Mittwoch, 11. Februar 2015

Weltpolitische Akteure


 Es gab schon mal Durchbrüche bei Friedensverhandlungen.

Voraussetzung war meistens, daß an der Spitze einer der Konfliktparteien ein personeller Wechsel stattfand und zufälligerweise ein außergewöhnlich charismatischer, weitblickender Stratege die Geschicke eines Landes bestimmte.
Der Friedensnobelpreisträger Anwar as-Sadat (1918-1981) verließ einfach die ausgetretenen Pfade, überwand das bisherige Denken und ging auf Jerusalem zu.
Genauso ein großer Mann ist der Friedensnobelreisträger Michail Gorbatschow, der an der Spitze der KPdSU angekommen verkündete, was bisher immer gegolten hätte, müsse nicht weiterhin gelten. Er wechselte die Denkperspektive und ging mit einseitigen Vorleistungen auf den Westen zu. Dazu brauchte es ein gewaltiges Rückgrat. Er mußte nicht nur die Widerstände in seinem eigenen Laden überwinden, sondern stieß auch bei der NATO auf tumbe Abwehr. Der deutsche Bundeskanzler Kohl befand, Gorbatschow meine es nicht ernst, das sei bloß Propaganda und verglich ihn öffentlich mit Goebbels.

Wenn keine der Konfliktparteien so eine außergewöhnliche Gestalt zur Verfügung hat, kann ein sehr starker und sehr engagierter Vermittler eines bewirken.
So geschah es beim Osloer Friedensprozess. Israel hatte zwar den großartigen Rabin an der Spitze, aber ohne den unermüdlichen und persönlichen Einsatz Bill Clintons hätten sich 1993 Yitzhak Rabin und Jassir Arafat nicht die Hand gegeben; hätten die Außenminister Mahmud Abbas, Schimon Peres, Warren Christopher und Andrei Kosyrew keine Verträge unterschrieben.

In der verfahrenen Lage der Levante und der Ostukraine bedürfte es wieder eines dynamischen und engagierten Staatsmannes mit Charisma.
Theoretisch steht dafür der Friedensnobelpreisträger Barack Obama zur Verfügung.
Aber praktisch ist es wohl so, daß sich die fünf Mitglieder des Osloer Nobelpreis- Komitees jeden Tag seit ihrer Entscheidung von 2009 in Grund und Boden schämen. Guantanamo-Todesstrafen-Drohnenkrieger-Obama hält sich bei internationalen Friedensbemühungen demonstrativ zurück. Er unternimmt nichts, sondern heizt im Zweifelsfall mit verbalen Attacken Konflikte weiter an.
Naja, die Norweger haben etwas westliche Schlagseite, wenn man sich die Verteilung der Friedensnobelpreise nach Nationen ansieht:
USA: 21, GB: 12, Frankreich: 9,…,.. Deutschland immerhin noch: 4, am Ende liegen Russland (inkl Sowjetzeit) mit ZWEI Friedensnobelpreisen und China mit einem.

Zuhause in Washington rockern die bellizistischen GOPer dermaßen rum, daß man es Obama schon hoch anrechnen muß, wenn er nur schmollend im Oval Office sitzt und nichts tut.

Im Verhältnis zu Deutschland aber baut sich in Washington eine geradezu feindselige Stimmung auf. Weil Merkel neue Waffen für die Ukraine ablehnt, pöbeln die US-Senatoren John McCain und Lindsey Graham auf der Sicherheitskonferenz, als wollten sie die Gastgeberin aus ihrer eigenen Party mobben. In Washington ist dieser Krawall Regierungsalltag, Obama muss seit Jahren damit leben.
McCain würde Soldaten und Waffen am liebsten über die halbe Welt verteilen. Einmal verglich er sogar einen Handschlag Obamas mit Kubas Diktator Raúl Castro mit dem zwischen Neville Chamberlain und Adolf Hitler. Wer die Karibik-Sozialisten mit Hitler vergleicht, würde in Berlin ausgelacht. In Washington ist Senator McCain der Chef im Streitkräfte-Ausschuss.

Obama, der nichts zu verlieren hat, zeigt keinerlei internationalen Einsatz. Sein ganzes Phlegma wird nur zu deutlich, wenn er sich ausgerechnet an die Großphlegmatikerin Merkel hängt und sie machen lässt, während er alles aus sicherer Distanz beobachtet.
Sehr aktiv und freundlich wird Obama hingegen bei dem brutalen Horrorregime des Königs Salman.

[…] Es wirkt wie eine Pilgerfahrt. Der saudische König ist gestorben, und alle eilen nach Riad. Frankreichs Präsident und der britische Premier waren schon da, der US-Präsident will am Dienstag kommen. Der Westen verneigt sich vor dem toten Herrscher. Das ist prinzipiell nicht verwerflich. Zu kondolieren ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Leider belassen es die Staats- und Regierungschefs aber nicht beim Kondolieren, sie machen einen Kotau.
In dem Land, das die Königsfamilie sich untertan gemacht hat, gelten Frauen nichts. Homosexuelle werden verfolgt, Blogger ausgepeitscht, Todesurteile öffentlich mit Säbeln vollstreckt. Es grenzt an eine Selbstaufgabe der Demokraten, wenn in London sogar die Fahnen am Parlament auf Halbmast gesetzt werden, weil König Abdullah gestorben ist.
Es ist absurd, wenn Merkel die "Klugheit" und "ausgewogene Politik" des Monarchen preist. Und es ist bezeichnend, dass Obama den Gedenkmarsch für die Opfer des islamistischen Terrors in Paris geschwänzt hat, jetzt aber zu den Mittelalter-Theokraten in Riad pilgert. […]

[…] Barack Obama bietet für seinen Antrittsbesuch bei Saudi-Arabiens neuem König Salman nahezu alles auf, was in der Sicherheitspolitik der Amerikaner Rang und Namen hat: Außenminister John Kerry, CIA-Chef John O. Brennan, General Lloyd J. Austin, Chef des US Central Command, das für den Nahen Osten und Zentralasien zuständig ist, sowie seine wichtigsten Berater für Sicherheit, Lisa Monaco und Susan Rice, begleiten den US-Präsidenten.
Zur 30-köpfigen Delegation Obamas gehören sogar wichtige Republikaner, die in Saudi-Arabien geschätzt werden: die Ex-Außenminister James Baker (unter George Bush Sr.) und Condoleezza Rice (unter George W. Bush) sowie Senator John McCain, Obamas größter außenpolitischer Kritiker und Rivale bei der Wahl 2008.
Mit seinem persönlichen Erscheinen und der hochkarätigen, parteiübergreifenden Delegation will der US-Präsident nach dem Tod von König Abdullah zeigen, wie wichtig ihm Saudi-Arabien als Partner ist. Obama will einiges wieder gut machen, denn das Verhältnis der beiden Länder hat sich in seiner Amtszeit verschlechtert. Deshalb hofiert er nun den neuen Monarchen Salman. Seinen Besuch in Indien hat der US-Präsident eigens dafür abgekürzt. […] Saudi-Arabien mischt […]  selbst energischer in der Region mit: Es schickte seine Panzer nach Bahrain, unterstützte in Ägypten den Putsch des Militärs und greift auch in Libyen gegen die Radikalislamisten ein.
[…] Die saudische Linie ist klar: Stabilität statt demokratischer Experimente. Zu diesem Kurs scheint auch Obama wieder zurückkehren zu wollen. […]

Möchte man den Zynismus der globalen Ordnung an einem besonders drastischen Beispiel erklären, findet sich kein besseres als das saudisch-amerikanische. Washington hat den Verbündeten am Golf nicht nur ausgewählt, sondern mitgeformt - eine Diktatur, die ihre Legitimität mit monarchischer Folklore und wahhabitischem Radikal-Islam begründet, und die ihre Öleinnahmen grotesk ungerecht verteilt. Eigentlich sollten sich die USA mehrere Jahre nach Beginn des Arabischen Frühlings fragen, ob sie weiter auf dieses Regime setzen sollen, das trotz mancher Reform im Winter der alten Ordnung verharrt. Stattdessen klammern sich die beiden Partner jetzt fester aneinander denn je.

Nein, heute in Minsk läßt sich Obama nicht blicken und läßt die Leichtgewichte Merkel und Hollande allein mit Poroschenko und Putin.

Die Saudis sind ihm wichtiger.
So ein netter König.

[…] Es ist die 25. Exekution in dem Königreich seit Jahresbeginn, also innerhalb von nur 41 Tagen. Die meisten Hingerichteten waren Ausländer, die wegen Drogenvergehen verurteilt wurden. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 wurde gegen 83 Menschen in Saudi-Arabien die Todesstrafe vollstreckt.
[…] Die rasante Zunahme von Hinrichtungen sowie die Auspeitschung des islamkritischen Bloggers Raif Badawi haben in den vergangenen Monaten international für Aufsehen gesorgt. […] Das Strafrecht in Saudi-Arabien ist nicht verschriftlicht, Richter orientieren sich am Koran und den Überlieferungen des Propheten Mohammed - und legen diese besonders streng aus. Deshalb ähnelt der Strafenkatalog in dem Königreich sehr stark den Regeln der Terrororganisation "Islamischer Staat".

Noch weiß man nicht was die vier Verhandlungspartner in Minsk erreichen. Merkel, Putin, Poroschenko und Hollande verhandeln hinter verschlossenen Türen.
Viel anzubieten haben die EU-Vertreter nicht, Druck machen können sie nicht.
Sie sind aber dennoch zum Durchbruch verdammt, weil am Horizont schon die Neocon-Falken kreisen, die nur zu gerne den militärischen Konflikt eskalieren lassen würden.
Das wäre eine Steilvorlage für Putin.


Die Russen fühlen sich ohnehin kontinuierlich vom Westen betrogen und wenn nun mit amerikanischer Technik in Richtung Russland gefeuert würde, könnte der Kreml alle Zurückhaltung fallen lassen und direkt seine eigene Hightech-Armee einsetzen.
Eine atomare Supermacht wäre somit Konfliktpartei in einem Scharmützel gegen eine marode Resterampen-Armee auf der westlichen Front-Seite.
„Der Westen“ hat hingegen nichts zu gewinnen.

Gewonnen hat aber definitiv einer.
Ein Mann, der sich zu seinem großen Missvergnügen zum Paria Europas gemausert hatte und nun wieder von den größten Mächten der EU gebauchpinselt wird.

Alexander Grigorjewitsch Lukaschenka, 60, seit 1994 diktatorisch herrschender weißrussischer Staatschef, der einst gegen Gorbatschow geputscht hatte, um den Steinzeitkommunismus zurück zu holen.
Ähnlich wie in Nordkorea steuert Weißrussland auf eine Erbdiktatur zu. Oppositionsparteien werden verboten, Kritiker „verschwinden“ bei Nacht und Nebel und werden nie wider gesehen.

Bei „Wahlen“ holt der Chef immer locker über 80% der Stimmen und baut seinen Sohn Nikolai (*2004) jetzt schon gezielt zu seinem Nachfolger auf. Seit Jahren tritt das Balg BEWAFFNET zusammen mit seinem Papa auf.



Wenn extrem homophobe von der EU geächtete Diktatoren ihre süßen kleinen Söhnchen mitbringen, ist einer immer ganz entzückt und nimmt sich Zeit:

Präsident Alexander Lukaschenko, 1994 nach einer demokratischen Verfassung gewählt, hat das Land mit einem Verfassungscoup im November 1996 und danach in einen neo-sowjetischen autoritären Staat umgewandelt:

    Die Geltung von Verfassung und Gesetzgebung wurde durch die Willkür von Präsidialdekreten ersetzt.
    Die Teilung zwischen der Exekutiven, der Legislativen und der Judikativen Gewalt des Staates wurde aufgehoben.
    Wahlen werden systematisch manipuliert. Das Parlament hat keine Rechte. Das Budget des Präsidenten unterliegt der Geheimhaltung.
    Die elektronischen Medien liegen in der Hand der Staatsmacht. Die freie Presse wird behindert, kritische Journalisten werden verfolgt.
    Regierungsunabhängige Organisationen werden verboten.
    Führende Oppositionelle wurden ermordet oder „verschwanden“.

Diese und andere Menschenrechtsverletzungen sind von belarussischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen sowie von Europarat, OSZE und Vereinten Nationen dokumentiert worden.

Die Ukraine-Krise muß für Lukaschenka wie ein Sechser im Lotto sein.
Nachdem er 2012 über Westerwelle gepöbelt hatte, er sei lieber ein Diktator als schwul, wurde sein Land weitgehend ignoriert und mit Desinteresse gestraft.
Ein Jahr nach den Maidan-Vorfällen ist das alles vergessen. Lukaschenka gefällt sich als Hort der Stabilität und präsentiert seine Hauptstadt Minsk als Drehscheibe der diplomatischen Schwergewichte.
Lukaschenka statt Obama.
Ein Treppenwitz der Geschichte. Ob demnächst auch ein Friedensnobelpreis nach Minsk geht?