Nach dem Abgang der SPD-Chefin und der eifrigen Sägearbeiten
an Kramp-Karrenbauers Stuhl, wird mal wieder das brutale Klima in der Politik beklagt,
der raue Umgangston, die Intrigen.
Da wäre es kein Wunder, wenn sich kaum noch geeignetes
Personal für die Bundesregierungen und Parteispitzen finde.
Wer wolle sich den Tort antun?
Nun ja. Durch Internet und soziale Medien erfahren wir mehr
von den heftigen Kämpfen der Toppolitiker untereinander.
Die Härte, der Ellbogeneinsatz untereinander, die
Arbeitsbelastung bis zur totalen Erschöpfung, den Karriereinstinkt, die Seilschaften
und Netzwerke, den Killerinstinkt, die Eitelkeiten, Selbstüberschätzung und
Populismus gab es aber immer.
Das liegt partiell am Wesen der Demokratie, die einen
Ausleseprozess bis an die Staatsspitze beinhaltet.
In einer absoluten Monarchie ist man Herrscher
von Geburt an und so könnte per Zufall auch ein schüchterner, höflicher,
rücksichtsvoller Mensch Staatschef werden.
(Wenn es eine überschaubare Anzahl von Prinzen gibt; in
Saudi Arabien hingegen muss man trotz königlicher Geburt gewaltig die Ellbogen
ausfahren, um die anderen Prinzen weg zu boxen.)
Parlamentarische Demokratie in großen Nationen bedeutet aber
automatisch viel Wahlkampf in eigener Sache.
Die netten, bescheidenen, nachdenklichen, stillen,
kontemplativen Typen, die mir viel sympathischer als machtgeile Alphamännchen
sind, schaffen es gar nicht durch die Ochsentour ganz nach oben in die Führung
einer Bundestagsfraktion oder eines Ministeriums.
Bedenkt man wie unbedingt erforderlich Durchsetzungskraft
und Selbstdarstellung für einen Minister oder Parteichef sind, finde ich es
verblüffend wie viele Sympathische dennoch darunter sind.
Es ist unredlich in einer Demokratie aus 82 Millionen
Individuen einem Dutzend Ministern Karrieregeilheit oder Selbstüberschätzung anzukreiden.
Denn das gehört zur Jobbeschreibung. Wer will schon einen
furchtbar lieben Innen- oder Sozialminister, der immer das Richtige tut und
sich nie in den Vordergrund drängelt, der sich aber nicht durchsetzen kann?
Also, ein gewisser Arschloch-Anteil ist für eine gute
Politikerpersönlichkeit immanent.
Politiker können aber erstaunlicherweise nicht nur privat
nett sein, sondern durchaus auch über Parteigrenzen hinweg enge persönliche
Freundschaften führen.
Im klassischen Spektrum der Regierungsparteien liegen Grüne
und CSU mutmaßlich am weitesten auseinander.
Gerade in Bayern sind Union und Ökos recht weit voneinander
entfernt.
(….) Nachdem Claudia Roth in München an der Anti-AfD-Demonstration teilnahm,
ergriff die CSU-Landtagsfraktion Partei – für die AfD.
Der CSU-Abgeordnete Florian Herrmann (nomen est omen…) bepöbelte daraufhin
Roth und monierte, sie trage "zur Radikalisierung der Gesellschaft"
bei.
Diese Darstellung gefiel der CSU-Fraktionsführung so gut, daß sie die
Einschätzung sogleich auf ihre Facebookseite stellte.
Wie gewünscht, fand sich sofort der braune CSUNPDAFD-Mob ein und hetzte
rasend vor Wut wider die Vizepräsidentin des Bundestags.
Neben den üblichen „Argumenten“ wider ihre Haarfarbe/Frisur/Figur/Kleidung
wurde ihr auch der Tod angedroht.
Der übliche kotdampfende Verbalsumpf, den CSU-Granden so gerne beschwören.
Diesmal ließ die CSU-Fraktionsführung dem Treiben freien Lauf.
Grüne zeigen CSU-Fraktion wegen
Mordaufrufen auf Facebookseite an
[….] Die Grünen im Landtag haben gegen die CSU
juristische Schritte eingeleitet. Fraktionssprecherin Margarete Bause
erstattete am Montag bei der Staatsanwaltschaft München I Strafanzeige
"gegen die Verantwortlichen für die Facebook-Page der CSU-Fraktion im
Bayerischen Landtag". Als Adressat dürfte damit CSU-Fraktionschef Thomas
Kreuzer gemeint sein. Bause stellte Anzeige wegen diverser Delikte, insbesondere
wegen Beleidigung, übler Nachrede, Verleumdung und Bedrohung.
[….] Am Freitagnachmittag forderten die Grünen die
CSU-Fraktion und ihren Vorsitzenden Kreuzer schriftlich auf, "beleidigende
Kommentare sowie Gewaltandrohungen unverzüglich zu löschen" und sich bei
Roth zu entschuldigen. Seitdem sei nichts geschehen, sagte Bause am Montag. Es
handele sich um "Hass-Beiträge" von "unfassbarem Ausmaß".
Bis Montag, 15 Uhr, hatten die Grünen der CSU ein Ultimatum gestellt, die
Beiträge zu entfernen. Danach erstatteten sie Strafanzeige. [….]
CSU-Rechtsaußen Günther Beckstein, bundesweiter Abschiebe-Radikaler
und bayerischer Ministerpräsident und die so gescholtene ehemalige
Grünenvorsitzende und jetzige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth verstehen
sich privat prächtig und demonstrieren das herzlich in einem Doppelinterview
des SZ-Magazins.
[…..] SZ-Magazin: Frau Roth, Herr Beckstein, Sie beide sind seit vielen
Jahren befreundet. […..], Frau Roth,
was mögen Sie an Herrn Beckstein?
Roth: Der Günther bleibt sich treu, das schätze ich. Da gibt es andere
in der CSU, die legen eine hohe Flexibilität an den Tag, da weiß man nicht,
woran man ist. Vielleicht ist es das, was uns verbindet: die Treue zu
Auffassungen. Aber unsere Freundschaft hat erhebliche Irritationen in meiner
Partei ausgelöst. […..]
Wir führen keine Freundschaft, bei der man sich jeden Tag sieht oder
ständig telefoniert. Aber wir können etwas unter vier Augen besprechen und
müssen nicht befürchten, das morgen in der Zeitung zu lesen. Oder dass es sofort
per SMS weiterverbreitet wird.
Beckstein: Stimmt, da besteht ein Vertrauensverhältnis. […..]
SZ: Herr Beckstein, warum haben Sie ihr damals das Du angeboten?
Beckstein: Für mich ist Claudia Roth eine ganz starke Marke. […..] Seit ich die Claudia kenne, hat sich bei mir
einiges geändert. Ich nehme die Grünen jetzt ernst. […..] Ich fand die Claudia sehr sympathisch. In
einem anständigen Abstand, sage ich jetzt mal. Es gefällt mir, dass sie so
spontan ist. Das liegt mir.
Roth: Vielleicht kamen wir uns auch näher, weil wir über all die Jahre
so viel miteinander zu tun hatten, immer wieder. Konfrontativ, hart in der
Sache, aber auch vertrauensvoll. […..]
Beckstein: Ich versuche zwar, als Christ zu leben. Aber das Alte Testament,
Auge und Auge, Zahn um Zahn, wird von mir hoch verehrt.
Roth: Also du gehst in die Offensive?
Beckstein: Ja! Jede Gemeinheit wird mit einer größeren Gemeinheit
beantwortet.
Roth: Da muss ich mal Nachhilfe nehmen. […..]
Ebenfalls ein Herz und eine Seele sind die beiden
tiefgläubigen MPs Markus Söder und Winfried Kretschmann. Söder, der so rechts
ist, daß er sogar Horst Seehofer mit seinen ständigen xenophoben Attacken in
den Schatten stellte, ist dem Grünen Nachbar-MP vor allem politisch nahe.
Mögen sich die Sozis sträuben die Seehoferschen Schweinereien des „geordnete Rückkehr-Gesetzes“
mitzumachen, auf das Mitglied des Zentralrates der deutschen Katholiken
Kretschmann kann sich die CSU verlassen. Menschen in Not in Kriegsgebiete
abzuschieben ist ganz nach dem Geschmack des Grünen Landesvaters.
[…..] Zu dem Vorstoß der unionsgeführten Länder und Baden-Württembergs, neben
Gefährdern und Schwerverbrechern auch andere Flüchtlinge verstärkt
abzuschieben, werde es zumindest so lange keine Zustimmung der SPD-Ressortchefs
geben, bis der Lagebericht des Auswärtigen Amtes eine akzeptable Sicherheitslage
erkennen lasse, hatte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius zuvor
erklärt. "Das ist ein Vorschlag, den wir aktuell ablehnen werden",
sagte der Sprecher der Gruppe der SPD-Innenminister. […..]
Die Sozis solidarisieren sich mit den Heimatvertriebenen und Menschenrechtsorganisationen, die BW-Grünen
stehen an der Seite von CSU und AfD, wollen humanitäre Politik abschaffen.
[…..] Die Kritik an Seehofers Abschiebegesetz reißt nicht ab: Als
unverhältnismäßig und uferlos bezeichnen 22 Organisationen das geplante Gesetz
in einem offenen Brief. Ein SPD-Politiker wird sogar noch deutlicher.
Ein Bündnis von 22 zivilgesellschaftlichen Organisationen will die
geplanten Verschärfungen im Abschieberecht verhindern. In einem offenen Brief
fordern sie die Abgeordneten des Bundestags auf, das von Innenminister Horst
Seehofer so bezeichnete "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" nicht zu
verabschieden.
Das Gesetz würde viele Flüchtlinge "dauerhaft von der Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben ausgrenzen, sie unverhältnismäßigen Sanktionen und
einer uferlosen Ausweitung der Haftgründe aussetzen", heißt es in dem
offenen Brief, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. [……]
Anders als zwischen Roth und Beckstein, bei denen es in
erster Linie menschlich so schön passt, sind Kretschmann und Söder auch
politisch einig.
Auf dem Rücken tausender auseinander gerissener Familien, die
sie in Todeszonen schicken, zelebrieren sie ihre Liebe.
[….] Der 71-jährigen Kretschmann sagt [….]: Man habe schnell bei Sachthemen "auf derselben Wellenlänge
gelegen" und so zusammengefunden. Die Unterschiede zwischen seiner Partei,
den Grünen, zur Union seien immer noch gravierend, aber man müsse "vom
ideologischen Podest ein paar Stufen hinabsteigen, dann lockert sich manches
auf". Auf die Frage, ob er gemeinsam mit Kretschmann regieren könnte,
antwortete Söder: Mit Kretschmann sei das möglich, der sei pragmatisch. [….]