Samstag, 27. Juni 2015

Was für ein Scheißtag.



1)
Typen wie Lügen-Schäuble sind am Ruder, wenn es um Europas Zukunft geht, lassen vermutlich Millionen Griechen ins Elend abgleiten, weil Merkel die Anleger wichtiger sind.

2)
Und in Berlin findet heute der CSD statt, ohne daß es derzeit die geringste Hoffnung gibt Schwule und Lesben rechtlich gleichzustellen.
Da sind nun Arizona, Texas und Mississippi bei der gleichgeschlechtlichen Ehe weiter als Berlin.
Wer hätte DAS vor zehn oder 15 Jahren gedacht?

3)
Religiotische Irre bomben mal wieder auf drei Kontinenten rum und „unsere Politiker“ überbieten sich mal wieder mit Dummsprech.
„Ausgerechnet friedliche Urlauber“ – als ob es ethisch vertretbarer gewesen wäre nur Einheimische zu killen.
Und Steinmeier ist sich noch nicht mal zu blöd dafür die Uralt-Verdammnisformel von dem „feigen Anschlag“ zu benutzen. Es ist Zeit noch einmal Max Goldts Post-9/11-Anmerkungen zu den Dekorationsadjektiven zu zitieren.

Nach drei Tagen weitgehender Medienabstinenz kaufe ich mir doch mal eine Zeitung. Susan Sontag kritisiert neben manch anderem, dass sämtliche Kommentatoren die Anschläge als „feige“ bezeichnen. Da hat sie natürlich Recht. Schon Ladendiebstahl erfordert Mut. Wie viel Mut braucht es da erst, ein Flugzeug zu entführen und es gegen ein Gebäude zu steuern. Man kann froh sein, dass die meisten Menschen zu feige sind, um so etwas zu tun. Sicherlich gibt es für die Attentate bessere Dekorationsadjektive, wie zum Beispiel ruchlos oder schändlich, sogar anmaßend wäre treffender als feige.
Es geht den Kommentatoren aber nicht um passende Adjektive, sondern um die Souveränität und Flüssigkeit ihres Vortrags. Um diese zu erlangen, sind in der Mediensprache viele Haupt- und Zeitwörter untrennbar an bestimmte Eigenschafts- und Umstandswörter gekettet. So wie Anschläge immer feige sind, werden Unfälle grundsätzlich als tragisch bezeichnet, obwohl es mit Tragik, also einer Verwicklung ins Schicksal oder in gegensätzliche Wertesysteme, überhaupt nichts zu tun hat, wenn jemand gegen einen Baum fährt. Ein solcher Vorgang ist banal – mithin ganz und gar untragisch. Vielleicht werden die Unfälle deshalb als tragisch bezeichnet, weil das Wort so ähnlich wie traurig klingt, und traurig ist ein Unfall immerhin für die Freunde und Angehörigen des zu Schaden Gekommenen. „Traurig“ ist den Medienleuten aber zu lasch, für sie ist Tragik wohl eine zackigere und grellere Form von Traurigkeit.
Genauso unpassend ist das Adjektiv, welches unvermeidbar auftaucht, wenn nach einem Erdbeben oder einem ähnlichen Unglück nach Überlebenden gesucht wird. Wie geht die Suche vor sich? Natürlich „fieberhaft“. Dabei will man doch stark hoffen, dass es Fachleute und besonnene Helfer sind, die einigermaßen kühlen Kopfes und in Kenntnis der bergungslogistischen Notwendigkeiten die Menschen suchen, und nicht, dass da irgendwelche emotional aufgeweichten Gestalten wie im Fieberwahn in den Trümmern herumwühlen. Verzichten können die Medienleute auf Adjektive nicht, denn sie sind zur Erzielung eines vollmundigen Verlautbarungssingsangs notwendig. Könnte man aber nicht mal einen angemessenen Ausdruck benutzen? Ich glaube nicht. Wir werden niemals folgenden Satz im Radio hören: „Nach Überlebenden wird fleißig gesucht.“ Dabei wäre „fleißig“ inhaltlich wie stilistisch ideal. Es ist weder abgedroschen floskelhaft noch zu auserlesen und hat daher nicht den geringsten ironischen Beiklang. Schriebe jedoch ein Journalist diesen Satz, so wäre es vollkommen sicher, dass sein Redakteur das passende Wort „fleißig“ streichen und durch das vollkommen unpassende „fieberhaft“ ersetzen würde.
(Max Goldt, Wenn man einen weißen Anzug anhat, 15.09.2001)

4)
Brechkotzwürg ist auch das einzige, das einem noch einfällt, wenn man liest wie sich in dem Bundesland mit dem niedrigsten Ausländeranteil überhaupt – Sachsen – die Leute benehmen, wenn Flüchtlinge bei ihnen Schutz suchen.

Im Bündnis "Freital wehrt sich" wenden sich hunderte Freitaler gegen das, was sie für "Asylmissbrauch" halten. In Facebook-Gruppen wird täglich zur Gewalt aufgerufen. Mit Folgen. Steine zerschlugen Fenster. Böller detonierten. Ein Marokkaner verließ Deutschland, nachdem er von Freitalern bewusstlos geschlagen wurde. Am nahe gelegenen Bahnhof prügelte Ende Mai rund ein Dutzend Neonazis auf einen Flüchtling ein.
Einer der Freital-Flüchtlinge ist Mohammad aus Damaskus. Er floh vor der Gewalt in Syrien. Nun steht er mit einem seiner Kinder am Bolzplatz hinter dem ehemaligen Hotel. "Wir finden es schön hier. Aber die Leute, die etwas gegen uns haben, sollen verstehen, dass wir vor dem Krieg geflohen sind und nicht um den Menschen etwas wegzunehmen."
Können Sie das? In einer Stadt, in der selbst der Oberbürgermeister die Argumente der rechten Demonstranten aufgreift. "Sanktionen gegen pöbelnde und gewalttätige Asylbewerber" hat der im Juni zum Oberbürgermeister gewählte Uwe Rumberg im Wahlkampf gefordert. Auch Noch-Amtsinhaber Klaus Mättig (beide CDU) hat sich lange gegen die Flüchtlingsunterkunft eingesetzt.
[….]    "Ayayayo Hurensö-öhne", grölt eine Gruppe aus rund 50 Hooligans jenseits der Polizeiabsperrungen und mischt sich unter Applaus der "normalen Freitaler Bürger" in die Anti-Asyl-Kundgebung. Gegen Frauen und Kinder habe er nichts, "aber es kommen nur junge Männer", erklärt ein junger Mann in schwarzer Jacke und Basecap seinen Grund, heute hier zu sein. Nein, er sei noch nicht im Heim gewesen, um nachzusehen.
"Aber ein Kumpel wurde mal von denen bedroht", sagt er und stimmt ein in "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen" und "Kriminelle Ausländer raus, raus, raus". Linksfaschist. Lügenpresse. "Deine Alte haben wir letzte Nacht durchgefickt". Wer nach echten Sorgen der "besorgten Bürger" sucht, bekommt kaum andere Antworten. Nein, Freital hat kein besonderes Problem mit Nazis, da sind sich selbst lokale Unterstützer der Flüchtlinge sicher. Es ist das übliche Nazi-Problem Sachsen. Mindestens drei Männer zeigen an diesem Abend den Hitlergruß, zwei rufen "Sieg Heil".

5.)
Es gäbe so viele Möglichkeiten für die SPD sich durch kluge Politik zu profilieren; aber unglücklicherweise haben sie an der Spitze gerade ihre Gehirn-freien Tage genommen.
Fahimi, die zunächst zwar unauffällig war, dann aber wenigstens auf der richtigen Seite stand, indem sie sich klar gegen die xenophoben Töne aus der CDU und CSU stellte, fiel schon letztes Wochenende peinlich auf, als sie die ganz grobe Keule „Regierungsfähigkeit der SPD“ rausholte, um für die Vorratsdatenspeicherung zu werben.

Nun ist sie noch eine Stufe tiefer gesunken und blamiert sich mit einer Anzeige gegen Greenpeace.
Peinlich, peinlicher, SPD.

SPD stellt Strafanzeige gegen Greenpeace
[….]  Die SPD hat mit einer Strafanzeige auf eine Protestaktion von Greenpeace vor ihrer Berliner Parteizentrale reagiert. »Die Aktivisten haben mit ihrer Harakiri-Aktion auch sich und andere gefährdet«, begründete SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi in der »Berliner Zeitung« vom Freitag das juristische Vorgehen ihrer Partei. »Solche reißerischen Aktionen haben wenig mit dem sachlichen politischen Meinungsstreit in einer Demokratie zu tun.«
Die Greenpeace-Aktion hatte sich gegen das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP gerichtet. [….]
(AFP/nd 26.06.2015)