Ob das so klappt, wie Lindner sich das denkt?
Als prinzipientreuer Politheld, der aus Überzeugung seinen Job aufgab, vom Wähler demoskopisch multipliziert zu werden und bei Neuwahlen mit einem zweistelligen FDP-Ergebnis direkt wieder als Chef ins Finanzministerium unter Hochzeitskumpel Merz zu rutschen? Die kognitive Dissonanz Lindners scheint so weit fortgeschritten, daß er wirklich glaubt, Deutschland wäre mit ihm als Finanzminister gedient.
Die Forschungsgruppe Wahlen präsentiert heute ganz frische Zahlen. Die „Stimmung“ für die FDP lautet 2%. Das könnte an der Wahlurne zu ganzen drei Prozent reichen. Offenbar weicht die Realität, wie üblich, ziemlich stark von Lindners Phantasiewelt ab.
Er war eben kein Finanzminister, den sich auch andere Parteien wieder in diese Funktion wünschen, sondern den Dämlichste und Gefährlichste überhaupt seit 1949.
Seine theatralisch errichtetes Lügengebäude von seinem heiligen Eid, den er nicht brechen könne, nur weil Scholz das wolle, ist längst in sich zusammengefallen. Plumpe gelbe-Pest-Propaganda, die so dreist gelogen ist, daß der treue Protestant Volker Wissing nach 26 Jahren sein Parteibuch zurückgab, um als Verkehrs- und Justizminister in der Scholz-Regierung zu bleiben. Damit straft er Christian Lindner Lügen.
[….] Ich habe es immer als meinen Auftrag gesehen, unsere Demokratie lebendig zu halten und sie zu bereichern. Wir müssen sehen, dass bei aller Unterschiedlichkeit der Parteien, auch bei allen Kämpfen, die in der Gesellschaft argumentativ ausgefochten werden, am Ende immer eine stabile Regierung stehen muss. Das, was hier passiert ist, macht unser Land nicht stärker. [….] Aber am Ende war es nicht möglich, im Regierungsamt zu bleiben und gleichzeitig Parteimitglied zu sein, ohne dass ich eine Belastung für meine Partei geworden wäre. Ich konnte mich aber auch nicht gegen das Regierungsamt entscheiden, weil nach meiner tiefen Überzeugung immer zuerst das Land kommen muss und dann die Partei. [….]
Lindner, der sich allein und nicht etwa ökonomische Zusammenhänge oder gar politische Vernunft, zum Maßstab erhebt, ist schwer genervt von seinem treuen ehemaligen FDP-Bundesgeneralsekretär.
[….] Dennoch ist seine Entscheidung ein Angriff auf seinen ehemaligen Parteifreund, den »Herrn Christian Lindner«. Wissing hält das Scheitern der Koalition für falsch, und er zertrümmert damit auch die von Lindner verbreitete Botschaft, er habe sich dem Kanzler widersetzt, um Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.
Für Wissing ist es genau umgekehrt. Der Souverän hat der Regierung die Aufgabe gegeben weiterzuregieren, vor allem in schwierigen Zeiten wie diesen.
Für Beobachter, die den 54-Jährigen näher kennen, ist sein Schritt gar nicht so überraschend. Das Verhältnis zu Lindner war schon seit Langem getrübt. Denn Wissing hat dessen konfrontativen Kurs in der Ampel nie wirklich gutgeheißen. [….]
Christian Lindner kennt keine Selbstzweifel. Er hält sich selbst einfach für fabelhaft. Auch, oder angesichts seiner verzerrten Selbstwahrnehmung, vielleicht gerade wegen seiner Desaster-Bilanz als Parteiführer.
Der ihm treu ergebene Springer-Konzern, aus dem Lindner seine beiden bisherigen Ehefrauen rekrutierte, trommelt natürlich eifrig für die Lindnerschen Märchen von seinem Amtseid, der ihn zum Bruch der Koalition gezwungen hätte.
Wahr wird es dadurch aber nicht. Lindner, Springer und fast die gesamte FDP lügen schlicht und ergreifend.
Einige wenige neben Wissing, geben das auch zu und ziehen entsprechende Konsequenzen.
[….] Nach dem Ampel-Aus in Berlin tritt der Hamburger Liberale Carl Cevin-Key Coste aus seiner Partei aus. Aber nicht, ohne vorher noch ordentlich mit Parteichef Christian Lindner abzurechnen.
„Für diesen Kurs stehe ich nicht mehr zur Verfügung.“ Rumms. Es ist ein Statement, das keine Fragen offen lässt. Nach elf Jahren als Mitglied der FDP verkündet der Liberale Carl Cevin-Key Coste auf Instagram seinen Parteiaustritt.
Er sei 2013 der Partei beigetreten, um an der „Renaissance des organisierten Liberalismus“ mitzuwirken, doch besonders im letzten Jahr habe sich die FDP nicht nur immer weiter von diesem Vorhaben distanziert, sondern „wahnhaft“ auf das Scheitern der Ampel hingearbeitet.
Er beschreibt die FDP als eine Partei, die sich immer mehr durch „effekthascherischen Populismus“ auszeichne und jeglichen liberalen Kompass verloren habe. Die Partei nähere sich immer mehr der Rechten an und stehe nicht mehr für Sozialliberalität. […..]
Das liberale Leichtgewicht Lindner inszeniert sich aber nicht nur politisch als eine krawallige realitätsnegierende Spielernatur, sondern versucht bedauerlicherweise auch seine eigene Finanz- und Wirtschafts-Wolkenkuckuckswelt zu schaffen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Der FDP-Obermufti versteht grundlegende ökonomische Zusammenhänge nicht.
[….] Nicht SPD und Grüne, sondern die FDP hat in der Ampel Impulse für mehr Wirtschaftswachstum verhindert. Auch durch Vergötterung der Schuldenbremse. [….] D ie FDP begründet das von ihr provozierte Ampel-Aus damit, dass SPD und Grüne nichts unternähmen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das ist inhaltlich falsch und verlogen – typisch für die Liberalen in der Zeit der Koalition.
In Wirklichkeit hat die FDP mit ihrer Blockade verhindert, dass die von Kanzler Olaf Scholz vorgeschlagenen Wachstumsimpulse kommen. Dazu zählt zum Beispiel, die Netzentgelte zu deckeln, die Unternehmen für Strom zahlen. Die Clique um den Ex-Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner hat sich bis zuletzt geweigert, die Schuldenbremse auszusetzen. Dieser Schritt würde es dem Bund ermöglichen, mehr Kredite für die Ukraine-Hilfe aufzunehmen und so freigewordene Steuermittel für die Förderung der Wirtschaft zu nutzen. Das fordern auch viele Ökonomen, eine Berufsgruppe, auf die Lindner sich ja sonst gern bezieht.
Ein Aussetzen der Schuldenbremse durch den Bundestag wäre mitnichten ein Bruch der Verfassung, wie jetzt FDP-Politiker behaupten. Artikel 115 des Grundgesetzes erlaubt in „außergewöhnlichen Notsituationen“ ausdrücklich, die Kreditobergrenzen zu überschreiten. Der Ukrainekrieg kann durchaus als eine Notsituation gelten. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Artikel 115 vor einem Jahr nicht infrage gestellt.
Mehr Kredite würden zudem keinesfalls den Staat ruinieren. Der Bund wird 2024 nach Berechnungen von Lindners Finanzministerium nur knapp 8 Prozent seines Etats für Zinsen ausgeben. Um die Jahrtausendwende war es doppelt so viel – kollabiert ist der Staat dennoch nicht. [….]
Lindner half dem Standort Deutschland nicht nur nicht, sondern er fügte seinem Land und Europa enormen ökonomischen Schaden zu. Insofern ist seine Entlassung eine sehr gute Nachricht. Der Mann hätte das Zeug dazu gehabt, Deutschland völlig zu ruinieren.
[….] Klimaschutz, so hat das Christian Lindner vor Jahren mal festgestellt, sei „eine Sache für Profis“. Damals gingen noch Schülerinnen und Schüler zu Zehntausenden auf die Straße, aber deren Ideen fand der FDP-Chef nicht ausgereift. Jetzt, fünf Jahre später, können sie nachlesen, wie sich der „Profi“ Lindner die Sache vorstellt. Die deutsche Klimapolitik will er, kurz gefasst, einstampfen.
Das jedenfalls geschähe, würde sein „Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit“, seine angebliche „Wirtschaftswende“, jemals Wirklichkeit. Alle Regeln rund um die effiziente Nutzung von Energie will er abschaffen, ob in Gebäuden oder im Verkehr. Er möchte die Förderung erneuerbarer Energien einstellen und das dafür nötige Stromnetz „grundsätzlich überprüfen“. Von einem fixen Termin für den Kohleausstieg will er nichts wissen, stattdessen soll in Deutschland wieder mehr Erdgas gefördert werden, auch per Fracking. Was Lindner da propagiert, ist keine Wende, sondern eine Rolle rückwärts. [….] Dass sein Kurs diese Preise weiter steigen ließe, verschweigt der Profi Lindner in seinem Papier geflissentlich. Die sogenannten Klimaschutzverträge, mit denen die Industrie beim Abschied von fossiler Energie unterstützt werden soll, will er nämlich kassieren.
Nicht anders agiert er gegenüber Privatleuten. Fördermittel für den Umstieg etwa auf saubere Heizungen absenken, die Preise für fossile Energie über einen Emissionshandel aber steigen lassen – das hält keine Regierung lange aus. [….] Faktisch laufen Lindners Tun und Forderungen darauf hinaus, der deutschen Klimapolitik auch die letzten Zähne zu ziehen. Doch anders, als sein Papier schon in der Überschrift vorgaukelt, schafft das weder neues Wachstum noch Generationengerechtigkeit. Die Märkte der Zukunft sind eben nicht fossil, wie auch der Volkswagen-Konzern gerade schmerzhaft spüren muss. [….]
(Michael Bauchmüller, 04.11.2024)
Unglücklicherweise sind weite Teile des Urnenpöbels durch BILD, NIUS, WELT, CDU und Co, finanzökonomisch so abenteuerlich ahnungslos, daß sie nun Lindners garstigen Zwilling, die xenophobe millionenschwere Blackrock-Heuschrecke Merz zum nächsten Kanzler machen wollen, der mindestens genauso radikal die Wachstums- und Investitionsbremse wider jede Vernunft verehrt.
Insofern könnte der richtige Schritt, einen sehr schlimmen Finanzminister loszuwerden, bald durch einen extrem falschen Merz-Schritt des Wählers, zunichte gemacht werden.