Dienstag, 31. Juli 2018

Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.


Als ökonomische Einheit betrachtet bin ich sehr allein.
Meine „Firma“ besteht eigentlich nur aus einem Gewerbeschein und dem was ich so vor mich hinkritzele.
Das hat Vorteile, weil ich wenige Unkosten habe. Schließlich wohne ich allein mit 20 Jahre altem Mietvertrag; keine Haustiere, keine Kinder, keine Exfrauen, die ich finanzieren muß. Keine teuren Hobbys, keine Reisen und für’s „ausgehen“ bin ich glücklicherweise zu alt.

Blöd ist natürlich, wenn ich mir, wie Anfang des Jahres geschehen, einen Krankenhausaufenthalt mit aufwändiger OP gönne und anschließend zwei Monate nicht mehr laufen kann. Miete, die extrem teure private Krankenversicherung, aus der ich nicht rauskomme, die Zeitungsabos, sonstigen Versicherungen, KfZ-Steuer, Telefon, Internet werden selbstverständlich weiterhin jeden Monat abgebucht.

Das wird dann sehr schnell unlustig und bedrohlich, wenn kein Geld mehr reinkommt.
Hilfe kann man nicht erwarten. Wenn ich anfange zu jammern, daß ich diesen Monat leider nicht gearbeitet habe und daher kein Geld habe, wird meinen Vermieter das nicht interessieren.
Politische Appelle kann ich mir auch sparen. Ich habe schließlich keine Lobbyisten bezahlt, bin systemisch irrelevant.

Das ist ganz anders, wenn man Opel, Banker, Atomindustrie oder Bauer ist.
Dann muss man sich auch nicht mit Petitessen aufhalten und zum Beispiel erst mal klären, ob man wie die ein oder andere Landesbank ganz allein schuld an der Misere ist.
Dann reißt an einfach die Klappe auf.
Der Goldstandard ist der Status als „global systemrelevant" (Global Systemically Important Bank, G-SIB), vulgo „too big, to fail“.
Das ist praktisch. Da kann man rücksichtslos rumspekulieren, Milliarden an sich raffen und wird zum Geburtstag zum Privatdinner ins Kanzleramt eingeladen.
Und wenn alles schief geht, man zehnstellige Summen verdaddelt hat, bekommt man weiterhin seine Millionengehälter, wird weiterhin ins Kanzleramt eingeladen und hält dort die Hand auf, um den Steuerzahler die Verluste übernehmen zu lassen.

Man erinnere sich an die international gesehen kleine HSH-Nordbank, die eigentlich Kleinunternehmer in Hamburg und Schleswig-Holstein unterstützen sollte, dann aber auf die Idee kam lieber das ganz große Geld mit internationalen Finanzprodukten und Schiffsfinanzierungen zu machen.
Im Aufsichtsrat hockten völlig überforderte Landespolitiker wie Werner Marnette, von Juli 2008 bis März 2009 CDU-Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein und Wolfgang Peiner, von 2001 bis 2006 CDU-Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, die tumb zu allem Ja sagten.
Und dann waren plötzlich 30 Milliarden verzockt und die Bürger der beiden nördlichen Bundesländer hatten den Schaden.
Peiner und Marnette schämten sich noch nicht einmal.
Nur Bundesfinanzsenator Steinbrück war sauer und verfügte, Manager der vom Steuerzahler „geretteten“ Banken dürften nicht mehr als EUR 500.000,- jährlich verdienen.
CDU-Bürgermeister Ole von Beust hatte es aber bekanntlich nicht so mit Regeln und Anstand. Er ließ dem Mann, der 30 Milliarden verloren hatte, Dirk Jens F. Nonnenmacher, von 2008 bis 2011 Vorstandsvorsitzender der HSH Nordbank, dennoch 1,5 Millionen Euro Gehalt zahlen.
Als die Sache aufflog, zuckte Beust mit den Achseln und verkündete lapidar für bloß 500.000,- bekomme man eben keinen qualifizierten Manager.

Spätestens da bedauerte ich es kein Bankmanager geworden zu sein.
Wenn man noch einem 30-Mrd-Verlust, für den die Hamburger und Schleswig-Holsteiner gerade stehen müssen, immer noch als so qualifiziert gilt, daß man 1,5 Millionen Jahresgehalt verdient, kann der Job ja nicht sehr anspruchsvoll sein.

Deutsche Bauern sind ähnlich gut vernetzt.
Ihre Lobby-Präsidenten sitzen üblicherweise direkt in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und sorgen wie schon Seehofer und Aigner dafür, daß unter allen Umständen geheim gehalten wird, wer eigentlich die gewaltigen Agrarsubventionen bekommt.

Subventionen, die vom Steuerzahler aufgebracht werden, im großen Maßstab, ja sogar global die Landwirtschaft ruinieren, weil sie mit EU-Billigexporten afrikanische Bauern in die Pleite treiben und zur Flucht zwingen. Subventionen, die inzwischen 50% der bäuerlichen Einkünfte ausmachen und nach Fläche verteilt werden. Den Größten und Umweltschädlichsten das Meiste.
Fast alles für Monokulturen, nichts für kleine Ökobauern.

[…..] Die 15 Top-Subventionsempfänger erhielten 2017 zusammen 86 Millionen Euro - von insgesamt 6,5 Milliarden Euro. […..] Auch die dänisch-schwedische Molkereigenossenschaft Arla gehört mit 3,09 Millionen Euro zu den Top-Subventionsempfängern in Deutschland. […..] Die Agrarausgaben machen mit etwa 58 Milliarden Euro jährlich aktuell fast 40 Prozent des EU-Budgets aus. Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) hat auch deshalb einen so großen Stellenwert, weil sie seit mehr als 50 Jahren der einzig voll gemeinschaftlich finanzierte Politikbereich der EU ist. […..] Unter den Top 20 sind auch fünf landwirtschaftliche Großbetriebe - sie bewirtschaften alle riesige Flächen in Ostdeutschland. […..]
Die Molkerei Arla steht mit gut drei Millionen Euro im Ranking der Direktzahlungen auf Platz fünf[…..]
Mit Südzucker landet einer der größten Nahrungsmittelkonzerne Deutschlands auf Platz elf der Empfänger von Direktzahlungen. Das börsennotierte Unternehmen bezog 2017 rund 1,6 Millionen Euro aus dem EGFL-Topf. Hinzu kamen noch fast 300.000 Euro aus dem ELER-Fördertopf für die Entwicklung des ländlichen Raums. 2016 bekam Südzucker Subventionen in Höhe von 1,82 Millionen Euro. Der Konzern machte in den vergangenen beiden Geschäftsjahren unterm Strich jeweils einen Gewinn von mehr als 300 Millionen Euro. […..] Laut Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums erhielten die landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe in Deutschland im Wirtschaftsjahr 2016/2017 im Durchschnitt 33.817 Euro an Direktzahlungen und Zuschüssen. Dies entsprach 408 Euro pro Hektar. [….]

Fairerweise sei erwähnt, daß die kleinere Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft diesen Wahnsinn auch kritisch sieht.

[….] Es sei zu einfach, jetzt nur Geld vom Bund zu fordern, sagt ihr Geschäftsführer, Georg Janßen. Er appelliert an die Solidarität der Bauern untereinander und die der Abnehmer ihrer Erzeugnisse. "Faire Preise würden uns viel mehr helfen als die Unterstützung vom Staat", sagt er. [….]

Derzeit erleben wir eine Rekordhitze in Deutschland.
Jeder kann mit eigenen Augen sehen, wie die Natur leidet.
In Hamburg schöpft die Umweltbehörde täglich tonnenweise tote Fische aus der Alster ab, die Straßenbäume werfen die Blätter ab und die Grünflächen sind braun.
Wie so oft, klagen natürlich auch die Bauern.
Nicht so gerne erwähnt wird dabei, wie heterogen das Bild ist. Einigen nützt die Hitze. Und alle können sich über höhere Preise freuen.

[….] "Beim Obst überwiegen die positiven Effekte der Witterung", sagt Michael Koch vom Agrarmarktinformationsdienst (AMI). Die Apfelbäume hängen in diesem Sommer recht voll. Auch melden Obstbauern in diesem Jahr eine deutlich größere Kirschen- und Pflaumenernte. Bereits im Frühsommer hat die Branche sechs Prozent mehr Erdbeeren geerntet als im Vorjahr. [….] Die Winzer profitieren bislang vom langen und warmen Sommer 2018. Die Trauben sind etwa drei Wochen schneller gereift als im langjährigen Durchschnitt, die Rebstöcke reichlich behängt. "Die Ertragsaussichten der Winzer sind gut in diesem Jahr", sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Bereits in einer Woche wollen erste Betriebe mit der Weinlese für Federweißer beginnen. Einen so frühen Erntetermin habe es noch nie gegeben. [….]

Die politischen Bauern sind allerdings nicht mehr gewöhnt Risiken zu tragen und vorausschauend zu planen.
Sie kennen es nicht mehr anders, als immer vom Steuerzahler üppige Zulagen zu erhalten.
Fällt die Ernte also mal schlechter aus, ist es ein natürlicher Reflex sofort nach dem Bund zu quaken. Der soll für die Verluste aufkommen.
Eine Milliarde Euro Soforthilfe darf es schon sein. CDU-Rechtsauslegerin Klöckner, ehemalige Weinkönigin und Landwirtschaftsministerin, prüft es wohlwollend. Ist ja nicht ihr Geld und außerdem waren die Bauern schon immer die treuesten CDU/CSU-Wähler.

 [….] Wann immer die Natur nicht will, wie die Landwirtschaft hofft, kommt bald der Staat ins Spiel. Kein Wunder, schließlich sitzen an den Kabinettstischen in Bund und Land genügend Agrarminister, um auf das Wohlergehen der Bauern zu achten. Einen so direkten Draht hat keine andere Branche. Wenn Bauernpräsident Rukwied daher jetzt schon eine Milliarde Euro für „wünschenswert“ hält, um besonders hart getroffene Bauern für die Ernteausfälle zu entschädigen, lässt das politische Echo nicht auf sich warten.
[….]  Auch ist es Kernaufgabe jeden Landwirts, seinen Betrieb gegen Wetterschwankungen zu wappnen.
Es ist seine Sache, das Risiko auf verschiedene Standbeine (etwa Ökostrom oder Tourismus) zu verteilen, Pflanzen entsprechend auszuwählen und zu mischen, Kapitalreserven zu bilden oder sich zu versichern. Doch gerade am Aufbau von Versicherungsschutz scheint der Bauernverband wenig interessiert. Offenbar ist es einfacher, für die Wetterlaunen öffentliche Hilfen zu mobilisieren.[….]

Leider wurde in der Landwirtschaftspolitik längst wieder der Bock zum Gärtner gemacht, nachdem es unter Gerd Schröder mit Renate Künast eine Bundesministerin gab, die Strukturen aufbrach, auf Ökologie setzte und die bäuerlichen Großbetriebe und Monokulturen kritisierte.
Allein, der Wähler wollte das nicht und wählte lieber wieder C-Politiker auf den Posten, die tun, was die Agrar-Großlobby will.

Die Bauern haben zwar zum Teil selbst Schuld an ihrer Misere, aber ihre politischen Vertreter in der Union befördern eine Vollkasko-Mentalität, die ein ökologisches Umdenken unmöglich macht.

[…] Landwirte bekommen staatliche Beihilfen, die knapp die Hälfte ihres Einkommens ausmachen. Und sie können sich auf eine starke Interessenvertretung verlassen. Wie sehr, das zeigt sich in diesen Tagen wieder. Eine Milliarde Euro vom Staat verlangt der Deutsche Bauernverband, um dürregeplagten Erzeugern zu helfen - eine Forderung, die einerseits verständlich, andererseits aber auch dreist ist. Verständlich ist sie, weil tatsächlich Existenzen auf dem Spiel stehen. Dreist, weil ein Teil des Problems hausgemacht ist. Es kann nicht angehen, dass die Agrarlobby einerseits offene Märkte fordert, andererseits aber sofort nach staatlicher Hilfe ruft, wenn sich Markt und Wetter einmal von ihrer schlechten Seite zeigen. [….]
Was auf Äckern und in Ställen geschieht, hat auch Einfluss aufs Klima. In der Tierhaltung entstehen schädliche Treibhausgase; Böden können dagegen CO₂ speichern.
An diesen Stellschrauben muss die Agrarpolitik drehen. Weniger Tiere in Ställen, das bedeutet unter dem Strich weniger Emissionen. Ein Ackerbau, der auf Vielfalt statt auf Monokulturen setzt, wenig Pestizide und Kunstdünger verbraucht, entlastet die Klimabilanz. Wie empfindlich riesige Felder reagieren, zeigt sich in diesem Sommer in Nord- und Ostdeutschland. Wo vor Jahrzehnten noch Bäume und Hecken kleinere Äcker säumten und so ein stabiles Mikroklima schufen, wächst heute Mais, Getreide oder Raps, so weit das Auge reicht. Böden trocken so schneller aus, erodieren leichter. Insekten und andere Tiere können in solche Agrarwüsten nicht überleben. [….]