Donnerstag, 4. Oktober 2018

Politcomedy.


Als es vor 20 Jahren mit der deutschen Comedy losging, reichten ein halbes Dutzend Standardassoziationen für alle Witze aus:
Inge Meysel = alt, Günther Strack = dick, Verona Feldbusch = dumm.

Damit war endlich ein neues Genre geboren für alle, denen Kabarett zu intellektuell und Fips Asmussen zu schlüpfrig war.
Es gab natürlich schon vorher deutschen Humor – Loriot oder Heinz Ehrhardt – aber auch der funktionierte nicht ganz ohne Gehirn.
Angefangen mit RTL-Samstagnacht etablierte sich ein neues Format, welches schließlich zu Mario Barth und Bülent Ceylan führte: Frauen sind dumm, Männer haben einen großen Pimmel und gelacht wird über Furzen und Rülpsen.

Humor auf diesem Konnotationsniveau vermeide ich eigentlich.
Aber manchmal halten irgendwelche öffentlichen Blödmänner so einladende Stöckchen vor den Fuß, daß man gar nicht anders kann als drüber zu springen.

[…..] Söders Raumfahrtprogramm "Bavaria One" -  Die Sterne im Blick
Ministerpräsident Markus Söder ist im Wahlkampfmodus: Er präsentiert seine Pläne für das bayerische Raumfahrtprogramm "Bavaria One" - mitsamt seinem Konterfei als Logo. Es hagelt Hohn und Kritik. [….]

Niemand kann mir nachsagen Söder-Fan zu sein, aber kurz vor der Wahl mit Steuergeldern eine Rakete bauen zu wollen, da seine eigene Fratze drauf zu malen und somit Millionen "Söder zum Mond schießen"-Memes zu provozieren, hat schon was.



Das ist so unfassbar geisteskrank, geradezu Trumpisch irre, daß es schon wieder gut ist!


Es brauchte offensichtlich einen derart abgehobenen (Wortwitz!) und weltfremden (Wortwitz!) Ministerpräsidenten, der so in seinen höheren Sphären (Wortwitz!) schwebt, daß auch hartnäckige CSU-Wähler den Mann an die Luft setzen (Wortwitz!) wollen.

Es gehört zu den Beobachtungen, die ich als Langzeitsingle gemacht habe, daß Menschen, die immer in festen Beziehungen waren vor Allem deshalb eine Beziehung wünschen, weil sie es gewöhnt sind. Sie mögen sich nicht trennen, weil sie Angst vorm Alleinsein haben. Für ein mögliches Beziehungsende ist also weniger die gestörte Chemie zum Partner entscheidend, als die bange Frage was anschließend kommt.
So ist das auch mit den Bayern und ihrer CSU. Die sind nun schon seit einem halben Jahrhundert fest zusammen und können sich gar nicht mehr vorstellen eigene Wege zu gehen.
Das wurde zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Die Wähler klammerten sich so stark an die CSU-Staatspartei, daß sie immer in der Nähe der absoluten Mehrheit taxiert wurde. Die Partei war also immer so stark, daß latent unwillige Wähler ohnehin wußten weiter von der CSU regiert zu werden und da will man nicht zu den Verlierern gehören, die etwas anderes gewählt haben, wenn anschließend die innige Wähler-Gewählte-Zweisamkeit fortgesetzt wird.

Sicher, nach dem Stoiber-Rauswurf und den Kabalen zwischen Ministerpräsident Beckstein und Parteichef Huber gab es 2008 schon mal eine ausgesprochene Wahlfaulheit (Beteiligung 57,9%) und einen damit verbundenen CSU-Absturz auf 43,4%.
Aber das war einerseits eine Verkettung unglücklicher Umstände (die vorherige Wahl lief die Stoibers Kanzlerkandidatur trotzig historisch gut, aber dann vermasselte er den Rückzug und man konnte sich noch nicht mal auf einen alleinigen Nachfolger einigen) und andererseits war die CSU immer noch so unglaublich stark, daß ein parteifremder Regierungschef außerhalb jeder Vorstellungskraft war. Die Wähler erschraken auch, schämten sich und gaben Seehofer im Jahr 2013 brav die absolute CSU-Mehrheit zurück.

Im Jahr 2018 gibt es ein völlig neues Bild: Erst konnte der frei drehende MP Seehofer sich nicht von der Macht lösen, verlegte sich auf pure Obstruktion, dann kam ein historisch unbeliebter Fränkischer Evangele als Nachfolger, der von Fettnapf zu Fettnapf sprang, während der alte Parteichef im fernen Berlin die eigene Bundesregierung talibanisierte und seine ganze politische Kraft darauf verwendete die eigene Schwesterpartei zu demütigen.
Außerdem gibt es einerseits die AfD als Wahlalternative für die faschistoid denkenden CSU-Wähler und andererseits das Grüne Beispiel aus dem Nachbarstaat Baden Württemberg.
 Dort hatte auch seit gefühlten 400 Jahren eine äußerst konservative Unionslandespartei regiert und alle Posten im Ländle okkupiert, bis 2011 durch eine Verkettung spezieller Grünen-freundlicher Umstände (EnBW-Desaster, Fukushima, Stuttgart 21, halbkrimineller CDU-MP, konservativer Grünen-Geront als Spitzenkandidat) plötzlich die ewige Regierungspartei in die Opposition geschickt wurde.
Das war zwar eine riesige Sensation, aber alle Beobachter waren sich sicher bei der nächsten Landtagswahl wieder geordnete CDU-Verhältnisse zu bekommen, nachdem Grün-Rot die schwäbische Wirtschaft in den Abgrund gerissen haben würde. Nachbar-MP Seehofer bot sofort großzügig allen baden-württembergischen Firmen auf der Flucht vorm grünroten Chaos Asyl in Bayern an.

Das eigentlich Wunder ereignete sich aber erst in den Regierungsjahren 2011-2016: BW ging nicht unter, die Wirtschaft starb nicht, die Stuttgarter mussten nicht Hunger leiden und in Erdhöhlen hausen.
Nein, diverse Unternehmer waren sogar ganz angetan von ihrem grünen MP und so rief der bundesweit bekannte stockkonservative Trigema-Chef Grupp 2016 zur Wahl Kretschmanns auf. BW ging es nämlich sogar besser als je zuvor unter Grüner Regierung.
Nun brachen die Dämme. 2016 verlor die einstige Überpartei CDU noch mal 12 Prozentpunkte, die Grünen kamen auf über 30%.

Etwas Ähnliches zeichnet sich in Bayern schon vor der Landtagswahl in 10 Tagen ab. Nachdem die CSU einmal unter die magische Marke von 40% gefallen ist, brechen alle Dämme.
Plötzlich erscheint alles möglich und selbst 150%ige Bayern gewöhnen sich an den Gedanken auch mal nicht die CSU wählen.
Die Werte sind im freien Fall.


Was für ein Megadesaster für die AfD-affine xenophobe Strategie der CSU.


[….] Kurz vor der bayerischen Landtagswahl ist die CSU im ARD-"Bayerntrend" auf ein Rekordtief von 33 Prozent abgerutscht. Nach der am Donnerstag veröffentlichten Umfrage würde die Regierungspartei nicht nur die absolute Mehrheit klar verfehlen. Rechnerisch wäre im Freistaat derzeit sogar eine Viererkoalition gegen die CSU möglich - auch ohne Beteiligung der AfD. [….]

Die Zahl „33“ zeigt nun auch dem treuesten CSU-Wähler, daß es sicher keine Söder-Alleinregierung mehr geben wird.
Es werden Köpfe rollen müssen; Seehofer wird in die Wüste geschickt werden und vermutlich werden Typen Minister, die man sich die letzten 1000 Jahre niemals dort vorgestellt hätte.

[….] Die alte Gleichung "Bayern = CSU" gilt nicht mehr. Land und Wähler verändern sich - und die Partei verliert den Anschluss. [….]

Warum also überhaupt noch CSU wählen, wenn das die sicheren Wahlverlierer werden? Wenn die Dauerregierungspartei schon auf 33% weggerutscht ist, kommt es auf die Stimmen der Gewohnheitswähler auch nicht mehr an. Da könnten also durchaus noch ein paar mehr zu den Grünen rübermachen.