Donnerstag, 2. Februar 2012

Gute Gründe.

Also DAS gehört wirklich zu den Dingen, die ich hasse:
Wenn irgendein Unglück passiert, auf tragische Weise jemand stirbt und die kleinköpfigen Menschen anfangen Schildchen mit der grob gekrakelten Aufschrift „WARUM???“ aufzustellen.

Zunächst einmal endet JEDES Leben mit dem Tod.
Wieso man diese stadtbekannte Tatsache nach 200.000 Jahren Menschheitsgeschichte hinterfragen muß, ist mir völlig unklar. Wieso geht die Sonne unter, wieso ist Wasser nass?

Ich verstehe den Sinn der Frage nicht. Was soll es bringen seine eigene Unzulänglichkeit mit dem Wort „warum“ illustrierend den Angehörigen schriftlich zu dokumentieren?

Und wieso wird diese Frage bei irgendwelchen Nichtsen gestellt?
Rund 110 Milliarden Menschen des Typs Homo sapiens sind bisher auf der Erde gestorben und da gibt es durchaus welche, deren Verlust ich viel mehr bedauere. Anna Lindh, Bobby Kennedy, Zoran Djinjic, Itzak Rabin, etc.

Oder ist mit dem „WARUM?“ nur die Frage nach der konkreten Todesursache gemeint? Geht es also um den Kausalzusammenhang? Die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung?

Aber die ist doch gerade bei der größten Warum-Schild-Konzentration oft sonnenklar.
Beim Winnenden-Amoklauf waren die Ursachen doch ganz offensichtlich, daß 1. Tim Kretschmers psychiatrische Behandlung ungenügend war, daß 2. der einen Tag vorher stattgefundene Amoklauf in Geneva County (Alabama) eine inspirierende Wirkung hatte und daß drittens Papa Kretschmer seinen Waffenschrank nicht ausreichend gesichert hatte.
Eine klare Kausalität; wenn auch keine monokausale.

Ebenso kann man sehr gut erklären weswegen im Juni 2010 in Duisburg 21 Leute zerquetscht wurden. Ahnungslose Security, fahrlässiger OB, Drogen, Überfüllung, etc.
Polykausal, aber klar.

Besonders gern wird das WARUM-Schild einer Monstranz gleich umher getragen, wenn die Opfer Kinder sind - also ob es nicht gerade wegen der Schutzbedürftigkeit der Kleinen wahrscheinlicher ist, daß sie umgebracht werden.

In einigen Fällen, die die Öffentlichkeit besonders umtreiben, liefern freundlicherweise die zuständigen Stellen gleich die Erklärung.
Denn tatsächlich ist „der Staat“ immer öfter zuständig, weil er immer mehr Leibesfrüchte aus immer mehr verwahrlosten Familien (jeder Depp kann ein Kind produzieren) heraus nehmen muß.


Die Zahl der Kinder, die in Deutschland aus ihren Familien genommen werden und in Heimen oder Pflegefamilien aufwachsen müssen, steigt rasant: Alleine in den vergangenen fünf Jahren um 42 Prozent. Doch gute Pflegefamilien sind schwer zu finden.
(SZ 02.02.12)

Verwahrlost das Prekariat immer mehr, oder passen die Jugendämter einfach nur besser auf?

SZ: Frau Trautner
[Vorsitzende des Bundesverbands der Pflege- und Adoptivfamilien], die Zahl der Inobhutnahmen steigt seit 2006 ungebremst an. Werden die Deutschen zunehmend erziehungsunfähig?
Trautner: So kann man das nicht sagen. Natürlich, wenn Kinder aus ihren Familien geholt werden, liegt das meist an Drogen- oder psychischen Problemen der Eltern, oft spielen Gewalt und Vernachlässigung eine Rolle. Aber diese Probleme haben nicht insgesamt in dem selben Maß zugenommen. Zugenommen hat auch die Sensibilität der Jugendämter.

SZ: Vor sechs Jahren wurde der kleine Kevin in Bremen von seinem drogensüchtigen Ziehvater getötet, und in Schwerin verhungerte die fünfjährige Lea-Sophie vor fünf Jahren in der Wohnung ihrer Eltern. Haben diese Kinder die Politik der Jugendämter verändert?

Trautner: Diese und andere Todesfälle, ja. Die Hürden, ein Kind von seiner Familie zu trennen, sind in Deutschland sehr hoch. Zuvor müssen schon alle anderen Hilfsmaßnahmen versagt haben. In den letzten Jahren wagt man den Schritt vermehrt.

SZ: Und braucht also vermehrt Pflegefamilien. Wie werden die gesucht und ausgewählt?

Trautner: Das ist das zentrale Problem: Es gibt da keine einheitlichen Standards, das ist von einer Kommune zur nächsten unterschiedlich. Im Bereich der Jugendhilfe herrscht in Deutschland ein gefährliches Chaos: Allen Jugendämtern gemein ist nur die Pflicht, das Wohl der Kinder zu sichern. Aber wie sie das tun, in welchem Umfang die Betreuung stattfindet, nach welchen Konzepten gehandelt wird, wie hoch die Fallzahlen pro Mitarbeiter sind - das kann jeder auslegen, wie er will.
(Interview: Charlotte Frank 02. Februar 2012)

Warum verrotten also Kinder in eigenartigen Pflegefamilien?
Weil es nicht genügend Gute gibt.
Und die gibt es nicht, weil die Ämter zu wenig Geld und zu eigenartige Moralmerkwürdigkeiten im Kopf haben (keine Homopaare, keine Unehelichen,…).

Ein Heimplatz kostet aber einige Tausend Euro im Monat, während die Unterbringung bei Pflegeeltern um den Faktor zehn billiger ist.
Die Geldknappheit (Ursache) bedingt also, daß verwahrloste Kinder auch mal zu ungeeigneten Familien gesteckt werden (Wirkung) oder auch gar nicht betreut werden können (Wirkung). Klare Kausalität.

Für die Geldknappheit sind wiederum politische Weichenstellungen ursächlich. Die ist die Auswirkung der Wahlentscheidung am 29.09.2009 (Ursache), als die Majorität der Deutschen Gaga-Parteien wählten, die Milliarden in Bildungsfernhalteprämien (vulgo Herdprämie) steckten, statt sie für das Kindeswohl auszugeben.

Da haben die Ämter eben nicht Zeit für alle hilfsbedürftigen Kinder.

Ich muß an dieser Stelle leider an den „Fall Morsal“ aus dem Mai 2008 in Hamburg erinnern:

Morsal, eine 16-Jährige Deutsche, die von ihrem Bruder Ahmat auf offener Straße hingemetzelt wurde, da sie angeblich nicht seinen Moralvorstellungen entsprach.
Die Jugendämter hätten gewarnt sein können.
Wie grausig das Mädchen schon vorher zu leiden haten, wissen wir Dank der GAL, die das Mauern und Verschleiern der CDU-geführten Ministerien für Inneres und Soziales aufdeckte:

Nur so wurde bekannt, wie oft das Mädchen von Vater und Bruder mit Fäusten und Tritten und von der Mutter mit einem Kabel gezüchtigt wurde, dass ihr die Verwandten einen Zahn ausschlugen und dass ihre Schwester ihr das Gesicht zerkratzte. Auch die Liste der Gewalttaten, die man ihrem Bruder Ahmad zur Last legt, wurde nur so bekannt. Wäre es nach den CDU-Senatoren gegangen, hätten die Hamburger all dies nie erfahren.

Wie lange und wie grausam Morsal zu leiden hatte, war den Behörden bekannt, aber man beharrte noch nach dem Tod der Teenagerin darauf alles richtig gemacht zu haben.

„Das Jugendamt hat meiner Meinung nach in diesem Fall sehr verantwortlich gearbeitet, sehr intensiv mit den Eltern und mit dem Mädchen zusammengearbeitet, auch mit der Schule zusammengearbeitet. Von daher, nach unserer bisherigen Rückschau, sage ich, wir haben das getan, was notwendig und erforderlich war.“
(Pia Wolters vom Jugendamt Hamburg in der Rückschau)

A posteriori war sich die Jugendamtsleiterin keiner Schuld bewußt.

Pia Wolters, Jugendamt Hamburg: „Die Gefährdung war nicht so.“

Panorama: „Die Gefährdung war offensichtlich riesig!“

Pia Wolters, Jugendamt Hamburg: „Gefährdung fürs Leben gab es so nicht.“

Panorama: „Offensichtlich doch.“

Pia Wolters, Jugendamt Hamburg: „Nein! Das sagen Sie jetzt hinterher, wo wir wissen was passiert ist, aber vorher hat das niemand abgesehen."

Olof Masch, Familienrichter: “Also, wenn man jemand der flüchtet, Schutz sucht, wieder nach Hause schicken muss, dann kann man sich ja kaum eine eklatantere Situation vorstellen als diese. Natürlich hätte man was tun müssen.“
(PANORAMA Nr. 698 vom 05.06.2008)

Für die tödliche Wirkung (mit 20 Messerstichen von ihrem Bruder auf offener Straße abgemurxt) bedarf es keines „WARUM“-Schildes, denn die Ursache, gibt die Frau vom Jugendamt klipp und klar im Interview bekannt:

Morsal war AUSSERHALB DER ÖFFNUNGSZEITEN in tödlicher Not - da kann man natürlich nichts machen.

O-Ton Jugendamt: „Wir haben Dienstzeiten von Mo. bis Do. von 8 bis 16 Uhr und Fr von 8 bis 14 Uhr.“

Panorama: „Aber es kann doch in solch einem Fall nicht um Öffnungszeiten...“

Pia Wolters, Jugendamt Hamburg: „Na, selbstverständlich. Am Wochenende arbeitet hier im Jugendamt niemand. Das ist nun mal so. Dafür übernimmt die Aufgabe der KJND.“

Panorama: „Okay, aber der hat sie ja auch nicht aufgenommen.“

Pia Wolters, Jugendamt Hamburg: „Ja, weil der nicht zuständig war. Das ist nun mal so, das ist so geregelt.“
(PANORAMA Nr. 698 vom 05.06.2008)

Morsal hätte sich also an das deutsche Beamtenrecht und die Öffnungszeiten des Jugendamtes halten müssen. Wenn die 16-Jährige sich außerhalb der Regelzeiten umbringen läßt, können Hamburger Behörden leider nicht helfen.
Denn in der Nacht, bis das Amt wieder geöffnet war, hatte Morsal inzwischen den behördlich vorgesehenen Vorgang abgebrochen:

Das Leben von Morsal ist nur noch ganz kurz. Noch einmal verprügelt sie der Vater. tritt ihr mit dem Knie in den Magen. Noch einmal flieht sie, kommt wieder zurück. In der Nacht zum 16. Mai ersticht sie ihr Bruder.

O-Ton Pia Wolters Jugendamt Hamburg:  „Wir waren mittendrin in der Überzeugungsarbeit. Der Prozess ist leider abgebrochen worden durch den unnatürlichen Tod.
(PANORAMA Nr. 698 vom 05.06.2008)

Kausalkette klar.

Was macht man nur mit solchen Spitzenleuten wie Pia Wolters?
Antwort: Man befördert sie!
Wolters wurde mittlerweile Leiterin des Jugendamtes Hamburg-Mitte und machte auch dort einen großartigen Job. Drei Kinderleichen sammelte sie in ihrer Amtszeit an.

Baby Lara-Mia (starb im Alter von 8 Monate) wurde 2009 völlig abgemagert tot in einer Wohnung in Wilhelmsburg aufgefunden. Obwohl das Jugendamt eingeschaltet war, hielten sie es nicht für nötig das Baby selbst anzusehen, sondern begnügten sich mit den Informationen der Eltern.

Im Jahr 2004 wurde die zwei Jahre alte Michelle aus Lohbrügge tot in einer völlig verwahrlosten Wohnung aufgefunden. Das Jugendamt in Bergedorf, das Wolters damals leitete, hatte einen freien Träger damit beauftragt, die Familie mit den sechs Kindern zu betreuen und sie regelmäßig zu Hause zu besuchen. In den Monaten vor Michelles Tod war die Familienhelferin nicht vor Ort, weil sie den fadenscheinigen Absagen der Mutter Glauben schenkte. Dass die Kinder stundenlang in ihren Zimmern eingesperrt wurden, dort Hausrat und Müll herumlagen, es nach Urin stank und Kot auf dem Boden lag, bekam die Sozialarbeiterin somit auch nicht mit.
(Abla 02.02.12)

Und zuletzt starb unter Wolters Oberaufsicht eine Elfjährige, die zu schwer drogensüchtigen Pflegeeltern gegeben wurde, die noch nicht mal ein Bett für das Kind bieten konnten. Dafür aber Methadonpillen.

Ein bißchen versifft und voller Junkies - kein Problem für Frau Wolters:


Kein Bett, kein Schrank, kein Zimmer für Chantal: Jugendamtsleiterin Pia Wolters verteidigte gestern ihre Einschätzung, dass die Wohnung der Pflegeeltern „kindgerecht“ sei. Obwohl die Familie mit zwei Erwachsenen, vier Kindern und drei Hunden in einer Vier-Zimmer-Wohnung lebte. Wolters räumte auch ein, dass Chantal kein eigenes Bett hatte, sondern je zwei Kinder sich ein Bett teilten: „Es gibt überall in Deutschland Familien, bei denen nicht jedes Kind ein eigenes Zimmer hat, und das Bett war breit genug für zwei.“
Chaos in der Wohnung: Keine Schränke, Wäsche auf dem Boden, keine Bettbezüge. Wolters verteidigt auch da ihre Mitarbeiter. „Mancher braucht es geleckt, den anderen stört nicht einmal dreckige Unterwäsche.“

(Sandra Schäfer & Renate Pinzke 31.01.12)

Geleckt? Welch unpassende Ausdrucksweise für eine 11-Jährige, die gerade das Methadon ihrer Pflegeeltern aufgeleckt hatte.

Die Staatsanwaltschaft [gab] bekannt: Chantal sei an einer Methadon-Vergiftung gestorben. Das habe die Obduktion ergeben. „Wir ermitteln gegen die Pflegeeltern und gegen den leiblichen Vater wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung“, sagt Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Wahrscheinlich sei Chantal in der Wohnung der Pflegeeltern mit dem Methadon in Berührung gekommen.
(Mopo 23.01.12)

Ich würde mal sagen, daß Pia Wolters offensichtlich ihren Verantwortungsbereich nicht so besonders gut im Griff hat.

Ob man sie besser von ihrem Posten entfernt hätte?

Das schwante sogar ihrem obersten Chef, dem auf diesem Blog gut bekannten Bezirkschef von Hamburg-Mitte, Markus Schreiber.
Das ist durchaus bemerkenswert, denn üblicherweise merkt Schreiber gar nichts. Insbesondere nicht, wenn er oder seine Behörde sich zum absoluten Affen machen und zum Gespött Deutschlands werden.

Aber die Wolters, …, nein, die fand auch Schreiber nicht wirklich ideal.

Abberufen hat er sie aber nicht. Pech für Lara-Mia und Chantal, aber Schreiber hatte schließlich GUTE Gründe.

Am Dienstag beurlaubte Schreiber seine Jugendamtsleiterin Pia Wolters. Sein ganz persönliches Scheitern machte er mit einer Aussage klar: Er habe sie bereits 2009 nach dem Tod der kleinen Lara-Mia für ungeeignet gehalten. Sie sei aber im Amt belassen worden, weil er keine andere Stelle für sie fand!
Schreiber hat also bewusst eine als inkompetent betrachtete Amtschefin auf ihrem Stuhl gelassen. Schreiber zu diesem Vorwurf gestern: „Mir wurde bei der Versetzung von Frau Wolters nicht geholfen. Innerhalb meiner Behörde gab’s aber keine geeignete Stelle.“

(Mopo 01.12.12)

Kausale Klarheit.
Ursache (hübsches Pöstchen für Frau Wolters) fehlt, daher auch keine Wirkung (neue Leitung des Jugendamtes)

Die Hamburger SPD-Landesregierung, der alles so schön zu gelingen scheint, hat mit Schreiber die Ausnahme am Hals, die die Regel bestätigt. In der SPD-Bürgerschaftsfraktion herrscht blankes Entsetzen über den Genossen aus Mitte.       
Was der Mann anfasst misslingt. Und wenn er sich öffentlich äußert wird es peinlich.

Wie immer ist er vollkommen uneinsichtig, unbelehrbar und weist alle Schuld von sich. Rücktritt ausgeschlossen.

Herr Scholz ist gefragt. Der Bürgermeister kann zwar nicht direkt in die Bezirke eingreifen, aber er sollte doch bitte mal Schreiber einbestellen und so Tacheles reden, daß diese gemeingefährliche Peinlichkeit von Bezirksamtschef die Hühner sattelt.

Bereits nach dem Tod von Lara-Mia 2009 haben wir nach einer anderen Lösung für die Leiterin des Jugendamts gesucht. Wir haben aber keine angemessene Stelle gefunden.“ Ein Satz, der fassungslos macht.
Er stammt von Mitte-Bezirkschef Markus Schreiber (SPD). Ein Kind war gestorben, die Jugendamtschefin hatte versagt. Und Schreiber? Ließ ihr, die er selbst nicht für geeignet hielt, die Verantwortung für Hunderte Kinder.
Nicht mal besonders beaufsichtigt hat er sie. Jetzt ist Chantal tot, gestorben im Drogensumpf ihrer Pflegeeltern, unter den Augen des Amtes. Und Schreiber? Tut so, als hätte er mit alldem nichts zu tun.
Er will seine Haut retten, geriert sich auch noch als Chef-Aufklärer. Das ist schamlos. Und es ist der Beweis, dass Schreiber weder fachlich noch charakterlich für sein Amt geeignet ist.
(Mathis Neuburger 01.01.12)