Freitag, 14. September 2018

Kreativität Null, Tatkraft Null


Merkels Sommerurlaub scheint diesmal wirklich lange anzudauern.
Ist sie eigentlich zwischendurch schon mal wieder in Deutschland angekommen?
Man weiß es nicht so genau.
Ich habe da zwar irgendwas Merkel-artiges in der Bundestagsgeneraldebatte gesehen und es wurde anschließend auch über sie geschrieben.
Dazu muss ich aber noch mal nachsehen, weil ich mich schon wieder an nichts erinnern kann.

Es ist ja nicht so, daß nichts los wäre in der Welt und in Deutschland. Syrien, Türkei, Chemnitz, Köthen, gravierende Altersarmut, Niedriglöhne, massenhafter Unterrichtsausfall durch 50.000 fehlende Lehrer, antisemitische Übergriffe in Berlin und Ostdeutschland, bundesweite Wohnungsnot.
Erosion der einstigen Volksparteien, Schulterschluss von AfD, NPD und Pegida, hitzige Auseinandersetzungen über die deutsche Energiepolitik, Dieseldrama.
Aber zu all den Themen sind keine Debattenbeiträge Merkels in Erinnerung.
In der ersten Wochenshow nach der Sommerpause konnte Oliver Welke nur ganz müde fragen „wer regiert denn eigentlich seit 13 Jahren ununterbrochen?“, als es um Volker Kauders Bildungsnotstands-Klage ging.
Wieso wollte Merkel bloß noch mal Kanzlerin werden?
Offensichtlich ist es wirklich so einfach wie meine Mutter schon sagte – „Merkel mag einfach gern Kanzlerin sein; mehr steckt nicht dahinter!“.
Undenkbar, daß ein Gerd Schröder oder Helmut Schmidt so planlos plätschernd durch ihre Legislatur latschen würden.
Merkel vermeidet nicht nur Position zu beziehen, sie lähmt auch ihr gesamtes Kabinett, unterdrückt jeden Fortschritt.

Was war also vorgestern los im Bundestag bei der Generalaussprache?

[…..] Tagesschau.de: "Die sinkenden Umfragewerte für CDU, CSU und SPD sollten den Parteien eine Warnung sein. […..]  es ist auch Verdruss darüber, dass vieles in diesem Land zu lange dauert oder nicht gut gemanagt wird. Wie sagte die Kanzlerin heute am Ende ihrer Rede: 'Ja, wir wissen, dass es noch viele Mängel gibt, aber wir stellen uns den Herausforderungen, und wir kommen Schritt für Schritt voran.' Ambitionsloser kann man Regierungspolitik in der größten Volkswirtschaft der EU kaum ausdrücken."

[…..] "General-Anzeiger": "Der Debatte fehlte indes der Impuls, wie Deutschland seinen Wohlstand für die nächsten Jahrzehnte sichern kann. Zu viel Nabelschau, zu wenig Konzeptionelles. […..]

"Badische Neueste Nachrichten": Die Generaldebatte legt trotz, oder gerade wegen ihrer Rituale und Gesetzmäßigkeiten offen, wie dünn das Eis ist, auf dem diese Regierung derzeit agiert. Die Methode Merkel stößt offensichtlich an ihre Grenzen, der Druck von innen wie von außen nimmt zu. Geht das noch lange gut? […..]

Wenn es nur nicht so abgedroschen wäre, aber wir werden wirklich unter Wert regiert. Aber was soll man erwarten von einem bräsigen Volk, welches genau nach seinem minderen Wert wählt?


Die Idioten, die nun frustriert zur AfD wechseln, weil sie glauben lahme CDUSPDCSU-Politik rechtfertige Menschenhatz, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie verstehen gar nicht, daß sie damit nur den politischen Merkel-Stillstand zementieren.


Wenn nämlich weder linkes Lager (SPD, Linke, Grüne), noch rechtes Lager (CDU, FDP, CSU) stabile Mehrheiten generieren können, müssen sie notgedrungen und widerwillig in Stillstandskoalitionen gehen.

Merkel hat sich nicht trickreich mit Russenbots ins Kanzleramt gemogelt, sondern sie ist Ausdruck der Wahlergebnisse. Genau so erzwingt es nämlich die Majorität der abgegebenen Stimmen.

Abendfüllend kann ich jeden Tag in den sozialen Netzen nachlesen, wie blöd unsere Politiker sind, wie sehr Nahles, Merkel und Lindner verabscheut werden.
Aber diese Typen fallen nicht vom Himmel, sondern sind direkt oder indirekt vom Volk ins Parlament geschickt worden. Wer nicht wählt, oder seine Stimme in den braunen AfD-Mülleimer wirft, erzwingt am Ende rundgelutschte Risikoscheue wie sie jetzt dominieren.

[…..] Deutschland, ein Jahr nach der Wahl: ein Verfassungsschützer außer Rand und Band, ein Innenminister, der die eigene Regierung bekämpft und eine Kanzlerin, die alles mit sich machen lässt. Während sich im Land die rechte Gefahr ausbreitet, feiert die Regierung in Berlin Chaostage.
Rechte Horden ziehen durch deutsche Städte, ermuntert von einem Innenminister, der endgültig zum Irrlicht geworden ist, und einem Verfassungsschützer, vor dem man die Verfassung schützen muss. Der Kanzlerin entgleitet ihre Macht.
[…..] Horst Seehofer und Hans-Georg Maaßen sind Meuterer und Angela Merkel ist eine lahme Ente am Steuerrad. Vor versammelter Mannschaft fallen die beiden Männer ihrer Kanzlerin in den Rücken - und sie sieht zu. […..] Angela Merkel hat die Möglichkeit, Maaßen und seinen Dienstherrn Seehofer dahin zu versetzen, wo beide hingehören: in den Ruhestand. Aber die Kraft hat sie nicht mehr. […..]

Ich bin ein großer Freund offener Worte und wünsche mir lebendige meinungsstarke Diskussion.
Wenn es allerdings um die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Erde mit 82 Millionen Einwohnern geht, kann man nicht 13 Jahre alles dahinplätschern lassen.
Mal einen Bildungsgipfel einberufen, mal alles kurz ansprechen und dann aber auch alles wieder vergessen, wenn sich doch nichts tut.
Die am Boden liegende Hamburger SPD aus der ersten Dekade des 3. Jahrtausends rang sich einst dazu durch nach einem Vollprofi zu suchen.
Olaf Scholz riss dann alles an sich – Parteivorsitz, Spitzenkandidatur, Regierungschef und pflegte während seiner sieben Jahre an der Elbe immer wieder zu sagen „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch!“.
Führung. Das klingt zunächst einmal maximal unsympathisch in linken Ohren.
Aber machen wir uns nichts vor; unter gewissen Umständen und in gewissen Größenordnungen ist Führung absolut notwendig.
Insbesondere wenn man verhindern möchte, daß sich eines Tages aus dem Chaos der Führungslosigkeit ein „Führer“ à la Höcke erhebt.
Autokratien sind weltweit auf dem Vormarsch, überall erheben Möchtegern-Führer ihr braunes Haupt aus dem Sumpf. Warschau, Washington, Budapest, Moskau. Deutsche Wähler mögen keine Reformen und wählen wie die verängstigen Kinder, die sich bereits eingenässt haben, das was sie schon kennen, diejenige, die sie vor Veränderungen bewahrt.
Aber wenn es dann nur noch Stillstand gibt, kann sich offenbar in 12 Jahren so viel Führungssehnsucht ansammeln, daß man statt Führung gleich einen Führer bestellt.

 […..]  Nur der Beitrag der Kanzlerin war öde. Ihr fehlen die Richtlinien, die sie angesichts der derzeitigen Lage dringend bräuchte.
 […..]  Angela Merkel war fast so wie immer; sie ist nicht schlechter geworden. Aber das genügt nicht mehr, weil die Zeiten andere geworden sind. Nach Chemnitz, nach der Verbrüderung von Neonazis und AfD und in einer Zeit, in der die Verunsicherung der Gesellschaft mit Händen zu greifen ist, ist es nötig, die Demokratie und den Rechtsstaat mit Leidenschaft und Klarheit, mit verlockenden oder auch schmerzhaften Perspektiven zu verteidigen.
Das tut Merkel nicht,  […..]  Das Land leidet an ihrer Leidenschaftslosigkeit; diese liegt wie eine Grundschuld auf der großen Koalition.  […..]   Deswegen glänzt in der Regierung Merkel IV selbst dort nichts, wo es funkeln könnte - etwa bei der Arbeit der Minister Hubertus Heil und Franziska Giffey. Das heißt: Diese Regierung verkauft sich unter Wert und unterhalb der Möglichkeiten ihres Koalitionsvertrags.
Es fehlt in der Koalition Merkel/Scholz nicht nur die Leidenschaft; es fehlt an Führung. Führung, so sagte es einmal Rainer Barzel, ein Vorgänger von Merkel im Amt des CDU-Chefs, ist durch nichts zu ersetzen. […..] Es gehörte zum Bemerkenswerten der Bundestagsdebatte, dass man sich die Kanzlerin wegdenken konnte, ohne dass sich etwas am Gesamteindruck geändert hätte. […..]