Erst die
Linken, dann die Grünen Regierungspläne und nun
kommt auch noch die SPD immer mehr in die Spur.
Obwohl
längst das postpolitische Zeitalter begonnen hat, machen sich die Journalisten daran
die Parteikonzepte zu analysieren, nachzurechnen und zu beurteilen.
Meine
Sozi-Jungs haben es demnach wieder einmal recht gut gemacht.
Das mit
der Rente war zwar nichts, aber das muß man verzeihen; immerhin war Andrea Nahles Co-Autorin
und so gab es keine Chance irgendetwas Sinnvolles vorzulegen.
Die
Steuerkonzeption aber, die auch das Abschmelzen des Solidaritätsbeitrages
beinhaltet wird allgemein gelobt.
[….]
Der linke Flügel der SPD fordert vor dem
Parteitag am Sonntag programmatische Nachbesserungen. "Martin Schulz hat
ein sehr gutes Steuerkonzept vorgelegt - und trotzdem dürfen wir die
Vermögensteuer nicht aus dem Auge verlieren", sagte Matthias Miersch, Sprecher
der Parlamentarischen Linken, der Süddeutschen Zeitung. [….]
Sogar
der neoliberale Marc Beise, FDP-affiner Wirtschaftschef bei der SZ erwärmt sich
für die Sozi-Pläne. Seit 1991 habe der Soli trotz aller Versprechen ihn
abzuschaffen weiter bestanden, grummelt Beise.
[….]
Nun aber ist er binnen zweier Tagen kassiert
worden, jedenfalls perspektivisch. Am Montag hat SPD-Kanzlerkandidat Martin
Schulz angekündigt, dass die SPD den Soli für untere und mittlere Einkommen
abschaffen will, später auch für höhere Einkommen. Am Dienstag hat
Bundeskanzlerin Angela Merkel nachgelegt und eine Abschaffung für alle
(allerdings später) in Aussicht gestellt.
Zwar leidet der
SPD-Vorstoß daran, dass er Teil eines wie üblich vorrangig umverteilerischen
Steuerkonzepts ist, das den einen nimmt, was den anderen gegeben werden soll.
Dass der Staat sich mal bescheide und Wachstumskräfte quer durch die
Gesellschaft wecken könnte, steht nicht wirklich zur Debatte. Der CDU-Vorstoß
wiederum krankt daran, dass die Union noch gar kein Steuerkonzept fertig hat,
geschweige denn ein Wahlprogramm. Was angesichts der Wahl in drei Monaten
ziemlich bräsig ist. Auch wenn die Kanzlerin sich wieder größerer Zustimmung
erfreut, ein Programm hätte der Wähler schon gern.
Aber wir halten fest,
dass beim Soli Pflöcke eingeschlagen sind - endlich. […..]
An einer
Stelle staune ich nur wenig:
Die
ärmere Hälfte der Deutschen zahlt gar keine Einkommenssteuer, weil sie so wenig
verdienen, daß sie unter den Freibeträgen liegen. Streicht man also den Soli,
hilft das nur der reicheren Hälfte der Deutschen und da es eine prozentuale
Steuer ist, wird man umso mehr entlastet, je mehr man verdient.
Gerecht
ist anders.
Viel
mehr staune ich aber über Beises Ärger ob des nicht vorhandenen CDU-Konzeptes.
Wo war
denn Herr Beise die letzten 19 Jahre seit Angela Merkel ganz oben an der
CDU-Spitze steht (erst als Generalsekretärin, dann als Vorsitzende)?
Merkel
hat bis auf eine einzige Ausnahme, nämlich den Flattax-Wahlkampf von 2005 mit
der Idee von der Kopfpauschale nie mehr irgendeine verbindliche
steuerpolitische Aussage getroffen.
Kein
Wunder, denn sie erlitt 2005 eine fürchterliche Bauchlandung. Das ganze Jahr
prognostizierte man eine absolute CDU-Mehrheit und dann schleppte Merkel sich
mit einem hauchdünnen Vorsprung vor den Sozis ins Ziel, so daß es noch nicht
mal mehr für Schwarzgelb reichte.
Aber die
Frau ist lernfähig. Nie wieder wurde sie konkret. 12 Jahre Kanzlerin und bis
heute weiß niemand was sie über Finanz- oder Steuerpolitik denkt.
Genau
damit war sie ungeheuer erfolgreich, denn kein Wähler liest Programme, schon
gar nicht mehrere. Niemand sieht sich die Zahlen im Kleingedruckten an und wägt
dann neutral anhand der Fakten ab, welche Partei das bessere Konzept hat.
Im
Gegenteil, Konzepte verwirren den Urnenpöbel und liefern der Presse und den
politischen Gegnern Angriffsfläche.
Ein
Konzept zu erarbeiten und es auch noch öffentlich vorzutragen ist ungefähr so
sinnvoll, wie sich in einem Stellungskrieg nackt auszuziehen und dann
unbewaffnet aus dem Schützengraben zu klettern.
Die eingegrabenen
Soldaten in den gegenüberliegenden Stellungen werfen dann nicht erfreut ihre
Waffen weg und bewundern den Alabasterkörper des nackten Sozis, sondern sie
laden durch und knallen ihn ab.
Merkel
wäre nie so dumm. Sie liegt eingegraben in der sicheren Deckung und schlummert
im Kanzleramtbunker bis zum 24.09.2017, um dann einmal kurz ihr Haupt zu
erheben und befriedigt festzustellen, daß sich alle Konkurrenten wieder einmal
gegenseitig zur Strecke brachten.
Es hat
etwas rührend-naives, wenn nach all den Jahren immer noch Journalisten klagen
und jammern wie sich Merkel dem Wahlkampf entzieht.
Weshalb
sollte sie so verrückt sein das ultimative Erfolgskonzept der „asymmetrischen
Demobilisierung“ zu ändern?
Das ist das Schöne daran grundkonservativ zu sein
– es braucht keine lästigen Konzepte, es reicht die Macht zu haben und
Minderheiten zu demütigen.
Bei SPON
beklagt Herr Tietz, daß Frau Merkel mit so einer Inhaltsleere keine vierte
Amtszeit verdient hätte. Haha, als ob es in der Politik darum ginge, was einer
verdient, haha, als ob Wahlen gerecht wären.
Merkel ohne Programm:
Keine Ideen, kein Aufbruch, nichts!
Ihre Partei gähnt vor
Langeweile, sie selbst glänzt derzeit durch Nichtstun - und trotzdem sind CDU
und Angela Merkel wieder obenauf. Doch die Kanzlerin hat keine weitere Amtszeit
verdient. […..] Dass die internationale Presse sie feiert
und sie als Führerin der freien Welt geachtet ist, verstellt den Blick darauf,
dass sie zu Hause nicht viel mehr liefert, als regelmäßig schöne Bilder.
Welches große
politische Projekt bringt man mit Merkel in Verbindung? Welchem Gesetzesvorhaben
hat sie ihren Stempel aufgedrückt? Was will sie, außer weiter an der Macht
bleiben? […..] Bei Helmut Kohl kam nach zwölf Jahren
Amtszeit auch keine Wechselstimmung auf. Danach saß er seine Zeit bis 1998 nur
noch ab. Die Nachfolger hatten Jahre damit zu tun, seine Versäumnisse
aufzuarbeiten. Das kann man natürlich
eine politische Strategie nennen. Oder trostlos. [….]
Kollege
Fischer befindet sich gedanklich sogar auf noch bizarreren Abwegen, indem er
tatsächlich eruiert mit welcher inhaltlichen Ausrichtung die SPD noch Chancen
hätte.
[……]
Generalsekretär Peter Tauber lästert
derweil über Schulz: Der mache "Dalmatiner-Politik", man sehe nur
Punkte. "Hier mal ein Fünf-Punkte-Papier, da mal eine
Zehn-Punkte-Rede", so Tauber in der "Saarbrücker Zeitung".
Bei der CDU gibt es
keine Punkte. Keine Kanten, keine Reibung, die Kanzlerin auf Schleichfahrt.
Die Union verteile
"Merkel-Bonbons ohne Füllung", kommentiert die "Frankfurter
Allgemeine Zeitung". Und die "Zeit" bemerkt, die Kanzlerin
"ignoriert alle inhaltlichen Debatten". An diesem Mittwoch hat
Generalsekretär Tauber schon mal die Wahlplakate vorgestellt, ein paar
Schlagworte, viel Schwarz-Rot-Gold und der Slogan: "Für ein Deutschland,
in dem wir gut und gerne leben." Die Inhalte kommen dann ja später.
Und doch ist Angela
Merkel für die SPD bisher nicht zu fassen. Längst verflogen ist der Schulz-Hype
vom Jahresanfang, jüngsten Umfragen zufolge könnte es sogar neuerlich für
Schwarz-Gelb reichen.
Was tun? Im SPIEGEL
kündigt SPD-Generalsekretär Hubertus Heil die rote Gegenoffensive an, will
Merkels Nicht-Wahlkampf zum zentralen Thema machen: "Das ist ein Stück
weit Demokratieverachtung, die hinter dieser Taktik steckt." […..]
Für eine
linkere Opposition in Deutschland gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie
bietet einen Strahlemann wie Emmanuel Macron auf, in den sich alle verlieben.
Karl Theodor von und zu Baron Freiherr hat schließlich beweisen, daß man ganz
ohne irgendeinen politischen Plan auf eine 90%-Zustimmungsrate klettern kann.
Oder
aber man puzzelt weiter vor sich hin, streichelt der Basis den Bauch, zankt
sich ein bißchen mit den anderen R2G-Parteien und wartet einfach
Niederlage um Niederlage ab, bis Merkel nach 16 oder 20 Jahren keine Lust mehr
hat.