Samstag, 30. Juni 2012

Nachwehen.



Seit ein paar Monaten gibt es in immer kürzeren Abständen Schmähartikel über die Talkshowplage in ARD und ZDF.
Jeden Abend Talkshow und das mit desinteressierten Moderationsautomaten und immer denselben Gästen, die einfach auf ihrem Sessel fest getackert sitzenbleiben, bis das nächste Thema dran ist, langweilt die Zuschauer.
Donnerschlach! So eine Überraschung. Wer hätte das gedacht?

Daß die Programmverantwortlichen der mit Milliarden Euro finanzierten öffentlich rechtlichen Anstalten so konsequent auf Seichtheit und Langeweile setzen ist wenig überraschend angesichts der Rundfunkräte, in denen sich lediglich Parteipolitiker und Kirchenvertreter tummeln.

Es ist aber insofern ärgerlich, weil die großen Sender durchaus auch zweieinhalb Moderatoren haben, die über Witz und Intelligenz und Hintergrundwissen verfügen. 
Diese Spezies - ich nenne als Beispiel Anja Reschke - wird aber nicht für die großen Aufgaben verwendet. Nein, die Aushängeschilder sind unpolitische Laberer, die jeder Politprofi locker niederreden kann wie er möchte: Kerner, Lanz, Will, Jauch,..

In der ARD geht es soweit, daß das Moderatoren-Duo ihres Aushängeschildes „Tagesthemen“ von zwei so stromlinienförmigen Langweilern besetzt wird, daß ich mich beim besten Willen nicht an ihre Namen erinnern kann.
Daß es auch anders geht, zeigt die Redaktion von „ARD-aktuell“ ausgerechnet mit den offiziellen Stellvertretern.
Über Jahre brillierte die Medizinerin und Profi-Journalistin Susanne Holst als „Aushilfe“ für Will, Buhrow und Miosga. Inzwischen wurde sie von Ingo Zamperoni abgelöst.

 Auch den 38-Jährigen Hessen halte ich für einen Glücksfall.
 Ein angenehmer Mensch, der mit fundierter Bildung (Studium Amerikanistik, Jura und Geschichte in Konstanz, Berlin und Boston) und sprachlicher Kompetenz seine Moderationen schreibt.

Während des vorgestrigen Fußball-EM-Halbfinales hatte Zamperoni beim 0:2-Rückstand einer 110% auf Fußball fixierten Zuschauermasse die unglückliche Aufgabe eine Tagesthemen-Ausgabe zu präsentieren.
Wie bringt man aber politische Nachrichten mit den notwendigen Hintergrundinformationen an die Frau und den Mann, wenn sich ohnehin niemand dafür interessiert, weil alles heulend und deprimiert ob der drohenden Halbfinalniederlage darnieder liegt?

Zamperoni gelang das auf brillante Art. 
Er schloß, wie bei den Tagesthemen üblich, mit einem Bonmot.

“Und beenden möchte ich diese Tagesthemen – aus gegebenem und persönlichem Anlass – mit Worten des italienischen Dichter-Fürsten Dante: “Das Gesicht verrät die Stimmung des Herzens”. Ich weiß nicht, was Ihnen mein Gesicht jetzt verrät, aber seien Sie versichert, dass ich innerlich ziemlich zerrissen bin. In diesem Sinne: che vinca il migliore, möge der Bessere gewinnen”

Das brachte die ARD-Zuschauer auf die Palme.

 Denn, OH GRAUS, Zamperonis Vater ist ITALIENER!

 Wagte es da etwa ein Moderator einer DEUTSCHEN Sendung Sympathien für das gegnerische Team durchblicken zu lassen?

„Wäschekörbeweise“ seien laut Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell, wüste Mails und Anrufe nach der deutschen 1:2-Pleite eingegangen. Die Volksseele habe ob das Lächelns und eines offenbar falsch verstandenen Schlusswortes gekocht.
(dpa 29.06.12)

Sein Lächeln macht Deutschland wütend lautete die Mopo-Überschrift.

Darf so ein Itaker überhaupt lächeln?

„Möge der Bessere gewinnen“ - ein Affront.

Die BILD kleidete das Zitat in deutschnationale Sätze und betont wie wütend die deutschen Fans sind.

Zamperonis feixender Abschluss: „In diesem Sinne! Che vinca il migliore: Möge der Bessere gewinnen.“ Zu dem Zeitpunkt führte Italien wohlgemerkt bereits mit 2:0.

Feixen? Es bleibt rätselhaft wo BILD das gesehen haben will.

Zamperonis Chef Kai Gniffke befand sich flugs in einem Shitstorm, den deutschnationale Fußballfans lostraten.

“Das war doch eine Unverschämtheit diesen Mann einzusetzen. Er hat seine Lage leider ausgenutzt und dauergegrinst und seinen Kommentar zum Schluß konnte er sich sparen.”Andere Zuschauer haben mich ermahnt, ich solle Herrn Z. erklären, “dass er im deutschen Fernsehen tätig ist”. Kurz: Die Volksseele kocht, und wir lernen, dass Einwandererkinder zwar für Deutschlands Nationalmannschaft kicken dürfen, aber wenn Zamperoni in den Tagesthemen Dante zitiert, ist die nationale Ehre im Eimer. Unmittelbar nach Spielschluss brach die Lawine der Reaktionen über uns herein, und die Redaktion samt Moderator fragte sich selbstkritisch, ob wir einen Fehler gemacht haben.

Aber Zamperoni, dessen Vergehen es offenbar ist Halbitaliener zu sein, hat alles richtig gemacht.
 Falsch liegen die Deutschen, die in patriotischer Wallung eben doch das tun, was in den Talkshowdiskussionen zum Thema Patriotismus immer scharf bestritten wird. 
Sie sind nicht „nur“ stolz auf ihr Land, sondern setzen automatisch andere Länder herab, diffamieren andere Menschen wegen ihrer Herkunft.
Die Unterschiede zwischen Nationalismus udn Patriotismus verschwinden beim Fussball ganz schnell.
Italiener in Deutschland wurden nach dem Spiel mit Spaghetti beworfen und beschimpft.

In der angeblich liberalen Hamburger Morgenpost gibt ein Nils Weber „10 Tipps gegen den EM-Frust“.

 Seine offenbar witzig gemeinten Empfehlungen lauten unter anderem:

2. Suchen Sie sich einen Engländer, den Sie zum Elfmeterschießen herausfordern können. Der Rest fügt sich.
3. Gehen Sie in den kulinarischen Strafraum, dorthin, wo es weh tut: Zum Italiener. Stellen sie sich ihrem Trauma, auf die harte Tour. Ziehen Sie sich ihr Deutschland-Trikot an. Bestellen Sie laut eine Pizza Endstationi. Essen Sie ganz auf, auch den knochenharten Rand. Sagen Sie, es sei die beste Pizza ihres Lebens gewesen. Geben Sie extra viel Trinkgeld. Pfeifen Sie beim Hinausgehen die „Rocky“-Melodie.
5. Fragen Sie am Montag einen Spanier oder Italiener: „Und, wer hat gewonnen?“ Falls er „Wir!“ antwortet, fragen Sie weiter: „Und, wer hat’s bezahlt?“