Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ -
hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.
Regierungschef ist ein schwieriger Job. Insbesondere, wenn man seine Verpflichtung ernst nimmt und strategisch denkt, statt nur kurzfristig auf Umfragen und Wiederwahl zu schielen.
Aber es hängt auch von Glück ab, in welchem Zustand man ein Land übernimmt. Da landete Merkel einen Volltreffer, die ein frisch durchreformiertes Land mit exzellenten außenpolitischen Beziehungen übernahm und lange Zeit die Früchte der Hartz-Reformen einsammeln konnte. Extremes Pech hatten hingegen Obama 2009 und Biden 2021, die eine Nation in katastrophaler Wirtschaftskrise mit einem gewaltigen Etat-Defizit und als Hass-Objekt der Welt übernahmen.
Die beiden weltweit fähigsten Regierungschefs meiner Lebzeit waren Bill Clinton und Helmut Schmidt.
(….) Als Bill Clinton im Januar 2001 das Weiße Haus verlassen musste, hatte er zwar ein Impeachmentverfahren überstanden, aber im Gegensatz zu den beiden Trumppeachments war das wirklich eine Großheuchelei und Hexenjagd. Niemand konnte bestreiten, daß Clinton, das Naturtalent, ein großer Präsident war. Um ihn loszuwerden, konzentrierten sich die Republikaner auf eine kleine Eheaffäre. Wie ehrlich das hypermoralische Ansinnen der Republikaner gemeint war, zeigt sich an ihrer bedingungslosen Unterstützung des Dauerehebrechers und Groß-Sexisten Donald Trump.
Bill Clinton war der intelligenteste US-Politiker des 20. Jahrhundert und seine Präsidentschaft litt ein wenig daran, daß er von keiner Megakrise gefordert wurde, an der er sein Können hätte zeigen können. Als er aus dem Amt schied, hatte er die von den 12 Jahren republikanischer Herrschaft ruinierten Staatsfinanzen nicht nur in Ordnung gebracht, sondern ein gewaltiges Budget-Plus hinterlassen.
Er war das erste echte Opfer der Nach Roosevelt eingeführten Amtszeitbeschränkung auf acht Jahre und schied mit einer Rekord-Zufriedenheit von 66% aus dem Amt.
Final Approval Ratings US-Presidents:
2017 Obama 59%
2009 GWB 34%
2001 Clinton 66%
2021 Trump 29%
Ein Fall von echter Tragik, daß sich der 42.US-Präsident nicht zur Wiederwahl stellen konnte; bei seinen Rekordbeliebtheitswerten wäre er mit einem Erdrutschsieg in die dritte Amtszeit gewählt worden.
Er war gerade erst 54 Jahre alt, auf dem Höhepunkt seiner geistigen Kraft und der Welt wäre so viel erspart geblieben, wenn nicht die ideologischen Kriegstreiber um GWB Osama bin Laden gegenüber gestanden hätten. Gut möglich, daß es gar nicht erst zu dem Geheimdienstversagen bekommen wäre, das 9-11 möglich machte. Mit Sicherheit hätte Bill Clinton als Reaktion darauf aber nicht die Welt in zwei Lager gespalten, eine Million Menschen umgebracht, den Nahen Osten entflammt und das ehrliche Hilfsangebot aus Teheran barsch abgelehnt, um Iran zur „Achse des Bösen“ zu zählen. Europa wäre nicht auseinander dividiert, der Terrorismus nicht gefördert worden und ganz nebenbei hätten wir uns die Weltfinanzkrise zum Ende auch erspart. Donald Trump ist das diametrale Gegenteil des gleichaltrigen Clinton. (….)
(Der Feind im eigenen Haus,18. Januar 2021)
Helmut Schmidt bekam, anders als Bill Clinton, eine ganze Kaskade von Monsterkrisen ab. RAF-Terror, Afghanistankrieg, Olympiaboykott, Ölkrise, Atomaufrüstung. Er war aber so weitsichtig und international so anerkannt, daß er auf Jahrzehnte das Weltgeschehen prägte. Er war der Vater des Euros, ersann die Weltwirtschaftsgipfel, führte durch den wirtschaftlichen Einbruch, schuf den NATO-Doppelbeschluss, erkannte als erster die Bedeutung Chinas für die Weltwirtschaft. Wollte durch einen Kabinettsbeschluss von 1981 (sic!) Deutschland mit Glasfaserkabeln versorgen und prägte über Jahrzehnte das Interaction Council ehemaliger Regierungschefs. Von Merkel hingegen wird rein gar nichts Zukunftsweisendes bleiben.
Die Kanzlerschaft des Olaf Scholz steht unter den denkbar schlechtesten Voraussetzungen. Deutschlands gesamte Infrastruktur ist rückständig, die Schulen marode, die im Zerfall begriffene EU von Misstrauen durchsetzt, die außenpolitischen Kanäle sind kalt, die Bundeswehr ein rostiger, nicht einsatzfähiger Schrotthaufen, zwei Jahre Corona, Windkraft und Photovoltaik wurden 2009-2013 schwarzgelb gestoppt, dafür schraubte Merkel die Gasabhängigkeit von Putin auf über 50% - am Ende der Schröder-Zeit war es nur gut die Hälfte.
Scholz kanzlert mit Corona-Pandemie, Welt-Energiekrise, Rezession und einen heißen Krieg mitten in Europa unter den schwierigsten Bedingungen seit 1949. Dabei war eine Kanzlerpartei noch nie so klein, wie die 2021er SPD und sein Charisma reicht auch nicht an Brandt, Schmidt oder Schröder heran.
Was für eine Horroraufgabe. Und das in einer Dreier-Koalition mit einer FDP, die de facto nicht regierungsfähig ist und deren vier Bundesminister ihren Aufgaben bei Weitem nicht gewachsen sind. Es sind so viele bisher beispiellose hochriskante Beschlüsse in Rekordzeit zu treffen, daß sehr viel schiefgehen muss.
Dies könnte in vielfacher Hinsicht die Stunde der Opposition sein.
Allerdings gewinnt die deutsche Bundestagsopposition den Titel als Impudenz des Monats September.
Obwohl sie die seltene Gelegenheit hat, von links, rechts und braunrechts zu attackieren, respektive konstruktiv mitzuarbeiten, versagen alle vier Oppositionsparteien AfD, CSU, CDU und Linke so dramatisch, daß man noch so sehr an der Ampel verzweifeln kann, aber keine Alternative entdeckt.
Am Konsequentesten ist die Linke Opposition um die völkische AfD-Vertreterin Sahra Sarrazin, die sich ganz ohne Zutun der anderen Parteien selbst auflöst.
Ausgerechnet in Zeiten mit extremer Inflation und den bei rasant steigenden Energiepreisen größten Nöten des Volkes, scheinen die Wagenknechte nur von einer massiven Todessehnsucht beseelt. Tagtäglich demonstrieren sie ihre fehlende Seriosität, garantieren absolut nicht regierungsfähig zu sein und wollen unbedingt verhindern, jemals wieder bei einer Wahl über 5% zu kommen.
Die covidiotischen Faschisten um Alice Weidel und Trix Storch hängen ohnehin an Putins Strippen und waren noch nie zu einem konstruktiven Vorschlag in der Lage.
An CDU und CSU läge es nun, ihre katastrophalen Fehler der letzten 16 Jahre zu revidieren. Die Gelegenheit ist günstig, schließlich ist Merz als Intimfeind Merkels bekannt. Die Union könnte nun ihren Patriotismus beweisen, indem sie ihrem Vaterland in der schwersten Krise seit 75 Jahren beisteht.
Der Kanzler spricht laufend Einladungen zur konstruktiven Mitarbeit aus.
Aber auch die CDUCSU verabschiedet sich aus dem Kreis der seriösen Parteien.
CSU-Chef Söder macht sich als allgemeiner Blockierer und St. Florian lächerlich.
CDU-Partei- und Fraktionschef Merz versagt in seiner Rolle als Chef der größten Bundestagsoppositionspartei nicht nur intellektuell, sondern auch charakterlich.
(….) Wie man sich nach vier
rechtsextremen Regierungen in Europa zur Demokratie verhält, ist auch eine
Charakterfrage. Hält man stand und kämpft für demokratische Werte und Anstand?
Oder hängt man sein Fähnchen in miefige braune Briese?
Den Charaktertest besteht Friedrich Merz nicht. Wie immer. Dabei zeigt es Liz
Cheney: Man kann auch stramm konservativ sein, ohne rechtspopulistische Lügen
zu verbreiten. Dafür fehlt Merz allerdings nicht nur der Charakter, sondern
auch das Rückgrat. (…)
(Wo die europäische Reise hingeht, 27.09.2022)
CDU goes AfD. Die Merz-CDU befindet sich auf Abwegen. Die Christdemokraten bemühen sich ihrem angeblich geliebten Vaterland zu schaden, statt in dieser multiplen Krise der eigenen Regierung zu helfen. Der Hamburger CDU-Chef Ploß umwirbt heftig die AfD und der sächsische CDU-MP Kretschmer küsst Wladimir Putin den Hintern.
Man kann sich also 24/7 über die Ampel ärgern. Es hilft nur nichts. Sie ist eindeutig das kleinste Koalitions-Übel, das wir in Deutschland zu bieten haben. Etwas Besseres haben wir nicht. Nur den „schäbigen“ Merz:
[….] Allein die Dreistigkeit, das Schicksal von Millionen von überfallenen, ausgebombten und vertriebenen Ukrainern, von traumatisierten Frauen und Männern, Kindern und Alten in einem Satz mit dem Wort Tourismus unterzubringen, ist eines deutschen Spitzenpolitikers unwürdig. So ganz nebenbei erhärtet es den Verdacht, dass Merz' berühmte Nachtzugreise nach Kiew die PR-Aktion eines Wählerstimmentouristen war. [….] Offensichtlich versucht Merz damit, das Wählerpotenzial der Union auch auf jene Bereiche auszudehnen, wo das Nationalkonservative ins Rechtsextreme ausfranst. Das ist nicht zuletzt auch eine strategische Dummheit. Niemand weiß das besser als sein Parteischwesterfreund Markus Söder, der einst mit der Parole vom "Asyltourismus" die Wählerschaft der CSU zugunsten der AfD verringerte und dabei lernte: Man kann das Stinktier nicht überstinken. Das Gerede vom ukrainischen Sozialtourismus reiht sich ein in die jüngste Serie von Merz-Aussagen, die eigentlich alle weit unter seinem intellektuellen Niveau liegen sollten. Dazu gehören auch sein Kulturkampf gegen Sprachverbote, die gar niemand gefordert hat, das kalkulierte Fan-Getrommel für die Atomkraft sowie die plumpe Polemik gegen die Öffentlich-Rechtlichen, auch wenn diese gerade von einer Merz-Rede auf dem CDU-Parteitag berichten. [….]