Montag, 10. Februar 2020

Die SPD-Führung als Ruhepol der Bundespolitik.

Das sind ja mal ganz neue Sitten. Die Sozis sind gelassen und abgeklärt, der Stabilitätsanker der Groko, während sich CDU und FDP eifrig selbst zerlegen.

AKK tritt also ab, will nicht mehr Kanzlerkandidatin werden, den Parteivorsitz abgeben, aber irgendwie auch nicht gleich, sondern sich noch lange durchwurschteln bis Dezember.
Leider sieht man daran, daß sie tatsächlich als Parteichefin völlig ungeeignet ist.

Erst stellte sie in Leipzig völlig ohne Not die Vertrauensfrage, dann lässt sie es laufen in Thüringen, ohne vorher klar zu signalisieren, was sie eigentlich will, kann sich anschließend nicht gegenüber einem kleinen Landesverband durchsetzen, machte sich selbst immer kleiner, indem sie verzweifelt auf Vorstand und Kanzlerin hinwies, die sie unterstützen und nun auch noch zu allem Übel Christian Lindner das Geschenk machte die Frage nach seinem Rücktritt zu verdecken.
Nein, Annegret Kramp-Karrenbauer gibt nicht auf, weil Merkel ihr keinen Platz ließ oder weil sie als Frau so ungerecht behandelt wird.
Sie musste aufgeben, weil sie eine schlechte Politikerin ist. Sie ist dem Job nicht gewachsen.
Fast könnte einem AKK leidtun, nachdem sie nun von ihren eigenen Stellvertretern und Landesverbänden im Stich gelassen, hinwerfen musste.
Aber bevor die Tränen allzu heiß kullern sei daran erinnert, daß AKK immer noch die Frau ist, die hämische Witze über Transgender reißt, die sich gegen Schwulenrechte positioniert, nach dem Rezo-Video die Meinungsfreiheit in Frage stellt, die ohne Not xenophobe Töne anschlägt, mal eben deutsche Soldaten nach Syrien schicken will und immer wieder mit recht miesen Winkelzügen agiert, indem sie zur Eigenprofilierung Ministerin wurde, nachdem sie ausschloss Ministerin zu werden.

Tatsächlich ist so viel ungeklärt, daß die CDU vor einem ähnlichen Problem wie die SPD steht. Der Austausch der Personen an der Spitze wird nicht auf wundersame Weise blitzartig die demoskopischen Werte verbessern, solange es keine extrem charismatischen, überzeugenden Spitzenleute wie Brandt, Schmidt, Schröder gibt.
Ein solches Kaliber ist aber weit und breit in keiner Partei in Sicht und so begnügen sich aktuelle Parteichefs meist damit Wähler abzuschrecken.
Das ist Mohring und AKK in Thüringen perfekt gelungen. Der Imageschaden ist gewaltig. Mit einem Paukenschlag haben sie ein Drittel ihrer Wähler verjagt.

 [….] Wenige Tage nach der umstrittenen Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Thüringer Ministerpräsidenten klettert "Die Linke" auf neue Rekordwerte. Die Partei des früheren Ministerpräsidenten Bodo Ramelow erreicht in einer Blitzumfrage von infratest-dimap im Auftrag von MDR THÜRINGEN 39 Prozent. Das sind acht Prozentpunkte mehr, als bei der Landtagswahl im Oktober. Dagegen stürzt die CDU von 21,7 Prozent zur Landtagswahl auf jetzt nur noch 13 Prozent ab (minus 8,7 Prozentpunkte).
Die AfD bleibt mit 24 Prozent (plus 0,6) in etwa konstant. Die SPD steigert sich leicht auf zehn Prozent (plus 1,8). Die Grünen verlieren leicht (minus 0,2 Prozent) und müssten mit fünf Prozent erneut um den Einzug in den Thüringer Landtag zittern. Die FDP wäre mit aktuell vier Prozent (minus 1,0) nicht mehr in einem neuen Landtag vertreten. Rot-Rot-Grün hätte mit dem Ergebnis eine komfortable Mehrheit in einem neuen Thüringer Landtag. [….] Drastisch angestiegen ist die Unzufriedenheit mit CDU-Chef Mike Mohring und dem neu gewählten Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP), der kurz nach der Wahl zurückgetreten ist und nur noch geschäftsführend im Amt ist. Mit Mohring sind aktuell 65 Prozent der Befragten unzufrieden (plus 23), mit Kemmerich sind es 51 Prozent (plus 40). Die Unzufriedenheitswerte von AfD-Landeschef Björn Höcke liegen stabil bei 75 Prozent (plus/minus 0). [….]

Der Wähler ist ein sich stets im Fluchtmodus befindliches scheues Reh.
Da ist es sehr hilfreich, wenn Walter-Borjans und Esken sich hinter den AKK-Kabalen verstecken und so lange sie nicht gesehen werden, wenigstens keine SPD-Wähler vertreiben können.

Die meisten Kommentatoren wie zum Beispiel Philipp Wittrock schreiben heute, mit AKK sei auch Merkels Plan der Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz zur Nachfolgeregelung gescheitert.
Dem stimme ich bedingt zu. Ja, der Plan scheiterte mit AKK. Vielleicht hätte sich ein anderer Parteivorsitzender aber auch bei einer amtierenden Merkel profilieren können.
Außerdem prophezeien sie die vorzeitige Aufgabe des Kanzleramtes von Merkel, da sich kein künftiger CDU-Vorsitzender mehr bieten lassen werde im Schatten der mächtigen Kanzlerin zu agieren.
Davon bin ich wenig überzeugt, da Merkel gern die EU-Präsidentschaft vom Juli bis Dezember 2020 ausfüllen möchte.
Außerdem bleibt die technische Schwierigkeit einen anderen Kanzler zu wählen. Unter keinen Umständen wird die SPD ohne Neuwahlen ein anderes CDU-Mitglied zum Kanzler wählen, da sie dem politischen Gegner damit den ungeheuren Vorteil des Amtsbonus schenken würde und die Hoffnungen auf die nächste Wahl gleich begraben könnte.
Aber auch Neuwahlen sind schwer herbei zu führen, da alle drei Groko-Parteien massive Verluste erwarten müssen und zudem die echte Möglichkeit eines Bundeskanzler Habecks bestünde.
Wieso sollte Merkel das Risiko eingehen, wenn sie damit noch nicht mal ihrer Partei ins Amt verhelfen kann?
Merkel könnte gegen ihren Willen nur mit einem konstruktiven Misstrauensvotum aus dem Amt entfernt werden. Aber auch das ist faktisch unmöglich, weil die SPD mit 20% keinen eigenen Kandidaten präsentieren kann, keinen CDUler oder CSUler wählen würde und vor allem die CDU nicht gegen Merkel stimmen kann, weil diese nun einmal mit Abstand die  beliebteste Politikerin Deutschland ist und die Wahlchancen der CDU bei der nächsten Bundestagswahl zerstört wären, wenn die Partei gerade ihrer eigenen Kanzlerin in den Rücken gefallen wäre.
Man wird Merkel nicht so leicht los; insbesondere weil der Urnenpöbel das auch ausdrücklich nicht will. Diejenigen, die Merkel nun als „lame duck“ schmähen, sollten nicht vergessen, daß sie nun auch nichts mehr zu verlieren hat und durchaus in der Lage sein könnte sich gegen kleine Merzens und Spahns zu wehren, wenn diese ihr zu offensichtlich Knüppel zwischen die Beine werfen.
Das Desaster in Thüringen ist außerdem noch keinesfalls geregelt. Was passiert eigentlich, wenn sich die CDU dort weiter selbst demoralisiert und verzwergt, aber gar keiner mit Autorität mehr da ist, um die AfD-affinen Ost-CDUler zur Raison zu rufen?
Währenddessen verschärfen sich die außenpolitischen Krisen und ökonomisch sieht auch einiges nach einer Rezession aus.
Sollte Merkel als EU-Präsidentin im zweiten Halbjahr 2020 glänzen und sich immer deutlicher als das Hauptwahlkampfargument der CDU herausstellen, halte ich es eher für möglich, daß sie bekniet wird 2021 noch mal anzutreten und die 20 Jahre als Kanzlerin voll zu machen.