Mittwoch, 13. Oktober 2021

Bewegung in den Bundesländern.

Es fasziniert mich immer wieder, wie unselbstständig deutsche Wähler entscheiden, wie sehr sie sich von Stimmungen mitziehen lassen, wie wichtig es ihnen ist, ganz unabhängig von politischen Positionen, zur Siegermannschaft zu gehören.  Der deutsche Michel wählt lieber die Gewinnerpartei, möchte mit dem Strom schwimmen.

Daher war die SPD jahrelang politisch abgemeldet und trotz der eindeutig besseren Konzepte a priori chancenlos: Zu sehr hatte sich das „die verlieren ja sowieso“-Narrativ in der Berichterstattung durchgesetzt. Als Olaf Scholz vor einem Jahr sagte, er wolle Bundeskanzler werden, gab es keinen einzigen Journalisten, der das ernst nahm. Er wurde für seinen Anspruch ausgelacht und mit Häme übergossen.

Eine 14%-Partei auf dem kontinuierlich absteigenden Ast? Wie soll das denn gehen?

Es war sensationell, als die SPD am 26.09.2021 stärkste Partei wurde. In den Redaktionen waren viele „Mea culpa“ fällig.  Am Wahlabend erschienen die 1,5 Prozentpunkte Abstand zwischen CDU/CSU und SPD noch so klein, daß man die Koalitions-Optionen Jamaika und Ampel als ungefähr gleich wahrscheinlich ansah.

Ein Sozi als Kanzler? Das konnten sich viele immer noch nicht vorstellen.

In den folgenden zwei Wochen zerlegte sich die CDU aber so sehr, stellte sich Armin Laschet so ungeschickt an, ging die gesamte Union so sehr in den Hühnerhaufenmodus über, daß selbst die hartnäckigsten Laschet-Fans der Ampel-Parteien (Lindner!) CDU und CSU kaum noch für regierungsfähig halten.

Sicher ist nur, daß die CDU ihren gesamten Bundesvorstand austauschen will und die Merkel-Generation zum Mond schießen möchte. AKK und Altmaier haben schon aufgegeben, die JU fordert nun den Mandatsverzicht Schäubles.

Unklar sind nur drei nicht ganz unwesentliche Punkte: A) Wie wählt man einen neuen Chef? Mit oder ohne Basis? B) Welche Personen könnten für einen CDU-Neuanfang stehen? C) Welche Inhalte vertritt die CDU?

Meine große Sorge vom 27./28./29./30.09.2021 galt den Jamaika-Fans in der FDP und der Grünen-Spitze. Würden sie es schaffen, Scholz auszumanövrieren?

Heute, am 13.10. bin ich entspannter. Zu sehr nahm sich die Union selbst aus dem Spiel und zu eindeutig präferieren die Bundesbürger einen Bundeskanzler Scholz.

Bei der Direktfrage nach dem Kanzler, schießt Scholz locker auf über 70%, während Laschet in den einstelligen Bereich zusammengeschnurrt ist.

 Inzwischen scheint der Gedanke, daß der nächste Regierungschef mutmaßlich Olaf Scholz heißen wird und mit einer Ampel regieren wird, allgemein fußgefasst zu haben. Also kann die SPD doch Wahlen gewinnen.

Diese Veränderung der Stimmung schlägt drastisch auf die Sonntagsfragen in den Bundesländern durch, obwohl sich die Situation dort faktisch kein bißchen verändert hat.  Würde heute in den drei bevölkerungsreichsten Bundesländern BW, Bayern und NRW gewählt, könnte die SPD überall drastisch zulegen.

„Man muss ja gar nicht immer CDU/CSU wählen“ scheint vielen Süddeutschen nun auf einmal einzufallen.



Die SPD-Landesverbände werden wiederbelebt. Da trifft man mutige Entscheidungen.

Gut:

[…..] Manuela Schwesig wechselt ihren Koalitionspartner: In ihrer zweiten Amtszeit will sie als Ministerpräsidentin eines rot-roten Bündnisses regieren. Die SPD-Politikerin kündigte am Abend Gespräche mit den Linken an. […..]

(SPON, 13.10.2021)

In der CDU sind die Gemäßigten und Merkelianer außerordentlich genervt von den stramm rechten, nassforschen, jugendlichen Spitzenkandidaten, die jetzt vehement auf eine deutliche Rechtsverschiebung der Union pochen.

Insbesondere die ultrakonservativen Top-CDUler in Hamburg und Mecklenburg Vorpommern, Ploß und Amthor, wagen sich weit vor. Ein Treppenwitz, da ihr braunfreundlicher Kurs bei den Bundestagswahlen besonders schlecht ankam. Ploß holte in Hamburg 15,4%, Amthor in MeckPomm 17,4%. Beide verloren krachend ihr Direktmandat, landeten jeweils nur auf Platz drei. Aber ausgerechnet die beiden wollen bei der CDU-Neuaufstellung eine große Rolle spielen und werkeln daran, ihre Partei zur AfD zu treiben.

Schlecht:

[…..] CDU erwägt Wahl von AfD-Politiker zum Landtagsvizepräsidenten

Die Christdemokraten in Sachsen-Anhalt stehen in der Kritik. Teile der CDU-Fraktion wollen offenbar einen AfD-Politiker zum Landtagsvizepräsidenten wählen. Der Deutschland-Koalition droht eine erste Belastungsprobe.  […..]

(Spon, 13.10.2021)