Die Jusos in NRW, also der „Herzkammer der Sozialdemokratie“, dem Land, das so
lange mit absoluter SPD-Mehrheit regiert wurde und dann durch besondere
Doofheit an die CDU/FDP verloren ging, haben eine Handreichung erstellt wie man
den derzeit beliebtesten Sozialdemokraten und mit Abstand erfolgreichsten
Wahlkämpfer Olaf Scholz sabotiert und stattdessen einen vollkommen chancenlosen
Spitzenkandidaten für die nächste Bundestagswahl installiert.
[……] Fakt 1: Olaf Scholz setzte als
Arbeitsminister (2007-2009) in der GroKo maßgeblich die Rente mit 67 um.
Fakt 2: Olaf Scholz schlug 2003
als Generalsekretär vor, den Begriff des Demokratischen Sozialismus aus dem Grundsatzprogramm
zu streichen:
„Ich denke, darüber werden wir uns auseinandersetzen müssen. Ich selbst
sehe den Begriff des demokratischen Sozialismus in der SPD nicht als das an,
wofür er von manchem herangezogen wird, nämlich als gesellschaftliches Ziel,
das die SPD anstrebt. Es gibt keinen gesellschaftlichen Zustand mit diesem
Namen, der auf unsere marktwirtschaftlich geprägte Demokratie folgen wird. Und
deshalb sollten wir nicht solche Illusionen erzeugen. In meinem Verständnis ist
die SPD eine Emanzipations- und keine Transformationsbewegung.“ […..]
Ein Vorschlag, den er vor 17 Jahren machte – und der auch
noch goldrichtig war – soll nun also erneut dafür dienen ihn als
Kanzlerkandidaten zu verhindern?
So sieht es aus, denn diese Juso-Liste findet sich auch
heute wieder in SPD-Gruppen der sozialen Medien.
Natürlich darf da die Agendakeule als Todschlagargument
nicht fehlen.
[…..] Olaf Scholz ist einer der Architekten und größten Verfechter der Agenda
2010-Reformen und verteidigte die Leistungskürzungen von Arbeitslosen. [….]
Die erfolgreichste und auch sehr populäre Reform der SPD in den letzten 40 Jahren wird auch 15 Jahre später noch selbstzerstörerisch kritisiert, statt endlich mal stolz drauf zu sein.
Aber die Agenda 2010 ist eben mit dem Mann verbunden, der
41% bundesweit holte, Wahlen gewinnen konnte und zweimal eine rotgrüne
Regierung auf Bundesebene zusammenbrachte, mit der es möglich wurde NS-Zwangsarbeiter
zu entschädigen, Huren zu entkriminalisieren, die Homoehe einzuführen und
Deutschland aus dem Irakkrieg herauszuhalten: Gerhard Schröder.
Und nichts hassen Jusos so sehr wie erfolgreiche
Sozialdemokraten.
(…..) Wir haben allen Grund Schröder dankbar zu sein;
er wird sicherlich eines Tages als großer Kanzler in die Geschichte eingehen.
Auch eine große Mehrheit der
Deutschen hält diese Politik a posteriori für richtig.
Die Parteien, die Hartz IV
unterstützen oder sogar verschärfen wollen, kommen regelmäßig auf 90% der
Wahlergebnisse. Die einzige Partei, die Hartz abschaffen will, landet
bundesweit betrachtet nie über 10%.
Nach dem Ausscheiden der
hadernden SPD aus der Bundesregierung, gewannen die Neoliberalen
Westerwelle-FDPler mit ihrer radikalen Steuersenkungsforderung ein Rekordergebnis
von fast 15% und bildeten mit der ebenfalls starken CDU eine breite Mehrheit.
(….) In Folge der Agendapolitik
stiegen die Sozialausgaben in Deutschland deutlich und kontinuierlich an.
2005 stiegen sie von erwarteten
14,6 Milliarden auf 25,6 Milliarden Euro, im Jahr 2006 auf 26,4 Milliarden.
2007 35,7 Milliarden
2008 34,8 Milliarden
2009 36 Milliarden
2010 36 Milliarden
2011 33 Milliarden
2012 40 Milliarden
2013 40,65 Milliarden
Heute zu behaupten, Hartz wäre
eine Kürzungsorgie und habe nur Elend gebracht, ist völlig geschichtsblind und
lässt außer Acht was für ein gelähmtes Land Deutschland im Jahr 1998 nach
unendlichen Jahren Kohl-FDP-Merkel-Regierung war. Der kranke Mann Europas – Dank der Kohl-Merkel-Reformunwilligkeit.
Durchreguliert und wirtschaftlich
abgehängt. (…..)
Viele Wahlen haben ganz eindeutig
gezeigt, daß es keinesfalls den Wählerwillen gibt, die Agenda-Politik zurück zu
nehmen.
Oder falls das doch der Fall sein
sollte, ist das den Wählern offensichtlich nicht wichtig genug, um deswegen
auch die eine Partei zu wählen, die es genauso sieht.
Die Partei, die an Schröders
Seite intensiv für HartzIV stritt, sogar noch weiter gehen wollte, die Grünen,
sonnen sich in einem demoskopischen
Hoch, kratzen in vielen Bundesländern an der 20%-Marke.
Diejenigen, die immer noch der Prä-Agenda-Ära
hinterherweinen haben die Vergangenheit stark romantisiert und offensichtlich
lange vergessen, wie unangenehm es ist Sach- statt Geldleistungen zu bekommen.
(….) Die Hartz-Reformen haben
zweifellos zu mehr Arbeitsplätzen und einer gesünderen Wirtschaft
geführt.
Dabei gab es aber zweifellos auch
Ungerechtigkeiten. Das ist bei so einem Mammut-Werk gar nicht anders möglich
und Gerd Schröder selbst betonte immer wieder, die Hartz-Gesetze sollten nicht
in Stein gemeißelt, sondern immer wieder angepasst werden.
Der politische Preis für die
Reformen war definitiv ungerecht.
Die glühenden
Agenda-2010-Befürworter aus CDU und Grünen stiegen nach 2003 in ungeahnte Höhen
und allein die SPD wurde vom Wähler grausam abgestraft.
[……] Soll es wieder das Ämterhopping zwischen
Wohnungsamt, Sozialamt und Arbeitsamt eingeführt werden und soziale Leistungen
als Sachleistungen einzeln beantragt werden? [….]
Kein vernünftiger Mensch
bestreitet heute, daß es auch Unnützes, Kompliziertes, Ungerechtes und zu
Hartes in den Agenda-Gesetzen gibt. (…..)
Es ist die Frage, ob man als Genosse einen Spitzenkandidaten
möchte, der wie Olaf Scholz in Hamburg
-bei der Wahl zur Bürgerschaft 2011 mit 48,4% die absolute
Mehrheit holte,
-bei Wahl zur Bürgerschaft 2015 mit 45,7% fast die absolute
Mehrheit holte und dann als Regierungschef das größte soziale
Wohnungsbauprogramm (pro Kopf) aller Bundesländer und kostenfreie Kitas, sowie
eine drastische Reduzierung der Arbeitslosigkeit und den größten ökonomischen Boom
eines Bundeslandes erreichte und heute der beliebteste Bundespolitiker der SPD
ist,
ODER will man sich lieber an Kühnert und Esken orientieren,
die in ihren Bundesländern effektiv bewiesen haben wie man Wähler abschreckt,
ganz hinten im Beliebtheitsranking liegen und als SPD-BW, Eskens Landesverband (Landtagswahl
am 13.03.2016 SPD = 12%) eine frustrierende Existenz in der Einstelligkeit,
Opposition und Bedeutungslosigkeit führen will, in der man ABSOLUT GAR NICHTS
für das SPD-Klientel tun kann.
Oder gar wie in der einstigen SPD-Hochburg Berlin, wo man
noch Regierungspartei ist wie Kühnerts Landesverband hinter CDU, Grünen und
Linke auf Platz Vier wegrutscht und vermutlich auch in die Opposition steuert?
Dabei fand Olaf Scholz 2011 in Hamburg schweres Terrain vor.
Die CDU hat in Hamburg nach drei Wahlen in Folge von 2001
bis 2011 den Bürgermeister gestellt, regierte zwischendurch gar mit absoluter
Mehrheit, nachdem sie 2004 bei den Landtagswahlen 47,2% bekam.
2011 kam Scholz, drehte die Landschaft komplett um, holte
für die SPD die absolute Mehrheit, machte das sogar zu einem dauerhaften
Erfolg.
In Hamburg holte Scholz-Nachfolger Tschentscher am
23.02.2020 39,2% mit einer klaren Ansage: Nowabo und Esken und Kühnert dürfen
an keiner einzigen Wahlkampfveranstaltung teilnehmen. So sehen die
Mehrheitsverhältnisse in der aktuellen Bürgerschaft aus:
(…..) SPD und Grüne verfügen über
87 von 123 Sitzen. Das ist eine 70,7%-Mehrheit.
Sogar SPD und Linke hätten mit 67
Sitzen eine absolute Mehrheit von 54,5% der Mandate im Parlament.
Den linken Durchmarsch zeigt
eindrucksvoll die Addition von SPD, Grünen und Linken, die zusammen auf 100 von
123 Mandaten kommen. Das entspricht 81,3 % der Sitze.
Es ist eine Wonne sich durch die interaktive Karte der Wahlkreise zu
klicken. Alles rot bis auf die beiden grünen Gewinner „Altona“ und
„Harvestehude-Rotherbaum-Eimsbüttel Ost“. (…..)
Aber das ist der neue/alte Signature-Move der Jusos:
Die SPD soll unbedingt verlieren und daher müssen die unbeliebtesten Kandidaten mit den schlechtesten Wahlchancen aufgestellt werden.
Die SPD soll unbedingt verlieren und daher müssen die unbeliebtesten Kandidaten mit den schlechtesten Wahlchancen aufgestellt werden.
SPD-Landespolitiker, die in ihren Verbänden wie BW, NRW die
SPD aus der Regierung in die Opposition gewirtschaftet haben, sie in die
Einstelligkeit führen (wie BW) oder aus der Regierung raus (wie Kühnert in
Berlin), sollten etwas weniger aufbrausen, wenn sie den mit weitem Abstand erfolgreichsten
Wahlkämpfer der SPD kritisieren.