werden.« Angezeigt seien auch rasche Abschiebungen. Es könne »nicht so sein, dass jeder, dem es gelingt, deutschen Boden zu betreten, auch das Recht hat, hier dauerhaft zu bleiben.«
Indirekt deutete Bohl sogar Verständnis für Mobilisierungen gegen Flüchtlingsunterkünfte an: Es führe »bei vielen Menschen zu einem gewissen Verdruss«, dass »offenkundige Probleme sehr schwer und mühselig geregelt werden und es nicht zeitnah zu einer Lösung kommt.«

Die Kombination aus „Sachsen“ und „Kirche“ ist eben genauso übel, wie man es erwarten konnte.