Sonntag, 14. Februar 2016

Oppermann auf Abwegen



Wir haben in Europa das was man einen Rechtsrutsch nennt.
In fast allen EU-Ländern schwingen sich rechtsextreme Parteien zu ernsthaften Gefahren für die Regierenden auf; regieren teilweise sogar mit.
Nicht überall allerdings. In Spanien spielen rechtsextreme Parteien überhaupt
keine Rolle.
Aber Ungarn ist schon ein protofaschistischer Staat und Beata Szydlo wandelt ihr Land in rasendem Tempo in eine Diktatur um.

Polen und Ungarn sind dabei keine Ausreißer, sondern voll im Trend.
Marine Le Pens faschistoider Front National wurde vorgestern bei den Regionalwahlen frankreichweit stärkste Kraft.

In Großbritannien kratzt die rechtspopulistische, europafeindliche  Ukip-Partei unter  Nigel Farage  an der 20%-Marke.
 Siv Jensen, Chefin der „Fortschrittspartei“, ist in Norwegen Zweite Ministerpräsidentin.  Auch die neonazistischen „Wahren Finnen“ des Timo Soini  sind schon an der Regierung beteiligt, ebenso wie die Rechtspopulisten der  Dänischen Volkspartei des Kristian Thulesen Dahl in Kopenhagen.
Die rechten  Schwedendemokraten erreichten zuletzt 13 Prozent.
Der stramm rechtsextreme blonde Bizarro Geert Wilders könnte gegenwärtige genau wie die Kollegin Le Pen rund ein Drittel der Stimmen in Holland erwarten.
Der Haider-Nachfolger Heinz-Christian Strache erreichte jüngst bei den Kommunalwahlen in Wien auf satte 32,3 Prozent. Und all das wird noch getoppt von den Ungarn. Der massiv xenophobe Rechtspopulist Viktor Orban und seine Fidesz regieren mit absoluter Mehrheit, werden aber von der noch deutlich extremistischeren Nazi-Partei Jobbik in die Zange genommen, die bei Umfragen auf ein gutes Viertel der Stimmen kommt.

All diesen Rechten in Europa das Etikett „rechtsradikal“ anzuheften ist zu simpel; es gibt da durchaus Unterschiede.
Man sollte auch die Adjektive völkisch, radikal-klerikal, homophob, europakritisch, islamfeindlich, chauvinistisch und antiliberal verwenden.

Da Christliche Worte immer noch gnadenlos positiv konnotiert werden, verwendet die Presse kaum jemals den Ausdruck „christliche Parteien“ oder „radikal-christlich“, wenn es gilt die Rechts-außen zu beschreiben.

Die Perussuomalaiset (PS, Basisfinnen oder Wahre Finnen) vertreten genauso radikal-christliche Standpunkte, wie das Verbot von Homosexualität.

Auch die deutsche AfD ist die Speerspitze des christlichen Fundamentalismus.

Die österreichische FPÖ beruft sich auf ein „wehrhaftes Christentum.“

László Kiss-Rigó, Bischof von Szeged-Csanád und der Ungar Péter Kardinal Erdő sind die Hauptverbündeten Victor Orbans. Die ungarische Kirche erzwingt gewissermaßen die antiziganistische und antisemitische Politik, forciert Homophobie und Aggressionen gegen Flüchtlinge.
Die radikal menschenfeindliche und antidemokratische Politik des Beata Szydło-Kabinetts wurde im Wesentlichen durch die Propaganda des kirchlichen Senders Radio Maryja ermöglicht.

Die katholische Kirche war ebenfalls die Antriebskraft der Massenproteste gegen die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Frankreich, stritt wider die Menschenrechte Arm in Arm mit dem faschistischen Front National und machte Le Pen so noch viel stärker.

Und auch in Russland ist die orthodoxe Kirche die Hauptantriebskraft für den autokratischen, militärischen, radikal-homophoben Kurs Putins.

Die rund 100 Millionen Mitglieder hören auf den Prunk-Patriarchen Kyrill, welcher im eine-Million-Euro Maybach durch Moskau rast und eine Vorliebe für extrem teure Uhren auslebt.

Die Spitzen des Staates zeigen sich regelmäßig zu den Feiertagen beim Gottesdienst, der Klerus wurde in politische Gremien eingebunden, Patriarch Kyrill macht vor Wahlen stets klar, wen die Kirche für den richtigen Kandidaten hält, und preist die Putin-Ära als 'ein Wunder Gottes'.  […] Besonders die Jungen und die Angehörigen der Intelligenzija, […] stoßen sich heute daran, dass Würdenträger in Staat und Kirche sich in ihrem zynischen Verhältnis zur Macht immer ähnlicher werden. Selbstverständlich werden die Straßen gesperrt, wenn der Patriarch in seinem Maybach mit Begleitkolonne durch Moskau fährt, genauso wie das für den russischen Präsidenten oder Premier geschieht. […]  
Der Hang hochgestellter Kirchenmänner zu Prunk und Luxusgütern weckt bisweilen den Eindruck, als würde der Klerus jetzt nachholen, was die Oligarchen in den wilden Zeiten des Banditenkapitalismus vorgelebt haben.
 (Süddeutsche Zeitung 27.04.12)

Der Prass- und Prunk-begeisterte Metropolit Kyrill rafft aber nicht nur Luxusgüter an sich und spannt den Staat für seine Geldgier ein, sondern er unterstützt auch euphorisch die diskriminierende Hetze gegen sexuelle Minderheiten in Russland.

Wenn es also eins gibt, das Europa wirklich extrem schadet und das wir unbedingt zurückdrängen müssen, dann ist es der kirchliche Einfluss auf die Politik.
Erst wenn sich die Bürger vom religiösen Einfluss lösen und sich dafür auf evolutionären Humanismus und die Bürgerrechte besinnen, die allesamt gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erkämpft werden mußten, kann es voran gehen in Europa.

Unglücklicherweise wird auch das deutsche Kabinett von 100% Christen gebildet, obwohl wir 1998 und 2002 schon ganz andere Zeiten erreicht zu haben schienen.
Unglücklicherweise sind seit dem auch in der SPD die Religioten – und als solche muß man neben den Parade-Papsttreuen Nahles und Thierse auch den Fraktionschef Oppermann und den Parteichef Gabriel bezeichnen – auf dem Vormarsch.

[….] SPD-Politiker Oppermann: Kirche soll sich einmischen [….]
Die Frage „Konsequente Trennung von Staat und Kirche – eine zeitgemäße Forderung?“ hat der Göttinger SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Oppermann am Donnerstag erörtert. Er sprach zum Abschluss der Vortragsreihe „Kirche – Staat – Politik: Perspektiven auf ein komplexes Verhältnis“ an der Universität Göttingen.
[….]  Er selbst halte es allerdings für falsch, Religion als reine Privatsache zu behandeln. Und dies auch als Mitglied der SPD und deren historisch bedingt lange Zeit schwierigen Verhältnisses zur Religion.
Der Politiker begründet dies auch rein praktisch: Eine religiöse Weltanschauung setze Ressourcen wie Nächstenliebe frei, die sonst in diesem Maße nicht vorhanden wären. Das könne man aktuell in der Flüchtlingskrise sehen. [….] „Die Kirche darf und soll sich einmischen“, sagte Oppermann. Dabei seien die Grenzen der Religionsfreiheit aber immer wieder neu auszuhandeln, was in Deutschland seiner Meinung nach auch geschehe. [….]

Thomas Oppermann schätzte ich einst als Fraktionsgeschäftsführer sehr.
Kaum zu glauben, daß er jetzt so einen fürchterlichen Unsinn von sich gibt.