Annalena Baerbock hat durchaus ihre Momente, wenn sie beispielsweise den alten Macho Friedrich Merz bei einer seiner eklatanten Wissenslücken zurechtweist.
(….) Aus seiner Sicht ist es unerhört, daß sie so viel beliebter als er selbst ist. Wie kann das eigentlich angehen? Sie ist fast 30 Jahre jünger und hat noch nicht mal einen Penis. Einen Erzkonservativen wie Merz, der seine besten Tage im letzten Jahrtausend hatte, triggert das enorm und so wollte er das Mädchen gleich mal mal als großer Pascha einnorden.
[…] Friedrich Merz forderte als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion und Oppositionsführer, dass das von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigte Sondervermögen von 100 Milliarden Euro ausschließlich für die Bundeswehr verwendet würde und nicht für eine "feministische Außenpolitik". [….]
Man sieht es regelrecht vor sich, wie im staubigen Merz-Gehirn die Begriffe einsortiert werden. Feminismus, Frau, Grün kommt in die Ablage „Schlecht, mag ich nicht!“. In die Schublade „Gut, mag ich!“ konnotiert er hingegen Bundeswehr, Soldaten, Mann, Rüstung ein.
Und so sollte es auch maximal herabwürdigend wirken, wenn Merz Baerbock erst gar nicht persönlich anspricht, sondern direkt zu ihrem (männlichen) Boss geht. Der möge bitte dafür sorgen, daß Annalenas Kindereien ignoriert werden, wenn es um echte Kerl-Politik gehe.
[….] Baerbock will das so nicht stehen lassen. Sie sagt Bundeswehr und eine feministische Außenpolitik - da gibt es gar keine Gegensätze: "Mir bricht es das Herz und wissen Sie warum? Weil ich vor einer Woche bei den Müttern von Srebrenica war und die mir beschrieben haben, wie die Spuren dieses Krieges in ihnen drin sind. Und diese Mütter haben gesagt, Frau Baerbock, damals wurde nicht gehandelt, Anfang der 90er-Jahre, als sie, als ihre Töchter, als ihre Freundinnen vergewaltigt worden sind, Vergewaltigung als Kriegswaffe nicht anerkannt war, nicht vom internationalen Strafgerichtshof verfolgt wurde. Und deshalb gehört zu einer Sicherheitspolitik des 21. Jahrhunderts auch eine feministische Sichtweise. Das ist kein Gedöns, sondern das ist auf der Höhe dieser Zeit."
Zum Hintergrund: Diese Frauen wurden 1995, also zurzeit der Balkankriege, von serbisch-bosnischen Truppen vergewaltigt. Und für dieses Statement wird Annalena Baerbock gerade im Netz gefeiert. Denn mit ihrer Meinung, dass es heutzutage eine feministische Außenpolitik braucht, steht sie nicht alleine da. […..]
Vergewaltigung als Kriegswaffe? Fritze Merz, der 1997 gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe stimmte, weil er offenbar glaubte, es wäre das natürliche Recht eines Mannes, seine Gattin nach Belieben zu vergewaltigen, versteht offensichtlich nicht wovon Baerbock spricht. Was soll denn schlecht daran sein, wenn bosnische Soldaten Frauen vergewaltigen? (….)
(Die Sauerländer Blitzbirne, 25.03.2022)
Die Merzsche Missachtung für alles, das nicht reich, weiß, hetero, christlich und männlich ist, überrascht niemanden mehr. Der Mann ist nicht nur erzkonservativ, sondern auch borniert-phlegmatisch. Er informiert sich nicht, weiß nichts.
Daß er laut Umfragen der Lieblingsbundeskanzler der Deutschen wäre und seine CDUCSU weit vor allen anderen Parteien liegt, wirft wahrlich kein gutes Licht auf den Urnenpöbel.
Nun sind deutliche Gegenreden im Bundestag das Eine. Als Merz-Gegner und ausgesprochener Befürworter feministischer Außenpolitik, sähe ich es gern, wenn Baerbock auch danach handelte. Die Außenministerin belässt es in der praktischen Politik allerdings bei kostenloser Symbolik. Sie trifft sich mit oppositionellen Frauen, wenn es nicht wehtut. Sie gibt weiche Erklärungen für die Iranerinnen ab, die sich gegen ihr autoritäres Mullah-Regime wenden. Selbst konservative Journalistinnen mahnen an, sie solle mehr feministische Außenpolitik wagen.
[….] Außenministerin Baerbock will feministische Außenpolitik machen – gegenüber Iran aber vermeidet sie eindeutige Botschaften. Das ist ein Fehler. Über Außenministerin Baerbock wurde viel gespottet, weil sie sich für eine feministische Außenpolitik einsetzen will. Menschenrechte meinten immer auch Frauenrechte, sagen die Kritiker. In der Theorie mag das stimmen, in der praktischen Politik ist es durchaus berechtigt, dem Umgang mit Frauen besondere Bedeutung beizumessen. Aber dann muss eine Außenministerin auch danach handeln. Im Falle Irans, wo eine Frau in Polizeigewahrsam starb, kam von der feministischen Außenministerin mehrere Tage lang nichts. Dann sagte sie, dass die iranischen Frauen „gehört“ werden müssten. Die Bundesregierung verlangte vom Regime eine Untersuchung des Todes. Das ist ziemlich naiv. Geht es Berlin darum, Teheran nicht zu verärgern, um eine etwaige Annäherung beim Atomabkommen nicht zu gefährden? Jetzt bereiten Deutschland und weitere EU-Staaten offenbar Sanktionen vor. Das ist das richtige Signal. Aber Baerbocks Botschaft ist leider nicht eindeutig. Im Bundestag sagte sie kürzlich, wenn die Polizei eine Frau zu Tode prügele, weil sie aus Sicht der Sittenwärter ihr Kopftuch nicht richtig trage, dann habe das nichts mit Religion oder Kultur zu tun.
Hier macht es sich Baerbock zu leicht. [….]
Schon klar, wenn man dringend Erdgas braucht, weil man nicht mehr bei Wladimir Putin einkaufen möchte, braucht man die ultrakonservativen radikal-misogynen Golf-Emirate. Hier gilt es, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben. Wer da konsequent auf Menschenrechte besteht, keine Schwulen gesteinigt und keine Frauen entrechtet sehen will, bekommt keine fossilen Schätze.
Aber das befürchtet Baerbock eigentlich aus Teheran? Eine Pistazien-Krise in deutschen Nusskuchen?
[….] Weltweit setzt sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock für eine feministische Außenpolitik ein. Doch ausgerechnet bei den Frauenprotesten im Iran kommt Kritik: Berlin habe zu leise und zu langsam reagiert. [….] Marie-Agnes Strack-Zimmermann[….] gestand ein, die Bundesregierung habe möglicherweise etwas spät reagiert, aber man könne ausgerechnet der deutschen Außenministerin, die sich für Frauen weltweit einsetze, kaum den Vorwurf machen, dass sie zu wenig tue. "Wir sollten uns nicht aufhalten, sondern nach vorne schauen und klarmachen, dass wir das Regime im Iran in seine Grenzen verweisen", sagt Strack-Zimmermann.
Doch Exil-Iraner und -Iranerinnen sehen es kritisch, wie die deutsche Regierung auf den Tod der 22jährigen Jina Mahsa Amini reagiert hat. Hohe Erwartungen haben sie vor allem an Annalena Baerbock von den Grünen. "Sie haben von feministischer Außenpolitik geredet, aber wo ist der Beweis dafür, dass sie es ernst meinen?", fragt Parisa Khayamdar, eine 35jährige Exil-Iranerin. Seit Tagen harrt sie mit einem Dutzend weiterer Protestierenden vor der Grünen-Parteizentrale in Berlin aus, also vor der Partei von Annalena Baerbock. Sie halte die Außenministerin für eine "starke, hartnäckige Frau, eine Kämpferin", sagt die iranische Aktivistin. Sie sei beeindruckt und fasziniert gewesen, aber nun sei sie doch enttäuscht. Sie fordert, dass Baerbock die feministische Außenpolitik, über die sie "schöne Reden hält", jetzt auch umsetzt. [….]
Schöne Reden halten und weiter keinen Wirbel veranstalten; bloß keine Veränderungen; sind ein erfolgreiches Konzept für hohe Beliebtheitswerte.
Richtige Politik ist das noch lange nicht.
Das größte moralische Versagen der Annalena Baerbock findet dabei fast vollständig ohne Medienaufmerksamkeit statt.
Die Rede ist von Afghanistan, wo seit der zweiten Machtübernahme der Taliban Frauen und Mädchen wieder komplett entrechtet wurden. Sie dürfen nicht mehr in die Schulen, in Universitäten, nicht mehr arbeiten, nicht allein auf die Straße, müssen sich vollständig verschleiern. Wer sich für ihre Belange einsetzt – und das gilt auch für afghanische Männer – wird ermordet. Oder verschwindet einfach.
In dieser Angelegenheit befindet sich Deutschland nach 20 Jahren Militärpräsenz in ausgesprochener Bringschuld gegenüber den Afghaninnen und Afghanen, die nun, a posteriori, mit dem Leben bezahlen, wenn sie den Deutschen glaubten und ihnen halfen. Von Baerbock kommt ein Tweet. Das war’s.
[….] Das Verbot von Universitätsbesuchen für Frauen kommentiert Baerbock bei Twitter so: "Indem sie die Zukunft von Mädchen und Frauen in Afghanistan zerstören, haben die Taliban beschlossen, die Zukunft ihres eigenen Landes zu zerstören". Sie werde das Thema beim G-7-Treffen auf die Tagesordnung setzen. Den Taliban werde es nicht gelingen, Frauen unsichtbar zu machen - "die Welt wird hinschauen". Das ist nicht unbedingt die Antwort, die man im 21. Jahrhundert erwartet, in dem das Proaktivsein und Lästigfallen das wirksamste Mittel zur Veränderung geworden ist. Es klingt auch nicht gerade nach einer überzeugten feministischen Außenpolitik. [….]
Deutschland hält sich nicht an seine Versprechen und insbesondere Baerbocks Außenamt lässt diese Frauen eiskalt im Stich.
Antonia Rados, die großartige Kriegsreporterin, die Afghanistan wie ihre Westentasche kennt, schämt sich für Baerbock. Schließlich sind die Deutschen in diesem Fall nicht nur ferne Beobachter der Situation, sondern auch Mit-Verursacher der Probleme.
Umgebracht werden oder Flucht – das sind die beiden Wahlmöglichkeiten für afghanische Frauen, die von Deutschen Truppen ermutigt zu Aktivistinnen wurden. Ausreisen kann man aber nur mit einem Visum, das es in Afghanistan nicht gibt, weil alle westlichen Botschaften geschlossen sind. Baerbock gibt keinerlei Hilfestellung.
[….] Einige gejagte Frauen sind samt Familien nach Pakistan gezogen, dorthin, wo es eine deutsche Botschaft gibt. Sie warten in billigen Gästehäusern auf einen Termin. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, ihnen zu sagen, was mir ein deutscher Beamter im Außenamt mitteilte: Jede muss den Dienstweg einhalten. Jede muss um einen Termin bei einer privaten Servicefirma in Pakistan ersuchen, dort Dokumente vorlegen, beweisen, wie bedroht sie sei. Danach würde die deutsche Botschaft die Akte bearbeiten. Erfahrungsgemäß würde das ein Jahr dauern. Worte eines deutschen Beamten.
Seither ermutige ich die Frauen nicht mehr, nach Pakistan zu reisen, obwohl sich Außenministerin Baerbock rühmte, sie hätte mit ihrem "Aktionsplan Afghanistan" bei den Taliban dafür gesorgt, dass Afghanen ausreisen dürften. Das war übrigens nie verboten. Die Taliban sind vielmehr froh, Leute, die gegen sie sind, Frauen eingeschlossen, loszuwerden. Frau Baerbocks Beamte müssten das wissen. Umso mehr, als Afghanistan kein weißer Fleck auf der Landkarte der Deutschen ist. Zwei Jahrzehnte lang stand es im Fokus der deutschen Außenpolitik. Nicht zu vergessen, der Kampf um mehr Frauenrechte gehörte dazu. [….]
Ich bin nicht die Einzige, die sich fragt: Wozu haben wir eine Frau als Außenministerin, wenn sie diesem zynischen Rat nicht eine andere Antwort entgegensetzt? Eine Antwort aus unserer Gegenwart, die sich als Zeit der Menschenrechte versteht, als Zeit der Front aller Demokraten gegen Terrorregime, egal wo?
Worauf wartet sie noch? Soll das so gehen, bis die Taliban alle aktiven Frauen in Afghanistan hinter Gitter sperren oder vertreiben? Warum spricht sie nicht ein ernstes Wort mit den Katarern, die keine der Praktiken der Taliban ernsthaft verurteilen? Warum verteilt sie nicht unbürokratisch Visa, damit bedrohte Frauen zumindest vorübergehend in Sicherheit gebracht werden? Warum gibt es keine groß promoteten Fotos von Baerbock mit afghanischen Frauen, wo wir doch wissen, ein Bild sagt mehr als tausend Worte? [….]