Ja, die böse Globalisierung ist anstrengend und schafft
harte Konkurrenz.
Die Leute sind genervt, wenn ihr Fabrikjob wegfällt, weil
das von ihnen hergestellte Produkt 4.000 Kilometer entfernt besser und billiger
hergestellt werden kann.
Aber wenn sie nicht gerade selbst auf diese Art von der
Globalisierung gebissen werden, treiben sie die Globalisierung weiter an, indem
sie fleißig billige Produkte aus anderen Teilen der Welt kaufen, die sie sich
sonst gar nicht leisten könnten.
50 Millionen Trumpster bejubeln die Attacken ihres cult-leaders
auf China und gehen anschließend zu Wal Mart, um sich an dem fast vollständig
aus China stammenden Produkten zu erfreuen.
So wie es in Deutschland den Multikulti-Bundesländern mit
hohem Migrantenanteil ökonomisch viel besser geht – man vergleiche Hamburg und
Sachsen – wählen gerade die Bürger, die kaum etwas anderes als weiße Deutsche
um sich herum sehen lieber xenophobe Parteien.
Die AfD wurde bei der Bundestagswahl stärkste Partei in Sachsen
und fuhr in Hamburg ihr schwächstes Ergebnis ein.
Typischerweise sind die Staaten mit homogener Bevölkerung,
die weniger ökonomische, touristische und kulturelle Kontakte mit dem Rest der
Welt haben, in jeder Hinsicht ärmer; oft sogar direkt abhängig von Zahlungen
aus dem Ausland oder anderen Regionen.
Die östlichen Bundesländer mit sehr niedrigem Migrantenanteil
und sehr hohem AfD-Potential sind gleichzeitig die Nehmerländer aus dem
Bundesfinanzausgleich.
Das gleiche Bild in den USA: Die ärmsten Bundesstaaten sind
allesamt republikanisch und begeistern sich am meisten für Trumps Mauern und Abschottungspolitik,
während die mit Abstand reichsten Bundestaaten wie Kalifornien und New York
ethnische und kulturelle Schmelztiegel sind, die demokratisch regiert werden.
Der Impuls auf Abschottung zu setzen, wenn man in
ökonomische Schwierigkeiten gerät ist also nicht nur moralisch verwerflich,
sondern auch noch dumm und kontraproduktiv.
Die nationalistisch gesinnten Regierungen zeigen gerade
mustergültig ihre Schwierigkeiten.
Nachdem Trump so ziemlich jede internationale Kooperation
aufkündigte, Dutzende Verträge brach, Zölle verhängte und gegen Migranten
hetzt, geht es bergab. Zuletzt stieg er aus der WHO aus und sorgte dadurch für
einen großen Machtgewinn Chinas und torpedierte die internationale
Zusammenarbeit bei der Pandemie-Prophylaxe.
Ähnlich verblödet verhielten sich die Briten. Die Regionen
des Landes, die am stärksten von Zahlungen aus den EU-Strukturfonds und von
europäischen Agrarhilfen profitierten, stimmten für den Brexit; das
multikulturelle und wirtschaftlich starke London dagegen.
Genauso war das Wahlverhalten bei den Parlamentswahlen, das
den Nationalisten Johnson als Premier bestätigte. Ein Regierungschef, der schon
aus Prinzip auf Erkenntnisse anderer europäischer Länder bei der Corona-Bekämpfung
verzichtete, seinen nationalen Weg der Herdenimmunität ging und nun ein Vielfaches
der Toten aufzuweisen hat.
Eine der nationalistischsten Regierung Europas sitzt in
Warschau; dort wird seit Jahren geradezu mit Schaum vorm Mund gegen Brüssel gehetzt,
während man ähnlich wie Budapest besonders viele Zahlungen aus der verhassten
EU erhält.
Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, der als Marionette des
polnischen PiS-Paten und stellvertretenden Sejmmarschalls Jarosław Kaczyński
handelt, setzt auf besonders strenge Abschottung in Coronazeiten.
Was unter Seuchenschutzgesichtspunkten sinnvoll erscheinen
mag, passt so schön in sein Weltbild. Polen den Polen.
Dabei ist gerade der erstaunliche ökonomische Erfolg Polens
gar nicht denkbar ohne die Hilfen aus Brüssel und die offenen Grenzen, die es
den vielen fleißigen und findigen polnischen Unternehmern erlauben ihre
Produkte und vor allem Dienstleistungen äußerst erfolgreich im westlichen
Ausland einzusetzen.
[….] Jahrelang
ging es mit Polens Wirtschaft bergauf. Dann kam Corona und die Grenzen waren
plötzlich zu. Seitdem wissen viele Unternehmer nicht mehr weiter. Die sozialen
Folgen sind dramatisch. [….]
Bereits im April fielen in Polen bereits 153 000 Jobs weg, der stärkste
Einbruch seit zwei Jahrzehnten. Bis Jahresende könnten Hunderttausende weitere
Polen ihren Job verlieren. Ökonomen befürchten, dass die Arbeitslosenrate von
zuvor fünf bis Ende 2020 auf bis zu fünfzehn Prozent explodieren könnte.
Polen verdankte den ungebrochenen Aufschwung der letzten Jahrzehnte vor
allem seiner Rolle als Werkbank für deutsche, französische oder englische
Firmen. Fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung entfällt auf den Export, mehr als
zwei Drittel der Ausfuhren auf Unternehmen mit ausländischem Kapital. Über 5000
deutsche Firmen beschäftigten der Deutsch-Polnischen Industrie- und
Handelskammer zufolge bis zur Krise 391 000 Polen. [….] Volkswagen
etwa gehört mit Werken in Posen zu den großen Arbeitgebern. Wie viele der fast
11 000 Jobs dort und bei etlichen Autozulieferern bestehen bleiben, weiß
niemand. Ähnlich unsicher ist die Lage für Zehntausende Polen in den vor allem
für ausländische Märkte arbeitenden Holz- und Möbelfabriken. [….] Gut die
Hälfte der polnischen Wirtschaft entfällt auf Dienstleister, die von der Krise
ebenfalls stark betroffen sind. [….]
Hunderttausende Polen mussten seit
Mitte März auf ihren Verdienst in Deutschland, England oder Tschechien
verzichten und konnten kein Geld mehr in die Heimat schicken. [….]