Dienstag, 3. September 2024

Der CDU-Problembär

 Fritze Merz hat eine Menge Probleme. Sein Haarausfall. Merkel. Söder. Sein Alter. Will mit fast 70 Jahren Bundeskanzler werden und hat nicht einen einzigen Tag Regierungserfahrung. Seine mangelnde Selbstkontrolle.

Am Schlimmsten für ihn fällt aber seine persönliche Unbeliebtheit ins Gewicht. Die Wähler können ihn nicht wirklich leiden. Eine absolut unterirdische Ampelrezeption, bei der jeder Oppositionsführer schon von ganz allein über 50% kommen müsste, aber Merz krebst deutlich unter den schlechtesten Werten, die seine große Nemesis Merkel jemals hatte.

Das wiederum hängt mit zwei seiner Haupt-Charaktereigenschaften zusammen:

1.) Er kann sich selbst nicht im Zaum halten und dampfplaudert immer wieder irgendeinen Unsinn los, von dem er anschließend peinlich zurückrudern muss.

2.) Er ist nicht besonders intelligent. Ihm fehlt nicht nur grundsätzliches politisches Faktenwissen; er ist auch schlicht und ergreifend unfähig, strategisch zu denken.

So erklärt sich auch, wieso Merz den Bundeskanzler auf persönlicher Ebene hasst, wie die Pest. Er missgönnt ihm seinen Posten und ärgert sich, daß Scholz so viel schlauer und belesener als er selbst ist.

Kamensky: "Undankbarer Osten"

Die mangelnde Fähigkeit strategisch zu denken, bringt Merz nun nach dem Horrorwahlgang von Ossistan in mehrfache Dilemmata. Intelligentere Parteifreunde wie Daniel Günther hatten es lange erkannt: Die CDU muss womöglich in Zukunft mit den Linken zusammenarbeiten und sollte daher die absolut unsinnige Äquidistanz mit AfD und Linken aufgeben. Nur Dummerle Merz hatte es nicht kapiert und auf der Verteufelung von Linken beharrt.

Daher muß der CDU-Bundeschef nun den Umfall vollziehen, ohne zuzugeben, mal wieder völlig falsch gelegen zu haben. Das Heft des Handelns wurde ihm längst aus der Hand genommen; MP Kretschmer kümmert sich ohnehin nicht um Ansagen aus dem Konrad-Adenauer-Haus. Das muss Merz nun öffentlich absegnen, ohne als führungsschwacher Depp dazustehen. Das wäre schon für normale Politiker extrem schwierig. Bei Merz kommt erschwerend sein nicht zu zügelndes Temperament hinzu.

[…..]   Gut, dass es nach einer Dreiviertelstunde vorbei ist. Dass er gehen muss. Dass der nächste Termin drängt. Dass Friedrich Merz am Montagmittag im Berliner Konrad-Adenauer-Haus nicht zum fünften Mal die Frage beantworten muss, ob der Unvereinbarkeitsbeschluss seiner CDU gegenüber der Linken auch nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen noch gelte.

Wer weiß, ob er dann noch die Contenance behalten hätte. Als er das erste Mal gefragt wird, antwortet Merz so: »Bei der Linkspartei gibt es einen Beschluss der Bundespartei aus dem Jahr 2017. Der Beschluss gilt, und damit umzugehen, wird dann auch Sache der beiden Landesverbände in Sachsen und Thüringen sein.«

Drei Minuten später die nächste Frage nach der Linken. Merz macht es kurz: »Zum Thema Linkspartei habe ich gerade eine Antwort gegeben. Dem ist nichts hinzuzufügen.« Offenbar doch, denn schon hakt die nächste Journalistin nach. Dieses Mal fällt die Antwort nicht ganz so apodiktisch aus: »Was da die nächsten Wochen geschieht, werden wir jeweils im Lichte der Lage beurteilen, aber unser Beschluss gilt.«

Nachfrage: Ob der Beschluss denn erlaube, dass sich die CDU von der Linkspartei tolerieren lasse?  Jetzt wird Merz unfreundlich. »Ich habe alle Fragen zu dem Thema beantwortet«. Er ist genervt.    [….]

(Konstantin von Hammerstein, 03.09.2024)

Nicht nur kann das CDU-Dummerle sich kaum selbst kontrollieren; es hat offenbar noch immer nicht verstanden, daß seine Ost-CDU eben nicht gewonnen hat, sondern nur mühsam in einem Land auf Augenhöhe mit den Nazis bleiben konnte und in beiden Wahlländern die Hälfte ihres Ergebnisses grünen, roten und linken Leihstimmen verdankt, die als gute Demokraten die Nazi-Sperrminorität verhindern wollten, aber noch lange keine CDU-Fans sind.

[…..]  Doch anders, als Merz suggeriert: Der klassische Wahlsieger ist die CDU nicht, auch wenn sie künftig möglicherweise nicht nur in Sachsen, sondern auch in Thüringen den Ministerpräsidenten stellen wird und in beiden Ländern in etwa ihr Wahlergebnis von vor fünf Jahren halten konnte.

Wahlsieger sind die Populisten. Die rechtsextreme AfD, die in Thüringen deutlich vor und in Sachsen nur knapp hinter der CDU liegt. Und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das aus dem Stand zweistellig – und zum Schlüsselfaktor bei der Koalitionsbildung in beiden Bundesländern geworden ist.

Die CDU ist eher eine Art Scheinriese, der nicht unbedingt aus Überzeugung gewählt worden ist. Sein Erfolg hängt zu einem gehörigen Teil davon ab, dass die Wähler*innen einen zu großen Einfluss der AfD verhindern wollten. Das jedenfalls hat etwas mehr als die Hälfte von ihnen als Grund für die eigene Entscheidung in Nachwahlbefragungen so angegeben.

Auch die Kompetenzzuschreibungen für die Christdemokrat*innen haben im Vergleich zu vor fünf Jahren auch in Schlüsselbereichen wie Wirtschaft und Sicherheit abgenommen; beim Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik liegt die AfD laut Infratest dimap sogar deutlich vor der CDU. Was durchaus Anlass für selbstkritisches Nachdenken sein könnte.

Besonders Kretschmer hat im Wahlkampf darauf gesetzt, die Wahl rechts der Mitte zu gewinnen – dazu hat er scharf gegen die Ampel und vor allem die Grünen polemisiert und drastische Verschärfungen in der Migrationspolitik gefordert, die sich im Sound mitunter kaum von der AfD unterschieden. Hinzu kamen seine Forderungen nach Friedensverhandlungen mit Russland und Kürzungen bei den Waffenlieferungen an die Ukraine.  Funktioniert hat das nicht. Die CDU, das zeigen Wählerwanderungen, hat Zehntausende Wähler*innen an AfD und BSW verloren, gerettet haben Kretschmer die Stimmen von ehemaligen Grünen-, SPD- und Linken-Wähler*innen  [….]

(Sabine am Orde, 02.09.2024)

Merz hat sich sehenden Auges in Patsche manövriert und muss nicht nur erklären, wieso nun doch das Koalitionsverbot mit den Linken gebrochen wird, aber das Koalitionsverbot zur AfD nicht – obwohl die Nazis bei vielen Ost-CDUlern sehr populär sind.

Zudem muss Merz auch noch erklären, wieso es halb so schlimm ist mit Sahra Wagenknecht zu koalieren, die a) zu DDR-zeiten in die SED eintrat, b) lange Jahre Vorsitzende der Kommunistischen Plattform war, c) an Putins Rockzipfel hängt, d) Konzerne enteignen will, e) Atheistin und f) auch noch Covidiotin ist.

Wieso aber andererseits keineswegs mit Bodo Ramelow koaliert werden darf, der a) aus dem Westen kommt, b) nie in der SED war, c) zehn Jahre absolut verfassungstreu und verantwortungsbewusst Thüringen regierte, d) die Ukraine und Waffenlieferungen nach Kiew unterstützt und e) tiefgläubiger praktizierender Christ ist.

[….]  CDU und BSW in einer Koalition – das allein ist für Merz schon der blanke Horror. In Thüringen aber stellt sich jetzt die Frage: Muss die CDU sich auch noch von der Linken tolerieren lassen? Und wenn ja – was folgt daraus? Eines ist jedenfalls sicher: Sollte die CDU ihren Uvereinbarkeitsbeschluss aufweichen und sich quasi gleichzeitig mit Linkspopulisten und Alt-Linken einlassen, werden die Dämme auch auf der rechten Seite weich – die Brandmauer zur AfD wird nur schwer zu halten sein. Merz muss fürchten, dass er bald eine zerstörerische Debatte am Hals hat: die Diskussion um Bündnisse mit der AfD. Und damit genau das, was er im Bundestagswahlkampf überhaupt nicht gebrauchen kann.

Für Merz geht es jetzt um alles: Steuert er seine Partei souverän durch die unübersichtliche Lage, kann ihm die Kanzlerkandidatur niemand mehr nehmen. Schlingert er, verliert er die Kontrolle über die Debatte, dann wackelt er selbst. Die kommenden Tage und Wochen werden für Merz die entscheidende Phase seiner Karriere sein. Klar ist jetzt schon: Wenn Merz Kanzlerkandidat wird, geht er mit einem schweren Rucksack in den Wahlkampf – es ist ein 100 Kilo schweres Glaubwürdigkeitsproblem.

Konkret: Wer munter mit dem BSW regiert, kann unmöglich gleichzeitig den Grünen die Bündnistauglichkeit absprechen. Und: Wer mit dem BSW regiert, muss höllisch aufpassen, dass er zur Bundestagswahl nicht mit einer Debatte aufwacht, in der auch die AfD ins Spiel kommt.   […..]

(Julia Emmrich, Funke, 03.09.2024)

Scholz erlebt gerade, wie eine kleine gelbe Scheißpartei im Alleingang die eigene Koalition zerschießt, obwohl Scholz ein gewiefter Taktiker ist, der stets die Ruhe behält.

Sollte Merz im nächsten Herbst Bundeskanzler werden – und das ist aufgrund der Verblödung des Urnenpöbels leider immer noch sehr wahrscheinlich – wird die Ampel wie eine Harmonieveranstaltung wirken, verglichen mit der Koalition, die dann ein aufbrausender und leicht debiler Merz im Zaum halten soll.

[….] Je größer die AfD aber wird, desto heterogener werden zwangsläufig die Koalitionen der verbliebenen demokratischen Parteien, die sich in immer größerer Zahl und trotz immer größerer inhaltlicher Differenzen zusammenschließen müssen, um die Extremisten von der Macht fernzuhalten. Dies zeigt sich gerade in Sachsen und vor allem in Thüringen, und daraus entstehen wahrscheinlich schwache Koalitionen, die der AfD weiteren Zulauf bescheren könnten. Es ist der Kreislauf, der zur Unregierbarkeit führen kann – oder zur Machtergreifung durch Extremisten.

Der Niedergang der Ampel und dessen Folgen offenbaren also eine neue, chaotische Normalität: In zersplitterten Parlamenten mit starken populistischen und extremistischen Kräften dürfte das Regieren immer komplizierter, die Regierungen dürften kurzlebiger werden. Das wird in einem Jahr auch Friedrich Merz erleben, sofern er als Kanzlerkandidat der Union die Bundestagswahl gewinnt. Wenn eine Regierungsbildung bei Ausschluss der AfD nur mit linken Partnern (SPD, Grünen oder BSW) möglich ist, steht Merz dann vor derselben Herausforderung wie heute Scholz. Angesichts seines Temperaments wird der CDU-Chef dafür wohl noch mehr Selbstbeherrschung aufwenden müssen als der amtierende Kanzler. […..]

(Nicolas Richter, 02.09.2024)