Den
rechtskonservativen polnischen EU-Parlamentarier Janusz Korwin-Mikke kenne ich
als passionierter Titanic-Leser natürlich schon lange.
Der
PARTEI-Abgeordnete Martin Sonneborn ist sein Sitznachbar und beschreibt in launigen
Episoden monatlich ihren gemeinsamen Parlamentsalltag.
[…..]
Die Aussprache zieht sich, es ist bereits
kurz vor 23 Uhr, als ich den Plenarsaal betrete. Der Saal ist leer bis auf
vielleicht ein Dutzend Abgeordnete, die noch auf ihre jeweilige Redezeit warten
und sich bis dahin überwiegend digital die Zeit vertreiben. Ich erkenne David
McAllister, und auch mein Lieblingsnachbar, der alte Monarchist Korwin-Mikke
ist da, hellwach sitzt er allein in unserer Reihe und feilt an einer Rede zum
Thema »Gleichstellung der Frau im digitalen Zeitalter«.
Korwin-Mikke wird
zuerst aufgerufen. Für einen erklärten Gegner des Frauenwahlrechts zeigt er
sich heute recht liberal: »Also beim Tennis zum Beispiel, da spielen die Männer
ja mehr Sätze als die Frauen, fünf und drei, und beim Laufen laufen die Frauen
auch nicht so viele Kilometer wie die Männer, und das heißt ja im Grunde, daß
es da Unterschiede gibt …« Dann äußert er sich noch kritisch zum Verhalten
Merkels in der Causa Böhmermann und beschließt seine Ausführungen routiniert:
»Abgesehen davon glaube ich, daß die Europäische Union zerstört werden muß,
vielen Dank!« […..]
Natürlich
müssen Frauen weniger verdienen als Männer; sie sind schließlich kleiner,
schwächer und dümmer.
Einerseits
sollte es einen beruhigen, daß solche Parlamentsbeiträge inzwischen direkt im
O-Ton von den Satirikern übernommen werden, andererseits gibt es nicht nur
in Osteuropa erkleckliche Minderheiten, die wirklich so denken.
Eine
dieser Witzfiguren ist sogar US-Präsident geworden.
Die Gender-Pay-Gap ist also kein bloßer Witz,
sondern jeder ist aufgefordert seinen Abgeordneten in den Hintern zu treten,
damit Frauen nicht weiterhin 21% weniger Gehalt als Männer bekommen.
Eine
Bundeskanzlerin zu haben beseitigt nicht alle misogynen Vorurteile.
Bekanntlich
gibt es immer noch so gut wie keine Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen. In
hochbezahlten Jobs wie bei Chefärzten sind Frauen immer noch extrem
unterrepräsentiert – wenn auch nicht so schlimm, wie unter katholischen
Geistlichen. Von weltweit 400.000 sind gerade mal Null Frauen.
Wir
Westler sind diesbezüglich auf einem Auge blind.
Schlimm,
daß arabische Frauen keine Leichtathletinnen sein dürfen.
Tatsächlich
gibt es aber auch in Europa und den Nordamerika immer noch frauenfreie
Sportarten, bzw Disziplinen, bei denen Frauen erst in jüngster Zeit mitmachen
dürfen.
Formel1-Rennen,
Eishockey, Stabhochsprung, Skispringen, Rugby, Football, Ringen, Tour de
France, Bobfahren, 50 km Gehen, MMA, K1,
Aber
selbst wenn Frauen wie im Boxen oder beim Fußball erlaubt sind, können diese
Sportarten, wenn sie von Frauen ausgeführt werden, so gut wie kein
Zuschauerinteresse generieren.
Vorgestern
bin ich aus völlig unerfindlichen Gründen einige Minuten bei einer
ARD-Sportübertragung hängen geblieben. Irgendwelche dürren, androgynen Wesen in
zu weiten Anzügen sausten mit immer dem gleichen Satz auf Skiern eine Rampe
herunter. Es nennt sich „Skifliegen“. Der Begriff täuscht aber, denn mit „fliegen“
assoziiert man gemeinhin eine vertikal nach oben oder eine horizontal nach vorn
gerichtete Flugbahn.
Diese
Typen fielen aber allesamt wenig Vogel-artig nach unten. „Weiten“ kommen nur
deswegen zu Stande, weil die Schanze so gebaut ist, daß es nach dem „Schanzentisch“
steil bergabgeht.
Wenn ich
aus einem Hubschrauber spränge, könnte ich nach dieser eigenwilligen Definition
auch fliegen – und zwar steil nach unten, wie jede andere Masse, die der
Erdanziehungskraft ausgesetzt ist.
Lahm.
War das langweilig. Fast so bekloppt wie dieses täglich übertragene
obligatorische Biathlon, bei dem keuchende Vogelscheuchen mit gefrorenen Sabberfäden am Maul breitbeinig
mit scherenförmigen Skiern im Kreis watscheln und sich ab und zu in den Dreck
werfen, um ein bißchen rumzuballern.
Reporter
Tom Bartels, der die Nordische Ski-Weltmeisterschaft aus Lahti kommentierte,
war wie für solche Typen üblich durch Testosteron und Pathos so aufgepumpt, daß
er bei deutschen Springern orgiastisch losschrie.
Diese
Jungs wären so tapfer, das sei ungeheuerlich was die leisteten. Diese
Körperbeherrschung erfordere einen ganzen Mann.
Bartels
hatte eine deutsche Medaille schon für sicher geglaubt, als einer der
Milchbubi-Teutonen einen deutlich kürzeren „Flug“ als alle anderen tat. Für den
Kommentator ein klarer Fall von allgemeiner Ungerechtigkeit. Der Deutsche hätte
eigentlich Bestweite springen können, war aber durch plötzlichen Rück- und Abwind,
die astrologische Konstellation und Pech schuldlos zu kurz gehüpft.
Bartels
schäumte. Insbesondere als anschließend ein Norweger namens Daniel André Tande
nicht nur fürchterlich weit „sprang“, sondern die Regie zu allem Übel ein Youtube-Video zeigte, in dem die Norweger
für das nächste Skispringen in Norwegen werben.
Tande
zeigt sich darin nicht dem Männlichkeitsbild des deutschen Reporters
entsprechend.
Bartels übergab
sich fast ins Mikrofon.
Wie konnte
es der kernige Männersport-Norweger wagen sich in so einem Weibersport (Tanzen)
Outfit zu zeigen.
„Ich weiß nicht, weiß
Tande dazu getrieben hat so ein Video zu machen. Ich versichere ihnen, liebe
Zuschauer; wir haben ihn sicher nicht darum gebeten.“
Männersport
muß ernst, grimmig und muskulös sein.
Und genauso
wie es im Fußball keine Schwulen gibt, darf natürlich auch kein Skispringer den
Nimbus als kerniger Flugheld in einem kleinen Gag auf das Spiel setzen.
Tande
raus. Tande sollte vielleicht lieber Synchronschwimmen beginnen.