Montag, 9. September 2024

Die Christen und die Homos

Es ist einer der ältesten Hüte überhaupt. Wer heterosexuell ist, oder sich auf sonst einem Punkt der Kinsey-Skala befindet, sich seinen eigenen Vorlieben bewusst und keinem toxischen kulturell-religiösen Einfluss unterliegt, schert sich nicht um Sexualpraktiken, die andere Erwachsene möglicherweise mögen könnten.

Dennoch ist es enorm weit verbreitet, Menschen dafür zu verachten und zu diskriminieren, wen sie lieben.

Was genau Friedrich Merz dazu bringt, sich immer wieder dezidiert homophob zu äußern, weiß ich nicht. Will er damit seiner konservativen Basis imponieren? Ist es also eine politische Taktik? Drückt sich in seinem Hass, seine katholische Indoktrination aus? Will er sich mit möglichst schwulenfeindlichen Sprüchen davon ablenken, selbst sexuelle Phantasien von Männern zu haben? Möglicherweise ist er einfach ein mieses Arschloch.

Die homophobe christliche Lehre führt tagtäglich zu unvorstellbaren Grausamkeiten gegen Kinder und Heranwachsende.

[…..] Im US-Bundestaat Texas schockt gerade die Tat eines fünffachen, 23-jährigen Familienvaters die schwul-lesbische Community: Francisco Ricardo Sotello-Baez prügelte seinen zweijährigen Sohn mehrfach fast zu Tode, weil er annahm, er könne schwul sein.

Immer wieder hatte der 23-Jährige seinen jungen Sohn brutal ins Gesicht geschlagen, bis dieser blutete, wie der Angeklagte jetzt freimütig vor Gericht zugab. Laut eigener Aussage gegenüber der Polizei habe er damit seinen Sohn „abrichten“ wollen, weil er besorgt gewesen sei, dieser könne aufgrund seines „femininen Verhaltens“ schwul sein. Dramatisch war dabei für den fünffachen Vater, dass sein Sohn lieber mit Barbies und Küchensets spiele als mit Robotern, Autos und Fußbällen. Er könne es nicht hinnehmen und sei sehr enttäuscht, wenn sein erster Sohn schwul werden würde. […..]  Richterin Stephanie Boyd vom 187. Bezirksgericht in Bexar County stimmte schlussendlich auch der Empfehlung der Staatsanwaltschaft vollumfänglich zu und verhängte eine Haftstrafe von sechs Jahren. Dabei drückte Richterin Boyd auch ihr großes Bedauern darüber aus, dass der 23-Jährige bibeltreue Christ offenbar nach wie vor nicht bereit dazu sei, sein gewalttätiges Verhalten zu ändern. Als Sotello-Baez erneut bei der Urteilsverkündung erklärte, er habe nur verhindern wollen, dass sein Sohn schwul wird, platzte Richterin Boyd der Kragen.   […..]

(Schwulissimo, 09.09.2024)

Francisco Ricardo Sotello-Baez zeigt mustergültig, wie es Kindern unter christlichem Einfluss ergehen kann. Nur zu verständlich, daß Männer, die sich tatsächlich zu anderen Männern hingezogen fühlen, aber ihre christliche Indoktrination nicht ablegen können, selbst Geistliche werden.

Es gibt keinen anderen Verein mit einer so hohen Schwulenquote wie die katholische Kirche. Das ist in sich logisch für konservative Homos, die Frauen ablehnen. Sie finden schon im Priesterseminar ein Refugium, in dem sie ganz unter Männern leben und werden niemals gefragt, wieso sie nicht verheiratet sind. Nur in der RKK können konservative Männer den ganzen Tag in bunten Kleidern rumlaufen.

Ähnlich gut funktioniert es in der konservativ-christlichen GOP, in der man täglich gegen Schwule und Transmenschen wettert, um dann auf dem Trump-Nominierungsparteitag RNC die schwule Sex-App Grindr durchglühen lässt, weil all die offiziell schwulenfeindlichen Delegierten die Gelegenheit nutzten, um hinter den Kulissen miteinander zu kopulieren.

Aber das funktioniert natürlich nur, so lange man maximal heuchelt, stets die Unwahrheit über das eigene Treiben sagt und nur hinter verschlossenen Türen kopuliert. Wer sich an diesen Kodex hält, wird auch von den homophobsten Bischöfen voller Fürsorge geschützt.

Offenheit, Ehrlichkeit, Freundlichkeit, Toleranz, Akzeptanz und Nächstenliebe werden verständlicherweise strikt von Konservativen, Homophoben und Religioten abgelehnt.

In Nordamerika, Australien und Westeuropa, aber auch teilweise in Südamerika und Südafrika werden Schwule immer mehr akzeptiert.  Ein 17- oder 18-Jähriger, der in einem kleinen konservativen Dorf Bayerns oder Alabamas aufwächst, bemerkt, daß er mit Frauen wirklich nichts anfangen kann und deswegen von seinen Schulfreunden schon schräg angeguckt wird, muss nicht mehr seinen einzigen Ausweg im Priesterseminar sehen, sondern kann sich im Internet mit beliebig vielen Altersgenossen in derselben Lage vernetzen, sich outen und schließlich völlig normal weiterleben. Er wird dann vielleicht Tischler, oder Arzt oder Bauer oder Mechatroniker.

Die Folgen sind klar: Gähnenden Leere in den westlichen Priesterseminaren und hysterischer Kampf der Alt-Kleriker wider die „Ehe für Alle!“  Solange aber Homosexualität noch in genügend Ecken der Welt verdammt wird oder Kleriker aus anderen Zeiten existieren, bleibt natürlich auch der Vatikan ein Homo-Hotspot.  (….)

(Wie die Kirche verschwulte, 29.12.2019)

Schwule nicht zu hassen, weil man sich seiner eigenen Heterosexualität sicher ist, oder auch, befreit von religiotischer Hass-Ideologie, gar keine Einwände gegen gleichgeschlechtliche Experimente hat, ist der Alptraum der Kleriker und der Konservativen. Also suchen sie gezielt die Nähe zu mächtigen Rechtsradikalen, um ihre homophobe Agenda umzusetzen.

[…..] Bis vor kurzem war der 41-jährige Gergő Bese so etwas wie der Hauspfarrer und Stargeistliche des ungarischen Regimes. Ihm oblag es etwa, im Jänner 2022 die von Regierungschef Viktor Orbán neu übernommenen Amtsräumlichkeiten im ehemaligen Karmeliterkloster auf der Budaer Burg zu segnen. Vor Wahlen bläute der katholische Priester den Gläubigen in seiner Stammkirche im südungarischen Dunavecse von der Kanzel herab ein, ja für Orbáns Regierungspartei Fidesz zu stimmen. Zu den "Nomenklatura"-Anlässen des Regimes – etwa Orbáns jährlicher Rede zur Lage der Nation – erschien er im priesterlichen Ornat.  Pfarrer Bese war auch eine lautstarke Stimme in den immer wiederkehrenden homophoben Kampagnen des Orbán-Staats, bei der Diffamierung der LGBTIQ+-Gemeinde. Scheinbar nahbar und in der Sprache jüngerer Menschen bewandert, stellte er sich als Traditionalist dar, den es bekümmert, dass die jungen Menschen nicht mehr so viele Kinder haben und ihre Gepflogenheiten nicht mehr an den christlichen Festtagen ausrichten, womit sie früher angeblich viel glücklicher gewesen seien.

Damit ist es mit einem Schlag vorbei. Am vergangenen Freitag wurde bekannt, dass Bese ein Doppelleben führte: Er unterhielt intime Beziehungen zu Männern. Das oppositionelle Portal valaszonline.hu berichtete darüber, dass in Fidesz-Kreisen ein Dossier kursiert, das "Beweise" für Beses – aus katholischer Sicht – Fehlverhalten beinhaltet. Es geht um keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe, von minderjährigen Partnern ist nicht die Rede. Der krasse Widerspruch zwischen Beses öffentlichem Ich und seinen privat ausgelebten Neigungen lässt aber Orbáns Rhetorik vom "christlichen Bollwerk" Ungarn wieder einmal in einem schiefen Licht erscheinen. Viele fühlten sich an die Affäre um den ehemaligen Fidesz-Europaabgeordneten József Szájer erinnert – er hatte versucht, von einer Schwulenparty in Brüssel über eine Dachrinne vor der Polizei zu fliehen, weil damals jede Art von Zusammenkünften gegen die Covid-Regeln verstoßen hatte. […..]

(Der Standard, 09.09.2024)